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PKK-Terror in Ankara: Bombenanschlag erschüttert türkische Hauptstadt

türkei

PKK-Terror: In der türkischen Hauptstadt Ankara kommt es am Sonntagmorgen zu einer Explosion. Die Regierung spricht kurz darauf von einem Selbstmordanschlag. Ein Bekennerschreiben am Abend gibt Aufklärung. Von Anne Pollmann

Istanbul (dpa). Ein Bombenanschlag hat am Sonntagmorgen die türkische Hauptstadt Ankara erschüttert. Beide beteiligten Angreifer seien getötet und zwei Polizisten leicht verletzt worden, sagte der türkische Innenminister Ali Yerlikaya. Er verurteilte den Angriff als „Terrorismus“. Hinter dem Anschlag steht wohl die Terrororganisation PKK.

PKK steht laut Bekennerschreiben hinter dem Selbstmordterror

Die Explosion ereignete sich nach Medienberichten auch unweit eines Eingangs zum türkischen Parlament. Einer der beiden Angreifer habe sich in die Luft gesprengt, so das Innenministerium. 

Den zweiten Beteiligten hätten Polizisten mit einem Schuss in den Kopf getötet. Die Angreifer seien mit ihrem Versuch gescheitert, sich Zugang zu dem Ministerium zu verschaffen.

Die Aktion sei genau nach Plan verlaufen und eine Reaktion auf das Vorgehen der Türkei in kurdischen Gebieten gewesen, zitierte die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF aus einem mutmaßlichen Bekennerschreiben der HPG, dem militärischen Arm der PKK.

Foto: Presidential Office of Türkiye

Anschlag fiel mit neuer Legislaturperiode zusammen

Der Anschlag fiel mit der Eröffnung der neuen Legislaturperiode des türkischen Parlaments zusammen, und er ereignete sich in unmittelbarer Nähe zur Volksvertretung.

Präsident Recep Tayyip Erdogan nannte die Angriffe in seiner Eröffnungsrede ein „letztes Zucken des Terrors“. Die „Schurken“ hätten ihre Ziele nicht erreicht und würden sie niemals erreichen, so Erdogan laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Mutmaßliche Bilder des Anschlags zeigten ein Auto, das auf der Straße vor einem Eingang zum Innenministerium hält, eine Person bewegt sich auf den Eingang zu.

Wenig später ereignet sich eine Explosion an einer Eingangsschranke. Medien berichteten, die Angreifer hätten das Tatfahrzeug im zentraltürkischen Kayseri geklaut und dessen Fahrer getötet.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Ankara verhängte kurz nach dem Angriff eine Nachrichtensperre. Das Innenministerium rief dazu auf, Bilder von vor Ort aus dem Netz zu löschen. Es leitete Ermittlungen wegen Verstößen ein, wie Minister Yerlikaya bekanntgab.

Foto: Армія Інформ, via Wikimedia | Lizenz: CC BY 4.0

Steht Anschlag im Zusammenhang mit Drohnenlieferungen?

Auf der Agenda der Parlamentarier steht – wenn auch ohne konkretes Datum – unter anderem die Abstimmung über den Nato-Beitritt Schwedens, den die Türkei seit Monaten blockiert. Ankara fordert von Schweden ein härteres Vorgehen gegen die PKK.

Erdogan machte zudem kürzlich Andeutungen, eine Zustimmung des türkischen Parlaments von Kampfdrohnenlieferungen aus den USA abhängig zu machen.

Auch über die Verlängerung der Einsätze des türkischen Militärs im Irak und in Syrien soll nach Angaben des Staatssenders TRT zeitnah im Parlament abgestimmt werden. Die Türkei geht im Nordirak und in Nordsyrien regelmäßig gegen die syrische Kurdenmiliz YPG und die PKK vor.

Foto: Xecican Ferqin, Voice of America | Lizenz: Public Domain

PKK verübt seit Jahren Terror

In dem seit Jahrzehnten andauernden Konflikt zwischen PKK und dem türkischen Staat sind bisher Tausende Menschen getötet worden. Ankara geht in der Südosttürkei und im Nordirak regelmäßig mit Militäreinsätzen gegen die Terrorgruppe vor. Diese wiederum verübt immer wieder Anschläge vor allem auf türkische Sicherheitskräfte.

In der Türkei hat es in der Vergangenheit immer wieder Anschläge gegeben. Im November 2022 explodierte auf der Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal eine Bombe. Dabei wurden sechs Menschen getötet.

Nach Angaben der türkischen Regierung hatte die Attentäterin Verbindungen zur syrischen Kurdenmiliz YPG, die die türkische Regierung als Ableger der PKK sieht. Die YPG bestritt, hinter dem Anschlag zu stecken.

2016 wurden bei einem Selbstmordattentat der Terrormiliz Islamischer Staat im historischen Zentrum Istanbuls zwölf Deutsche getötet. Im gleichen Jahr sterben bei Anschlägen in Ankara mehr als 60 Menschen.

Zahlreiche Politiker verurteilten den Anschlag. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte auf der Plattform X, die Nato stehe im Kampf gegen den Terrorismus in Solidarität an der Seite der Türkei. Den verletzten Polizeibeamten wünsche er eine schnelle und vollständige Genesung.

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Festnahmen nach Anschlag in Türkei: Wer sind die Verantwortlichen?

Der Tag nach dem Anschlag im Zentrum Istanbuls mit sechs Toten steht ganz im Zeichen der Aufklärung. Für die türkische Polizei und das Innenministerium stehen die Verantwortlichen fest. Von Anne Pollmann und Linda Say

Istanbul (dpa/iz). Die Ermittlungen zum Anschlag mit sechs Toten in Istanbul haben gerade erst begonnen, doch für die türkische Polizei war der Fall am Montag klar: Sie veröffentlichte Fotos einer Frau in Handschellen. Sie soll die Bombe auf der Einkaufsstraße Istiklal platziert haben. Bei dem Anschlag am Sonntag auf der belebten Einkaufsstraße waren sechs Menschen getötet worden, 81 wurden verletzt.

Wenig später habe die Syrerin gestanden, ihren „Befehl“ von der „PKK/YPG/PYD“ bekommen zu haben. Aus türkischer Sicht sind die syrische YPG und deren politischer Arm PYD Ableger der verbotenen Terrorgruppe PKK und ebenfalls „Terrororganisationen“. Beide dementierten am Montag jegliche Verantwortung für den Anschlag mit mehr als 80 Verletzten.

Noch bevor die Ermittlungen abgeschlossen sind, hätten türkische Beamte für eine neue Militäroperation in Nordsyrien plädiert, sagte Berkay Mandirici von der International Crisis Group. Ein Vorhaben, das Präsident Recep Tayyip Erdogan seit Mitte des Jahres ankündigt. Ankara geht regelmäßig gegen alle drei Gruppierungen militärisch vor, in der Südosttürkei, dem Nordirak und in Nordsyrien.

Mit der angeblichen Unterstützung für die YPG etwa hatte Ankara auch das Veto für die Nato-Norderweiterung um Schweden und Finnland begründet. Die USA wiederum sehen die YPG im syrischen Bürgerkrieg als Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Innenminister Süleyman Soylu warf Washington erneut vor, „Terrororganisationen“ zu unterstützen. Er lehnte Beileidsbekundungen aus Botschaft und Konsulat ab.

Mandirici sagte, es bleibe abzuwarten, ob die türkischen Ermittlungen weitere Beweise einer Schuld der PKK/YPG aufdeckten. Die Terrormiliz Islamischer Staat oder das Terrornetzwerk Al-Qaida und Sympathisanten dieser Gruppen sollten noch nicht als potenzielle Täter ausgeschlossen werden. In der Türkei gebe es Schätzungen zufolge Tausende von IS-verbundenen Personen, sowohl türkische Staatsbürger als auch Ausländer, die aus Syrien und dem Irak eingereist sind. „Der Istiklal-Angriff spiegelt in Bezug auf Verhalten und Ziel frühere Angriffe des IS mit Blick auf Methode und Ziel in der Türkei in den Jahren 2015/2016 wider.“

„Die Kurden leiden am meisten“

(iz). Seit einigen Monaten ist der Konflikt im Südosten der Türkei wieder entflammt. Die türkische Armee und die PKK liefern sich in Städten wie Cizre und Sur Straßenkämpfe. Der Friedensprozess ist ins Stocken geraten. Mit dem Abgeordneten der AK Partei, Mustafa Yeneroglu, sprachen wir über das Aufflammen der Kämpfe, die Kritik an der türkischen Regierung und die Zukunft des Friedensprozesses. Yeneroglu ist Vorsitzender der Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments.
Islamische Zeitung: Herr Yeneroglu, Sie sind seit Kurzem Vorsitzender der Menschenrechtskommission im türkischen Parlament. In den letzten Wochen sah man viele verstörende Bilder aus dem Südosten des Landes, die an einen Bürgerkrieg erinnern. Was passiert momentan in der Region dort?
Mustafa Yeneroglu: Die aktuelle Situation im Südosten der Türkei als einen Bürgerkrieg zu bezeichnen, ist falsch. Es ist ja nicht so, dass Kurden gegen Türken kämpfen, so wie es manche Medien oder Politiker gerne darstellen. Nicht einmal die Bewohner in den besetzten Stadtteilen unterstützen die PKK. Sie werden als Schutzschilde benutzt und bestraft, wenn sie sich nicht fügen.
Die jeweiligen Stadtteile werden von 100 bis 200 Terroristen gehalten, oft Jugendliche, die ihrer Zukunft beraubt sind. Die PKK richtet sich mit ihrem Vorgehen insbesondere gegen die kurdische Bevölkerung der Türkei und raubt ihr die Lebensgrundlagen. Sie vernichtet ganze Existenzen in verschiedenen Städten, setzt Häuser und Moscheen in Brand, zerstört kulturelles Erbgut und vertreibt die Einwohner aus den Stadtteilen. Andersdenkende werden so oder so zum Schweigen gebracht.
Seit dem praktisch längst vollzogenen und im Juli auch ausgesprochenen Abbruch der Feuerpause durch die PKK sollten die Absichten der terroristischen Organisation jedem klar geworden sein.
Islamische Zeitung: Die HDP sieht das aber anders, und beschuldigt die Regierung, bewusst den Friedensprozess torpediert zu haben…
Mustafa Yeneroglu: Wenn man, wie die HDP mehr denn je, als politischer Arm der PKK handelt, wundert das nicht. Die Tatsache, dass die PKK bis zum ausgesprochenen Abbruch der Feuerpause seit Beginn des Jahres 2015 in 7 Monaten 1.083 registrierte Gewaltakte begangen hat, lässt sich nicht unterdrücken. Ignorieren kann man sie, so wie die HDP es tut, die inzwischen von der PKK klar dominiert wird, übrigens zum Leid vieler Abgeordneter der Partei, wie sie mir immer wieder anvertrauen.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die PKK offensichtlich zu keiner Zeit eine friedliche Lösung und Eingliederung in das demokratische System zum Ziel ­gehabt hat. Während der zweijährigen Feuerpause hat sie tonnenweise Sprengstoff an verschiedenen Orten im Osten und Südosten der Türkei verlegt. Nur, um das Ausmaß zu veranschaulichen: Den Polizeistatistiken zufolge wurden im Zeitraum von Oktober 2015 bis Dezember 2015 unter anderem große Mengen an Ammoniumnitrat, Plastiksprengstoff, 34.892 Geschosse und 217 Bomben beschlagnahmt.
Insofern sind die Absichten eindeutig: Die Feuerpause wurde als Vorbereitungszeit für ihr späteres terroristisches Vorgehen genutzt, das Bestreben war nie die Friedensstiftung. Die langjährigen Bestrebungen der Regierung, einen dauerhaften Frieden zu erreichen, wurden so torpediert, ja sogar die scheinbare Mühe der HDP, eine Partei für die ganze Türkei zu sein, vereitelt.
Der PKK geht es darum, ihre mit Waffengewalt erzwungene Hegemonie unter der kurdischen Bevölkerung nicht aus der Hand zu geben. Kein Staat kann akzeptieren, dass mit Waffengewalt Stadtteile besetzt, Gräben ausgehoben, die Bevölkerung terrorisiert und die staatliche Ordnung bekämpft wird. Die Sicherheit und Ordnung in den jeweiligen Gebieten muss unverzüglich wiederhergestellt werden, damit die dortige Gesellschaft in Würde leben und Grundrechte in Anspruch nehmen kann. Dies ist das Ziel der militärischen Operationen.
Islamische Zeitung: Linke kurdische Organisationen in Deutschland und auch manche deutsche Politiker sprechen von Menschenrechtsverletzungen durch den türkischen Staat.
Mustafa Yeneroglu: Es wäre unglaubwürdig zu behaupten, dass während des Kampfs gegen den Terrorismus durch militärische Einheiten sämtliche Menschenrechtsideale gewahrt werden können. Ich erinnere nur an den Deutschen Herbst, die staatlichen Maßnahmen im Kampf gegen die RAF oder die Antiterrormaßnahmen nach dem 11. September nicht nur in Deutschland.
Mir fehlt in der öffentlichen Diskussion in Deutschland über die Türkei ­oftmals das Maß. Wie reagiert Deutschland auf den drohenden Terror durch den IS oder ähnliche Strukturen? Was würde in Deutschland passieren, wenn eine Terrororganisation Stadtteile besetzen würde? Warum läuft ein Verbotsverfahren gegen die NPD? Nicht nur für Deutschland gilt, dass das Maß an Freiheitsgewährung durch den Staat den Schutz der Sicherheit bedingt. Auf dieser Grundlage wurden seit der Regierungsübernahme der AK Partei große Fortschritte gemacht.
Während noch in den neunziger Jahren viele Grundrechte mit Füßen getreten wurden und zum Beispiel Kurden, die kurdisch singen wollten, aus dem Land gejagt wurden, kennt der öffentliche Diskurs heute keine Tabus mehr. In der Türkei kann heute über alles diskutiert werden. In dieser Hinsicht ist die Türkei viel weiter als viele europäische Staaten.
Ohne Zweifel ist der Prozess zur nationalen Einheit und Brüderlichkeit auch mit dem Ziel, den Terror der PKK zu beenden und sämtliche Grundrechte allen ethnischen, kulturellen und religiösen Minderheiten praktisch und umfassend zu gewähren, die bedeutendste Etappe der demokratischen Öffnung. Noch nie zuvor konnten in der Türkei derart wichtige Reformen zur Erreichung von demokratischen Idealen vorgenommen werden.
Dabei stellen Terrororganisationen wie die PKK oder YPG, DHKP-C, Daesh beziehungsweise ISIS, und wie sie sonst noch heißen, mit ihren unmenschlichen Aktivitäten das größte Hindernis für den freiheitlichen Rechtsstaat dar. Bei all dem ist die Regierung bestrebt, das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit zu wahren und den Kampf gegen Terrorismus fortzusetzen.
Islamische Zeitung: Ein Vorwurf, der immer wieder erhoben wird, ist, dass durch das Vorgehen des tür­kischen Militärs die Kurden in ihrem Kampf gegen den Islamischen Staat geschwächt würden. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen?
Mustafa Yeneroglu: Die Türkei ist das erste Land, dass den sogenannten IS als Terrororganisation eingestuft hat. Klar ist: Der IS-Terror ist eine große Gefahr nicht nur für die Türkei. So wie der IS müssen alle terroristischen Organisationen bekämpft werden. Es gibt keine guten und schlechten Terroristen. Der IS ist genauso bösartig wie die PKK.
Diese klare Haltung vermisse ich leider zu oft in Deutschland. Dies bedeutet, dass die PKK und der IS für die Türkei das gleiche Ausmaß an Gefahr darstellen. Aufgrund dessen ist es meiner Meinung nach unverständlich, dass von einer Schwächung die Rede ist, abgesehen davon, dass dahinter sich auch oft PKK-Propaganda verbirgt.
Sie mit Kurden gleichzusetzen ist schlichtweg falsch. Die Kurden leiden am meisten unter dem Terror.
Islamische Zeitung: Die AKP hatte in ihren ersten Regierungsjahren große Schritte in Richtung Versöhnung getan. Ist die kurdische Bevölkerung enttäuscht von der Regierung?
Mustafa Yeneroglu: Die meisten Kurden wählen immer noch die AK Partei. Zudem zeigen aktuelle Umfragen, dass bei Neuwahlen die hier als prokurdisch dargestellte HPD unter die 10-Prozent-Hürde fallen würde. Viele Kurden waren eher enttäuscht darüber, dass die Vehemenz der Bekämpfung des PKK-Terrors in den letzten Jahren gedämpft war. Vor allem die Kurden wissen, was vor der Regierungsübernahme der AK Partei los war und welche Errungenschaften die AK Partei vor allem für sie gebracht hat.
Die vollzogenen Reformen räumten alle gesetzlichen und praktischen Verbote gegenüber dem Kurdischen aus dem Weg. Die kurdische Sprache wird überall gesprochen und gefördert. Ein staatlicher Fernsehsender wird in kurdischer Sprache ausgestrahlt. Privatschulen können errichtet werden, Institute wurden gegründet. Die Politik der demokratischen Öffnung hat große Hoffnungen und Erwartungen in der Bevölkerung geweckt. Der Rückzug der türkischen Sicherheitskräfte aus dem Südosten war ein wichtiges Signal der  Friedensbestrebungen. Aber auch die Investitionsinitiative der Regierung hat für eine große wirtschaftliche Belebung im Südosten der Türkei gesorgt.
Daher ist es offensichtlich, dass nicht die kurdische Bevölkerung enttäuscht von der Regierung ist, sondern die PKK. Denn durch den demokratischen Öffnungsprozess wurde die PKK in ihren Argumenten bloßgestellt und daher in ihrem Dasein extrem geschwächt. Im Übrigen ist das hemmungslose und tabulose Wirken der HDP der beste Beweis, dass der bewaffnete Kampf jeglicher Legitimation entbehrt.
Islamische Zeitung: Die Auseinandersetzungen in der Türkei beeinflussen auch die Stimmung unter den türkischstämmigen Menschen hier in Deutschland. Neben Demonstrationen kommt es leider auch zu Anschlägen auf Moscheen, zu denen sich PKK-Ableger bekannt haben. Sie sind in Deutschland aufgewachsen. Wie schätzen Sie die Lage hier ein?
Mustafa Yeneroglu: Deshalb appellieren wir regelmäßig an Politik und Sicherheitsbehörden in Deutschland, die Gefahr der PKK genauso ernst zu nehmen wie solche Gefahren aus anderen Bereichen. Da vermisse ich vieles. Ersatzorganisationen der PKK, wie man sie allen Verfassungsschutzberichten seitenweise entnehmen kann, gehören eigentlich de jure verboten, jedoch werden viele de facto wie gemeinnützige Organisationen behandelt. Terroristische Angriffe auf Moscheen, ob sie aus dem rechtsextremistischen Spektrum oder der PKK kommen, dürfen nicht geduldet werden.
Die Aufklärungsrate stellt den Sicherheitsbehörden kein gutes Zeugnis aus. Vor allem die letzten Angriffe in Bielefeld, Berlin-Kreuzberg und Stuttgart müssen aufgeklärt und die Täter bestraft werden. Der Umgang Deutschlands in Bezug auf die terroristischen Angriffe der PKK spielt eine ausschlaggebende Rolle. Innerhalb der Diskussion des Konflikts muss eine klare Trennung zwischen der Terrororganisation PKK und den Interessen der kurdischen Bevölkerung vorgenommen werden.
Islamische Zeitung: Wie kann man diesen Konflikt lösen? Oder anders gefragt: Ist dieser Konflikt nur militärisch zu lösen?
Mustafa Yeneroglu: Selbstverständlich ist der Konflikt nicht ausschließlich militärisch lösbar. Der begonnene Prozess wird fortgeführt werden sobald die besetzten Stadtteile wieder befreit und die öffentliche Ordnung und Sicherheit wiederhergestellt sind. Aber genauso sicher ist, dass Terrororganisationen und deren Unterstützer so lange nicht Ansprechpartner sein können, solange sie nicht der Gewalt abschwören.
Will die HDP eine Rolle einnehmen, so muss sie den Terror der PKK unmissverständlich verurteilen, anstatt sie durch viele ihrer Glieder zu unterstützen. Demokratische Partizipation setzt voraus, dass sich alle an die gemeinsamen Spielregeln halten, so auch die Erwartung an HDP-Abgeordnete, sich klar und deutlich für die Sicherheit der Bürger einzusetzen und sich von jeglichen terroristischen Gewaltaktionen zu distanzieren.
Gegenwärtig stärkt der Großteil der HDP die PKK bei der Zerstörung der besetzten Stadtteile. Die HDP hat die sogenannte Grabenpolitik in ihrem Agenda Setting zum Top-Thema gekürt. Die Einsätze der Sicherheitskräfte werden nach Möglichkeit erschwert. Sobald Maßnahmen gegen das Ausheben von Gräben ergriffen werden, ist ein HDP-Abgeordneter präsent und nutzt seine Immunität, um die Einsatzkräfte von ihrer Arbeit abzuhalten. Manche Stadtverwaltungen stellen zum Ausheben von Gräben Maschinen und Einsatzkräfte zur Verfügung, sie dienen oft auch zum Verlegen von Bomben.
Manche HDP-Abgeordnete stehen dem PKK-Terror direkt bei, indem sie sich als Waffenkuriere andienen, HDP-Parteibüros als Waffendepots genutzt werden und nicht zuletzt kommunales Eigentum für den Transport von Waffen für Terroristen zur Verfügung gestellt wird. Bemerkenswert ist, dass diese Tatsachen in den deutschsprachigen Medien meist unterdrückt und so die Öffentlichkeit desinformiert wird.
Islamische Zeitung: Lieber Herr ­Yeneroglu, wir danken Ihnen für das Interview.

Brandanschlag auf Moschee in Bad Salzuflen

(iz). Die Übergriffe auf Moscheen haben in den letzten Jahren signifikant zugelegt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Lagen die Übergriffe zwischen den Jahren 2001 und 2011 noch im Schnitt bei jährlich 22, stiegen die im Jahr 2012 auf durchschnittlich 35 bzw. im Jahr 2013 auf 36. Ferner kann man der Antwort entnehmen, dass von Anfang 2012 bis März 2014 78 Anschläge verübt wurden.

Nun kam es erneut zu einem Brandanschlag auf eine muslimische Gebetsstätte, diesmal traf es die Vahdet-Moschee in Bad Salfuflen (NRW). Am frühen Samstagmorgen legten Unbekannte ein Feuer an der Eingangstür zum Gebäude, in dem sich auch die, der IGMG zugehörigen, Moschee befindet. Anwohner bemerkten den Brand und alarmierten die Feuerwehr. Neun Menschen konnten so rechtzeitig evakuiert werden.

Die Polizei ermittle nun mit Hochdruck in alle Richtungen. Weil ein politisch motivierter Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann, leitet der Staatsschutz der Polizei Bielefeld die Ermittlungen. Es wurde eine Ermittlungskommission eingerichtet und die Staatsanwaltschaft Detmold eingeschaltet. 
Erst kürzlich veranstalteten die, im Koordinationsrat der Muslime (KRM) organisierten, muslimischen Moscheegemeinden einen Tag gegen Hass und Unrecht. Als Reaktion auf die vorangegangenen Anschläge auf Moscheen in Berlin und Bielefeld wurde ein bundesweites Friedensgebet abgehalten. Namenhafte Redner aus Politik, sowie Vertreter anderer Religionsgemeinschaften hielten Reden (wir berichteten, http://www.islamische-zeitung.de/?id=18351)

Trotz dieser Attacke sowie den vorangegangenen auf Gebetsstätten in Oldenburg, Alzey, Delmenhorst und Minden bleibt die wichtigste Devise, besonnen zu bleiben. Die Täter bleiben noch unbekannt. Auch ist ungeklärt, ob es Zusammenhänge zwischen den einzelnen Anschlägen gibt. Die betroffenen Moscheegemeinden reagieren meist mit Ruhe und laden die Nachbarn ein, sich selbst ein Bild zu verschaffen. (tb)

Nach der Hamburger Randale: Kurden gegen Muslime?

(iz). Der Krieg in Syrien hat unlängst auch europäischen Boden erreicht. Kam es in den letzten Jahren „nur“ zu Gräben zwischen Sunniten und Schiiten, entbrennt nun ein Konflikt zwischen Kurden und … Muslimen? Angeheizt vom Drama um Kobane im türkisch-syrischen Grenzgebiet protestieren Kurden deutschlandweit gegen „das tatenlose Zusehen der Staatengemeinschaft“. Unter ihnen sind jedoch auch Radikale, oftmals Anhänger der PKK. Gefundenes Fressen für die wiederum anderen Radikalen, Anhänger der Terrorgruppe IS.

In Hamburg und Celle trafen wütende Mobs aufeinander, verletzten sich und lösten eine Welle der Empörung aus. Spannend ist dabei die Frage, wie sich innerhalb so kurzer Zeit diese Massen an Gewaltbereiten mobilisieren ließen. Doch keine Zeit für Verschwörungstheorien, es bedarf Schlichtung.

Die Community sollte jeden Import von Konflikten kategorisch zurückweisen. Denn so schnell entstehen Phrasen wie „Kurden und Muslime“, welche suggerieren, dass ein Kurde kein Muslim sein kann und ein Muslim kein Kurde. Selbstverständlich ist das Unsinn. Wird hier bewusst mit Begriffen gespielt? Die Emotionalisierung Jugendlicher erwies sich in der letzten Zeit als äußerst effektiv. Und die Medien danken es. Im Internet liefern sich Fanatiker, die sich als Verteidiger aufspielen, Wortschlachten. Jeder wirft dem anderen Manipulation und Hetze vor. Manipulation wovon?

Die Schura Hamburg, ein Zusammenschluss der muslimischen Gemeinden, berichtete, dass die so genannten „Salafisten“ (oder Wahhabiten) zum Angriff auf eine kurdische Einrichtung aufgerufen haben. In Facebook meinen die vermeintlichen Salafisten hingegen, die Al-Nur Moschee in Hamburg vor den wütenden Kurden beschützt zu haben. Es kam zum Dementi der Moscheeführung. So sollen die mutmaßlichen IS-Sympathisanten die Moschee gegen ihren Willen besetzt haben und sogar handgreiflich geworden sein. Versagt hat vor allem die Polizei.

Die Unterteilung in Kurden und Muslime ist in diesem Kontext absurd. In Syrien und dem Irak sind vor allem auch Muslime Opfer des IS. Außer Acht darf man auch nicht lassen, dass der Großteil der Kurden muslimisch ist. Und wohl jeder Muslim würde vehement verneinen, dass die Terrormiliz IS, ihre Sympathisanten und ihre barbarischen Gräueltaten repräsentativ für die Muslime sind. Aber auch in Hamburg sind die Fronten nicht allzu klar.

Deutschlandweit kam es immer wieder zu Übergriffen auf Unbeteiligte, was bei manchem den Drang weckt, sich zu solidarisieren. Den Radikalen, egal aus welchem Lager, darf kein Raum gegeben werden. Ebenso darf kein erneuter türkisch-kurdischer Konflikt entstehen, schon gar nicht auf deutschem Boden. Kurdisch- und türkischstämmige Muslime in Deutschland sind Geschwister. Man muss es wiederholen, so selbstverständlich das auch klingen mag. Die deutsch-muslimische Community sieht sich eigenen Herausforderungen gegenübergestellt und sollte nicht die politischen Konflikte aus dem Ausland adaptieren.

Eine starke muslimische Gemeinschaft in Deutschland könnte glaubwürdiger Vermittler für Krisenherde außerhalb werden. Es bleibt nur der Aufruf zu Besonnenheit. Außenstehende sollten sich nicht instrumentalisieren lassen. Geschädigte sind letzten Endes erneut Muslime im Allgemeinen.

Eskalation in St. Georg: In Hamburg kam es zu Randale und gewaltsamen Ausschreitungen

Hamburg (dpa/iz). Das derzeitige Drama im syrisch-türkischen Grenzgebiet hat nach Ansicht deutscher Muslime das Potenzial, zu Spannungen innerhalb der muslimischen Community sowie zwischen unterschiedlichen Exilgruppen zu führen beziehungsweise bestehende noch zu steigern. In den sozialen Netzen dominierte der Wunsch nach Harmonie innerhalb der Gemeinschaft sowie das Verlangen, dass es nicht zu einem Überschwappen der Konfliktes nach Deutschland kommt.

Aktueller Anlass waren Ausschreitungen am Abend des 07. Oktobers in Folge einer friedlichen Spontandemonstration von Kurden in der Hamburger Innenstadt gegen den wahrscheinlichen Fall der syrischen Stadt Kobane an Kämpfer des syrisch-irakischen Islamischen Staates. Später zogen Demonstranten in den Stadtteil St. Georg weiter. Zu einer Eskalation kam es, nachdem radikalisierte, mutmaßliche Sympathisanten der PKK auf ebenso aufgeheizte, mutmaßliche „Salafisten“ trafen. Das ganze spielte sich unter anderem vor der Al-Nur-Moschee in St. Georg ab, wie ein Sprecher der Polizei am Mittwoch sagte.

Dort stellten sich ihnen den Angaben zufolge etwa 400 mutmaßliche „Salafisten“ entgegen. Zwischen Mitgliedern beider Gruppen, die teilweise bewaffnet gewesen sein sollen, habe es „gewalttätige körperliche Auseinandersetzungen“ gegeben. Ein dpa-Fotograf vor Ort berichtete in der Nacht, die Polizei habe die Zufahrtsstraßen zur Moschee komplett abgesperrt. Einsatzwagen blockierten den Sichtkontakt zwischen den Gruppen. Die Lage sei „ausgesprochen gewalttätig“ gewesen. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um die Parteien zu trennen. Verletzte wurden in Krankenhäuser gebracht, wie ein Sprecher der Feuerwehr sagte. Der Einsatz dauerte bis zum frühen Morgen an.

Erschwerend kam hinzu, dass nach Berichten in den sozialen Netzerken Facebook und Twitter „Salafisten“ die betroffene Moschee gegen den Willen ihrer Betreiber besetzt haben sollen. Vermittlungs- beziehungsweise Deeskalationsversuche seitens der SCHURA Hamburg, einem Zusammenschluss Hamburger Moscheegemeinden, sollen erfolglos geblieben sein. Nach Angaben eines SCHURA-Vertreters gegenüber der Hamburger Lokalpresse sei die Polizei bei der Moscheebesetzung „überfordert“ gewesen. MAn habe es versäumt, die Besetzer aus der Moschee zu lassen beziehungsweise zu räumen, wodurch normale Mitglieder und Besucher zwischen die Fronten geraten seien.

Erklärung der betroffenen Al-Nur-Moschee vom 8.10.2014:
http://www.alnour-moschee.com/index.php/de/

Spontaner Ausbruch einer unterschwelligen Unzufriedenheit ein gefundenes Fressen für die PR-Maschinerie

(iz). Während einer Pause der Proteste auf meinem Weg durch den Gezi-Park erschütterte mich die festliche Atmosphäre, die über jener Zerstörung schwebte, welche die Demonstranten an der öffent­lichen Landschaft angerichtet […]

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Türkei: Yusuf Göker schreibt über die massiven Umwälzungen im Verhältnis zwischen Politik und Militär

(iz). Natürlich wäre es in Deutschland unvorstellbar, dass ein Generalinspekteur die Bundeskanzlerin rügt. Aber in anderen Ländern ist oder war es vorstellbar. Um diese Aussage überhaupt zu verstehen, müsste womöglich […]

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