Urteil über das Bedecken der Gesichts und der Hände von Schaikh Abdallah bin Bayyah veröffentlicht

Die Frage der Bedeckung von Gesicht und Händen bei Frauen war sowohl bei den muslimischen Gelehrten und bei den Gefährten des Propheten umstritten. Ibn Mas’ud war der Meinung, dass dies getan werden müsse, während ‘A’ischa (die Gattin des Propheten) der gegensätzlichen Ansicht war. Die Meinungsunterschiede beruhen auf der Interpretation des Verses: „Sie sollen ihren Schmuck nicht offen zeigen, außer dem, was sichtbar ist.“ (An-Nur, 31)

Einige Gefährten glaubten, dass Gesicht und Hände Objekte des scheinbaren Schmuckes sind, während andere der Ansicht waren, das, „was sichtbar ist“ auf die äußere Erscheinung bezogen ist. Das heißt, dem Körper, der zu sehen ist, nachdem eine Frau ihre Kleidung trägt, die sie voll bedeckt.

Nach der Zeit der Gefährten waren sich die Gelehrten in dieser Frage uneins. Die Mehrheit kam zu dem Schluss, dass das Gesicht und die Hände nicht Teil der ‘Aura (das heißt, der zu bedeckenden Stellen des Körpers) sind – wie Malik, Abu Hanifa, Ibn Hanbal und Imam Ahmad (so eines der verschiedenen Urteile, dass er in dieser Hinsicht fällte). Die Meinung in ihren Schulen erläutert jedoch, dass die Enthüllung von Gesicht und Händen nur dann gültig ist, wenn die Frau keine Fitna (das heißt, Versuchung) hervorrufen wird.

Aber für den Fall, dass Fitna befürchtet wird, haben die Gelehrten unterschiedliche Meinungen darüber, ob es erlaubt ist, Gesicht und Hände zu enthüllen. Einige sagen, dass der Mann seinen Blick senken muss und die Frau nicht verpflichtet ist, ihr Gesicht zu bedecken. Das ist die Meinung von Qadi ‘Ijad, welcher der malikitischen Denkschule angehörte. Er zitierte das Hadith, das die Geschichte einer Frau aus dem Stamm der Khath’am erzählt, die zum Propheten, Friede sei mit ihm, kam und er das Gesicht von Al-Fadl auf die andere Seite drehte, aber nicht anwies, dass sie ihr Gesicht bedecken sollte.

Viele Gelehrte sind der Meinung, dass eine Frau ihr Gesicht bedecken sollte, wenn Fitna zu befürchten sei. Die Frage ist eine kontroverse. Die authentische Meinung von Imam Ahmad weist darauf hin, dass eine Frau Gesicht und Hände in Gegenwart von Fremden verhüllen sollte. In dieser Hinsicht vertreten wir die Meinung, dass eine Frau ihr Gesicht und die Hände an Orten bedecken sollte, wo dies nötig ist.

Aber an anderen Orten, wo dies nicht nötig ist, weisen wir eine Frau an, zumindest ihren Kopf zu bedecken. Schlus­sendlich macht dieses Thema keine große Debatte oder Meinungsverschiedenheit nötig. Es gibt viele andere Themen und Pflichten, die wesentlich bedeutsamer sind als solch ein kleinerer Streit.

In dieser Hinsicht fordern wir muslimische Prediger, möge Allah sie belohnen, dazu auf, ihre Anstrengungen in sinnvolle Kanäle zu leiten und sich auf für die Muslime vitale Themen zu fokussieren; sie sollten sich um Einheit bemühen, nicht um Streit. Es ist akzeptabel, bei Einzelheiten anderer Meinung zu sein; insbesondere, wenn es sich dabei um eine Kontroverse handelt, die seit der Zeit der Prophetengefährten eine gewisse Begründung hat; ein Streit, der auf Texten des Qur’an und der Sunna beruht; ein Streit, der sich aus unterschiedlichen Interpretationen ableitet. Diejenigen, die eine streitbare Position vertreten, sollen nicht wegen eines schwachen Glaubens oder schlechten Absichten kritisiert werden. Eher sollte solch eine Meinung als respektabel und akzeptabel betrachtet werden, inscha’Allah.

Wir raten denjenigen, die kontroverse Meinungen vertreten, sich der Ursache des Streites bewusst zu machen und sich nicht gegenseitig des Unglaubens oder der Fälschung im Glauben zu beschuldigen. Die Angelegenheit ist flexibel und Allah hat für uns keine Härte in der Religion geschaffen. Er sagte: „Er hat (…) euch in der Religion keine Bedrängnis auferlegt.“ (Al-Hadsch, 78)

Beispielsweise kann die Meinung bezüglich einer Frau in Europa, ihr Gesicht und ihre Hände zu bedecken, dazu führen, dass sie Probleme mit der Polizei oder am Flughafen bekommt. In dem Fall wäre sich zu bedecken manchmal nicht erlaubt. Solche Arten von Fatawa sind von der Einsicht in die Zwecke der Scharia weit entfernt.

In solch einem Fall wäre es besser für sie, in ihrem eigenen Land zu bleiben, wenn sie ihr Gesicht und die Hände ­verhüllen will. Wenn sie aber in ein anderes Land reist, dann würde ihre Verhüllung von Gesicht und Händen ein größeres Problem verursachen als jenes, das durch die Enthüllung von Gesicht und Händen entsteht. Und Allah weiß es am Besten.

Kritische Auseinandersetzung ja, Panikmache nein

„So wird ‘Feindbeobachtung’ schnell zum Geschäft und die so medial aufgewertete Bewegung für rebellierende und orientierungslose Jugendliche erst richtig attraktiv. Nötig ist eine klare Position gegen salafistisch angehauchte Ideologie, jedoch keine Panikmache.“

(iz), Sie sind eine kleine Minderheit, die Salafisten. Innerhalb dieser Minderheit gibt es eine noch kleinere Minderheit, die tatsächlich gewaltbereit ist. Für sie wiederum gilt das durchaus treffende Bonmot von Sicherheitsleuten: „Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist, aber alle Terroristen sind Salafisten.“

Natürlich ist es schlimm genug, dass es muslimische Extremisten gibt, für die ein Selbstmordattentat oder terroristische Aktivitäten – im Gegensatz zur absoluten Mehrheit der Muslime – keine Tabus sind. Aber es lohnt sich dennoch, auf dem Teppich zu bleiben. Nachdem der unbestimmte Begriff des „Islamismus“ völlig unterschiedliche Menschen auf fatale Weise in eine Schnittmenge zusammenfügte, lohnt sich auch beim Schlagwort „Salafismus“ die Differenzierung nicht völlig aufzugeben.

Wie in jeder anderen Religion gibt es auch im Islam eine Orthodoxie, die versucht, sich dem Wandel der Zeit zu entziehen. Nur gilt: Orthodox zu sein oder sein zu wollen, ist noch kein Verbrechen. Und in einer freien Gesellschaft hat auch die religiöse Orthodoxie, die keinem schadet oder schaden will, ihre Daseinsberechtigung.

//2//Auf Extremismus kann man nicht extrem reagieren. Eine ganzer Zweig der Sicherheitsindustrie widmet sich nun inzwischen mit dem Salafismus – auf diversen Konferenzen, die übrigens meist recht einseitig besetzt sind – und beschwört lautstark die Gefahren für die Jugend und den Staat. In Medien wird nebenbei auch ein Bart oder ein Kopftuch mit dem „Schrecken“ aus dem Mittelalter assoziiert.

Auch Vorfeldorganisationen des Verfassungsschutzes beschützen, mit enormen Mitteln ausgestattet, tatkräftig die demokratische Kultur. Nachdem der „Islamismus“ keine reale Gefahren gezeitigt hat und auch keine grünen Fahnen auf absehbarer Zeit auf dem Reichstag wehen werden, suchen zahlreiche Experten nach neuer Beschäftigung.

So wird „Feindbeobachtung“ schnell zum Geschäft und die so medial aufgewertete Bewegung für rebellierende und orientierungslose Jugendliche erst richtig attraktiv. Nötig ist eine klare Position gegen salafistisch angehauchte Ideologie, jedoch keine Panikmache.

Konferenzbericht: Debatte über Medien und Islamfeindlichkeit im französischen Lille. Von Malik Özkan

(iz). Unzweifelhaft gibt es zu einem gewissen Grad vorurteilsbeladene und unfaire Einstellungen gegenüber Muslimen in Europa. Dies gilt vor allem für die in Westeuropa lebenden Muslime – und hier insbe­sondere […]

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"Briefe, die abzuschicken wir uns nicht getrauten"

“Was ich mit der Überbewertung meinte, ist, dass das Kopftuch schon fast mit Islam gleichgesetzt wird. Es wird unter vielen Muslimen so viel über das Kopftuch geredet, dass man denken […]

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