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Mehrheit in Berlin ist unzufrieden: Neuanfang ist alternativlos

Wahl Berlin 2023

Berlin (iz). Nach der spektakulären Wahlwiederholung in Berlin ist das Ergebnis schwer einzuordnen. Zwar ist der Wahlsieg der CDU eindeutig, aber es bleibt ungewiss, ob der Spitzenkandidat Wegner auch neuer Regierungschef wird. Obwohl der Wechsel in der Luft liegt, real ist eine Mehrheit dafür nicht sicher. Die Vorstellung, dass die Regierende Bürgermeisterin Giffey auf der Grundlage von 18 Prozent Zustimmung – bei niedriger Wahlbeteiligung – weitermacht, sorgt für Unmut. Ihrem ramponierten Ruf dürfte ein Festhalten an der Macht weiter schaden.

Für einen Neuanfang spricht die Unzufriedenheit der Berliner, denn 74 Prozent der WählerInnen sind „weniger bis gar nicht zufrieden mit der Arbeit des Senats“. Die Frage ist, welche politische Formation die Spaltung, die die Stadt zunehmend prägt, überwinden kann. Eine große Koalition oder ein anderes Wagnis, ein schwarz-grünes Bündnis, könnte zumindest den Versuch unternehmen, die Konflikte zwischen Auto- und Radfahrern, Einheimischen und Zuwanderern, Reichen und Armen zu befrieden.

Ob ein Regierungschef Wegner das intellektuelle Niveau und die persönliche Integrationskraft für ein derartiges Projekt hat, bleibt eine offene Frage. Ein Versuch wäre es wert. Die öffentliche Wahrnehmung der Hauptstadt ist desaströs; nur ein politischer Neuanfang könnte dies ändern. Es gibt auch gute Nachrichten: Der neue Flughafen funktioniert letztlich gut, bei jungen Leuten aus aller Welt ist die Stadt beliebt und die Integrationsleistungen der Stadt verdienen bei allen Problemen eine Würdigung. Nur einem neuen Senat dürfte es gelingen, dass die Stadt im Wandel fairer beurteilt wird.

Bundespolitisch ergeben sich aus der Wahl in Berlin zwei Signale: Die Rechtskonservativen können trotz der Symbolwirkung der Krawalle in der Silvesternacht nicht wirklich profitieren. Die FDP fliegt aus dem Parlament und wird sich als Verlierer der Politik der Bundesregierung Sorgen um ihre Zukunft machen müssen. Das Eintreten der Liberalen für einen schlanken Staat und mehr Verantwortung der Bürgerinnen für ihre Zukunft findet bei den Wählern kaum Zustimmung.

Die Deutsche Islamkonferenz muss sich wandeln, der Koordinationsrat auch. Von Khalil Breuer

(iz). Es war zweifellos ein souveräner Schritt des neuen und alten Bundesinnenminister, Thomas de Maiziere, die gute Idee der Islamkonferenz endlich in eine neue Form zu gießen. Zu lange ging es dabei nur um Sicherheitsfragen und um die falsche ­Reduzierung der seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Muslime auf das Problem „Integration”. Die Aufspaltung der Muslime in gute „liberale“ und böse „konservative“ Bewegungen war auch wenig zielführend. Sie führte im Gegen­teil zur endgültigen Politisierung einer Lebenspraxis. Die Bundesregierung deutet nun immerhin an, dass man bereit ist, sich jetzt neu aufzustellen.

Wichtig wird jetzt aber auch sein, dass der Koordinationsrat der Muslime seine Verantwortung ernstnimmt und sich ebenso an die geänderten Verhältnisse anpasst. Dringend notwendig ist eine Vertretung der Muslime, die nicht auf der antiquierten Ideologie eines angebli­chen Gegensatzes zwischen ­Immigranten und Deutschen beruht.

Der Historiker Ibn Khaldun, Begrün­der der muslimisch geprägten Sozialwissenschaften, machte die Interaktion zwischen Muslimen zum Thema. In seinem Monumentalwerk „Muqaddima“ beschrieb er mit „Asabijja“ eine Form sozia­len Zusammenhaltes, die den politi­schen Einfluss begründet. In die heutige Zeit übersetzt heißt dies, dass der KRM endlich auch in der muslimischen Gemeinschaft über die ethnischen Trenn­linien hinaus zusammenführen muss.

Eine Präsenz in Berlin, die sich zum Ziel macht, die unterschiedlichen Strömungen der Muslime ins Gespräch zu bringen oder aber thematisch die Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinaus zu fördern, ist schlicht überfällig. Der Koordinationsrat kann weder eine Art Botschaft abgeschotteter Verbände noch eine Einrichtung sein, die nur repräsentieren will. Es geht viel mehr um das Wirken nach Innen, also gleichermaßen um die Sichtung wertvoller Aktivitäten und die Vernetzung wichtiger Persönlichkeiten zum Vorteil aller Muslime in Deutschland. Verbandspolitik im Stile der 1980er hat dagegen keine Zukunft.

Nur gemeinsam können wir Muslime endlich aus der Defensive kommen und ein konstruktives Angebot an die Gesellschaft machen. Die Rolle der Stiftungen, der Halal-Wirtschaft oder der Zakat innerhalb der deutschen Gesellschaft sind nicht nur für uns selbst wichtige Zukunftsthemen.

Wir Muslime gehören bereits zu den Stützen der Gesellschaft! Die lokale und dezentrale Wirkung muslimischen Engagements ist es allein, die die verbreitete Angst vor Islam und Muslimen auf Dauer beheben kann.