, ,

Ein relevantes Leak: Veröffentlichung hessischer NSU-Akten sorgt für Diskussionen

Hassverbrechen

Ein Bericht des hessischen Verfassungsschutzes über den NSU-Terror sollte eigentlich 30 Jahre geheim bleiben. Doch nun hat Jan Böhmermann Unterlagen veröffentlicht, was hohe Wellen schlägt. Von Andrea Löbbecke und Birgit Reichert

Wiesbaden/Berlin (dpa). Die Veröffentlichung mutmaßlicher Geheimakten des hessischen Verfassungsschutzes zum NSU auf der Plattform „Frag den Staat“ und bei „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann sorgt für politischen Wirbel. Aus Sicht der Linken kann sich die Öffentlichkeit damit ein eigenes Bild vom Umgang des Verfassungsschutzes mit dem rechten Terror machen. Die CDU warf Böhmermann dagegen vor, die Pressefreiheit überschritten zu haben.

Bei dem seit 28. Oktober abrufbaren Dokument handelt es sich laut Deckblatt um einen Abschlussbericht zur Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen im Jahr 2012. Der Bericht ist auf den 20. November 2014 datiert. Zunächst gab es keine offizielle Bestätigung für die Echtheit der Dokumente vom hessischen Innenministerium oder Verfassungsschutz.

„Wir glauben, die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, was genau in jenen Dokumenten steht, die ursprünglich für mehr als ein Jahrhundert geheim bleiben sollten“, heißt es auf der dazu eingerichteten Webseite von „Frag den Staat“ und „ZDF Magazin Royale“. Um die Quellen zu schützen, seien die Akten komplett abgetippt und ein neues Dokument erstellt worden, um keine digitalen Spuren zu hinterlassen, schrieb Böhmermann auf Twitter.

Das LfV teilte mit, es prüfe die veröffentlichten Dokumente. Bei daraus folgenden erforderlichen Maßnahmen, vor allem „im Hinblick auf enthaltene personenbezogene Daten und tangierte Staatswohlbelange“, stehe man „im Austausch mit den Polizei- und Verfassungsschutzbehörden“.

Nach Einschätzung der hessischen Linken entsprechen die Dokumente offenkundig dem Original. „Sie scheinen vollständig und inhaltsgleich transkribiert worden zu sein“, sagte der innenpolitische Sprecher im Landtag, Torsten Felstehausen. Man habe die Texte nebeneinander gelegt und verglichen. Die Abgeordneten hätten im Untersuchungsausschuss Zugang zu den Originalakten gehabt.

Die Linke begrüßte die Veröffentlichung. „Dafür haben wir Jahre gekämpft“, sagte die Bundesvorsitzende Janine Wissler. „Endlich kann die Öffentlichkeit sich ein eigenes Bild davon machen, wie der sogenannte Verfassungsschutz über Jahre mit Hinweisen auf rechten Terror umgegangen ist.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im hessischen Landtag, Holger Bellino, warf Böhmermann vor, die Pressefreiheit überschritten zu haben. „Es ist nicht auszuschließen, dass Extremisten durch die Verknüpfung dieser Informationen aus anderen Dokumenten Rückschlüsse auf Arbeitsweise und Informanten der Sicherheitsbehörden ziehen können.“ Dadurch könnten „Menschenleben gefährdet und die Arbeit der Sicherheitsbehörden nachhaltig erschwert werden“.

Der „Nationalsozialistische Untergrund“ hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer der Rechtsterroristen waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin.

Die sogenannten NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes sind Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Akten und Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU untersucht hatte. Um sie gibt es seit Jahren Streit. Die Akten waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Mehr als 130 000 Personen hatten in einer Petition die Veröffentlichung gefordert.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im hessischen Landtag, Mathias Wagner, erklärte, die Schlussfolgerungen, die das „ZDF Magazin Royale“ aus dem als „NSU-Akten“ bezeichneten Bericht gezogen hätten, deckten sich mit den Bewertungen, „die bislang aus unserer Sicht alle gezogen haben, die die Akten gelesen haben“.

Die Unterlagen zeichneten ein desolates Bild über den Zustand des Verfassungsschutzes in den damaligen Jahren, erklärte Wagner unter dem Vorbehalt, dass die Dokumente echt sind. Neue Bezüge zum NSU könnten allerdings nach bisherigen Erkenntnissen nicht hergestellt werden.

Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags für den Verfassungsschutz habe einen Sonderermittler mit der erneuten Sichtung der Akten beauftragt, erklärte Wagner. Dabei solle auch den in der Petition zur Freigabe der Akten aufgeworfenen Fragen erneut nachgegangen werden.

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, teilte am Sonntag mit, die Öffnung der Akten würde einen wichtigen Beitrag leisten, Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherzustellen.

,

NSU-Enttarnung vor zehn Jahren: Was wussten die Sicherheitsbehörden?

Die Angehörigen der Mordopfer des NSU tragen eine schwere Last: Der Verlust des geliebten Menschen. Die falschen Verdächtigungen. Und viele nagende Fragen, auf die es bis heute keine Antworten gibt. Wie konnten die Rechtsterroristen so lange unbehelligt bleiben? Von Anne-Béatrice Clasmann und Stefan Hantzschmann

Berlin (dpa). Zwei Leichen und acht Schusswaffen in einem brennenden Wohnmobil: Mit diesem grausigen Fund in Eisenach in Thüringen flog vor zehn Jahren die NSU-Terrorzelle auf. Erst nach dem blutigen Ende von Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos am 4. November 2011 dämmert der Polizei, dass es Neonazis waren, die zwischen 2000 und 2007 acht Gewerbetreibende mit Wurzeln in der Türkei, einen griechischen Schlüsseldienstbetreiber und eine junge Polizistin töteten.

Dass nach den Attentaten jahrelang in die falsche Richtung ermittelt wurde – die Vermutungen gingen in Richtung Drogengeschäfte und Organisierte Kriminalität, auch trauernde Angehörige gerieten unter Verdacht – hat tiefe Spuren hinterlassen. „Die NSU-Mordserie hat sich wirklich in das kollektive Gedächtnis von türkeistämmigen Menschen eingebrannt“, resümiert die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD). Das Vertrauen in Polizei und Verfassungsschutz sei damals schwer beschädigt worden. Bis heute sei dieser Schaden nicht wirklich behoben, denn „danach gab es noch viele weitere rassistische und rechtsextremistische Anschläge – sie wurden auch nicht verhindert“.

Für den Dachverband wiegt schwer, dass das Versprechen, das Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Februar 2012 bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des NSU gab, aus Sicht der TGD nicht erfüllt wurde. Merkel hatte gesagt: „Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.“

Vom NSU-Trio selbst konnte nur noch Beate Zschäpe vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden. Das Oberlandesgericht (OLG) München verurteilte sie als Mittäterin zu lebenslanger Haft. Außerdem stellten die Richter die besondere Schwere der Schuld fest. Ralf Wohlleben wurde als Waffenbeschaffer wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Haft verurteilt, Holger G. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren Haft. Diese Urteile sind bereits rechtskräftig. André E. wurde wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, über eine Revision ist hier noch nicht entschieden.

Die Arbeit der Behörden „war in Teilen geprägt von chaotischen Zuständen und Mitarbeitern, an deren fachlicher Eignung Zweifel angemeldet werden dürfen“, meint der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser. Inwiefern der Verfassungsschutz über seine Quellen Informationen zu der Terrorzelle und ihrem Unterstützerumfeld erlangen konnte, sei bis heute nicht geklärt, kritisiert der Bundestagsabgeordnete.

Der Berliner Politologe und Buchautor Hajo Funke („Staatsaffäre NSU“), macht seine Kritik auch an Personen fest. Er sagt: „In der Zeit vor der Enttarnung des NSU hat vor allem der bayerische Innenminister Günther Beckstein von der CSU verhindert, dass die Ermittlungen zu dieser Mordserie in Richtung Rechtsextremismus gingen. Dabei gab es schon damals im Bundeskriminalamt durchaus Beamte, die der Frage nachgehen wollten, ob da Rechte hinter stecken.“ Das habe ihm der Anfang September verstorbene ehemalige BKA-Vizepräsident Jürgen Maurer noch kurz vor seinem Tod bestätigt. „Später war es Hans-Georg Maaßen, der nach dem Skandal um geschredderte Akten als neuer Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz eigentlich einen Neuanfang in dieser Behörde hätte anstoßen sollen, der die lückenlose Aufklärung zum NSU-Komplex behindert hat.“

Vor allem zwei Fragen treiben Beobachter, Ermittler, Anwälte, die Angehörigen und auch Maaßens Nachfolger Thomas Haldenwang bis heute um: Was war das Motiv für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn? Und ist es wirklich möglich, dass sich ein Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz während der Ermordung des Internetcafé-Betreibers Halit Yozgat in Kassel in direkter Nähe aufhielt, aber trotzdem nichts sah oder hörte?

Buchautor Funke hat auch Zweifel an der offiziellen Darstellung dessen, was am 4. November 2011 in dem Wohnmobil geschah. Dass zwei schwer bewaffnete Terroristen, die schon oft getötet haben, ihrem Leben ein Ende setzen, weil sich zwei Polizisten ihrem Fahrzeug nähern, leuchtet ihm nicht ein. Er sagt: „Das war kein doppelter Selbstmord. Davon gehe ich aus. Wie es zum Tod der beiden Terroristen kam, das wissen wir bis heute nicht. Auch die Aufklärung zum Unterstützerkreis des Trios bleibt bis heute lückenhaft.“

Die frühere Obfrau der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Irene Mihalic, fragt sich bis heute: „Wie waren die hessische und die Dortmunder Nazi-Szene eingebunden in die NSU-Morde in Dortmund und Kassel?“ Aus ihrer Sicht wäre es „sehr verwunderlich, wenn gerade der Verfassungsschutz mit V-Leuten in unmittelbarer Nähe des Trios auf den Etappen seines Wirkens im Untergrund keine Kenntnisse zu diesem gehabt hätte“.

In Thüringen arbeiteten nach dem Auffliegen des NSU zwei Untersuchungsausschüsse die Verfehlungen von Sicherheitsbörden auf. Die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes wurde reformiert, die Kontrolle durch das Parlament gestärkt. Die Thüringer Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss kommt zu der Einschätzung, dass der Verfassungsschutz weiterhin nicht ausreichend in der Lage sei, rechte Strukturen zu erkennen.

„Es ist einiges in Bewegung gekommen, aber wir sind noch lange nicht da, wo wir gerne hingekommen wären“, sagt die SPD-Landtagsabgeordnete Dorothea Marx, die maßgeblich in beiden Untersuchungsausschüssen mitwirkte. Ein Dunkelfeld sei immer noch die Rolle der Polizei beim Behördenversagen zur Aufklärung der NSU-Taten geblieben, findet Marx. Man habe nicht herausfinden können, was möglicherweise Vertrauenspersonen der Polizei wussten. „Da hatten wir keine uneingeschränkte Akteneinsicht mehr.“

Der Magdeburger Soziologe und Extremismus-Experte Matthias Quent schrieb nach dem Auffliegen des NSU seine Doktorarbeit über die Terrorgruppe. Er hält es für schwer vorstellbar, dass heute noch eine solche Mordserie verübt werden könnte, ohne dass ein rassistisches oder rechtsextremes Tatmotiv in Erwägung gezogen wird. „Das liegt aber nicht unbedingt an den Schlussfolgerungen, die struktureller Natur in den Behörden gezogen wurden“, sagte Quent. Grund sei vielmehr, dass sich Betroffene heute stärker zu Wort meldeten.

Die Türkische Gemeinde sieht bis heute Rassismus und ungelöste „strukturelle Probleme“ bei der Polizei und „keinen Willen zur Veränderung“. Sie kritisiert: „Gefühlt jede Woche wird eine neue rechtsextreme Chatgruppe der Polizei aufgedeckt“. Mihalic sagt: „Die massiven Ermittlungsfehler und der mangelnde Aufklärungswille in deutschen Sicherheitsbehörden hat das Vertrauen zahlreicher Menschen mit Migrationsgeschichte in die Sicherheitsbehörden nachhaltig geschwächt.“ Die Grünen wollen auf Bundesebene einen unabhängigen Polizeibeauftragten schaffen, auch um „etwaige rassistische Vorkommnisse und Ermittlungen“ schneller zu erkennen.

, , ,

„Aus dem NSU-Skandal wurde nichts gelernt!“

NSU Polizei

Köln. Anlässlich der Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte einer Frankfurter Polizeidienststelle erklärte der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici:

„Die Hinweise auf rechtsextremistische Strukturen in der Frankfurter Polizei schockieren. Sollte sich bestätigen, dass Polizisten ihr Amt missbrauchen, auf Melderegister-Daten zugreifen, um Kontaktdaten einer NSU-Nebenklage-Anwältin zu erhalten, um sie und ihr Kind dann zu bedrohen, dann kann nicht nur von einem singulären Versagen gesprochen werden, sondern es geht um ein strukturelles Problem! Wir solidarisieren uns mit Frau Rechtsanwältin Başay-Yıldız und ihrer Familie.“

Kesici sagte weiter: „Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie unbekümmert mit den Erfahrungen aus dem NSU-Verfahren umgegangen wird und wie halbherzig anscheinend die Empfehlungen aus den parlamentarischen Untersuchungskommissionen umgesetzt werden. Denn, wie kann man sich sonst erklären, dass sich innerhalb einer Polizeidienststelle unbemerkt womöglich eine rechtsextremistische Gruppierung bildet, die sich ausgerechnet ‚NSU 2.0’, nennt.

Außerdem nimmt der Fall auch immer größere Dimensionen an: Denn ermittelt wird nun auch gegen Beamter anderer Polizeidienststellen.

NSU-Sympathisanten bei zahlreichen Polizeibehörden

Hinzu kommt, dass obwohl der Fall seit drei Tagen in der Öffentlichkeit diskutiert wird, landespolitische Vertreter sich aber nur zögerlich dazu äußern. Mit solch einem Verhalten erwecken sie den Eindruck, den Ernst der Lage nicht richtig einzuschätzen. Denn in den letzten Monaten und Jahren wurden wir immer wieder Zeugen dessen, dass insbesondere in den Sicherheitsbehörden Personen mit rechtsextremistischem Gedankengut arbeiten und konspirativ aktiv werden.

Man denke da nur an den Fall der beiden Polizisten in Sachsen, die sich für einen Einsatz als Tarnnamen den Namen des NSU-Terroristen ‘Uwe Böhnhardt’ gaben oder diesen Tarnnamen bekommen haben. Oder an den Falls des Dresdner Justizbeamten, der den Haftbefehl für den damaligen mutmaßlichen Mörder in Chemnitz veröffentlichte. Selbstverständlich dürfen solche Fälle nicht zu einem Generalverdacht führen. Aber solche Personen und Strukturen müssen aus dem Verkehr gezogen werden.

Nach so vielen Vorfällen in nur kurzer Zeit muss der Ernst der Lage von Behörden und Politik erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. PolizistInnen und Beamten im Allgemeinen, die solche Strukturen in ihren Behörden erkennen, muss es vereinfacht werden, diese zu melden. Dies kann nur erfolgen, wenn unabhängige zivile Ombudsstellen eingerichtet werden.“

Festnahmen von vier mutmaßlichen Rechtsextremisten

Karlsruhe (dpa) Die Bundesanwaltschaft hat bei Razzien in mehreren Bundesländern am Mittwoch vier mutmaßliche Rechtsextremisten festnehmen lassen. Die drei Männer und eine Frau stehen demnach in dem dringenden Verdacht, gemeinsam mit anderen die rechtsterroristische Vereinigung «Oldschool Society» (OSS) gegründet und Anschläge auf Moscheen und Asylbewerberheime geplant zu haben.

Dafür sollen die Festgenommenen ersten Erkenntnissen zufolge Sprengstoff besorgt haben. Bei einer Durchsuchung wurden demnach pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft sowie weitere Beweismittel sichergestellt. Inwieweit die vier konkrete Anschlagsziele ins Auge gefasst hatten, muss die Bundesanwaltschaft noch ermitteln. Zwei der Beschuldigten, ein 56-jähriger und ein 39-jähriger, sollen Rädelsführer der Gruppe gewesen sein.

Alle vier sollen noch am Mittwoch und am Donnerstag dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt werden. Zuerst hatte «Spiegel Online» von den Razzien und Festnahmen berichtet.

Folgt uns für News auf:
https://www.facebook.com/islamischezeitungde

und:
https://twitter.com/izmedien

Noch kein IZ-Abo? Dann aber schnell!
http://www.islamische-zeitung.de/?cat=abo

,

Wie der NSU-Skandal immer wieder Vertrauen zerstört

Die Pannen und Schlampereien bei der Aufarbeitung der Mordserie, welche dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugerechnet werden, sorgen in Deutschland weiterhin für Furore. Obwohl der Nachrichtenwert im Gegensatz zu Beginn der […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

Die IZ-Blogger: Fünf brennende Moscheen oder fünf Möchtegern-Sheriffs?

(iz). Es ist ein neuer Sheriff in der Stadt und mischt die Gesellschaft ordentlich auf. Gefundenes Fressen. Mit Mühe vermied man eine breite Thematisierung der jüngsten Anschläge auf Moscheen und freut sich nun umso mehr, wenn man über den Islamischen Staat und die so genannte Scharia-Polizei berichten kann. Ein interessanter Kommentar eines Lesers dazu: „Das haben die Geheimdienste aber wieder schlau eingefädelt.“ Und man bekommt tatsächlich das Gefühl, dass da genau zum richtigen Zeitpunkt die nötige Ablenkung herbeigeführt wurde.

Die üblichen Verdächtigen. Immer, wenn man einen neuen „Islamismus“-Skandal benötigt, sind die richtigen Chaoten zu Stelle. Beim näheren Hinschauen sind die Geschehnisse damals in Solingen, Bonn und nun in Wiesbaden durch verschiedene Akteure angefeuert worden; doch bei noch genauerem Hinsehen verschwimmt die Masse wieder ineinander. Ob es nun einzelne Freundschaften sind oder vorangegangenes gemeinsames Auftreten: Die grimmigen Halbstarken sind vom gleichen Schlag. Und immer wieder typisch ist, dass emotionalisierte Jugendliche instrumentalisiert werden. Es ist die Gattung Mensch, die ihre zumeist gute Absicht ausnutzen lässt.

Die Empörung ist groß. Zu groß? Eine Regierung, die sich lieber über fünf Möchtegern-Sheriffs aufregt, die sich selbst zur „Schariah-Polizei“ erklärten, anstatt über fünf brennende Moscheen. Sigmar Gabriel setzte Zeichen (wir berichteten), Merkel aber zieht das Schweigen vor. So ist sie eben, könnte man meinen. Einer Kanzlerin ist diese Ignoranz aber unwürdig. Dass diese Truppe aber ausschließlich Muslime belästigt und auf Kritik via Facebook mit Beleidigungen gegen andere Muslime reagiert, wird nicht erwähnt.

Ebenso wenig, wie dass auch durch den IS-Terror fast ausschließlich Muslime bedroht sind. Das ist alles nicht so markteffektiv, versteht sich. Werden dadurch Muslime bewusst in die Defensive gezwungen? Wieder einmal muss sich jeder distanzieren. Wir hören erneut, was die Muslime des öffentlichen Lebens alles so ablehnen, eigene Inhalte kommen zu kurz. Man verfällt in das typische Muster der Abgrenzung und macht für diesen Moment eine Erweiterung unmöglich. Negativität beherrscht die Schlagzeilen. Was jene, die nur sprechen, um zu betonen, was sie falsch finden, richtig finden, erfährt man nur selten.

Die so genannte Islamdebatte ist wieder voll im Gange. Online wird sie geschickt von Islamhassern angeführt. Dem Muslim bleibt nichts übrig, als zu betonen, dass es sich dabei alles nur um modernistische Sektenanhänger handelt und es nicht für die klassischen Muslime gilt. Aber darauf sind die eingefleischten Kampfdiskutanten eingestellt. Ihre Rhetorik und ihre Taktik zielen darauf ab, die Muslime genau in diese Ecke zu drängen, in der ihnen nichts als Sympathie für das muslimische Gegenbild zu den Hasserfüllten bleibt. „In Wahrheit steht ihr dahinter“, wird einem pausenlos aufgedrückt.

Mit der Scharia an sich haben die Hobby-Hobbylosen sehr wenig zu tun. Böse sind sie auch nicht wirklich; im Grunde genommen sind sie einfache Jungs, denen es an islamischer Bildung fehlt. Da, wo die Gebildeten hätten Bildung anbieten müssen, und es versäumten, entsteht Missbildung. Schuld der Gesellschaft? Unter anderem. Aber auch, oder vor allem, die muslimischen Verbände müssen sich fragen, was sie alles falsch machten, damit derartiges geschehen konnte. Fehler macht jeder, die Medien beschwören aber eine Paralleljustiz. Weh getan haben die Jungs keinem. Im Gegenzug wird der gesamten muslimischen Community wehgetan, mental und gesellschaftlich. Angst ist und bleibt ein gutes Geschäftsmodell für die Medien.

Nach dem NSU-Skandal bleibt es wohl umso interessanter zu hinterfragen, welche Rolle V-Männer in der Szene spielen.

,

Muslime wollen Neustart in politischer Debatte über den Islam

Berlin (KNA). Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, erhofft sich von den Koalitionsverhandlungen einen Neustart für die deutsche Religionspolitik hinsichtlich der Muslime. Die dritte Auflage der […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

NSU-Prozess & Bertelsmann-Studie: Presseerklärung der European Muslim Union (EMU) zu wichtigen Themen für die Muslime in Westeuropa

(EMU). Der angekündigte Prozess gegen Beate Zschäpe, dem einzigen überlebenden Mitglied des rechtsextremen Terrornetzwerk NSU, vor einem Münchener Gericht sowie die jüngste Veröffentlichung der Bertelsmann Stiftung (einer führenden und einflussreichen Denkfabrik) über anti-religiöse, insbesondere anti-muslimische Einstellungen in Deutschland hat die Europäische Muslimische Union (European Muslim Union EMU) dazu veranlasst, diese beiden wichtigen und zusammenhängenden Fragen zu beleuchten.

Laut Angaben des jüngsten „Religionsmonitors“ der Bertelsmann Stiftung über Einstellungen zu religiösen Fragen in der deutschen Gesellschaft (die sich im weiteren Rahmen auch auf vergleichbare europäische Gesellschaften übertragen lassen) zeichnen aufgrund der Angaben von 14.000 Befragten (lt. dpa-Meldung) ein ambivalentes Bild. Auf der einen Seite begrüßt die Mehrheit aller Personen „religiöse Vielfalt“ in ihrem Land. Auf der anderen betrachten 51 Prozent der Befragten in Westdeutschland (und 57 Prozent im Osten) den Islam als „Bedrohung“ für ihre Gesellschaft. Nach Ansicht der Autoren stehen die Zahlen im Zusammenhang mit Einstellungen in anderen europäischen Ländern und den USA.

Parallel zur Veröffentlichung der Bertelsmann-Erhebung bereitet sich Deutschland auf den lang erwarteten Prozess gegen das einzig überlebende Mitglied des rechtsextremen Terrornetzwerkes vor. Diese Untergrundgruppe soll während ihres Bestands mehrheitlich türkisch-muslimische Opfer ermordet haben. Jenseits der Aufregung um den Umgang des Gerichts mit der Sitzplatzverteilung für Medien sind das Verfahren, aber auch die anhaltenden Untersuchungen zum Hintergrund dieses einheimischen Terrorismus von vorrangiger Bedeutung für die muslimische Gemeinschaft in Deutschland.

//2// Duisburg: Begegnung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in einer der größten Moscheen Deutschlands. (Foto: Mercator Stiftung)

Nach Ansicht der EMU müssen „ein ernsthaftes Verfahren sowie eine gründliche Untersuchung herausfinden, wie und in welchem Ausmaß Elemente der internen Sicherheitsorgane Deutschlands über die Schaffung eines Terrornetzwerkes informiert und gegebenenfalls daran beteiligt waren, das gezielt muslimische Einwohner Deutschlands zu Opfern machte“.

„Weiterhin – und ebenso wichtig – sollten zivilgesellschaftliche und muslimische Vertreter in Deutschland die Frage stellen, auf welche Weise die gleichen Regierungsorgane verdeckte Ermittler – aber auch Agents Provocateurs – innerhalb von radikalen Gruppierungen der muslimischen Gemeinschaft platzierten. Nachweisbare Fälle und Gerichtsverfahren innerhalb und außerhalb Deutschlands sind Grund genug, dass dominante Narrativ einer ‘homegrown‘ Bedrohung durch die muslimischen Gemeinschaften Europas in Frage zu stellen.“

„Trotz dieser Sorge muss festgehalten werden, dass die europäischen Muslime im Allgemeinen natürlich Hand in Hand mit ihren jeweiligen Regierungen gegen jede Form von Terrorismus zusammenarbeiten wollen.“

„Trotz existierender anti-muslimischer Vorurteile ist die beste Antwort darauf ein aktives und positives Engagement innerhalb der europäischen Gemeinschaften“, so das Statement. „Dies beinhaltet offene und attraktive Moscheen und lokale muslimische Gemeinschaften, eine professionelle Medien und PR-Arbeit, aber auch die Entwicklung von sozio-ökonomischen Projekten. Diese belegen die historische Wahrheit, dass aktive muslimische Gemeinschaften immer ein positiver Bestandteil in Europas Geschichte waren.“

„Um dieses Ziel zu erreichen“, so die EMU-Erklärung, „wird es notwendig sein, eine ethnische Re-Orientierung und Selbstisolation von migrantischen muslimischen Gemeinschaften in Westeuropa zu vermeiden. Der erfolgreiche Weg zur Begegnung von negativen Wahrnehmungen ist eine dynamische soziale Realität in Westeuropa und eine Geisteshaltung, die auf die kommende muslimische Identität in Westeuropa fokussiert ist. Diese ist stärker als die überholten ethnischen und politischen Loyalitäten gegenüber den Herkunftsländern ihrer Eltern.“ (Übersetzung: mö)

Der Verfassungsschutz auf „islamistischen“ Abwegen. Wenn Behörden Muslime stigmatisieren

(Deutschlandradio). Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll seine Arbeits­weisen überdenken. So will es der neue Präsident Hans-Georg Maaßen. Die deutschen Muslime hören diese Ankündigung wohl, aber nehmen sie mit Skepsis auf. Denn sie haben die Erfahrung machen müssen, dass Verfassungsschützer nicht etwa aufklären, sondern das muslimische Leben in Deutschland beeinflussen – einseitig und überhaupt nicht positiv.

Erst recht ist das Vertrauen in die Sicher­heitsbehörden enttäuscht, seit bekannt wurde, dass eine Serie von Fahndungspannen verhindert hat, die Morde der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) frühzeitig zu stoppen. Stattdessen verdächtigte die Polizei viele Jahre lang die Opfer und ihre Familien, Mittäter in einem kriminellen Milieu zu sein. Während der Verfassungsschutz im Bund wie in den Ländern geheimniskrämerisch die Strafverfolgung hintertrieb.

Und kürzlich berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ von einem lange schwe­lenden Konflikt im Bundesamt, der sich an islamfeindlichen und rassistischen Äußerungen entzündet habe. Sie werden ausgerechnet Mitarbeitern angelastet, welche die islamische Gemeinschaft zu beobachten haben.

Verfassungsschutzberichte markieren Muslime und deren Gemeinden nicht selten als „islamistisch“. Der Begriff ist so verbreitet wie unbestimmt. Über ­seine Deutung bestimmen Behörden und Islam­kritiker, nicht die Muslime selbst. Er stellt sie unter einen Generalverdacht, der weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) und viele andere etwa leiden seit langen Jahren unter dieser „Herrschaft des Verdachts“.

Als „islamistisch“ könnten streng gläubige Muslime angesehen werden. Ihre Koranauslegung, ihre Lebensweise und ihr Wertekanon mögen nicht in die Moderne, in die westliche Gesellschaft passen. Aber heißt dies, dass sie deswegen gleich unfriedlich und gefährlich sind, vielleicht gar Extremisten, die Gewalt predigen und anwenden, außerdem Recht und Demokratie ablehnen? Das könnte so sein. Aber dann müsste ­ihnen dies auch konkret vorgehalten und nachgewiesen werden.

Muslime gehen gesellschaftlich einen ebenso weiten Weg, wie es vor ihnen evangelische und katholische Christen in Deutschland taten. Auch sie lebten und leben noch immer mit doppelten Standards, mit den religiösen in ­Familie und Gemeinde, mit den öffentlichen in der Politik. Gerade aus diesen Erfahrun­gen heraus sollte Muslimen, die um ihre Identität ringen, geholfen werden, sich in das demokratische Gemeinwesen allmählich hineinzufinden, anstatt ihnen Steine aus Vorurteilen in den Weg zu ­legen.

Das amtliche Verdikt, „islamistisch“ zu sein, wirkt verheerend in der Öffentlichkeit und grenzt aus. Journalisten beispielsweise übernehmen es gern, ohne eigene Recherchen anzustellen. Und auch viele Muslime lassen sich infizieren und distanzieren sich von so bezeichneten Moschee-Vereinen und Verbänden.

Das provoziert Gegenwehr. Dadurch haben Gruppen und Personen etwa aus dem salafistischen Milieu, die in der Tat extremistisches Gedankengut transportieren, einfaches Spiel – besonders ­unter jungen Muslimen. Noch weniger hat es mit einem säkularen Staatsverständnis zu tun, wenn Mitarbeiter der Verfassungsschutzämter in der politischen Bildung unterwegs sind, als Islamismus-Experten vor pädagogischen Lehrkräften auftreten und über die „Grundlagen des Islams und muslimischen Lebens in Deutschland“ referieren. Es wäre wohl besser, sie überließen dies anderen.

Von Beamten und Behörden wird dagegen erwartet, dass sie differenzieren, die Mehrheit der Muslime davor schützen, mit einer problematischen Minderheit verwechselt zu werden. Wird etwa den Kirchen angelastet, wie viele Christen im kriminellen Milieu zu Hause sind? Denn so, wie der Begriff „islamistisch“, gebraucht wird, bezeichnet er nicht isla­misches oder religiöses, sondern kriminelles Verhalten.

Der Artikel wurde zuerst am 16.04.2013 als Audiobeitrag für das Deutschlandradio ­verfasst.

NSU-Mörderkartell: Der Koordinationsrat der Muslime lädt zur Presseeinladung und stellt sein neues Pressedossier vor

(KRM). Die Aufdeckung des Rechtsterrorismus durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) hat in schockierender Weise vor Augen geführt, wie es stellenweise um die Sicherheitslage von Minderheiten bestellt ist. Über ein Jahrzehnt konnten Rechtsterroristen eine breite Blutspur durch die gesamte Republik ziehen, zehn Menschen kaltblütig erschießen.

Der Fall ist auch ein Jahr nach Bekanntwerden der Täter und Taten nicht aufgeklärt. Es bleibt unklar, wie weit staatliche Behörden versagt haben und welche Unterstützer diese Gruppe über ihre Mitglieder hinaus hatten. Die Aufklärung verläuft schleppend und bringt immer wieder Unfassbares zu Tage.

Die Chronik der NSU-Morde, die Reaktionen von Seiten des Koordinationsrates der Muslime (KRM), des Staates und seiner Sicherheitsdienste sollen in dem NSU-Dossier zusammengefasst und aus Sicht der im KRM organisierten Religionsgemeinschaften erläutert werden.

Dabei wird nicht nur ein Blick auf die im unmittelbaren Zusammenhang mit den NSU- Morden stehenden Aspekte geworfen, sondern auch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung anhand von aktuellen Studien betrachtet. Beispielhaft wird dargelegt, wie sich das Bild des Islam bzw. der Muslime innerhalb der Gesamtgesellschaft generiert und nährt. Den Abschluss dieser Analyse bildet ein Forderungskatalog des KRM, worin sie Erwartungen und Forderungen der KRM im Zusammenhang mit dem NSU-Terror formuliert.

Der Koordinationsrat der Muslime wurde im März 2007 von den vier großen Dachverbänden DITIB, VIKZ, Islamrat und ZMD gegründet. Er organisiert die Vertretung der Muslime in Deutschland und ist Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft.

Webseite: www.koordinationsrat.de