Vor 75 Jahren wurden Indien und Pakistan unabhängig. Aus der Vision einer vielfältigen Gesellschaft beider Gründerväter wurde nichts – stattdessen sorgt heute religiöser Nationalismus für Gewalt und Konflikte. (KNA). Vor […]
Schlagwort: pakistan
Wenn der Klimawandel alles nimmt: Islamic Relief ruft zu Hilfe für Pakistan auf
Mehr internationale Hilfe ist dringend erforderlich, um auf Pakistans schlimmste Überschwemmungen zu reagieren, bei denen ein Drittel des gesamten Landes jetzt unter Wasser steht. Islamic Relief appelliert an die internationale Staatengemeinschaft, ihre Nothilfe-Reaktion zu verstärken, um Menschen zu helfen, die an vorderster Front unter dem globalen Klimawandel leiden.
Köln (IRD). Nach den schlimmsten Überschwemmungen seit Menschengedenken in Pakistan, bei denen ein Drittel des gesamten Landes unter Wasser steht, wird dringend mehr internationale Hilfe benötigt.
Mehr als 33 Millionen Menschen – jede/r siebte/r Pakistaner/in – sind inzwischen von den Überschwemmungen betroffen, und in einigen Gebieten gibt es fast das Achtfache der normalen Niederschläge. Es wird erwartet, dass sich die Situation in den kommenden Tagen verschlimmern wird, mit weiteren Überschwemmungen, Ausbrüchen von durch Wasser übertragenen Krankheiten und Lebensmitteln, die auf den lokalen Märkten zur Neige gehen.
Pakistan produziert weniger als 1 Prozent des weltweiten Kohlenstoff-Fußabdrucks, aber die Menschen im Land leiden am meisten unter den Folgen
Waseem Ahmad, Geschäftsführer von Islamic Relief Worldwide, ist heute vor Ort in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Nordwesten Pakistans, um lebensrettende Hilfsgüter wie Lebensmittel und Unterkünfte bereitzustellen. Er berichtet von der Lage:
„Die Menschen hier sind die Hauptleidtragenden des globalen Klimawandels. Pakistan produziert weniger als ein Prozent des weltweiten Kohlenstoff-Fußabdrucks, aber seine Menschen leiden unter den größten Folgen. Dies sind die schlimmsten Überschwemmungen, die Pakistan je erlebt hat, und das Ausmaß der Verwüstung ist unvorstellbar.
Ich habe gesehen, wie ganze Dörfer weggeschwemmt und überflutet wurden. Ich sah kilometerweit nichts als Wasser, wo noch vor wenigen Tagen ganze Gemeinden und Häuser standen. Ich habe so viele Familien getroffen, die nur wenige Minuten vor dem Eintreffen der Fluten um ihr Leben geflohen sind und alles verloren haben, was sie besaßen – ihre Häuser sind zerstört, ihr Vieh ist verendet und ihre Ernten sind vernichtet. Sie wissen nicht, wie sie sich und ihre Kinder ernähren sollen.
Tausende von Familien stehen am Rande der Hauptstraßen, da dies der höchstgelegene Ort ist, den sie finden können, und wo sie hoffen, dass sie Hilfe bekommen können. Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie so viele Menschen aus ein paar Bettlaken und Planen-Fetzen Notunterkünfte errichten und ohne Nahrung und Wasser festsitzen.
Trotz der enormen Schäden an der Infrastruktur, wie z. B. an Straßen und Brücken, kommen die ersten Hilfslieferungen an, doch viele Menschen sind weiterhin von der Außenwelt abgeschnitten. Islamic Relief verteilt lebensrettende Hilfsgüter wie Lebensmittel, Zelte, Bargeld und Hygienekits. Aber es wird noch viel mehr Unterstützung benötigt.
Nothilfe ist dringend notwendig, um Leben und Lebensgrundlagen zu retten. Aber wir brauchen auch echte globale Maßnahmen gegen den Klimanotstand. Diese Katastrophen werden immer häufiger und schwerwiegender – Länder wie Bangladesch und Südafrika haben in diesem Jahr die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten erlebt, während am Horn von Afrika gerade eine noch nie dagewesene Dürre herrscht. Es ist an der Zeit, dass die Welt aufwacht und etwas gegen den Klimawandel unternimmt.”
Durch die Überschwemmungen sind bisher mindestens 1136 Menschen in Pakistan ums Leben gekommen, und es wird erwartet, dass die Zahl der Opfer weiter steigt. Da 2 Millionen Hektar Ernten vernichtet und 800.000 Tiere getötet wurden, gehen auf vielen Märkten die Lebensmittel aus, und viele Familien stehen vor dem Nichts. Es wird erwartet, dass sich die wirtschaftlichen Verluste des Landes auf Milliarden von Dollar belaufen.
Islamic Relief hat einen weltweiten Spendenaufruf für die Nothilfe gestartet und will mehr als 200.000 von den Überschwemmungen betroffene Menschen unterstützen. Die Hilfsorganisation ist in den Provinzen Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (KPK) im Einsatz und hat bisher mehr als 20.000 Menschen mit Zelten, Lebensmitteln, Bargeld, Hygienesets und anderen lebenswichtigen Hilfsgütern erreicht.
Zahl der Toten bei Flutkatastrophe in Pakistan steigt weiter
Islamabad (dpa).- Die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan haben jüngsten Angaben der Behörden zufolge bereits mehr als 1160 Menschen das Leben gekostet. Seit Mitte Juni sei die Zahl der Toten auf 1162 gestiegen, darunter befänden sich auch 384 Kinder, teilte die nationale Katastrophenschutzbehörde am Mittwoch mit. Es werde mit weiter steigenden Zahlen gerechnet.
Die UN und Pakistans Regierung stellten am Dienstag in Genf einen ersten Hilfsplan für sechs Monate vor, für den nun 160 Millionen Dollar (rund 160 Mio Euro) benötigt werden. UN-Generalsekretär António Guterres werde kommende Woche zu einem Solidaritätsbesuch nach Pakistan reisen, sagte ein UN-Sprecher.
Das südasiatische Land mit seinen rund 220 Millionen Einwohnern leidet seit Mitte Juni unter ungewöhnlich starkem Monsunregen. Mehr als 33 Millionen Menschen in 116 der 160 Bezirke Pakistans sind den Angaben zufolge von den Überschwemmungen betroffen.
Vor allem in der Provinz Belutschistan im Südwesten zerstörten Überschwemmungen Ackerland mit Ernten, Häuser und Infrastruktur. Auch der Nordwesten hat wegen der Fluten inzwischen mit großen Schäden zu kämpfen. Naturkatastrophen wie Fluten, Dürren und Erdrutsche haben in Pakistan in den vergangenen Jahren zugenommen. Experten schreiben dies dem Klimawandel zu.
Millionen Pakistaner von Hochwasserkatastrophe betroffen
Islamabad (KNA). Katholiken in Pakistan beten um Hilfe für die Millionen von der schwersten Hochwasserkatastrophe der vergangenen Jahrzehnte betroffenen Menschen. „Familien trauern um den Verlust ihrer Lieben und die Menschen sind obdachlos und hungrig“, sagte Bischof Samson Shukardin von Hyderabad dem asiatischen Pressedienst Ucanews (Montag). 90 Prozent seines Bistums in der Provinz Sindh seien überflutet und viele Kirchen, Pfarrhäuser und Schulen durch das Hochwasser beschädigt worden. Die notleidenden Menschen brauchten dringend haltbare Lebensmittel, Kleidung, Schuhe, Bettzeug, Moskitonetze, Zelte und Toilettenartikel.
„Ich mache mir auch Sorgen um die armen Bauernfamilien, die die Ernte verloren haben und neben all diesen Schäden durch weitere Kredite belastet werden, obwohl sie bereits bei ihren Landbesitzern verschuldet sind“, so der Bischof weiter. Am Sonntag gab es laut Ucanews für die Betroffenen Gebete und Spendensammlungen. Papst Franziskus rief während seines Besuches im italienischen L’Aquila zur Hilfe für die Hochwasseropfer in Pakistan auf.
Unter der Überschrift „Apokalypse Now“ schrieb die pakistanische Zeitung „The Dawn“ am Montag: „Machen wir uns nichts vor, wir erleben aktuell die größte Naturkatastrophe, die es je bei uns gab.“ Allein in Sindh sei auf den Weizen- und Reisfeldern sowie den Obstplantagen nahezu die gesamte Ernte vernichtet worden.
An den ersten Hilfseinsätzen beteiligen sich unterdessen auch Organisationen aus Deutschland. So ist das Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“ in den Notstandsgebieten aktiv. „Viele Menschen suchen notdürftig Schutz im Freien oder müssen aus eingestürzten Häusern evakuiert werden“, sagte Manuela Roßbach, Vorständin des Bündnisses. Es handele sich um eine „sehr ernste Situation“.
Im mehrheitlich islamischen Pakistan wurden in den vergangenen Wochen 375,4 Milliliter Niederschläge gemessen. Das war nach Medienberichten nahezu dreimal mehr als der nationale 30-Jahres-Durchschnitt von 130,8 Millilitern. Besonders betroffen von den Wolkenbrüchen, die die Flüsse anschwellen ließen, sind die Provinzen Sindh und Belutschistan sowie Teile des Punjab.
Die pakistanische Regierung hat den Notstand ausgerufen. Nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde sind 116 der 160 Distrikte von dem Hochwasser betroffen, von denen 66 zu Katastrophengebieten erklärt wurden. Mehr als 1.000 Menschen sind bisher in den Fluten ertrunken. 452.000 Gebäude wurden beschädigt, 810.000 Hektar landwirtschaftlich genutzte Flächen zerstört, 793.000 Nutztiere kamen ums Leben und mindestens 17.566 Schulen wurden aufgrund der starken Regenfälle und Überschwemmungen beschädigt oder zerstört.
Mehr als 1000 Tote bei Flutkatastrophe in Pakistan
Islamabad (dpa/iz). In Pakistan haben mehr als 1000 Menschen wegen heftiger Regenfälle und daraus resultierenden Sturzfluten ihr Leben verloren. Alleine in den vergangenen 24 Stunden seien mehr als 100 neue Todesfälle bekannt geworden, teilte die Nationale Katastrophenbehörde am Sonntag mit. Damit stieg die Zahl der Toten demnach auf 1033. Darunter seien auch 348 Kinder, hieß es.
Überlaufende Flüsse beschädigten in dem südasiatischen Land fast eine Million Gebäude und über 3.400 Kilometer Straßen, wie die Behörde mitteilte. In den sozialen Netzwerken war in zahlreichen Videos zu sehen, wie Sturzfluten im Swat-Tal im Norden des Landes mehrstöckige Gebäude mit sich rissen. Zehntausende Menschen hätten ihr Zuhause verloren und seien nun in abgelegenen Dörfern von ihrer Umwelt abgeschnitten, hieß es. Es könne Tage dauern, bis die Rettungskräfte sie erreichten.
Am vergangenen Donnerstag hatte Pakistans Regierung den Notstand ausgerufen und um internationale Hilfe zur Bewältigung der Katastrophe gebeten. Insgesamt seien mehr als 33 Millionen Menschen von den Überschwemmungen betroffen, hieß es. Die Situation verschlechtere sich zunehmend, da weitere starke Regenfälle Überschwemmungen und Erdrutsche verursachten, teilte die Hilfsorganisation CARE mit.
Pakistan leidet seit Mitte Juni unter ungewöhnlich starkem Monsunregen. Betroffen ist besonders die Region Belutschistan im Südwesten des Landes. Doch auch der Nordwesten Pakistans hat aufgrund heftiger Regenfälle inzwischen mit zerstörten Häusern, Brücken und Straßen zu kämpfen. Experten machen den Klimawandel für die Zunahme von Naturkatastrophen in dem südasiatischen Land verantwortlich.
Islamic Relief Deutschland ruft zu Spenden für die betroffenen Gebiete auf:
https://www.islamicrelief.de/nothilfe-pakistan/?utm_medium=link&utm_source=startseite&utm_campaign=nothilfe-pakistan&utm_content=startseite-button-spenden
Taliban an der Macht verstärken uigurische Befürchtungen
(iz). Gerade eben verkündeten die siegreichen Taliban nach dem Abzug des letzten US-amerikanischen Soldaten, Afghanistan sei nun wieder eine „souveräne Nation“. Ihre Übernahme des Landes hat nicht nur zu Fragen geführt, wie die Gruppierung ihre Macht im Inland nutzen wird. Trotz verschiedener Signale an das Umfeld bleibt es offen, wie seine direkten und indirekten Nachbarn auf den jetzigen Sieg reagieren oder wie die Machthaber in Kabul verfahren werden.
Das erste Mal seit 2001 steht die Hauptstadt unter ihrer Kontrolle. Momentan sind die verschiedenen Kommandoebenen – in Doha, Pakistan sowie Kommandeure im Land – im Prozess einer Regierungsbildung. Jenseits von Ankündigungen in Pressekonferenzen und -gesprächen.
Bisher richtet sich der weltweite Fokus vorrangig – und verständlich – auf die Perspektive von Afghanen in Hinblick auf die neuen Herren in Kabul. Immerhin sind sie direkt von ihrer Politik und ihrem konkreten Verhalten als erste und am stärksten betroffen. Von der deutschen Öffentlichkeit unbeachtet sehen Exiluiguren eine angedeutete Annäherung zwischen Kabul und Peking mit Sorge.
In einem Fachreader der International Crisis Group (ICG) vom 26. August zu Reaktionen und Optionen von Nachbarländern beschäftigt sich die China-Expertin Amanda Hsiao mit einem zukünftigen Verhältnis Pekings zu den Taliban.
Nach Ansicht verschiedener Beobachter und Medien liegen seine Interessen in drei Bereichen: afghanische Rohstoffe, seine Integration in die Road-and-Belt-Initiative (Projekt Neue Seidenstraße) sowie Sorgen um die regionale und innere Sicherheit Chinas. Hsiao betont in ihrem Text vor allem die chinesische Angst vor einem Übergreifen der Unsicherheit – sowohl auf das eigene Gebiet als auch Drohungen gegenüber eigenen Bürgern und Projekten in Pakistan. China setze „vor allem durch diplomatischen und ökonomischen Austausch“ auf die Förderung von Stabilität in Afghanistan.
Darüber hinaus hinterlasse der westliche Rückzug vom Hindukusch ein Vakuum. Das gäbe China mehr Freiraum in Zentralasien. Für Peking könne sich das als zweischneidiges Schwert erweisen. Die Abwesenheit der USA in Afghanistan mache regional Platz. Allerdings stünden Washington nun neue Ressourcen im indopazifischen Raum zur Verfügung, um dort Druck auf China ausüben zu können.
Für Uiguren, insbesondere Exilanten in Zentralasien, ist relevanter, dass Peking auch in Afghanistan unter dem Deckmantel eines „Kampfes gegen den Terror“ Druck auf die verfolgte Minderheit ausüben werde. Nach Ansichten von Hsiao hätten die Taliban hier beschwichtigende Signale bezüglich der kleinen Extremistenbewegung ETIM (die auf einige hundert Uiguren geschätzt wird) in Afghanistan gesendet.
„Peking wird die Taliban-Regierung anerkennen wollen, wahrscheinlich nachdem oder gleichzeitig mit Pakistan, aber bevor ein westliches Land dies tut, obwohl der Zeitpunkt dieses Schrittes zum Teil davon abhängen könnte, ob es gelingt, von den Taliban zusätzliche Zusicherungen in den beiden Fragen zu erhalten, die ihm am wichtigsten sind“, lautet die Einschätzung der ICG-Expertin.
Am 24. August berichtete der US-amerikanische Sender Radio Free Asia, wie Exiluiguren in Afghanistan auf den Erfolg der Taliban reagieren. Sie seien „voller Schrecken“. Diese Machtübernahme könne bedeuten, dass sie nach China ausgeliefert würden, wo ihnen „harte Strafen“ drohten. Menschenrechtsgruppen befürchteten „das Schlimmste“ für die geschätzten 2.000 Uiguren, die derzeit leben würden.
Nach Angaben eines Mannes, dessen Eltern bereits in Afghanistan geboren wurden, seien die rund 80 uigurischen Familien in der Hauptstadt verwirrt und fürchteten um ihr Leben. Er selbst sei bei einem Gang zum Bäcker von einzelnen Taliban geschlagen worden. Exiluiguren in der Türkei hätten mittlerweile von Kontakten in der nördlichen Stadt Mazar-e-Sharif berichtet, wonach Taliban in Privatwohnungen eindringen und Mädchen entführen würden. „Kasachstan fliegt Kasachen aus Afghanistan, Usbekistan nimmt Usbeken, die Türkei und alle anderen Länder nehmen ihre Bürger mit, aber niemand (…) hilft unst“, sagte ein Kabuler Uigure.
Bereits am 11. August veröffentlichte das Uyghur Human Rights Project (UHRP) einen neuen Bericht, wonach Pakistan und die nun gestürzte afghanische Regierung „Komplizen“ Pekings in der grenzübergreifenden Unterdrückung von Uiguren seien. Das chinesische Vorgehen gegen Exilgemeinschaften in den beiden Ländern würde die Menschenrechte und weltweite Standards verletzen, so die Autoren.
Seit 1990 gab es 60 Ausweisungen von Uiguren durch pakistanische Sicherheitskräfte im Windschatten des internationalen Antiterror-Kriegs. China hält den Druck auf Exiluiguren aufrecht, die über Pakistan, Afghanistan und andere Staaten in den Westen fliehen. In den letzten 10-15 Jahren soll sich die Stärke der dortigen Gemeinschaft von rund 3.000 Menschen auf bloß 100 Personen reduziert haben.
„Pakistan und Afghanistan werden zu chinesischen Klientenstaaten“, sagte UHRP-Direktor Ömer Kanat. „Auf Geheiß der chinesischen Behörden werden in Islamabad und Kabul gefährdete Uiguren schikaniert, inhaftiert und deportiert. Einige der ins Visier genommenen Uiguren sind in China gefoltert und hingerichtet worden, während andere die Zerschlagung ihrer Familien und die rigorose Überwachung ihrer Gemeinschaften erlebt haben. Chinas wirtschaftliche Großzügigkeit kann jede Art von Komplizenschaft bei der Gewalt gegen Uiguren erkaufen.“
Für das Fachmedium „Bitterwinter“ beschäftigte sich die Analystin Ruth Ingram mit den Auswirkungen der Machtübernahme für Uiguren in der Region. Bereits vor ihrem Sieg hätten die Taliban gegenüber Peking versprochen, dass sie keinen antichinesischen Terror auf ihrem Gebiet zulassen würden. Sie würden bei der Abschiebung von „problematischen“ Uiguren kooperieren. Damit hätten sie der Kommunistischen Partei eine weitere Waffe für ihr Arsenal im sogenannten Krieg gegen den Terror gegeben. Dieser verlasse sich auf die Zusammenarbeit mit engsten Nachbarn und „dem Schweigen der muslimischen Staaten“.
Exiluigurische Organisationen sowie westliche Forscher hätten seit Jahren dokumentiert, dass der Verweis auf die Terrororganisation ETIM, wenn es sie denn überhaupt gäbe, keine faire Repräsentation von Uiguren insgesamt sei. Und Uiguren sollten nicht durch Aktionen geschmäht werden, welch die ETIM in ihrem Namen beginge.
Die Uiguren seien zu den Opferlämmern auf dem Altar von Pekings unaufhaltsamem wirtschaftlichen und politischen Marsch nach Westen geworden. Die KPCh habe sich Loyalität, Schweigen und Komplizenschaft mit Versprechungen für Hilfe, Wohlstand und Schutz erkauft. „Pakistans unerschütterlicher chinesischer Verbündeter Imran Khan leugnet jede Kenntnis von der Notlage der Uiguren vor seiner Haustür, und das neue Taliban-Emirat ist bereit, seinen Stolz zugunsten von Bergen von Geld für Bau- und Schürfrechte herunterzuschlucken“, so Ingram.
Tausende Afghanen stehen auf Wartelisten für Familiennachzug
Berlin (KNA). Mehr als 4.000 afghanische Staatsbürger haben vor Beginn der Luftbrücke in Kabul auf einen Termin in deutschen Auslandsvertretungen für ein Visum zum Familiennachzug gewartet. Mit Stand 16. August hätten sich „auf den Terminlisten der Botschaften für den Familiennachzug insgesamt für die Beantragung in Islamabad 2.775 Personen (davon 791 zu subsidiär Schutzberechtigten) und für Neu Delhi 1.388 Personen (davon 196 zu subsidiär Schutzberechtigten) registriert“, hieß es auf Nachfrage der Zeitungen der Funke Mediengruppe aus dem Auswärtigen Amt.
Insgesamt warteten demnach Mitte August noch 4.163 afghanische Staatsbürger auf einen Termin zur Familienzusammenführung. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu Anfang Mai 2021. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion warteten damals in Islamabad knapp 1.879 Afghanen auf einen Termin für den Familiennachzug, in Neu Delhi waren es 1.138.
Unklar ist, wie viele dieser Menschen in den vergangenen Tagen mit Hilfe von internationalen Rettungsfliegern aus Afghanistan ausgeflogen worden sind. In Deutschland anerkannte Flüchtlinge haben grundsätzlich das Recht, ihre engsten Angehörigen, etwa Ehegatten und Kinder, über das Verfahren zum Familiennachzug nach Deutschland zu holen.
Seit dem Terroranschlag auf die deutsche Botschaft 2017 in Kabul laufen die Visaverfahren für afghanische Staatsangehörige zum Familiennachzug in den deutschen Auslandsvertretungen in Pakistan und Indien. Nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion beträgt die Wartezeit für einen Termin zur Familienzusammenführung etwa im pakistanischen Islamabad sowie im indischen Neu Delhi „über ein Jahr“.
Außenminister Heiko Maas (SPD) hat angekündigt, in den kommenden Tagen in die Region zu reisen. Maas hatte unlängst mit Blick auf die dramatische Lage in Afghanistan zudem versprochen, die „Kapazitäten unserer Visastellen in Islamabad, Neu Delhi, Taschkent“ aufzustocken und die „Möglichkeiten der zentralen Visabearbeitung im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten voll zu nutzen“.a
Führt die Machtübernahme der Taliban zu einer Wirtschaftskrise?
Afghanistan übernahmen die Taliban in Windeseile. Nun beginnen die Mühen der Ebene: das Regieren eines armen Landes. Wichtige Geber haben Hilfen erstmal eingefroren. Den Taliban könnte bald das Geld ausgehen – sie haben aber auch Trümpfe in der Hand. Von Jürgen Bätz
Washington/Kabul (dpa/iz). Nach der Machtübernahme ist vor der nächsten Krise: Afghanistans Wirtschaft steht ein schwerer Einbruch bevor, im Land sind Armut und Hunger verbreitet, der Regierung geht das Geld aus. Die Taliban haben in Kabul das Zepter übernommen, aber nun müssen die selbst ernannten Gotteskrieger erstmals seit einer Generation wieder ein Land regieren. Sie müssen versuchen, für Stabilität zu sorgen und für geschätzt 37 Millionen Menschen eine Grundversorgung sicherzustellen. Die gestürzte Regierung konnte dafür auf massive Hilfe aus dem Ausland bauen. Die Taliban hingegen könnten eher auf das brutale Eintreiben von Steuern und auf den Handel mit Opium setzen.
Ausländische Geber, allen voran die USA, Deutschland und andere Europäer, finanzierten in dem armen Land nach US-Angaben zuletzt rund 80 Prozent der Ausgaben der Regierung. Nun liegen milliardenschwere Hilfszusagen auf Eis. Auch auf eine andere mögliche Geldquelle, die im Ausland gehaltenen afghanischen Währungsreserven von rund neun Milliarden US-Dollar, haben die Taliban vorerst keinen Zugriff.
Für die Zukunft der Menschen in Afghanistan ist es nun entscheidend, welchen Weg die Taliban einschlagen werden: Wird es ein brutales Regime geben, das Afghanistan international zu einem Paria-Staat macht? Oder wird es eine zwar islamistische, aber dennoch etwas gemäßigtere Regierung geben, die auf eine Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft setzt, um für die arme Bevölkerung Hilfen zu bekommen?
Seit dem Sturz der Taliban vor 20 Jahren ist die Wirtschaft sehr stark gewachsen. Die internationale Unterstützung für Afghanistan machte 2020 nach Angaben der Weltbank aber mehr als 40 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes von rund 20 Milliarden US-Dollar aus. Trotz der Hilfen gehört Afghanistan einem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen (UN) zufolge weiter zu den ärmsten Ländern der Welt (Platz 169 von 189 Staaten). Aktuell ist die humanitäre Lage wegen einer schlimmen Dürre, der Corona-Pandemie und den Folgen des jahrzehntelangen Konflikts besonders kritisch. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt UN-Angaben zufolge in Armut und ist auf Unterstützung angewiesen, darunter etwa zehn Millionen Kinder. Das Welternährungsprogramm (WFP) schätzt, dass rund 14 Millionen Menschen nicht genug zu Essen haben.
Von 1996 bis 2001 regierten die Taliban in Afghanistan mit einer extrem strikten Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia. Frauen und Mädchen hatten damals kaum Rechte, Verbrechen wurden drakonisch bestraft – mit teils barbarischen Mitteln bis hin zu Steinigungen. Sollte es wieder so kommen, dürften die meisten ausländischen Geber fern bleiben. Im Fall einer humanitäre Katastrophe dürften mehr Afghanen die Flucht ins Ausland anstreben, auch nach Europa.
Eine isolierte Regierung der Taliban wäre jedoch keineswegs mittellos. In Gebieten, die sie schon bisher kontrollierten, standen sie im Ruf, Steuern und Zwangsabgaben konsequent – und teils auch brutal – einzutreiben. Außerdem haben sie im großen Stil Schutzgeld erpresst. Unter anderem mit diesen Einnahmen finanzierten die Islamisten auch den Kampf gegen die Regierung. Zudem haben die Taliban nun zwei Trümpfe in der Hand: den Handel und das Opium.
Die Einnahmen durch Zollgebühren, also aus dem Handel mit dem Iran, Pakistan und anderen Nachbarn, dürften wieder kräftig sprudeln, sobald im Land eine gewisse Stabilität eingekehrt sein wird. Hinzu kommt der illegale, aber lukrative Anbau von Schlafmohn, aus dem Opium hergestellt wird. Dabei geht es um viel Geld: Afghanistan produziert UN-Angaben zufolge rund 85 Prozent des weltweit hergestellten Opiums – Grundstoff von Heroin. Die Taliban können bei Anbau, Herstellung und Handel die Hand aufhalten und Gebühren einfordern. Gleiches gilt für die Herstellung der Droge Methamphetamin.
Während ihrer früheren Regierungszeit hatten die Taliban den Anbau von Opium zeitweise offiziell verboten. Berichten zufolge blieb der Handel mit dem Stoff aber stets eine extrem wichtige Einnahmequelle für sie. Bei der ersten öffentlichen Pressekonferenz des Taliban-Sprechers in Kabul vor wenigen Tagen versicherte Sabiullah Mudschahid, dass man vom Drogenanbau künftig Abstand nehmen werde. „Wir versichern unserer Nation und der Welt, dass Afghanistan nicht das Zentrum der Opiumproduktion sein wird“, sagte Mudschahid. Und fügte eine persönliche Note hinzu, um sein Anliegen zu unterstreichen: Es habe ihn sehr traurig gemacht, als er nach seiner Ankunft in Kabul Jugendliche sah, die Drogen nahmen.
Eine weitere Geldquelle ist der Bergbau und der Export von Mineralien und Edelsteinen. Auch müssen die Taliban künftig weniger für Waffen ausgeben, denn sie haben direkten Zugriff auf die Ausrüstung der zuletzt rund 300.000 Mann starken afghanischen Sicherheitskräfte – die über Jahre hinweg maßgeblich vom US-Militär hochgerüstet worden waren.
Doch Waffen und Nachtsichtgeräte kann man nicht essen. Das UN-Nothilfebüro (OCHA) warnte jüngst: „Die humanitäre Krise in Afghanistan verschärft sich rapide.“ Der Vormarsch der Taliban habe zu neuen Fluchtbewegungen geführt. „Die Menschen in Afghanistan brauchen unsere Hilfe jetzt mehr denn je“, hieß es in einem gemeinsam Appell der Helfer.
Die internationale Gemeinschaft setzt nun auf Abwarten und scheint zu hoffen, die Hilfsgelder als Druckmittel nutzen zu können, um zumindest eine Mäßigung der Taliban zu erreichen. Ohne internationale Anerkennung sei es schwer, das Land zu regieren und die Wirtschaft in Schwung zu bringen, sagte am Freitag der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price. Die Anerkennung sei für jede künftige Regierung wichtig, denn „Afghanistan wird mehr als fast jedes andere Land der Welt auf internationale Unterstützung angewiesen sein“.
Möglich wäre auch eine Anerkennung nur durch Nachbarländer, darunter zum Beispiel Pakistan und die Großmacht China, denen vor allem an Stabilität in der Region gelegen ist. Das würde den Handel vereinfachen, große Hilfszahlungen wären aber wohl kaum zu erwarten.
Den größeren Teil der Hilfen für Afghanistan – die Entwicklungshilfe in Höhe von 250 Millionen Euro – hat Deutschland nach der Machtübernahme der Taliban eingefroren. Die humanitäre Hilfe für Notleidende läuft aber weiter. Die USA, der größte bilaterale Geber, hatten allein für nächstes Jahr mehr als drei Milliarden Dollar an Hilfen eingeplant. Und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) sollte Afghanistan in Kürze eine Erhöhung der Reserven bekommen, die dem Land rund 450 Millionen US-Dollar Liquidität verschaffen sollte.
Weil in Afghanistan bislang deutlich mehr US-Dollar ausgegeben als eingenommen wurden, war die Zentralbank zudem auf regelmäßige Lieferungen von US-Bargeld angewiesen. Angesichts des Vormarsches der Taliban hat Washington den Nachschub aber gestoppt. Der Mangel an Devisen könnte zu Kapitalkontrollen, einer Begrenzung von Abhebungen und zu einem Verfall des Kurses der örtlichen Währung führen, des Afghani. Weil das Land viele Waren importiert, könnte dies auch die Inflation in die Höhe schnellen lassen – was vor allem ärmere Afghanen hart treffen würden. Zudem sind die Taliban bislang noch mit Sanktionen belegt, was jegliche Transaktionen erschweren dürfte.
US-Präsident Joe Biden machte am Freitag klar, dass humanitäre Hilfen für Afghanistan nun vom Verhalten der Taliban abhängen. Sie hofften, „eine gewisse Legitimität zu gewinnen“, sagte Biden. „Sie werden einen Weg finden müssen, wie sie das Land zusammenhalten.“ Mögliche Hilfen sollen davon abhängen, wie gut die Taliban die Afghanen behandeln, insbesondere Frauen und Mädchen, wie Biden betonte. Es werde „scharfe Bedingungen, starke Bedingungen“ geben.
Neue Gerüchte über Finanzierung von IS-Verbündenten
(iz). Bisher sind es vor allem „Verschwörungstheoretiker“, die vorrangig die Frage stellten, ob und in welchem Ausmaße der „Islamische Staat“ und vergleichbare Organisationen Unterstützung dritter Akteure bekommen. Mehrheitlich werden solche […]
Sind auch „Islamische Banken“ haram?
(iz). Es gehört wohl zu den Ergebnissen der Säkularisierung, dass viele Menschen sich längst ein Leben ohne Gott vorstellen können, allerdings kaum mehr ein Leben ohne Banken. Die Einrichtung der „Zettelbanken“ im 18. Jahrhundert haben eine ganze Epoche verändert, ihre neuen Finanzierungstechniken den Lauf der Politik ganzer Jahrhunderte mitbestimmt und nicht zuletzt auch die islamische Welt entscheidend geprägt. Der Zusammenbruch muslimischer Souveränität und die Erscheinung der Banken fällt dabei zusammen.
Heute erscheint das „moderne Banking“ nicht nur alternativlos, es wird auch als institutionelle Garantie für Wohlstand und Zivilisation gepriesen. Nur, ist das wirklich so? Im Westen hat längst eine breite Debatte über Sinn und Wirkung des Bankensystems begonnen. Zahlreiche Veröffentlichungen, Bücher und Beiträge beschreiben das Unwesen der Banken, deren Kernkompetenz nach wie vor die Schaffung von Geld aus dem Nichts ist. Aber, es scheint kaum alternative Wirtschaftsmodelle zu geben, die ohne Banken auskommen können und die in diesem Falle nicht sofort unter den Verdacht der naiven Träumerei oder einer abgründigen Rückwärtsgewandtheit stehen. Mehr noch, uns wird heute glauben gemacht, dass ein Leben mit moderner Technologie, aber ohne Banken ein absoluter Widerspruch sei. Wer will aber schon zurück zur Steinzeit? Gibt es also wirklich kein ökonomisches Modell, das die Banken ersetzt und die Errungenschaften der Moderne nicht radikal in Frage stellt?
Es lohnt sich hier gerade als Muslime kurz innezuhalten und sich auch nach alternativen Denkansätzen in der eigenen Lebenspraxis umzuschauen. Natürlich, auch in der islamischen Welt ist der Siegeszug der Banken, genauer, der islamischen Banken nicht zu übersehen. Insbesondere der Modernismus der arabischen Welt sah in der Kopie dieser Finanztechnik den Weg zur bitter nötigen ökonomischen Machtsteigerung, dem Grunde nach der einzige Weg, das eigene Machtdefizit gegenüber der expansiven, westlichen Welt auszugleichen. Heute hat sich aber der Blickwinkel abermals geändert. Das Bankensystem erscheint inmitten der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte nicht mehr nur als Methode zur Machtsteigerung, sondern vielmehr als Ballast von Gesellschaften, die keinen Ausweg mehr aus der erdrückenden Schuldenlast und dem drohenden Kollaps genau dieser Banken sehen.
In der islamischen Welt wird daher das Phänomen der „islamischen Bank“, also einer Bank die moralischer sein will als „normale“ Banken, spürbar kritischer gesehen. Diese Emanzipation gegenüber den gängigen Modellen zeigt gerade ein ungewöhnlicher Rechtsfall in Pakistan.
Pakistan als der Standort einer intelligenten Debatte über ökonomische Alternativen mag dabei zunächst überraschen. Das Land wird ja mit vielen politischen und ökonomischen Problemen in Verbindung gebracht, dabei gibt in dem geschundenen Land in prekärer Lage weiß Gott auch viele offensichtlich untaugliche oder radikale Lösungsansätze. Es gibt aber auch eine Elite, die ganz neue Fragen stellt.
Eine graduelle Abschaffung des gegenwärtigen Banksystems in Pakistan, wegen ihres – aus islamischer Sicht – verbotenen rechtlichen Charakters wurde nun im so genannten Riba-Verfahren [arab. für ungerechtfertigte Kapitalvermehrung] gefordert. Der langjährige Prozess um das grundsätzliche Verhältnis der pakistanischen Verfassung zur modernen Ökonomie ist vor dem Bundesstaatlichen Scharia-Gericht (FSC) anhängig. Nachdem in dem Verfahren zwischenzeitlich zehn Jahren untätig vergangen sind, kommt nun neuer Schwung in die Verhandlungen. Eine Partei in diesem vielbeachteten Verfahren zum Thema Riba, stellte inzwischen sogar die Gültigkeit des ganzen pakistanischen Bankwesens – also inklusive Zentralbank und der „Islamischen Banken“ – im Licht der islamischen Lehre in Frage. Dieser kritische Ansatz sorgte für einige Aufregung.
Wichtiger Kopf in der wachsenden Fraktion der Bankkritiker, die aus allen gesellschaftlichen Schichten kommen, ist eine mutige Frau. Die ehemalige Abgeordnete des Bundesstaates Punjab, Dr. Humaira Shahid, die eine der Klägerinnen in diesem Fall ist, bemüht sich bei jeder ihrer Wortmeldung darum Alternativen zu dem gegenwärtigen System aufzuzeigen. Das eigentliche islamische Finanzsystem definiert sie dabei durch die Regeln der Muamalat. Die couragierte Geschäftsfrau nimmt bei ihren Ausführungen auch auf das islamische Establishment im Land wenig Rücksicht. Zum Schrecken von Millionen Pakistanern, die ihre Ersparnisse in den letzten Jahren bei den „Islamischen Banken“ unterbrachten, eben um Riba zu vermeiden, hat die Antragstellerin in ihrem schriftlichen, dem FSC vorgelegten Dokument, ausdrücklich auch die „Islamischen Banken“ als „haram“ bezeichnet.
„Wir fechten die Idee einer Islamisierung von kapitalistischen Einrichtungen und Instrumenten als Täuschung an, die statt zu einer Abschaffung von Riba dazu führte, dass ‘Riba halal’ gemacht wurde“, heißt es in dem Dokument zur Klage. Außerdem seien „Islamische Banken“ und die Nutzung von Papiergeld, so liest man dort, nichts anders als eine Täuschung.
Damit noch nicht genug geht sie auch weiter in die Offensive. „Der Murabaha-Vertrag“ so Humaira Shahid “wurde zu einem der wichtigsten Instrumente der Islamischen Banken gemacht, um Riba hinter der Fassade des islamischen Vertragsrechts zu verstecken.“ Murabaha ist aus Sicht der Ökonomin ein Verkaufs-Vertrag und gerade keine Vereinbarung zur Finanzierung. Der Preisaufschlag im Murabaha sei nur ein Weg zur Feststellung des Preises von verkauften Güter. Er könne keine Bedingung für eine vorherige Vereinbarung sein, wie es im verbotenen Fall der ‘zwei Verkäufe in einem’ geschehe.“
Sie betonte gleichzeitig, dass sich jeder Versuch der Abschaffung von Riba auch darauf konzentrieren müsse, was die Alternative dazu sei. „Dies liegt daran, weil wir nicht etwas abschaffen können, das verboten ist, ohne eine Alternative von dem anzubieten, das erlaubt ist“ erklärt Humaira Shahid.
Bezüglich einer solchen Alternative argumentiert sie nun, dass ein Modell dessen, was halal sei, bereits existiere, und es so auch innerhalb des des Rahmens des islamischen Rechts und der pakistanischen Verfassung umgesetzt werden könne. Dieses Modell seien, so das Dokument, die Muamalat, das sozio-ökonomischen Modell aller islamischen Gesellschaften vom Anfang des Islam bis zum Fall des Kalifats.
„Dieses Modell war überraschenderweise mehr oder weniger allen vor-kapitalistischen Gesellschaften (darunter einigen nichtmuslimischen) zu eigen und war zur Zeit von Madina Al-Munawwara vollkommen“, fügte die Klägerin hier hinzu.
Natürlich schließt sie dabei nicht die Nutzung moderner Technologien, wie besipielsweise internetbasierte Zahlungssysteme auf der Grundlage von Gold oder Silber aus. Humaira Shahid weiß natürlich, dass keinen Weg zurück gibt. „Moderne“ ökonomische Modelle, die dennoch in Harmonie mit dem islamischen Wirtschafstrecht stehen, seien bereits in einigen muslimischen Ländern, wie Malaysia und Indonesien eingeführt worden, betonte Dr. Humaira.
Allerdings glaubt sie nicht an die Möglichkeit der Reform von bestehenden Banken. Im Verfahren fügte sie dann auch hinzu, dass die gegenwärtigen Banken und Finanzinstitutionen dem Gericht bereits selbst mitgeteilt hätten, dass ihre Institutionen nicht ohne Riba operieren könnten.
Über das Modell der Muamalat erfährt man nun vor dem Gericht, dass dazu nicht nur vertragliche Aspekte gehörten, sondern auch Einrichtungen und Instrumente, die unterstützen und fördern, was halal sei. Dazu gehörten Golddinare, Silberdirhams, Wadias (Einrichtungen zur sicheren Aufbewahrung), Suqs (offene Märkte), Karawanen (offene Institutionen des fairen Handels), Gilden (offene Produktionseinrichtungen), Waqf/Auqaf (Institutionen der Wohlfahrtspflege), Bai Salam (ein landwirtschaftliches Handelssystem), Bait ul Mal etc. Im Zusammenspiel der Einrichtungen geht es um die Etablierung fairen, globalen Handels und die Bekämpfung von Monopolen.
„Das Problem ist“ so Humaira Shahid „dass viele Muslime diese Modelle und damit ihre Aktualität in der momentanen Lage der Finanzmärkte einfach nicht mehr kennen“. In dem von ihr vorgelegten Konzept wird erläutert, dass insbesondere die Einführung von Golddinaren und Silberdirhams, die auch in der Region als Scharia-Währung bekannt sind, wesentlich für die Einführung der Muamalat und damit letztlich für die Abschaffung von Riba seien. Kurzum, das bestehende, inflationäre Papiergeldsystem ist für die Klägerin in sich das Problem.
Bezüglich der Praktikabilität solcher Systeme gibt es auch schon praktische Erfahrungen auf die sie verwiesen kann. Dr. Humaira Shahid zeigte in ihren Pressekonferenzen auf, dass 2008 die Regierung des malaysischen Bundesstaates Kelantan sich für die Einführung von Dinar und Dirham als Zahlungsmittel im ihrem Gebiet entschied und allen Staatsangestellten anbot, bis zu 25 Prozent ihres Gehalts in Dinar und Dirham auszuzahlen. „Es geht auch im 21. Jahrhundert ohne Banken“ davon ist die Akademikerin inzwischen völlig überzeugt.