Für eine Zakat aus und in Deutschland

Zakat

Zakat Deutschland e.V. geht beim dritten Pfeiler des Islam neue Wege. Am 18. Märzöffnete der unabhängige und gemeinnützige Verein seine Tore für Deutschland in Frankfurt am Main.

(iz). Obwohl Zakat, die verpflichtende Vermögensabgabe, die „dritte Säule“ des Islam ist und von den klassischen Qur’ankommentatoren (arab. mufassirun) wegen der mehr als dreißig-maligen gemeinsamen Nennung mit dem Gebet als ebenbürtig angesehen wird, fristet sie bei uns (und anderen Ländern mit Minderheitensituationen) bisher ein vergleichsweise unbeachtetes Dasein.

Die Zakat wird häufig falsch eingeschätzt

In reichen Industrieländern wie Deutschland, Großbritannien und vielen EU-Staaten wird sie häufig als eine Art Pflichtspende behandelt. Insbesondere viele humanitäre (unabhängige oder verbandsgebundene) Organisationen, die von Muslimen betrieben werden, werden um die Zakat der Muslime für Not- und Aufbauhilfe in vielen armen Ländern.

Foto: Ibrahim Poran

Der als gemeinnützig anerkannte Verein mit Sitz in Frankfurt am Main schlägt hier einen Paradigmenwechsel vor. Zakat Deutschland e.V. ist im Netzwerk der NZF Worldwide (National Zakat Foundation). In den letzten 10+ Jahren haben sich ähnliche Organisationen in Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, den Niederlanden und der Schweiz gegründet und sich dem Netzwerk angeschlossen.

Insbesondere der enge Kontakt mit den niederländischen und Schweizer Netzwerkpartnern habe zur Einsicht geführt, dass es auch in Deutschland viele Muslime gebe, die der Zakat bedürftig seien.

Auf Grund der Erfahrung aus der Schweiz und den Niederlanden erwartet auch Zakat Deutschland e.V. eine hohe Zahl von Anträgen. „Da der Prüfungsprozess viel Zeit in Anspruch nimmt, werden wir mittelfristig auch einige Stellen voll besetzen.“ Ziel davon sei es, die Wartezeit für AntragstellerInnen soweit wie möglich zu reduzieren.

Fokus auf Deutschland

Zakat Deutschland e.V. verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel „die Zakat in Deutschland zu sammeln und in Deutschland zu verteilen“. Diese Praxis sei auf die Lebenspraxis (arab. sunna) des geliebten Propheten Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben zurückzuführen.

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Foto: Drazen, Adobe Stock

Als Vorbild dafür führt der Verein das Beispiel des Prophetengefährten Mu’adh ibn Dschabal an, der im prophetischen Auftrag in den Jemen gereist sei, um den dortigen Menschen Islam zu lehren. Der Gesandte Allahs, Heil und Segen auf ihm, wies ihn bezüglich der Zakat an: „(…) dass Allah ihnen auf ihr Vermögen eine Sadaqa (hier: Zakat) auferlegt hat, die von ihren Vermögenden genommen und an ihre Bedürftigen gezahlt werden soll (…).“

(überliefert von Ibn Madscha)

Gegen Not in Deutschland

Zakat Deutschland e.V. verfolge das Ziel, „in Notsituation geratene Muslime zu unterstützen“. Darüber hinaus werde eine positive und nachhaltige Wirkung auf Einzelpersonen, die Community und die Gesellschaft insgesamt angestrebt.

Foto: Diya, Adobe Stock

„Der islamkonforme Einsatz der Zakat kann die Gemeinschaft verbinden. Der Stärkere unterstützt dabei den Schwächeren und der Vermögende den Bedürftigen. Zakat Deutschland setzt sich für eine Gesellschaft ein, um die Schere zwischen Reichen und Armen zunehmend zu verringern und so eine miteinander harmonierende Gesellschaft zu schaffen.“, heißt es in einer Pressemitteilung, die anlässlich der öffentlichen Vorstellung herausgegeben wurde.

Fokus auf Kernbereiche

Dabei arbeite man „nach genau definierten Prozessen“. Ein unabhängiger Vergabeausschuss soll für Transparenz sorgen „und eine gerechte Bearbeitung von Zakatanträgen“ gewährleisten. Mit der Arbeit möchte sich der Verein auf drei Kernbereite konzentrieren:

1. Armutsbekämpfung. Unterstützung in finanziellen Notsituationen und die langfristige Bekämpfung von Armut innerhalb der Community in Deutschland.

2. Empowerment. Durch ein „hervorragendes Netzwerk mit Personen aus verschiedenen Bereichen“, könne Zakat Deutschland e.V. Bedürftige an die richtigen Experten und Fachstellen vermitteln. Oftmals erfülle eine fundierte Beratung seinen Zweck. Es sei „auch nicht immer Geld“, was benötigt werde.

3. Gemeinschaftsentwicklung. Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation der Community in Deutschland und Stärkung des Zusammenhaltes.

Kontakt: kontakt@zakat-deutschland.de

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Klimawandel: Nach islamischem Recht hat die Verhinderung von Schaden Priorität

(The Conversation). Als sich diesen November mehr als hundert globale Führer auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow trafen, richtete sich die Aufmerksamkeit unter anderem auf eine Handvoll einflussreiche Wirtschaftsmächte in der Hoffnung, COP26 würde eine Wende beim Klimawandel einleiten. Für echten Fortschritt muss jedes Land seinen Anteil tun – dazu gehören auch Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit.

Mit einer globalen Bevölkerung von 1,8 Milliarden in mehr als 56 Staaten machen Muslime mehr als 23 Prozent der Menschen in aller Welt aus. Sie leben in der Regel in Entwicklungsländern und haben meistens keinen großen Anteil an den globalen CO2-Emissionen. Aber sie müssen Teil des Gesprächs über und der Lösung dieser globalen Krise sein.

Das islamische Denken in der heutigen Welt hat sich oft auf Themen wie Radikalismus, Terror, Sicherheit und den Umgang mit dem Erbe des westlichen Imperialismus und der Entstehung der modernen Wissenschaft konzentriert. Der Klimawandel und die ökologische Nachhaltigkeit nehmen noch keinen wichtigen Platz ein.

Die Pionierarbeit von Personen wie Seyyed Hossein Nasr über ein islamisches Verständnis von der Sorge um die Schöpfung hat nur gelegentlich zu weiterer Forschung und Handlung angeregt. Nasr bezog sich auf die spirituellen und metaphysischen Dimensionen innerhalb der islamischen Tradition, um die Wichtigkeit der Umwelt und der menschlichen Pflicht zu ihrem Schutz zu betonen. In den letzten Jahren hat sich die weltweite Besorgnis von der Nachhaltigkeit und dem Verlust der biologischen Vielfalt auf die dringenden und ernsthaften Bedrohungen durch den vom Menschen verursachten Klimawandel verlagert.

Angesichts der sich verschärfenden Krise veröffentlichten muslimische Umweltaktivisten und Wissenschaften eine „Islamische Erklärung über den globalen Klimawandel“. Sie wurde 2015 kurz vor der Pariser Klimakonferenz auf einem Symposium in Istanbul vorgestellt. In ihr wurde der Versuch unternommen, die Klimawissenschaft gemeinsam mit der relevanten qur’anischen Weisheit zu denken.

Das Dokument macht sich keine Illusionen: Darin wurde jede Person dazu aufgerufen, als „Sachwalter oder Stellvertreter (arab. khalifa)“ in dieser Zeit zu agieren. Die gegenwärtige Frequenz des Klimawandels sei nicht mehr aufrechtzuerhalten und „wir sind in Gefahr, das Leben auf unserem Planeten zu beenden, wie wir es kennen“. Hier findet sich eine krasse Anerkennung des menschlichen Scheiterns in der Ausübung dieser Sachwalterschaft sowie des Effekts, den solche Missbräuche für die Ordnung der Schöpfung hatten.

Die Erklärung schließt mit einer Reihe an Forderungen und Punkten. Verlangt wird eine Rechenschaftspflicht. Darüber hinaus gibt es spezifische politische Aufrufe an wohlhabende Nationen, erdölproduzierende Staaten und Firmen sowie die Finanzwelt und die Industrie.

Das Dokument aus dem Jahre 2015 schließt mit einem Aufruf an alle Muslime: „Wo auch immer Sie sein mögen (…), um Gewohnheiten, Mentalitäten und die Grundursachen des Klimawandels, der Umweltzerstörung und des Verlusts der biologischen Vielfalt in ihrem jeweiligen Einflussbereich zu bekämpfen, folgen Sie dem Beispiel des Propheten Muhammad (Friede und Segen seien auf ihm), um eine Lösung für die Herausforderungen herbeizuführen, vor denen wir heute stehen.“

In dem Text finden sich viele Bezüge zum Qur’an. Allerdings sind das häufig isolierte Stellen, welche die allgemeine Richtung des Arguments unterfüttern sollen, ohne damit eine haltbare Theologie zu formulieren. Die Kritik an der Erklärung bezeichnete sie als „defensiv, wenn nicht gar apologetisch“ und behauptete, sie stelle „angesichts des Ausmaßes der heutigen Umweltkrise“ keine ausreichenden Fragen. Indem die Erklärung die Wissenschaft des Klimawandels unter Berufung auf den Qur’an beschreibt, verankert sie das Problem nichtsdestotrotz im Herzen des Islam, was Muslime nicht ignorieren können.

Der weltweite Schaden, der durch menschliches Handeln verursacht wurde, befindet sich an einem kritischen Punkt. Nach islamischem Recht ist die Verhinderung oder Eingrenzung von Schaden eine Priorität. Sorge um Umwelt und ein Handeln, dass den Klimawandel begrenzt oder sogar umkehrt, sollte für muslimische Völker, Organisationen und Regierungen den Stellenwert einer kollektiven Pflicht (arab. fard kifaja) haben. Im Gegensatz zur individuellen bedeutet diese, dass ihre Erfüllung durch eine Gruppe von Muslimen diese für alle erfüllt. Daneben muss der Schutz der Schöpfung auch einen persönlichen Stellenwert für Muslime haben.

Aus einer aktivistischen Perspektive kann die Möglichkeit des Umweltschutzes auch durch das islamische Konzept von „Dschihad“ abgedeckt werden – insbesondere für Einzelne und Organisationen. Im religiösen Sinne ist das ein wichtiger Oberbegriff. Er bezieht sich auf alle persönlichen Herausforderungen, die man überwinden muss, um Erfolg zu haben. In diesem Hinblick kann Umweltaktivismus dem Konzept zugeschrieben werden. Friedlicher Aktivismus, der sich mit aufrichtigen Absichten gegen Quellen und Kräfte richtet, die der Umwelt Schaden zufügen, ist eine legitime Form, die Allah im Jenseits belohnen wird, wie die islamische Lehre verspricht.

Jede Person und jeder Haushalt hat eine nachweisbare Kohlenstoffbilanz. Solange sie keine Anstrengungen zu ihrer Reduzierung unternehmen, wird die Schädigung an der Umwelt nicht geringer werden: Es wird schlimmer werden. Da die Schädigung der Erde immer mehr zunimmt und die bisherigen Maßnahmen die Situation nicht umkehren, ist jeder Muslim dazu verpflichtet, selbst aktiv zu werden.

Das heißt aber nicht, dass die Pflicht organisierter Gruppen von Muslimen, die größere Ressourcen, Geldmittel und Fähigkeiten haben, damit erledigt wäre. Jede Struktur und Institution muss sich am Umweltschutz beteiligen. Zumindest jede kann ihre Ökobilanz verbessern, indem sie bewusst umweltfreundlich arbeitet und ihre Mitarbeiter und die Gemeinschaft, der sie dient, über die Notwendigkeit des Umweltschutzes aufklärt.

Selbst dieses Handeln dürfte nicht ausreichen. Die Regierungen der mehrheitlich muslimischen Länder sind darüber hinaus in der Pflicht, weil die Kultur- und Wirtschaftspolitik eines Landes einen großen Einfluss auf seinen CO2-Fußabdruck hat. Sie müssen aktiv daran arbeiten, die globale Politik zum Klimawandel über internationale Organisationen zu beeinflussen.

Eine Umkehr der Auswirkungen von Klimawandel verlangt Opfer von allen Menschen. Sie müssen weniger Ressourcen verbrauchen und weniger Müll erzeugen. Durch seine Theologie der Umwelt und die Kraft seiner ethischen Haltung kann der Islam zusammen mit anderen Weltreligionen dieses entscheidende Ergebnis erleichtern.

Dieser Beitrag wurde im Rahmen einer CCL-Lizenz veröffentlicht und übersetzt.

Laila Massoudi erinnert daran, dass unsere Lebensweise kein schwer beladenes Jammertal ist

(iz). Es gibt eine Überlieferung, in welcher der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, von vielen seiner Gefährten auf einmal nach der Erlaubnis beziehungsweise dem Verbot dieser oder jener Sache befragt wurde. Als er ihren besorgt-erregten Zustand sah, erinnerte er, Allahs Heil und Segen auf ihm, sie mit seinen Worten daran, dass der Din Allahs eine Erleichterung ist. Diese Begebenheit, und das in ihr geborgene Wissen, ist für unsere schwierige Zeit gleich mehrfach von erheblicher Bedeutung und sie ist unserer Erinnerung wert.

Die fortschreitende soziale Atomisierung – auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaft – sowie das Abbröckeln tradierter Wege unserer Wissensvermittlung zwischen den Generationen sowie horizontal im Rahmen einer lebendigen sozialen Situation haben bei jüngeren Generationen auch eine gewisse Unsicherheit hervorgerufen. Vor mehr als zehn Jahren war ich in einer türkischen Moschee in Köln zu Besuch. Dort hing im Waschraum ein Schild, eine türkische Schwester hatte es mir vorgelesen, auf dem stand: „Wir haben unser Wudu’/Abdest nicht aus Büchern gelernt, sondern weil wir den Älteren die Wasserkanne während der Waschung gehalten haben.“

In einem gesunden sozialen Rahmen – Eltern wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, den Kindern ein normales Gefühl der Geborgenheit zu geben – ist der Din unaufgeregte Normalität. Das bedeutet auch, dass alltägliche Fragen, Lebenspraxis und Glaubenswirklichkeit betreffend, auch relativ unaufgeregt abgehandelt werden können. Wir sind in einer solchen Situation von Frauen und Männern umgeben, von denen wir quasi osmotisch lernen können.

Heute ist das oft anders; gerade auch, weil für viele Jüngere das kontextlose Internet einen erheblichen Einfluss bei der Bildung ihrer muslimischen Identität hat. Und so kann es nicht verwundern, wenn tertiäre beziehungsweise banale Fragen auf einmal mit Vokabeln wie „halal“ oder „haram“ aufgeladen werden, und dementsprechend inneren Stress bei den Betroffenen erzeugen.

Nach außen hin, in Richtung unserer Mitwelt, steht unsere Lebensweise oft unter dem einen oder anderen Verdacht. Mit anderen Worten, viele Menschen haben Angst vor dem „Islam“ – oder was sie dafür halten. Hier stehen wir in der Pflicht (von der Not ganz zu schweigen), unseren Nachbarn und Mitmenschen zu zeigen, dass sie vor dem ­Islam keine Angst zu haben brauchen, weil er eine Erleichterung und eine Barmher­zigkeit ist. Oder, wie ein guter Freund es gewohnheitsmäßig formulierte: Die Menschen müssten nicht den Din fürchten, aber sehr wohl Allah, den Herrn der Welten. Um das tun zu können, muss natürlich auch der Wille bei Muslimen vorhanden sein, den Schatz des Islam mit ihren Nachbarn zu teilen…

Um die Erinnerung daran zu erleichtern, dass Allahs Din eine Erleichterung und barmherzig ist, hilft es auch, wenn wir uns vor Augen führen, dass Allah selbst sich Barmherzigkeit vorgeschrieben hat.

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