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Stufen des Wissens – Bedeutung der muslimischen Jugendbildung

Wissen Aischa

In Sachen Wissen war In manchen Perioden die Bewahrung das wichtigste für die Muslime, in anderen Handlung oder seine Verbreitung.

‘Abdullah ibn Al-Mubarak sagte: “Der Anfang des Wissens ist Absicht, dann Zuhören, dann Verstehen, dann Handlung, dann Bewahrung, und dann Verbreitung.” (zitiert nach Qadi ‘Ijad, Tartib Al-Madarik)

(iz). Diese sechs Stadien von Wissensaneignung, -verwirklichung und -weitergabe kennzeichnen die höhere Bildung des Islam seit der Zeit der Prophetengefährten. Die individuelle wie soziale Verantwortung für die Verwirklichung jeder Stufe war nach Zeit und Ort verschieden.

In manchen Perioden war die Bewahrung das wichtigste für die Muslime, in anderen Handlung oder Verbreitung von Wissen. Nichtsdestotrotz sind alle (von der Absicht des Schülers bis zur Übermittlung durch den Lehrer) miteinander verbunden und können nicht getrennt voneinander existieren.

Betrachten wir die Lage junger Muslime und ihrer Suche nach Wissen, dann sollten wir uns an diesen Vermittlungsprozess erinnern. Jede Erkenntnis – und jede Handlung – beginnt mit der Absicht. Die Vermittlung von Wissen ist eine wechselseitige Beziehung; nicht nur zwischen Schülern und Lehrern, sondern auch zur Gemeinschaft als Ganzer.

Eine Betrachtung dieser Phasen zeigt auch, wie ihre Bedeutung in praktischer Hinsicht einzustufen ist, um den erzieherischen Aussichten kommender Generationen gerecht zu werden. Wir müssen uns auch fragen: Was sind die Möglichkeiten für junge Muslime, die heute Wissen wollen?

Welche Gegebenheiten braucht es, in denen „Zuhören, Verstehen, Handlung, Bewahrung und Vermittlung“ möglich sind? Wissen beginnt mit der Absicht, es zu erwerben. Daraus folgert die nächste Frage: Wie wichtig ist Bildung für junge, europäische Muslime, die am Anfang ihrer Bemühungen stehen?

Foto: IZ Medien

Wissen braucht Absicht

Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Wahrlich, die Taten sind entsprechend den Ansichten.” Ich möchte hier nicht wiederholen, was klassische Gelehrte über Bildung und Absicht sagten, sondern eher die Art Fragen stellen, die unser Verständnis dafür erweitern, welche Absichten via-á-vis der Bildungslage im heutigen Europa nötig sind.

Es gibt hier zwei wichtige Aspekte. Der eine ist, dass die Bildung junger Muslime im Wesentlichen eine Frage dynamischer Gemeinschaften ist. Dazu zählt, dass ihnen die Kompetenz gegeben wird, zu lehren und das erworbene Wissen mit Leben zu erfüllen.

Der andere Aspekt ist die Notwendigkeit von ganzheitlicher Bildung, die nicht nur die Schaffung von Gelehrten in den traditionellen Wissenschaften zum Ziel hat. Vielmehr braucht es Gelehrte aller Wissenszweige, die für die wachsende muslimische Gemeinschaft in Europa von Nutzen sind.

Das „islamische“ Element im Schlagwort der „islamischen Erziehung” wird nicht einfach nur durch Lehrinhalte festgelegt, sondern auch dadurch, wie, wo und warum gelehrt wird. Nicht nur Themen sind „islamisch“, sondern viel mehr noch ihre Absicht, die Vermittlungsmethode und die Realisierung dieses Wissens.

Es ist daher entscheidend, dass wir Zugang zu Bildungseinrichtungen und lebendigen Gemeinschaften haben, in denen das geschehen kann. Die traditionellen Wissenschaften müssen gelehrt werden – wir brauchen neue Generationen europäischer ‘Ulama; aber auch neue Generationen, die in Geschichte, Philosophie, Literatur, Politikwissenschaft etc. versiert sind.

Die Absicht kann nicht nur die Schaffung von Bildungseinrichtungen für Muslime in Europa sein. Sie muss auch zum Entstehen einer Gemeinschaftskultur führen, in denen jedes Wissen bejaht und als natürliche Komponente der Schaffung eines lokalen Islam vermittelt wird. Natürlich muss alles mit dem Qur’an und den klassischen Wissenschaften des Dins beginnen.

Zuhören – Istima

Wir sollten uns der Tatsache bewusst sein, dass traditionelle Erziehung – entsprechend der überlieferten Methoden – nicht im Kontext eines modernen universitären Auditoriums stattfinden kann – auf keinen Fall aber ohne erhebliche Komplikationen. Das Medium mag nicht vollkommen dessen Inhalt sein, aber es beeinträchtigt ihre Übermittlung. Das Medium formt den Sender und den Empfänger des Inhalts.

Das soll nicht bedeuten, dass wir einfach so die Umgebung zurückweisen könnten, in der wir leben. Das gleiche gilt für die uns umgebende Technologie. Die Mehrheit der jungen Muslime wird mehrheitlich in den Denkmustern der modernen Bildung erzogen. Dazu gehören Universitäten und Technologie. Wir müssen diese Realität anerkennen. Aber zugleich ist sie eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Nur eine junge, gebildete Generation, die ihre eigene Zeit versteht, wird dem gewachsen sein.

Ein Beispiel dafür ist die rapide zunehmenden online-Seminare, -Kurse und andere Gelegenheiten, um sich Wissen der islamischen Tradition anzueignen. Es fehlt gewiss nicht am Wunsch, den Gelehrten des Islam zuzuhören – sei es online oder auf einer Veranstaltung.

Die Gefahr besteht allerdings, dass das zu einer anderen Form von Unterhaltung wird und der Lernprozess mit dem dem Zuhören endet. Erziehung als Entertainment hat sich als nützlich bei der populären Verbreitung von islamischem Wissen erwiesen. Aber dies kann die tiefe Suche nach Erkenntnis nicht ersetzen, die Jahre der Aneignung braucht.

Hier stehen wir vor der Herausforderung der Technik, die – auf die gleiche Art und Weise wie die moderne Universität – dazu tendiert, Wissen zu vergegenständlichen. Es wird von seinem lebendigen Kontext getrennt und ohne eine gründliche Begegnung mit dessen essenziellem Zweck und seiner Bedeutung angeboten.

Zuhören (Istima’) impliziert eine beiderseitige Beziehung zwischen Lehrer und Schüler. Dabei hört der letztere anfänglich zu. Hier wird auf Erfahrung beruhendes Wissen weitergegeben. Das Verhältnis ist vergleichbar mit der Beziehung eines Meisters zu seinem Lehrling.

Dies ist die Bedeutung des arabischen Wortes für Erziehung, „Tarbija“, oder die aktive Pflege von Wachstum. Es ist auch die Bedeutung eines anderen arabischen Wortes, „Ta’dib“, die Einimpfung von Adab – eine äußere und innere Verfeinerung dank der Übertragung von Wissen.

Meine Erfahrung – sowohl mit dem Studium an europäischen Universitäten, als auch in muslimischen Zusammenhängen – hat meinen Eindruck verstärkt, dass der Hauptunterschied nicht in dem besteht, was gelehrt wird.

Vielmehr besteht er empirischen Verständnis, das von muslimischen Lehrern vermittelt wird. Einem Lehrer zuzuhören kann nicht in einem Klassenzimmer stattfinden, in dem Wissen von der gelebten Realität getrennt ist und nur vorgetragen wird. Ist dies der Fall, dann enden wir mit einer ähnlichen Situation, in der Erziehung zu Unterhaltung wird und in welcher der Prozess von Verstehen, Anwendung und Vermittlung verfälscht wird.

Es ist möglich zu sagen, dass Erziehung darum kreist, den Schüler an einen Ort des Lernens zu bringen. Dieser Akt besteht in seiner Unterweisung, wie er Wissen sucht, es sich aneignet und existenziell erfährt. Wenn der Schüler den Zustand oder den Ort des Lernens nicht erreicht (an dem sich Erziehung unabhängig vom Lehrer fortsetzt), dann gibt es keinen Übergang zur nächsten Phase.

Foto: Tassii, iStockphoto

Verstehen – Fahm

Verstehen („Fahm“ auf Arabisch) wird von den klassischen Lexikographen als „Vorzüglichkeit des Intellekts in Anbetracht seiner Fähigkeit, das in Frage kommende Thema der Untersuchung schnell zu verstehen“ definiert.

Der Zustand der muslimischen Erziehung in Europa ist kein Darura-Phänomen. Es handelt sich hier nicht um eine Krise, die uns zwingen würde, unsere Tradition zu kompromittieren. Vielmehr stehen wir einer Herausforderung gegenüber, die als Chance zu begreifen ist.

Auch wenn sich das westliche Erziehungssystem und seine Universitäten wohl seit einem Jahrhundert in einem Auflösungsprozess befindet, dürfen wir die noblen Aspekte seiner Tradition nicht vergessen. Wir sollten uns nicht so einfach von ihr abwenden.

Wenn die kommenden ‘Ulama – aufgewachsen und erzogen in Europa –in der Lage sind, die Beziehung zwischen islamischer Gelehrsamkeit und ihrer Anwendung in der modernen Welt zu verstehen, dann können sie das nicht alleine tun. Sie brauchen andere muslimische Akademiker, die ihnen eine Breite des Wissens und der Perspektiven offerieren.

Jeder Faqih, der die klassischen Texte studiert hat, muss die Zeit und den Kontext verstehen, in denen er lebt. Aber dieses Verständnis ist in vielen Fällen eine Einsicht, für die andere Fachleute konsultiert werden müssen, um zu einem passenden und umsetzbaren Weg zu gelangen, mit der gegenwärtige Lage umzugehen. Daher muss die traditionelle Vermittlung der klassischen Wissenschaften des Islam auf neue Studiengebiete treffen.

Nicht, um eine neue Mischform zu kreieren, sondern um sich gegenseitig zu informieren. Ein offenkundiges Beispiel der letzten Jahrzehnten ist eine Beziehung zwischen den Rechtsgelehrten, die sich mit wirtschaftliche Fragen beschäftigen, und den Wirtschaftshistorikern, die sich Fachkenntnis über die Theorie und Praxis moderner Finanzsysteme erarbeitet haben. Ohne gegenseitigen Austausch kommt es zu keinem Verständnis.

Dies belegt, wie wichtig es ist, dass sich junge Muslime auf neuen Gebieten spezialisieren und daher ein neues Verständnis anbieten, um die Zukunft des Islam in Europa zu formen. Dabei kann es sich um Geschichte, Philosophie, Soziologie, Technologie, Geografie oder andere Wissenschaften handeln.

All dies sind Studienfächer, in denen die Gelehrten des Islam überragende Leistungen erbrachten. Nicht, um der Tradition zu widersprechen, sondern um zu einem Verständnis ihrer Gegenwart zu gelangen und um dadurch zur Aktivierung des Dins beizutragen. Damit meine Themen, die beim Verständnis der heutigen Zeit helfen.

Viele junge Muslime setzen ihre Studien an Universitäten fort – was gut und schön ist. Aber in beinahe allen Fällen ist eine Beratung nötig, wie ein Studium in solch einer Umgebung zu bewerkstelligen ist. Wenn die kommenden Generationen den maximalen Nutzen daraus ziehen sollen, dann braucht es authentische Hilfe für die muslimischen Jugend, die an Universitäten studiert.

Gleichermaßen besteht Bedarf nach Neugründung einer Gemeinschaft der Gelehrten – ähnlich einer Gilde –, um die Anleitung und Ausbildung der Studenten durch den dauerhaften Kontakt mit Gelehrten zu ermöglichen; egal, ob es sie einen universitären Hintergrund oder einen in den traditionellen Wissenschaften des Islam haben.

Foto: IZ Medien

Handlung – ‘Amal

Die Bedeutung von Wissen und Erziehung offenbart sich, wenn sie zu einer Veränderung führt – eine innere Vervollkommnung und eine Verbesserung der äußeren Gemeinschaft. Dafür ist es notwendig, dass eine Handlung in Übereinstimmung zu dem steht, was in den vorangegangenen Stadien beabsichtigt, übermittelt und verstanden wurde. Ohne Realisierung des übermittelten Wissens wird Erziehung zu nichts mehr als „Ta’allum“, einem bloßen Lernen von Routine und Information.

Beinahe alle Worte des Arabischen leiten sich aus dreiteiligen Wurzeln ab. Es ist eine Sprache, die auf Verben beruht – auf dem Tun, dem Handeln und der dynamischen Realität der Existenz. Ebenso wie die Lebensweise des Islam ist das Arabische ein Idiom, das nur durch äußere Handlung in Übereinstimmung mit einem inneren Erkennen verstanden und verwirklicht wird. Wenn die Grundlagen unserer Bildung darauf aufbauen, müssen sie zu Handlung und zu Aktivierung führen.

Wir müssen uns davor hüten, zu abstrakt in unserer Forderung zu sein. In Beziehung zu spezifischen Themen der Bildung bezieht sich Handlung im Wesentlichen auf den Gebrauch und die weitere Anwendung von vermitteltem Wissen. Bildung war im Islam niemals ein Ziel an sich. Es muss im Kontext des gesellschaftlichen Engagements stattfinden.

Die Bedeutung der Erziehung für die muslimische Jugend Europas kann ohne die direkte Anwendung der erworbenen Kenntnisse nicht eingeschätzt werden. Dazu gehören der Unterricht jüngerer Studenten, die Assistenz bei Gelehrten oder auch das Engagement in den Gemeinschaften, denen man angehört.

Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, was bekannt dafür, dass er jungen Männern mit Fähigkeiten und gutem Charakter erhebliche Verantwortung übertrug. So bildete er sie und brachte die Generationen der Gefährten und ihrer Nachfolger hervor, die das Wissen des Islam an alle Ecken der Welt brachten. Sie lernten durch Praxis, dem Miteinander-Sein mit anderen und durch direkte Anwendung.

Al-Hakim überlieferte, wie ‘Ali ibn Abi Talib sagte: „Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, schickte mich in den Jemen. Also sagte ich ihm: ‘Gesandter Allahs, ich bin ein Jugendlicher, der zwischen ihnen urteilen soll. Und ich weiß nicht, was das Wesen meines Urteils ist.’ Er schlug auf meine Brust und sagte: ‘Oh, Allah, leite sein Herz recht und stärke seine Zunge.’ Bei dem Einen, Der das (Getreide-)Korn spaltet, ich habe keinen Zweifel bei dem Fällen eines Urteils (in einem Streit) zwischen zwei (Leuten) gehabt.“

Auf der einen Seite haben wir das Du’a (Bittgebet) des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, aber auf der anderen Seiten verweist der Bericht auf die Sunna der Übertragung von Verantwortlichkeit und Möglichkeiten zum Lernen durch praktische Erfahrung.

Es gibt eine weitere, sehr bekannte Aussage des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben: „Handelt nach dem, was ihr wisst, und Allah wird euch lehren, was ihr nicht wisst.“ Praxis und Umsetzung sind notwendige Schritte einer weiterführenden Bildung.

Dazu gehört die Zusammenarbeit der Leute des Wissens. Auf die gleiche Art und Weise, wie die frühen Rechtsschulen (Madhdhahib) Gilden des Rechts waren, brauchen wir Gilden für die heutigen Gelehrten. In unserer Lage betrifft dies sowohl solche, die im akademischen Leben aktiv sind, als auch jene, die in den traditionellen Wissenschaften versiert sind.

Bildung im Islam hatte immer die Form eines Lehrverhältnisses, bei dem der Schüler graduell Wissen erwirbt und es graduell in die Praxis umsetzt – durch die Weitergabe an neue Schüler und durch die Anwendung im persönlichen Leben. Daher ist die Erziehung der muslimischen Jugend nicht nur für diese von Bedeutung, sondern für die Lehrer selbst, die Schüler brauchen, denen sie ihr Wissen weitergeben können.

Sie ist ebenso wichtig für die lokale Gemeinschaft, in der sich Wissen ausbreitet und in der es umgesetzt werden muss. Diese beiden Aspekte sind die nächsten Stadien des Erziehungsprozess, wie er von ‘Abdullah ibn Al-Mubarak umrissen wurde: Bewahrung und Verbreitung.

Foto: Osman Hamdi Bey, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY 2.0

Bewahrung – Hifdh

Nur was sich ändert, bleibt, und nur was sich erneuert, wird erhalten. Natürlich geht es hier nicht um die Reform oder Neuerschaffung unserer Tradition. Islam ist per Definition nicht – und kann nicht – in einer Krise sein und benötigt auch keine Reform. Wir jedoch brauchen neue Generationen, die bereit sind, das traditionelle Wissen im heutigen Kontext anzuwenden. Dies steht in Zusammenhang mit dem arabischen Wort “Tadschdid”, das im wörtlichen Sinne “Erneuerung” bedeutet.

Aber in seiner Essenz bezeichnet es die Belebung der islamischen Lebensweise auf einer sozialen Ebene. Seine Leute sind als Mudschaddid oder – im Plural – Mudschaddidun bekannt. Sie sind diejenigen, die die Lehren des Islam oder seine Lebensweise aktivieren; entweder durch ihr eigenes Wissen oder, indem sie die Hilfe von Wissenden in Anspruch nehmen. Die letzteren wissen, wie die bewahrte Tradition in Relation zur heutigen Zeit auf angemessene Art und Weise angewandt werden kann.

Dies ist Hifdh, Bewahrung. Der Kern des Begriffes verweist auf Bedeutungen wie schützen, verteidigen, beobachten, beibehalten, aufrechterhalten und – natürlich – auch auswendig lernen; insbesondere den Qur’an. Jeder Hafidh des Qur’an weiß, dass das Gelernte immer wieder verbessert, rezitiert und im Alltag angewandt werden muss. Jede Rezitation des Qur’an ist eine neue Rezitation. Und es finden sind – in Relation zum eigenen Leben – immer wieder neue Bedeutungen darin geborgen.

Allah sagt, dass der Qur’an bis zum Jüngste Tag geschützt bleibt. Die ganze Geschichte hindurch wurde dies durch die Übertragung von einer Generation auf die nächste, die seine Worte rezitiert, getan. In der gleichen Art und Weise blieb auch der Islam erhalten.

Nicht durch Stagnation, sondern durch die Tatsache, dass neue Menschen und Gemeinschaften ihn akzeptierten, errichteten und seine Tradition weitergaben. Diese Einrichtung, Übermittlung und der Schutz des Wissens kann nicht nur durch Wandel oder nur durch Bewahrung geschehen. Es braucht beide Elemente.

Die neuen Generationen sind verantwortlich für diesen gesellschaftlichen Wandel und die Bewahrung der Tradition. Dies ist auch der einzige Weg, das Wissen weiter zu verbreiten und den Islam für die Menschen in Europa zu bringen. Jetzt sind wir bei der letzten Phase des Bildungsprozesses angelangt: Verbreitung.

Foto: DIRECTMEDIA Publishing, gemeinfrei

Weitergabe – Naschr

Nuschr bedeutet sich ausbreiten, entfalten, öffnen oder propagieren. Seine Wurzel bildet auch die Grundlage des Wortes für Auferstehung (arab. nuschur). Einerseits ist der Bildungsprozess ein Kreislauf: Wenn der Schüler voranschreitet, wird er derjenige sein, der die nächsten Generationen unterrichtet. Erneuerung befindet sich jedoch im Kern jeder gesunden Erziehung und daher beinhaltet der Prozess der Vermittlung die Öffnung und Entfaltung von Wissen für neue Leute.

Da wir über Bildung in nicht-muslimischen Ländern reden, liegt die Bedeutung der Wissensverbreitung unter ihnen – Muslime genauso wie Nichtmuslime – auf der Hand. Der effizienteste Weg dafür beginnt gewiss mit der Bildung der jungen Generationen.

Wie wir gesehen haben, sind alle vorherigen Stadien miteinander verbunden. Wenn es sich um die Verbreitung von Wissen handelt, dann geschieht dies durch Handlung. Sie ist wichtig, weil sie das Verständnis und die Aktivierung neuer Leute erhöht; Menschen, die unterschiedliche Hintergründe und Traditionen haben, wenn sie in den Bildungsprozess eintreten. Das war in der ganzen islamischen Geschichte immer der Fall.

Ein bekanntes Beispiel dafür waren die Perser – mit ihrem besonderen Hintergrund und ihrer Tradition der Gelehrsamkeit. Sie waren überragend in der frühen Entwicklung der arabischen Sprachwissenschaft und wurden Meister der arabischen Grammatik.

Ein anderes Beispiel wäre natürlich die große Wissenstradition, die sich in der osmanischen Khilafa entwickelte, als der Islam eingerichtet war und jahrhundertelang blühte. In unserer Zeit könnten es durchaus die neuen Generationen europäischer Muslime sein, die ähnliche Beiträge zur Entwicklung der weltweiten muslimischen Gemeinschaft leisten. Das letzte ist vielleicht einer der wichtigsten Aspekte der Erziehung einer muslimischen Jugend.

Foto: C. Media / Peter Sanders

Daher ist es unsere Verantwortung, die Europäer um uns herum zum Islam einzuladen. Neue muslimische Generationen – mit tiefem Verständnis ihrer eigenen Tradition und der sie umgebenden Zusammenhänge – sind der Schlüssel zur Ausbreitung des Wissens und der sozialen Realität des Islam. Historisch war die Einladung zum Islam immer ein gradueller Prozess.

Jener hat in Europa erst begonnen. Auch, wenn wir nicht wissen, wie er enden wird, wissen wir mit Sicherheit, dass es die neuen Generationen gebildeter Muslime sein werden, die ihn voranbringen, inscha’Allah.

Schlussfolgerung

Es ist Zeit, dass wir zum Ausgangspunkt zurückkehren. Wenn die Verwirklichung und Vollendung dieses erzieherischen Vorgangs unseres Absicht ist, dann sind wir uns über seine Bedeutung und Rolle bei der Schaffung der Zukunft des Islam in Europa einig. Eingangs wurde deutlich, dass die Wichtigkeit der Bildung nicht nur primär dadurch verwirklicht wird, was unterrichtet wird, sondern auch warum, wie und wo gelehrt wird. Hinzuzufügen wäre noch, durch wen gelehrt und von wem gelernt wird.

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Nur mit Spenden finanziert

(iz). 2012 rief man an der Universität Osnabrück den Studiengang „Islamische Theologie“ ins Leben, was zu einer enormen Ballung von jungen, bewussten und engagierten Musliminnen und Muslimen führte. Bislang fehlte ein zentraler Ort, an welchem es Studenten der Theologie und interessierten Muslimen möglich gewesen wäre, außerhalb der Universitätsgebäude ihre Gebete zu verrichten.
Weiterhin mangelte es an einer Räumlichkeit, in der außeruniversitäre Hilfestellungen im Studium, Intensivierung und Bildungsangebote bereitgestellt werden. Doch neben der Wissensaneignung und dem Gebet ist auch die Stärkung der Gemeinschaft der Studierenden substanziell. Mit viel Engagement gelang es schließlich einigen Studierenden das Projekt „LernCafé e.V.“ auf die Beine zu stellen.
Das Lerncafé in Osnabrück ist ein besonderer Ort. Vorsitzender ist der deutsche Muslim Matthias Schmidt. Er studiert Islamische Theologie am Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück. Mit Kommilitonen, die alle einen unterschiedlichen Hintergrund haben – darunter auch Mitglieder muslimischer Religionsgemeinschaften wie IGMG und DITIB, hat er die Studenteninitiative Lerncafe gegründet. Die Räumlichkeiten befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Universität, sodass die Studenten dort ihr Gebet verrichten können. Dort finden allerdings auch regelmäßige Vortragsveranstaltungen statt. Dieses Semester hielten etwa Dr. Martin Mahmud Kellner und Dr. Hakki Arslan vom IIT, sowie Schaikh Naeem Abdul Wali aus den USA, ʿAbd al-Hafiz Wentzel und Muhammed F. Bayraktar Vorträge und Seminare.
Neben regelmäßigen Seminaren und Vorträgen fungiert das Lerncafe aber auch als offener Treffpunkt für Jugendliche. Bei Kaffee und Tee gibt es die Möglichkeit für einen offenen Austausch und viele Studenten nutzen die Räumlichkeiten auch für das gemeinsame Lernen. Unterschiedliche Themen werden in regelmäßigen Unterrichtsstunden behandelt, darunter Fiqh al ibadat, Lesezirkel zu klassischer Literatur und wöchentliche Mawlid-Sitzungen. Für die Zukunft ist auch ein Debattierklub sowie eine Mutter-Kind-Gruppe geplant.
Wie so oft bei ähnlichen Projekten, finanziert sich das Lerncafe durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die Schura und DITIB bieten hier bereits Unterstützung in allen Belangen an.
Die Organisatoren bemühen sich derzeit um Gemeinnützigkeit, damit sie sich langfristig bei Trägern für Projekte bewerben können. Um aber langfristig diese wichtige Arbeit fortführen zu können und die Arbeit noch weiter auszubauen, sind die Macher vom Lerncafe auf Hilfe angewiesen. Die momentanen Räumlichkeiten reichen bei Weitem nicht aus. Um größere mieten zu können und darin auch eine Bibliothek zu schaffen, kann jeder mit einer Fördermitgliedschaft, einem Dauerauftrag oder einer einmaligen Spende die Arbeit unterstützen. Jede Hilfe ist willkommen.
Kontaktdaten: LernCafé e.V., Johannisstraße 74, 49074 Osnabrück, osna.lerncafe@gmail.com
Kontodaten: IBAN: DE26 2665 0105 1551 6189 01, BIC: NOLADE22XXX

Kongress „Horizonte der Islamischen Theologie“: Islamische Theologen ziehen positive Bilanz

FRANKFURT. Am 10. September ist der bislang größte Kongress für islamisch-theologische Studien in Deutschland zu Ende gegangen. Mehr als 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mit der interessierten Öffentlichkeit in mehr als 30 Panels fünf Tage lang diskutiert. Am letzten Tag haben Vertreter der verschiedenen universitären Standorte für Islamische Theologie eine positive Bilanz gezogen: Die Veranstaltung sei in dieser Form einmalig gewesen.

Der Montag stand nach der Begrüßung ganz im Zeichen der Verortung der Islamischen Theologie in der Wissenschaftslandschaft. Der Vizepräsident der Goethe-Universität, Matthias Lutz-Bachmann, und der Berner Islamwissenschaftler Reinhard Schulze erörterten in ihren Fachvorträgen ein Verständnis von Theologie als Wissenschaft, in welcher der Islam nicht länger als das Fremde verstanden wird. Ein hochkarätig besetztes Podium beleuchtete am Abend die deutsche Situation aus internationalen Perspektiven.

Vom 7. September bis 9. September fanden viele Panels statt, deren Bandbreite von Themen wie „Neue Wege in der Koranauslegung“ und „Bioethik“ über „Feministische Theologie“ bis hin zu „Neue Erkenntnisse zur arabischen Syntax“ reichte. Bei einem Empfang im Kaisersaal des Frankfurter Römers würdigte Oberbürgermeister Peter Feldmann die Islamische Theologie als besondere Fortführung der Gründungstradition der Frankfurter Universität. Auch die renommierte Arabistin Angelika Neuwirth hob die Bedeutung des neuen Fachs an deutschen Universitäten hervor. Am letzten Tag diskutierten Mitarbeiter der verschiedenen Standorte für Islamische Theologie unter sich.

//1//Die Veranstalter zeigen sich sehr zufrieden mit dem Kongress: „Die Ausrichtung eines Kongresses dieser Größe ist Ausweis für das hohe Niveau der islamisch-theologischen Studien in Deutschland“, resümierte Bekim Agai, Direktor des Frankfurter Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam. Andere Fachvertreter freuen sich besonders über den gleichberechtigten interdisziplinären Austausch zwischen Theologen und Wissenschaftlern anderer Disziplinen, dessen Fruchtbarkeit spürbar gewesen sei. Besonders viele Islamwissenschaftler waren vertreten.

Es kamen muslimische und nichtmuslimische Wissenschaftler auf Augenhöhe ins Gespräch, dabei lobten internationale Gäste die rege Beteiligung von Frauen als besonders bemerkenswertes Merkmal. Auch zeichnete sich der Kongress durch eine bisher unerreichte Beteiligung aller deutschen Standorte für Islamische Theologie aus. Ömer Özsoy, Frankfurter Professor für Koranexegese, stellte fest, dass auf dem Kongress Islamwissenschaftler ganz unterschiedlicher Ausrichtung erstmals zusammengefunden hätten. „Da wird eine Art unerwartete Brückenfunktion der Islamischen Theologie sichtbar“, sagte Özsoy.

Interessierte Beachtung fand die „Frankfurter Erklärung“, in welcher die Leiter der islamisch-theologischen Zentren und viele weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die unmenschliche Gewalt der Miliz „Islamischer Staat“ scharf verurteilten und dazu aufriefen, die Deutungshoheit über den Islam nicht militanten Extremisten zu überlassen (Hier im Volltext). Mit der Erklärung wurde auch das Interesse der Islamischen Theologie deutlich, sich zukünftig hörbarer in gesellschaftliche Debatten einzumischen.

Auch die Kooperationspartner des Kongresses, unter anderem das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das durch die Stiftung Mercator geförderte Graduiertenkolleg „Islamische Theologie“, das DFG-Graduiertenkolleg „Theologie als Wissenschaft“ und der Exzellenzcluster „Normative Ordnungen“, drückten ihre Zufriedenheit mit dem gelungenen Kongress aus.

Der Frankfurter Professor Bekim Agai über den Kongress „Horizonte der Islamischen Theologie“

(iz). Das Studienfach Islamische Theologie, das derzeit an fünf universitären Standorten in Deutschland aufgebaut und gleichzeitig gelehrt wird, gehört zu den Topthemen sowohl der innermuslimischen Debatte wie auch der Kooperation zwischen muslimischen Verbänden, Institutionen und Vertretern des Staates. Auf gerade zu Ende gegangenen Kongress „Horizonte der Islamischen Theologie“ trafen sich muslimische Akademiker mit ausländischen Kollegen zu einer mehrtägigen Fachtagung.

Über sie, aber auch über den allgemeinen Stand des Projektes, sprachen wir mit Prof. Bekim Agai. Agai ist Geschäftsführender Direktor des Frankfurter Instituts der Kultur und Religion des Islam.

Islamische Zeitung: In Ihrer Pressemitteilung wurde ein Statement zum Thema Islamischer Zeit angekündigt. Wie sieht dieses aus?

Prof. Bekim Agai: Zum einen lehnen wir als Vertreter der Standorte für islamisch-theologische Studien die Pervertierung von Religion zur Rechtfertigung von Gewalt und Machtpolitik ab. Als Vertreter der Theologie sehen wir uns in der intellektuellen Pflicht, uns solchen Deutungen unter den Bezug auf den Islam entgegenzustellen und in Deutschland zu zeigen, was der Islam dieser Gesellschaft zu bieten hat.

Wo, wenn nicht in Frieden und unter dem Primat von Freiheit ließe sich das Potential des Islams in der Debatte um produktive Beiträge auf die Herausforderungen des globalen Zusammenlebens besser denken? Ein Kernsatz der Stellungnahme lautet „Die Deutungshoheit über den Islam darf nicht Extremisten und Gewalttätern überlassen werden und muss in Deutschland aus der Mitte der Gesellschaft heraus – unter anderem an den Universitäten – erfolgen.“

Dieser Stellungnahme (auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Türkisch) haben sich national und international schon zahlreiche Menschen angeschlossen. Wir hoffen, auf diesem Wege noch mehr Menschen darauf aufmerksam machen zu können.

Islamische Zeitung: In der ersten Septemberwoche haben zum internationalen Kongress „Horizonte der Islamischen Theologie“ in Frankfurt eingeladen. Richtet sich das Meeting ausschließlich an das Fachpublikum oder steht es offen für alle Interessierte?

Prof. Bekim Agai: Der Fachkongress richtet sich natürlich in erster Linie an ein Publikum, das am Fach interessiert ist. Doch dieses gibt es auch außerhalb der Universität. Wie Sie wissen, gibt es im Islam kein Wissensmonopol einer Gruppe. Wir freuen uns besonders, wenn vor allem bei den Themen mit Bezug zur praktischen Arbeit, wie der Religionspädagogik und der Praktischen Theologie, auch die wissenschaftliche Beschäftigung von den Erfahrungen und Fragen der Menschen in Schule, am Krankenbett oder im Strafvollzug bereichert werden kann.

Islamische Zeitung: Welche Intention wird mit dem Kongress verfolgt – theoretische Debatten im „Elfenbeinturm“ oder Antwort auf konkrete Problemlagen und Herausforderungen?

Prof. Bekim Agai: Wissenschaft hat immer den Ruf des Elfenbeinturms und braucht auch den Raum der Reflexion, ohne auf jeden Zuruf der Politik und Gesellschaft reagieren zu müssen. Gleichzeitig leben wir im Jetzt, wir agieren in Deutschland, und unsere Studierenden wollen Qualifikationen erwerben, die ihnen hier nutzen. Insofern beschäftigt sich der Kongress auch mit praktischen Problemlagen. Gleichzeitig ist die Grenze fließend.

So sind Fragen der Geschichtsschreibung und dem Umgang mit Konflikten, zum Beispiel in der Frühgeschichte, zum einen ein wissenschaftliches Thema, zum anderen berühren die Fragen, wie wir damit umgehen und welche Lehren wir daraus ziehen, uns heute direkt.

Islamische Zeitung: Nach welchen Kriterien wurden die Teilnehmer geladen und die Themen bestimmt?

Prof. Bekim Agai: Im Fachkongress gilt es natürlich, das Fach auf einem universitären Niveau zu präsentieren. Insofern wurden die klassischen Fächer wie Tafsir, Hadith, Fiqh, Kalam, Ahlaq, Mystik etc. abgebildet und VertreterInnen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesen aus verschiedenen Ländern eingeladen.

Zum anderen gibt es Bereiche, die in Deutschland besondere Relevanz haben, wie das Arabische als Islamsprache, Geschichte des Islams und die Kontexte des Islams in Europa, ebenso wie das praktische Feld. Hier wurden entsprechende Experten eingeladen, die teilweise auch aus der Praxis kommen oder Aktivisten sind.

Islamische Zeitung: Zumindest im deutschen Kontext hielten sich die „TheologInnen“ bisher mit kontroversen öffentlichen Debatten untereinander zurück. Erwarten Sie kontroverse Diskussionen in Frankfurt?

Prof. Bekim Agai: Ich glaube, dass wir in Deutschland noch lernen müssen, kontroverse Diskussionen über Inhalte so zu führen, dass sie inhaltlich und nicht persönlich sind. Dies ist von einem Fachkongress zu erwarten, wo z.B. im Bereich der Ethik die Ansätze von Muslimen von einem Universalismus, der sich aus dem Islam speist, bis zu einem spezifischen islamischen Weg, der sich nicht verallgemeinern lassen möchte, reichen.

Auch Themen der politischen Theologie oder zum islamischen Feminismus versprechen hier hoffentlich wissenschaftliche Kontroversen. Arabische und türkische Teilnehmende und auch VertreterInnen der klassischen Islamwissenschaft bemerkten schon im Vorfeld, dass es uns gelingt, Menschen auf einem Podium zu versammeln, die man sonst nicht gemeinsam sehen kann. Am Tag der Eröffnung saßen auf dem Podium mit Timothy Winter, Farid Esack, Abdolkarim Soroush und Mehmet Aydin ganz unterschiedliche Vertreter des zeitgenössischen islamischen Denkens, die miteinander ins Gespräch gekommen sind.

Islamische Zeitung: Meinen Sie, dass die Inhalte und Methodenlehren der Islamischen Theologie (IT) bisher ausreichend genug der muslimischen Community in Deutschland kommuniziert wurden? Reflektiert die IT ausreichend genug über ihre eigenen Beschränkungen und Herausforderungen wie die Einflussnahme Dritter?

Prof. Bekim Agai: Hier kann ich nur für Frankfurt sprechen und da muss ich bescheiden sein. Natürlich hat das Fach im Aufbau noch eine zu geringe Reichweite in die Community, aber das braucht Zeit. Unsere Tür steht allen offen, wir stehen im Austausch mit allen Gruppen, aber bis das in den örtlichen Gemeinden ankommt, das dauert. Hier sind die zukünftigen AbsolventInnen unsere wichtigsten Botschafterinnen und Botschafter.

Für die eigenen Beschränkungen, Herausforderungen und Einflussnahmen Dritter haben wir in Frankfurt ein starkes Bewusstsein, was sich u.a. in mehreren Panels zur Frage von Islam in Prozessen der Institutionalisierung und Macht ausdrückt. Nicht zuletzt mein eigener Lehrstuhl ist stark hiermit inhaltlich beschäftigt, da diese Frage Muslime in der Geschichte beschäftigt hat und in der Gegenwart immer noch beschäftigt.

Islamische Zeitung: Zur Begründung der Wissenschaft wurden im öffentlichen Diskurs überwiegend utilitaristische Begründungen, die sich aus gesamtgesellschaftlichen Diskursen ableiten, angegeben. Braucht eine Wissenschaft nicht einen tieferen Grund und eine größere Relevanz bei praktischen Herausforderungen?

Prof. Bekim Agai: Die islamische Wissenschaftstradition ist so groß und für einen intellektuell tiefen Islam so wichtig, dass sie tatsächlich auch um ihrer selbst willen betrieben werden muss. Gegen rein utilitaristische Bestrebungen haben wir uns jüngst auch in der ersten Ausgabe der „Frankfurter Zeitschrift für islamisch-theologische Studien“ positioniert. Der Islam gehört an deutsche Universitäten, weil er diese durch seinen Wissensschatz bereichern kann, und nicht nur, weil wir Imame und Gefängnisseelsorger brauchen.

Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass ihre Tradition reflektierende Muslime auch eigene Antworten auf Herausforderungen in dieser Gesellschaft finden und sich hierbei der reichen Tradition bedienen können. Nur so können im nächsten Schritt praktische Herausforderungen durch genuin islamisch reflektierte Antworten gemeistert werden. Die praktischen Erwartungen allem voran zu stellen hieße, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen.

Islamische Zeitung: Lieber Prof. Agai, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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Ist die Jugend der ideale Zustand zum falschen Zeitpunkt? Begegnung mit Mariem Dhouib und Dr. Mahmud Kellner

„Das Auffällige“, so Dr. Kellner, „ist die Dominanz der Jugendlichen in unseren Seminaren. Wir sind eine sehr junge Ummah“. Diese Konstellation der muslimischen Gemeinschaft stellt ein positives Potential dar, denn […]

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Ein neues Fach entsteht. Vom Spektakel der ­politischen Theologie

(iz). Kritik ist einfach. Kritik ist oft billig. Sie geht auch allzuleicht von der Zunge. Und wie kann man ein Phänomen in Bausch und Bogen ablehnen, wenn man einen Teil des beteiligten Personals kennt, es schätzt und auch eine gute Meinung von seiner Arbeit hat? Dieses ­Dilemma stellt sich mir, wenn die „­Islamische Theologie“, wie das Konstrukt heißt, betroffen ist.

So haben viele frische Talente der deutschen Community in den fünf neu kreierten Standor­ten, an denen die neue Lehre unterrichtet wird, eine universitäre Stelle gefunden. Hier unterrich­ten, forschen und publizieren sie über ­eines der Themen, das seit Jahren die Öffentlichkeit der Republik beschäftigt. Bei einer Aufstellung vieler Mitarbeiter und Dozenten war ich bass überrascht, wie viele von ihnen im Laufe ihrer Karriere das eine oder andere Mal auch hier veröffentlicht haben. Ihr Wille, am Aufbau eines akademischen Diskurses und einer intellektuellen Elite mitzuarbeiten, ist offenkundig und muss als solcher hoch eingeschätzt ­werden.

Es gibt leider auch eine andere Seite: So ­machen öffentliche ­Verlautbarungen, personelle Entschei­dungen und Gespräche mit Insidern deutlich, dass die so genannte „Islamische Theologie“ eben nicht – wie sich das vielleicht viele muslimische Verbände gewünscht hätten – nur begrenzt ein Ort der freien Lehre sein kann. Zu ­offenkundig ist der politische Zugriff. Und wohl auch die Gewilltheit so mancher Professoren, die politische Gestaltung islamischer Lehre ­mitzuformulieren.

Sie halten das für übertrieben? Das Buch des Münsteraner Lehrstuhlinhabers Mouhanad Khorchide „Islam ist Barmzerigkeit“ beispielsweise liest sich an vielen Stellen wie eine „theolo­gische“ Formulierung der Deklarationen so genannter „liberaler Muslime“. Und das ist durchaus bedauernswert, weil die Grundfrage ­Khorchides, die nach der Barmherzigkeit Allahs ­tat­sächlich zu oft unterschlagen wird.

Dass es einen gezielten Willen der Politik gibt, hier zu ideologisch genehmen Neudeutung zu kommen, wird wahrlich nicht unwahrscheinlicher. Jüngst wurde der Fall eines Beiratsmitglie­des bekannt, den der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland bestimmte und in das Gremium entsenden wollte. Obwohl das Land Nordrhein-Westfalen keine ­Einwände hatte, intervenierte die Bundespolitik und der Betroffene wurde wieder ausgeladen.

Die muslimische Community wartet bisher noch auf den Beweis, dass das neue Fach am Ende mehr ist als nur eine politische Theologie.

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Zur Debatte über den Islam in Deutschland: Das neue Studienfach zwischen Freiheit der Lehre und beabsichtigter Einflussnahme

(iz). Am 30. Oktober eröffnet Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) das neue Zentrum für islamische Theologie feierlich in Münster. Das Institut für Islamische Theologie (IIT) in Osnabrück und das Zentrum für […]

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Kommentar: Seit Tagen bestimmt eine Scheinaffäre die Tagesordnung. Von Yasin Bas

(iz). Weshalb debattiert Deutschland seit Kurzem so ausgiebig über Bundespräsident Christian Wulff und kaum noch über die rechtsextremistische Terrorbande und deren Verbindungen zu V-Leuten der Nachrichtendienste? Ist die von vielen Politikern als „Staatsaffäre“ und „Nachrichtendienstpanne“ bezeichnete Affäre denn aufgeklärt, sodass wir uns nun einem allbestimmenden Thema widmen? Wovon will man die Öffentlichkeit ablenken? Und wieso wird ein Bundespräsident Wulff derart erbarmungslos angegriffen?

Bundespräsident Christian Wulff ist ein CDU-Politiker. Wir wählen als Bürger Politiker, keine Päpste oder Heiligen. Die Bundesversammlung tut dasselbe, wenn sie einen Bundespräsidenten kürt. Wulff stammt aus Osnabrück, die sich selbst als „Friedensstadt“ bezeichnet. Wulff ist ein überaus toleranter und offener Mensch. Solche Politiker wie ihn gibt es nur selten. Ohne die Hilfe von Wulff gehörten heute weder der Volkswagenkonzern noch Porsche zu den größten Automobilunternehmen der Welt. Christian Wulff hat mit Geschick die Autofirmen vor der Übernahme ausländischer Unternehmen gerettet. Ohne seine Unterstützung wären heute unzählige Menschen in Niedersachsen arbeitslos.

Geprägt wurde Wulff sicherlich auch durch die multikulturelle und multireligiöse Atmosphäre in Osnabrück. In der „Friedensstadt“ herrscht ein vorbildliches Miteinander der Religionen und Ethnien. Die Arbeitsgemeinschaft der Religionen in Osnabrück (AROS) trifft regelmäßig zusammen. In ihr sind Mitglieder aller Religionsgemeinschaften und Konfessionen vertreten, die Osnabrück zu bieten hat. So zum Beispiel orthodoxe Christen und weitere Gruppierungen, die es außer den großen Religionen Judentum, Christentum und Islam noch gibt.

In der „Stadt des westfälischen Friedens“ Osnabrück wurde Christian Wulff auch von dem 2007 verstorbenen Yilmaz Akyürek geprägt. Akyürek engagierte sich in den 1970ern und 1980er Jahren als Vorsitzender des türkischen Elternrates vor allem dafür, dass Kinder türkischer Familien in Osnabrück ihren Platz im deutschen Schulsystem fanden. Er hat auch die Arbeit des Ausländerbeirates der Stadt Osnabrück beeinflusst, dem er mehr als zwanzig Jahre lang angehörte. Für seine vielseitigen interkulturellen und interreligiösen Verdienste wurde Akyürek 1999 durch die Verleihung der Osnabrücker Bürgermedaille gewürdigt. 2008 wurde sogar ein Platz in Osnabrück nach ihm benannt.

Wieso berichte ich hier von ihm? Christian Wulff und Yilmaz Akyürek waren enge Bekannte. Sie arbeiteten auch während der Zeit der Tätigkeit von Akyürek im Ausländerbeirat zusammen. Damals war Wulff noch Ratsherr und zeitweise auch Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion Osnabrück. Wulff respektierte Akyürek derart, dass er sich bei einer Veranstaltung, bei der auch der Autor anwesend war, von seinem Stuhl erhob und Akyürek respektvoll begrüßte und ihn bat, neben sich Platz zu nehmen. Dieser Respekt gegenüber einem Menschen, ganz gleich welcher Herkunft er war, brachte Wulff Sympathien bei den Osnabrückern ein.

Auf lokaler Ebene hatte Wulff die Herzen der Menschen schnell gewonnen. Auf Landesebene setze er ein Zeichen, als er als Ministerpräsident von Niedersachsen die erste muslimische und türkische Ministerin Deutschlands in sein Kabinett berief. Dadurch bewies Wulff Weitblick und Fingerspitzengefühl. Er konnte schon – im Gegensatz zu Parteifreunden und anderen Politikern – recht früh die demographische Entwicklung des Landes deuten und dementsprechend handeln. In einem Land, in dem knapp 20 Prozent der Bevölkerung ausländische Wurzeln haben, in dem über drei Millionen Menschen türkischer Herkunft leben und in dem fast fünf Millionen Muslime heimisch sind, war Christian Wulff der erste, der auf die Idee kam, eine Muslimin zur Ministerin zu ernennen.

Damit schrieb der Bundespräsident Geschichte. Spätestens seit diesem Zeitpunkt wurde er in den Augen mancher nationalistischer Kreise zur Gefahr. Auch an der Einführung des islamischen Religionsunterrichts an niedersächsischen Grundschulen, sowie der Etablierung islamisch-pädagogischer Lehrstühle an staatlichen Universitäten war Christian Wulff beteiligt.

Der Wissenschaftsrat der Bundesrepublik Deutschland übertrug diese Initiative von Wulff auf ganz Deutschland. Bedauerlicherweise wurden Wulff und seine Gattin Bettina nach ihrer Heirat von fundamentalistisch-katholischen und evangelikalen Kreisen heftig angegangen, weil in der katholischen Lehre eine Scheidung und erneute Ehe verboten ist. In einschlägigen Internetforen kann man viele Anfeindungen und Beleidigungen nachlesen.

Nachdem er Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt wurde, setzte er sich immer wieder für den interkulturellen und interreligiösen Dialog ein. Fast in jeder Rede, Neujahrsansprache und Grußmitteilung kamen diese Begrifflichkeiten vor. Wulff sprach von einer „Bunten Republik Deutschland“ und erinnerte auch die „Ewiggestrigen“ daran, dass sich Deutschland änderte. Auch wenn viele es nicht wahrhaben wollten oder konnten, Deutschland wurde schon seit Jahren und Jahrzehnten vielfältiger, verschiedener und bunter. Der Bundespräsident sah und sieht in jedem Menschen, der hier lebt, einen Staatsbürger. Ein bis zu dieser Zeit noch nie da gewesenes „Wir-Gefühl“ zog mit Wulff durch Deutschland. Durch diese neue Bewegung und Dynamik, durch diese moderne Denkweise haben Millionen Menschen ihre Liebe zu diesem Land wieder entdeckt.

Das Fass zum Überlaufen brachte für manche Kreise das Bekenntnis des Bundespräsidenten anlässlich des Tages der Deutschen Einheit, dass „auch der Islam ein Teil von Deutschland“ ist. Kein Politiker – bis auf den früheren Innenminister Wolfgang Schäuble (2009) – hatte so etwas bis dahin in den Mund genommen. Ähnlich wie jetzt wurde Wulff für diese wahren Worte wochenlang von Medien und bestimmten Politkern – leider auch aus der eigenen Partei – heftig angegriffen. Zuletzt kritisierte Wulff die versagenden Sicherheitsbehörden und Verantwortlichen im Kampf gegen den rechtsextremistischen Terrorismus -Verzeihung, der „Dönermörder“. Er empfing die Familien sowie Angehörigen der Opfer, von denen einige von fast allen Medien und Teilen der Behörden zuvor verdächtigt wurden, mit den Terrorakten oder Lynchmorden in Verbindung zu stehen.

Christian Wulff vergoss im Gegensatz zu anderen Politikern und Würdenträgern ehrliche Tränen anstatt Krokodilstränen. Das haben Millionen Menschen gespürt und gefühlt, davon haben auch die Medien der Migranten berichtet. Diese Anteilnahme hat man bei Landesministern oder Ministerpräsidenten vergeblich gesucht. Hätten nicht wenigstens die Ministerpräsidenten von Thüringen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern dieselbe Sensibilität gegenüber den Familien der Opfer zeigen und ihre Trauer teilen können?

In einer Zeit, in der die Aufklärung der rassistischen Morde gegenüber Türken, Muslimen und Ausländern den ersten Rang in der Presse und Tagesordnung einnehmen müsste, sieht man nun seit Tagen, dass ein anderes Thema – plötzlich (!) – die Tagesordnung einnimmt und zu dominieren versucht. Die Menschen in diesem Land sind nicht dumm.

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Offener Ausgang: Interview mit dem Osnabrücker Erhat Toka, der für die MDU bei den Kommunalwahlen antritt

(iz). Bisher traten Muslime in der Politik unseres Landes vor allem als Gegenstand der Debatte, aber nur selten bis gar nicht als ihre Gestalter auf. Es kann davon ausgegangen werden, […]

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