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Militäroffensive ist der Sargnagel für Hilfsprogramme

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Israels Regierungschef will sich keinem Druck fügen. Die Militäroffensive in Rafah stehe bevor. Und auch die Hisbollah werde einknicken.

Tel Aviv/Gaza/Washington (dpa/IZ) Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treibt trotz laufender Verhandlungen über eine Waffenruhe die Vorbereitung für eine Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens voran und sieht den „totalen Sieg“ in Reichweite. „Nicht in Monaten, sondern in Wochen, sobald wir mit der Operation beginnen“, sagte Netanjahu in der am Sonntag (Ortszeit) ausgestrahlten TV-Sendung „Face the Nation“ des US-Fernsehsenders CBS.

Das israelische Militär legte am Abend dem Kriegskabinett seinen Plan zur Evakuierung der Zivilbevölkerung und seinen Einsatzplan gegen die Hamas vor, wie Netanjahus Büro in der Nacht zum Montag bekannt gab. Zudem sei ein Plan für die Bereitstellung humanitärer Hilfe gebilligt worden. Einzelheiten wurden in der Mitteilung nicht genannt. Derweil wird eine israelische Delegation Medienberichten zufolge am Montag zu weiteren Gesprächen auf Beamtenebene der vermittelnden Länder Katar, Ägypten und USA über eine Waffenruhe nach Katar aufbrechen. Laut Medien gab es zuletzt Fortschritte.

Netanjahu: Waffenruhe würde Rafah-Offensive nur verzögern 

International wird die geplante Offensive auf die Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten heftig kritisiert. Selbst Verbündete wie die USA rufen Israel zur Zurückhaltung auf, weil in der südlichsten Stadt des abgeriegelten Küstengebiets inzwischen 1,5 Millionen Palästinenser – mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gazas – auf engstem Raum und unter elenden Umständen Schutz vor den Kämpfen in den anderen Teilen des Küstenstreifens suchen.

Netanjahu ist jedoch zur Offensive in Rafah entschlossen, um die vier verbliebenen Hamas-Bataillone zu zerschlagen. Sollte es zunächst zu einer Feuerpause kommen, „wird es sich etwas verzögern“, sagte der Rechtspolitiker in der CBS-Fernsehsendung. „Aber es wird geschehen. Wenn wir keine Einigung haben, werden wir es trotzdem tun. Es muss getan werden. Denn der totale Sieg ist unser Ziel, und der totale Sieg ist in Reichweite“, sagte er.

Israel will auch Kampf gegen die Hisbollah verstärken 

Zugleich will Israel den militärischen Druck auch auf die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon in Reaktion auf deren tägliche Angriffe an Israels Nordgrenze weiter erhöhen. „Wir planen, die Feuerkraft gegen die Hisbollah zu erhöhen, die nicht in der Lage ist, Ersatz für die Kommandeure zu finden, die wir eliminieren“, sagte Verteidigungsminister Yoav Galant beim Nordkommando, wie das Militär am Sonntagabend mitteilte. Davon werde man sich auch dann nicht abbringen lassen, wenn es im Krieg im südlich gelegenen Gaza zu einer Feuerpause kommen sollte. Man werde den militärischen Druck auf die Miliz „bis zum vollständigen Rückzug der Hisbollah“ von der Grenze zu Israel verstärken, kündigte Galant an. Die Hisbollah ist mit der Hamas verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. 

Seit dem Ausbruch des Gaza-Krieges am 7. Oktober vergangenen Jahres hat sich der Konflikt Israels mit der Hisbollah entlang der israelisch-libanesischen Grenze verschärft. Die Miliz hat sich in der Pufferzone eingerichtet, die nach Ende des zweiten Libanon-Kriegs 2006 im Grenzgebiet im Südlibanon festgelegt worden war, und feuert von dort auf den Norden Israels. Israel greift wiederum mit seiner Artillerie und Luftwaffe die Hisbollah-Stellungen in der Pufferzone an. Israel warnte bereits mehrmals, dass es auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit sei, falls diplomatische Bemühungen ins Leere laufen sollten. 

Verhandlungen über Feuerpause und Geisel-Freilassung gehen weiter 

Unterdessen bemühen sich Ägypten, Katar und die USA weiter, im Gaza-Krieg zu vermitteln und möglichst vor Beginn des Fastenmonats Ramadan eine Feuerpause zu erreichen, die auch zu einer Freilassung der israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas führen soll. Der Ramadan beginnt um den 10. März. Ranghohe Delegationen der Vermittler hatten zuletzt in Paris unter Beteiligung Israels laut Medienberichten „bedeutende Fortschritte“ erzielt. Die indirekten Verhandlungen sollten am Sonntag in der katarischen Hauptstadt Doha auf Beamtenebene weitergeführt werden. Israelischen Regierungsbeamten zufolge könnten im Falle einer Vereinbarung in einer ersten Phase 35 bis 40 Geiseln freigelassen werden, meldete der israelische Rundfunksender Kan. 

Das wären vor allem Frauen, Kinder, ältere Männer und Männer mit schweren Krankheiten oder Verletzungen. Israel würde im Gegenzug dafür 300 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen freilassen, hieß es. Die Waffenruhe würde demnach etwa sechs Wochen dauern. Netanjahu soll unterdessen Medienberichten zufolge neue Forderungen erhoben haben. Demnach müssten alle ranghohen palästinensischen Häftlinge als Bedingung für ihre Freilassung im Tausch gegen Geiseln der Hamas nach Katar geschafft werden, berichtete die „Times of Israel“ Sonntagabend unter Berufung auf Informationen des Senders Channel 12.

Berichte: Netanjahu stellt neue Forderungen 

Demnach habe Netanjahu diese Forderung bei Beratungen des Kriegskabinetts erwähnt, als die israelische Delegation über die in Paris erzielten Verhandlungsfortschritte informierte. Zudem verlange er eine Liste mit den Namen jener der 130 Geiseln in der Gewalt der Hamas, die noch am Leben sind, meldete die israelische Nachrichtenseite „Ynet“. Israel geht davon aus, dass noch 100 von ihnen leben. Einige Beamte würden Netanjahu beschuldigen, er versuche, das im Entstehen begriffene Abkommen mit der Hamas zu torpedieren, um die rechtsextremen Mitglieder in der Regierung zu beschwichtigen, schrieb die „Times of Israel“. 

Armeesprecher: Wollen Gaza-Bevölkerung nicht vertreiben 

„Unsere Aufgabe ist es, die Hamas zu zerschlagen und unsere Geiseln nach Hause zu bringen – nicht, den Gazastreifen zu zerstören oder seine Bevölkerung zu vertreiben“, schrieb der israelische Armeesprecher Daniel Hagari in einem am Sonntag veröffentlichten Gastbeitrag für die US-Zeitung „Wall Street Journal“. Hagari weiter: „Wir führen diesen Krieg schweren Herzens und sind uns des tragischen Verlustes von Zivilisten auf beiden Seiten bewusst“. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde vom Sonntag ist die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser auf inzwischen 29 692 gestiegen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen, werden aber von internationalen Organisationen als hinreichend zuverlässig eingeschätzt.

Palästinensischer Ministerpräsident tritt zurück

Der Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete, Mohammed Schtaje, hat unterdessen am Montag in Ramallah seinen Rücktritt eingereicht. Er erklärte während einer Kabinettssitzung, Grund für den Schritt seien die jüngsten Entwicklungen in der Region, einschließlich des Gaza-Kriegs. 

Der Rücktritt sei auf Wunsch des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas erfolgt, auf den arabische Länder der Region und die USA entsprechenden Druck ausgeübt haben, hieß es zuvor im Fernsehsender Watan TV unter Berufung auf Regierungsbeamte. Es hatte seit längerem Berichte über einen solchen Schritt Schtajes gegeben. 

Dahinter steht das Bestreben Washingtons, über eine grundlegend reformierte Palästinensische Autonomiebehörde die zuletzt nahezu bedeutungslos gewordene Zweistaatenlösung als umfassenden Ansatz zur Befriedung des Nahen Ostens erneut ins Spiel zu bringen. 

Rücktritt eher symbolischer Schritt

Der mögliche Rücktritt Schtajes sei jedoch zunächst als eher symbolischer Schritt zu werten, hieß es. Der Politiker, der als loyaler Mitarbeiter des seit 2005 regierenden Abbas gilt, werde weiterhin als Chef einer kommissarischen Regierung amtieren. Die Bildung einer neuen Regierung des nationalen Konsenses könne Wochen oder Monate in Anspruch nehmen. Ihr Gelingen hänge in erster Linie davon ab, ob der Krieg im Gazastreifen beendet und ein international überwachter Abzug der israelischen Streitkräfte aus dem Küstengebiet erreicht werden kann. 

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter der Führung von Abbas verwaltet Teile des von Israel besetzten Westjordanlands. Gewichtigste Fraktion in ihr ist die gleichfalls von Abbas geführte Fatah-Bewegung. Die Hamas, die im Gazastreifen Krieg gegen Israel führt, gehört ihr nicht an. Nach den Vorstellungen der USA soll nach Beendigung des Gaza-Kriegs eine grundlegend reformierte PA den Gazastreifen verwalten. Israel lehnt diesen Plan vehement ab. Es will künftig weder die Hamas noch eine von der Fatah geführte PA als Regierungsmacht in Gaza sehen. 

Zu den zuletzt erwähnten Vorstellungen über eine künftige Rolle der PA zählt auch die Bildung einer Technokraten-Regierung mit Personen ohne Parteibindung. In diesen Konzepten würde die Hamas der palästinensischen Dachorganisation PLO beitreten, ohne in einer künftigen palästinensischen Regierung mit eigenen Ministern vertreten zu sein. Auch diese Pläne lehnt Israel ab.

Militäroffensive in Rafah wäre der Sargnagel für Hilfsprogramme

UN-Generalsekretär António Guterres hat indes erneut eindringlich vor einer israelischen Offensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens gewarnt. „Eine umfassende israelische Offensive auf die Stadt wäre nicht nur schrecklich für die mehr als eine Million palästinensische Zivilisten, die dort Schutz suchen, sondern würde auch den letzten Nagel in den Sarg unserer Hilfsprogramme schlagen“, sagte er am Montag in Genf zum Auftakt der Frühjahrssitzung des UN-Menschenrechtsrates. 

Er verurteilte die Terroranschläge extremistischer Palästinenser in Israel vom 7. Oktober und die militärische Reaktion Israels darauf. Nichts könne das Töten, Verletzen, Foltern und Entführen von Zivilisten und den Einsatz von sexueller Gewalt rechtfertigen, sagte er. „Und nichts kann die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes rechtfertigen“, sagte Guterres. 

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Die Lage in Nahost. Ein Überblick

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Tel Aviv/Gaza/Washington (dpa/IZ) Die Lage in den Kriegsgebieten ist weiterhin brandgefährlich. Israel steht unter wachsendem Druck, seine Pläne für eine Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens auf Eis zu legen. US-Präsident Joe Biden warnte Israel am Freitag mit deutlichen Worten: Er sei der festen Überzeugung, dass es „einen vorübergehenden Waffenstillstand“ geben müsse, um die Geiseln zu befreien.

Er erwarte, „dass die Israelis in der Zwischenzeit keine massive Bodenoffensive durchführen werden“, sagte Biden im Weißen Haus. Israels Armee will dem Kriegskabinett in Kürze einen detaillierten Plan für den Einsatz in Rafah vorlegen, berichtete die „Times of Israel“ in der Nacht zum Samstag. UN-Organisationen lägen Berichte vor, wonach einige Palästinenser aus Angst vor Israels Angriffen Rafah bereits in Richtung des Zentrums Gazas verließen.

Israel verantwortlich für Explosionen im Iran

Israel soll einem Bericht zufolge für die Explosionen an zwei Gaspipelines im Iran in dieser Woche verantwortlich sein. Das berichtete die „New York Times“ am Freitag unter Berufung auf zwei westliche Regierungsvertreter und einen mit der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) in Verbindung stehenden Militärstrategen. Den Regierungsvertretern zufolge habe Israel am Donnerstag auch eine Explosion in einer Chemiefabrik nahe Teheran verursacht, hieß es in dem Bericht. Israels Regierung habe eine Stellungnahme abgelehnt. 

In der Nacht zu Mittwoch war es im Iran an mehreren Gaspipelines zu Explosionen gekommen. Die Vorfälle ereigneten sich im Landesinneren und Süden, wie Staatsmedien berichteten. Als Ursache für eine der Explosionen in der südlichen Provinz Fars gab es laut Behördenvertretern Hinweise auf Sabotage. Der iranische Chef des Zentrums für das nationale Gasleitungsnetz, Said Aghli, bezeichnete die Vorfälle im Staatsfernsehen als Terrorattacke. Weitere Details zu den Hintergründen gab es zunächst aber nicht. 

Die westlichen Regierungsvertreter und der Militärstratege sagten nach Angaben der „New York Times“, für die Angriffe seien umfassende Kenntnisse über die iranische Infrastruktur nötig gewesen. Einem der Regierungsvertreter zufolge habe es sich um einen „symbolischen Angriff“ gehandelt, der relativ wenig Schaden für die Zivilbevölkerung mit sich gebracht habe – jedoch angesichts der angespannten Lage in der Region als deutliche Warnung Israels verstanden werden könne.

Bericht: USA bereiten weitere Waffenlieferung an Israel vor 

Trotz des Drängens auf eine Feuerpause bereiten die USA einem Medienbericht zufolge die Lieferung weiterer Bomben und Waffen an Israel vor. Wie das „Wall Street Journal“ in der Nacht zum Samstag unter Berufung auf amtierende und ehemalige US-Beamte berichtete, werden die Pläne innerhalb der Regierung von US-Präsident Joe Biden derzeit geprüft und könnten sich im Detail noch ändern, bevor sie dem US-Kongress zur Genehmigung vorgelegt werden.

Die israelische Regierung habe um eine „rasche Beschaffung dieser Güter zur Verteidigung Israels gegen andauernde und neue regionale Bedrohungen“ gebeten. Die neu vorgeschlagene Waffenlieferung umfasst laut dem Bericht Präzisionswaffen. Die USA drängen Israel dazu, von massiven Bombardierungen zu präziseren Schlägen überzugehen. 

Bericht: Israels Präsident traf Katars Regierungschef in München 

In dem seit über vier Monaten dauernden Krieg bereitet sich Israel auf eine Offensive in der an Ägypten grenzenden Stadt vor. Die Armee soll Pläne ausarbeiten, die eine Evakuierung von Hunderttausenden Zivilisten vorsehen, die dort auf engstem Raum Schutz suchen. Zeitgleich laufen unter Hochdruck schwierige Verhandlungen unter Federführung von Vermittlern aus Ägypten, Katar und den USA über eine befristete Waffenruhe. Sie soll dazu führen, dass die noch mehr als 130 israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas in Phasen gegen palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden.

Israels Präsident Izchak Herzog traf sich hierzu am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz heimlich mit Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, wie die Nachrichtenseite „Axios“ in der Nacht zum Samstag unter Berufung auf informierte Kreise berichtete. Das ungewöhnliche Treffen der beiden Politiker verdeutliche, wie dringlich die Lage ist. 

Biden hofft auf schnellen Geisel-Deal 

Die Unterhändler arbeiten nach Informationen der israelischen Zeitung „Haaretz“ darauf hin, dass eine Feuerpause mit dem Fastenmonat Ramadan zusammenfällt, der am 10. März beginnt. Er hoffe, dass es schnell einen Deal mit der Hamas zur Befreiung der Geiseln geben werde, sagte Biden. Er habe in der vergangenen Woche täglich mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gesprochen, jeweils fast eine Stunde.

Bidens unverblümte Worte zeigten, dass das Schicksal Rafahs ein potenzieller Kipppunkt in den Beziehungen zwischen Washington und Jerusalem sei, berichtete die „Financial Times“ in der Nacht zum Samstag. US-Vertreter, darunter auch Biden, hätten Israel seit Beginn des Krieges stets unterstützt, doch ihre Toleranz gegenüber dem Vorgehen von Netanjahu und der sich verschärfenden humanitären Krise „schwindet zusehends“, schrieb die Zeitung.

UN-Gericht weist Antrag gegen Israels geplante Offensive ab 

Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen lehnte unterdessen einen Eilantrag Südafrikas auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der von Israel geplanten Militäroffensive in Rafah ab. Die gefährliche Situation in dem Ort voller Flüchtlinge verlange „die unverzügliche und wirksame Umsetzung der Aufforderungen des Gerichts“, die dieses Ende Januar erlassen hatte, teilte der Gerichtshof am Freitag an seinem Sitz in Den Haag mit.

Diese Aufforderungen hätten Geltung für den gesamten Gazastreifen, einschließlich Rafah. „Ein Erlass zusätzlicher Maßnahmen ist nicht erforderlich“, hielt das Gericht fest. Verbündete Israels wie die USA und Deutschland raten Israel von einem großangelegten militärischen Vorgehen in Rafah entschieden ab. Die Vereinten Nationen haben für den Fall einer solchen Offensive vor einer humanitären Katastrophe größten Ausmaßes gewarnt. 

Ausschreitungen um Laster mit Hilfslieferungen in Rafah 

Dutzende Menschen versuchten am Grenzübergang Rafah, einen Lastwagen mit Hilfslieferungen zu erstürmen. Die Polizei schritt ein und vertrieb die Menge, teilte die von der Hamas kontrollierte Behörde am Freitag mit. Videoaufnahmen, die in sozialen Medien geteilt wurden, zeigten Menschen, die in den Abfertigungsbereich des Grenzübergangs eindrangen. Es sind Schüsse zu hören und schwarzer Rauch zu sehen. Augenzeugen berichteten, dass die von der Hamas gestellte Polizei in die Menge geschossen habe und einen Jugendlichen getötet habe. Die Behörde wollte dies zunächst nicht bestätigen. 

In Rafah unmittelbar an der ägyptischen Grenze drängen sich auf engstem Raum 1,3 Millionen Menschen zusammen. Die meisten von ihnen sind aus anderen Teilen des Gazastreifens geflohen, um dort Schutz vor dem Krieg zu suchen. Sie leben in riesigen Zeltlagern oder auf der Straße. Hilfsorganisationen können ihre Versorgung mit dem Notwendigsten kaum gewährleisten. Über den Grenzübergang zu Ägypten kommen die Hilfslieferungen in das abgeriegelte Küstengebiet, nachdem Israel diese kontrolliert hat. 

Israels Armee weiter in Nasser-Klinik in Chan Junis im Einsatz

Bei Israels Angriffen im Gazastreifen wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde von Freitag bislang 28.775 Menschen getötet. Die Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. Unterdessen dauerte der Einsatz der israelischen Armee im Nasser-Krankenhaus in der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens am Freitag an. Soldaten hätten bislang rund 100 Verdächtige festgenommen, Es handele sich um „Personen, die verdächtigt werden, an Terroraktivitäten beteiligt gewesen zu sein“, teilte das Militär mit.

Nach Darstellung der Hamas-Gesundheitsbehörde gehörten viele der Festgenommenen zum medizinischen Personal. Israelische Soldaten hätten im Krankenhaus auch Waffen und im Bereich der Klinik Granaten der Hamas gefunden. Auch seien Schachteln mit Medikamenten mit den Namen von israelischen Geiseln gefunden worden. Nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde kamen fünf Patienten auf der Intensivstation wegen eines Stromausfalls im Zuge des israelischen Einsatzes ums Leben. Ihre Sauerstoffversorgung sei unterbrochen worden. 

Die Behörde hatte zuvor auch gewarnt, weitere Patienten sowie Babys in Brutkästen seien in Gefahr. Israel verhindere den Transport Schwerkranker in andere Kliniken und blockiere einen UN-Hilfskonvoi auf dem Weg zum Nasser-Krankenhaus. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. 

Am Freitagabend erklärte die israelische Armee auf Anfrage, sie habe die Stromversorgung nicht attackiert. Die dort tätige Einheit habe strikte Anweisung gehabt, das kontinuierliche Funktionieren des Krankenhauses zu gewährleisten. So habe sie einen schadhaften Generator gegen ein Ersatzgerät aus Israel ausgetauscht. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Ägypten errichtet „Pufferzone“

Ägypten hat Berichte über die Errichtung eines Lagers zur Unterbringung von Palästinensern zurückgewiesen. Kairo sei gegen eine Vertreibung von Palästinensern und auch gegen das freiwillige Verlassen des Gazastreifens, teilte der Leiter des Staatsinformationsdiensts (SIS), Diaa Raschwan, mit. Ägypten habe aber schon lange vor Beginn des israelischen Militäreinsatzes in dem Küstenstreifen auf seiner Grenzseite eine Pufferzone und Zäune gebaut, hieß es in der Erklärung weiter. 

Auch die in London ansässige Sinai Foundation for Human Rights berichtete von der Errichtung einer solchen Pufferzone nahe der Grenze. Bei den Bauarbeiten solle ein abgesperrter Bereich zur Unterbringung von Flüchtlingen entstehen, umgeben von einer sieben Meter hohen Mauer. Das „Wall Street Journal“ hatte am Donnerstag von Plänen Ägyptens berichtet, an der Grenze zum Gazastreifen ein riesiges Auffanglager für palästinensische Flüchtlinge einzurichten. 

Die Regierung in Kairo sorgt sich, dass im Zuge des Gaza-Kriegs massenhaft Palästinenser aus dem Gazastreifen über die Grenze strömen könnten. Ägypten steckt in einer schweren Wirtschaftskrise.

Sicherheitskonferenz zur aktuellen Lage. Ein Überblick ist schwierig.

In München geht die Sicherheitskonferenz weiter. Zum weltweit wichtigsten Politiker- und Expertentreffen zur Sicherheitspolitik werden rund 50 Staats- und Regierungschefs und etwa 100 Minister erwartet, darunter Israels Präsident Herzog und Außenminister Israel Katz sowie ranghohe Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde und der arabischen Länder Saudi-Arabien, Katar, Ägypten und Jordanien.

Hauptthemen werden die Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine sein. Zugleich gehen die Verhandlungen internationaler Vermittler über eine erneute Feuerpause und Geiselfreilassung im Gaza-Krieg weiter.

Kanzler Olaf Scholz hat Israel angesichts einer geplanten Bodenoffensive gegen die Hamas in Rafah ungewöhnlich deutlich zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts aufgefordert. „Wir halten das Völkerrecht und die Regeln nicht nur ein, weil wir weltweit einige Abkommen unterzeichnet haben. Das ist etwas, das sich aus unserer Sicht auf die Menschheit ergibt und darauf, wie wir sein wollen und wie wir uns selbst sehen wollen“, sagte der SPD-Politiker am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Deutschland fordere Israel auch auf, gegen die Gewaltakte der israelischen Siedler im Westjordanland vorzugehen, ergänzte der Kanzler. Er warnte, in der Auseinandersetzung mit der vom Iran unterstützten Hisbollah im Libanon eine neue Front im Norden Israels aufzumachen. Der Iran dürfe keine Möglichkeit erhalten, die Situation auszunutzen, um seinen Einfluss in der Region auszudehnen. 

In einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ hatte sich Scholz kurz zuvor noch kritischer in Richtung Israel geäußert. „Mit Blick auf Rafah bin ich gerade sehr besorgt über die möglichen Folgen der geplanten Bodenoffensive“, sagte Scholz der Zeitung. Nachdem die palästinensische Zivilbevölkerung erst aufgefordert worden sei, in den Süden zu fliehen, um Sicherheit zu finden, gebe es jetzt keine guten Fluchtalternativen in Gaza mehr. Die humanitäre Lage sei katastrophal.

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Rafah: „Evakuierung? Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza“

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Genf (dpa) – Der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA sieht keine Möglichkeit, Menschen aus der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens wie von Israel gefordert zu evakuieren. „Evakuierung wohin? Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza“, sagte Philippe Lazzarini der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Donnerstag). Der Norden sei mit nicht explodierten Sprengkörpern übersät. Man könne die Bevölkerung nicht dorthin bringen. Dort herrsche akute Unterernährung, eine Hungersnot drohe. „Es gibt keinen Ort, an den man evakuieren kann.“ 

Israels Regierung hat die in der Region tätigen UN-Organisationen aufgefordert, bei der Evakuierung von Zivilisten aus Rafah zu helfen. Die Streitkräfte sehen Rafah als letzte Bastion der Hamas, die sie im Zuges des Gaza-Krieges zerstören wollen. In der Stadt mit einst 300.000 Einwohnern kampieren nach UN-Angaben inzwischen mehr als 1,4 Millionen Menschen, die vor israelischen Angriffen in anderen Teilen des Gazastreifens geflohen sind. Israel hatte die Errichtung ausgedehnter Zeltstädte für die zu evakuierende Bevölkerung weiter nördlich von Rafah vorgeschlagen. 

Bevölkerung in Rafah ist bereits mehrfach geflohen

Lazzarini sagte, die Bevölkerung sei bereits mehrfach innerhalb des Küstengebiets geflohen. Mehr als 100.000 Menschen seien entweder getötet oder verletzt worden oder würden vermisst. Im Gazastreifen seien in nur vier Monaten fast 18.000 Kinder zu Waisen geworden. 

Das Palästinenser-Hilfswerk war massiv in die Kritik geraten: Zwölf UNRWA-Mitarbeitern sollen am Angriff der Hamas an Israelis am 7. Oktober beteiligt gewesen sein. Israel gab am Wochenende zudem an, unter dem UNRWA-Hauptquartier in der Stadt Gaza einen Tunnel entdeckt zu haben, der der Hamas als Datenzentrale für den militärischen Geheimdienst gedient habe. Israels Außenminister Israel Katz forderte die Ablösung des UNRWA-Chefs. 

Lazzarini lehnte das erneut ab. Das UN-Palästinenserhilfswerk befinde sich in einer existenziellen Krise. „Ich glaube nicht, dass es vernünftig wäre, das Schiff zu einem solchen Zeitpunkt zu verlassen.“

„Ich befürchte ein Gemetzel von Menschen in Gaza“

Die geplante Militäroffensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens könnte nach Ansicht von UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths zu einem Gemetzel führen. „Ich befürchte ein Gemetzel von Menschen in Gaza“, schrieb Griffiths in der Nacht zu Donnerstag auf der Plattform X. In einer ungewöhnlich scharf formulierten Erklärung hatte er zuvor deutlich gemacht, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Gazasstreifens in Rafah „zusammengepfercht“ sei und „dem Tod ins Auge“ blicke. Die weit mehr als eine Million Menschen dort hätten „wenig zu essen, kaum Zugang zu medizinischer Versorgung, können nirgendwo schlafen und nirgendwo sicher hingehen“, sagte Griffiths. „Sie sind, wie die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens, Opfer eines Angriffs, der in seiner Intensität, Brutalität und Tragweite beispiellos ist“, sagte er. 

Die internationale Gemeinschaft habe vor den gefährlichen Folgen einer Bodeninvasion in Rafah gewarnt, sagte Griffith und fügte hinzu: „Die israelische Regierung kann diese Aufrufe nicht länger ignorieren“. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte dem Militär vergangene Woche den Befehl erteilt, seiner Regierung Pläne für eine Offensive sowie für die Evakuierung der dortigen Bevölkerung vorzulegen. Es gehe darum, dort die letzten Kampfeinheiten der islamistischen Hamas zu zerschlagen, sagte Netanjahu. 

Erneut heftige Kritik von Baerbock

Die Ankündigung sorgte international für heftige Kritik. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte am Mittwoch bei einem erneuten Besuch in Israel, eine Offensive in Rafah „eine humanitäre Katastrophe mit Ansage“. Die Menschen benötigten „sichere Orte und sichere Korridore, um nicht noch weiter ins Kreuzfeuer zu geraten“, sagte Baerbock. 

Baerbock pochte zudem auf eine bessere Zusammenarbeit bei den Hilfslieferungen in das Palästinensergebiet. Die israelische Armee müsse Sicherheitsgarantien geben. „Die Vereinten Nationen müssen stärker schauen, wie die Hilfe vor Ort verteilt wird.“ Terroristen der Hamas dürften dabei die Transporte nicht überfallen, betonte Baerbock. Die Grünen-Politikerin sprach sich auch für deutlich mehr Hilfslieferungen aus – konkret 500 Lastwagen am Tag. So viel Lkw mit humanitären Gütern fuhren vor Kriegsbeginn täglich in das Gebiet. Baerbock forderte dafür auch für die Öffnung weiterer Grenzübergänge. 

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Rafah: USA fordern Schutz von Zivilisten

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Gaza/Washington/Kairo (dpa/IZ) Israel hat vor seiner geplanten Militäroffensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens einem Medienbericht zufolge die Unterbringung der Hunderttausenden Bewohner der Stadt in ausgedehnten Zeltlagern vorgeschlagen.

Wie das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete, sieht Israels Vorschlag einer Evakuierung der mit mehr als einer Million von Binnenflüchtlingen überfüllten Stadt die Einrichtung von 15 Lagern mit jeweils rund 25.000 Zelten im südwestlichen Teil des abgeriegelten Küstengebietes vor. US-Präsident Joe Biden mahnte erneut eindringlich den Schutz der Zivilbevölkerung in Rafah an. Derweil sollen einen Tag nach Israels heftigen Luftangriffen in der Gegend und der Befreiung zweier Geiseln aus der Gewalt der Hamas israelischen Medien zufolge die Verhandlungen über eine erneute Feuerpause und Freilassung weiterer Geiseln in Kairo weitergehen. 

Hilfsorganisationen: Katastrophale Zustände im Süden

Die schweren Kämpfe im Süden des Gazastreifens dauern währenddessen an. Laut Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde binnen 24 Stunden wurden 133 Palästinenser getötet. In dem Zeitraum seien 162 weitere verletzt worden, teilte die Behörde am Dienstag mit.

Seit Beginn des Krieges am 7. Oktober beläuft sich demnach die Zahl der getöteten Einwohner des Küstenstreifens auf mindestens 28.473. Rund 68.150 weitere seien verletzt worden.

Hilfsorganisationen beschreiben unterdessen katastrophale Zustände im Süden des Gazastreifens, wo seit Wochen die heftigsten Kämpfe toben. In Chan Junis kam nach Angaben von Anwohnern auch immer wieder das Nasser-Krankenhaus unter Feuer. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hatte bereits am Samstag mitgeteilt, zwei Menschen seien durch Schüsse auf die Klinik getötet und fünf weitere verletzt worden. „Medizinische Mitarbeiter haben Angst, sich in und um das Krankenhaus zu bewegen, aus Sorge, sie könnten erschossen werden“, hieß es in der Mitteilung.

Biden verlangt Schutz der Menschen in Rafah 

Gut vier Monate nach Beginn des Gaza-Krieges sieht Israel Rafah als letzte Bastion der Hamas und plant dort nun eine Militäroffensive, was international jedoch Kritik und große Besorgnis auslöst. Ein solches Vorgehen dürfe „nicht ohne einen glaubwürdigen Plan zur Gewährleistung der Sicherheit und Unterstützung von mehr als einer Million Menschen, die dort Schutz suchen, stattfinden“, sagte Biden nach einem Treffen mit Jordaniens König Abdullah II. im Weißen Haus. Viele Menschen dort seien von anderen Orten mehrfach vertrieben worden, auf der Flucht vor Gewalt im Norden des Küstengebietes. 

Jordaniens König: Dieser Krieg muss aufhören 

Jetzt seien sie in Rafah „zusammengepfercht, ungeschützt und wehrlos“, sagte Biden und forderte: „Sie müssen geschützt werden“. Die US-Regierung habe zudem von Anfang an deutlich gemacht, dass sie gegen jede Zwangsvertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen sei. König Abdullah warnte mit deutlichen Worten vor einer Offensive. „Wir können uns einen israelischen Angriff auf Rafah nicht leisten. Er wird mit Sicherheit zu einer weiteren humanitären Katastrophe führen“, sagte er. Die Situation sei bereits unerträglich für die mehr als eine Million Menschen, die dort Schutz suchen. Er forderte einen sofortigen, dauerhaften Waffenstillstand. „Dieser Krieg muss aufhören.“

Auch Deutschland hatte Israel zuvor erneut eindringlich zum Schutz der Zivilisten in Rafah aufgerufen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte am Montag in Berlin, es gelte, was Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schon am Wochenende erklärt habe: Bevor es zu weiteren größeren Offensiven auf Rafah gegen die Hamas kommen sollte, müsse Israel klar darlegen, „wo und wie diese Menschen Schutz finden können – und zwar effektiven Schutz finden können“.

UN-Sprecher: Beteiligen uns nicht an Vertreibung 

Israels Regierung hat die in der Region tätigen UN-Organisationen dazu aufgefordert, bei der Evakuierung von Zivilisten aus Rafah zu helfen. Alles, was im südlichen Teil der Region an der Grenze zu Ägypten passiere, müsse unter voller Achtung des Schutzes der Zivilbevölkerung stattfinden, sagte dazu UN-Sprecher Stéphane Dujarric am Montag in New York. „Wir werden uns nicht an der Vertreibung von Menschen beteiligen“. Zudem stellte er infrage, dass es in anderen Gebieten Gazas sichere Zufluchtsstätten gebe, auch angesichts der vielen Blindgänger. Laut dem „Wall Street Journal“ hat Israel seinen Vorschlag zur Errichtung von Zeltstädten in den vergangenen Tagen Ägypten unterbreitet. Das an Rafah grenzende Land wäre demnach für die Einrichtung der Lager und der Feldlazarette zuständig, hieß es.

Türkei wirft Israel Vertreibung vor 

Ägypten fürchtet für den Fall einer Militäroffensive auf Rafah, dass es zum Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die ägyptische Halbinsel Sinai kommen könnte. Die Türkei hat Israel nach dessen Angriffen im Raum Rafah vom Montag eine gezielte Vertreibung von Palästinensern vorgeworfen. „Wir betrachten diese Operation als Teil eines Plans zur Vertreibung der Menschen in Gaza aus ihrem eigenen Land“, teilte das Außenministerium in Ankara am Montag mit. Man sei „äußerst besorgt“ über die zunehmenden Angriffe in der Region Rafah. Damit werde die humanitäre Tragödie in Gaza noch verschärft und Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand in der Region untergraben, hieß es. 

Ägypten, Katar und die USA bemühen sich derzeit erneut darum, eine längere Feuerpause im Gaza-Krieg herbeizuführen. Im Rahmen eines Abkommens sollen in mehreren Phasen die noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gegen palästinensische Gefangene in Israel ausgetauscht werden. Die Verhandlungen kommen derzeit nur schleppend voran, sollen aber israelischen Medienberichten zufolge nun in Kairo fortgesetzt werden.

Gericht in Den Haag verbietet Lieferung von Ersatzteilen an Israel

Die Niederlande dürfen laut Urteil eines Gerichts in Den Haag vorerst keine Ersatzteile des Kampfflugzeuges F-35 mehr an Israel liefern. Dazu meint die niederländische Zeitung „de Volkskrant“: 

„Die Entscheidung des Gerichts reflektiert das Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, der Ende Januar befand, dass Israel einen Völkermord vermeiden und mehr humanitäre Hilfe zulassen muss. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der notwendigen Befugnis der Regierung, politische Entscheidungen frei zu treffen, und ihren Verpflichtungen aus internationalen Verträgen. Durch die Lieferung von F-35-Ersatzteilen sind die Niederlande an der Bombardierung von Zivilisten im Gazastreifen beteiligt. Das ist inakzeptabel, insbesondere angesichts der Gefahr einer weiteren humanitären Katastrophe in Rafah. 

Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung, es sollte aber keine unverhältnismäßige Gewalt gegen Zivilisten anwenden. Darauf hat Premierminister Mark Rutte Israel erneut mit mäßigenden Worten hingewiesen. Es ist aber an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen. Ein Exportverbot für F-35-Ersatzteile ist ein solcher Akt, der Israel deutlich macht, dass die Niederlande sein Vorgehen tatsächlich nicht mehr akzeptieren.“

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Augenzeugen: Israel bombardiert Rafah

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Gaza (dpa/IZ) Israels Armee hat Augenzeugen zufolge trotz internationaler Warnungen Ziele in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens angegriffen. Bei Angriffen aus der Luft auf zwei Häuser sollen bereits am Samstag mehr als 20 Menschen getötet worden sein, hieß es aus medizinischen Kreisen. Auch der Bürgermeister der Stadt im Süden des Küstengebiets, Ahmed al-Sufi, bestätigte die Opferzahl. 

Wie das Militär in der Nacht zum Montag bekannt gab, sei „eine Serie von Angriffen auf ‘Terrorziele’ in der Gegend von Schabura im südlichen Gazastreifen“ durchgeführt worden. Schabura liegt bei der Stadt Rafah, wo Hunderttausende palästinensische Binnenflüchtlinge Schutz gesucht haben. Wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa unter Berufung auf medizinisches Personal in Rafah berichtete, seien bei den schweren israelischen Luftangriffen mindestens 52 Zivilisten sowie weitere Menschen getötet worden. Dutzende weitere Menschen seien zudem verletzt worden, hieß es. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira sprach von mindestens 63 Toten. Bei der Angriffsserie sollen mehrere Häuser und Moscheen im Visier des israelischen Militärs gestanden haben. Al-Dschasira zitierte den Direktor des kuwaitischen Krankenhauses in Rafah, wonach mehr als 20 Menschen in die Klinik gebracht worden seien.

Israelische Soldaten bombardierten außerdem ein Fahrzeug der Hamas und töteten dabei drei Personen, darunter den Chef des Polizeigeheimdienstes der Hamas sowie dessen Stellvertreter, wie es am Samstag aus Polizeikreisen und von Augenzeugen hieß. Die Angaben ließen sich allesamt zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Militär äußerte sich nicht konkret. Die Armee halte sich bei ihren Einsätzen an das Völkerrecht und treffe Vorkehrungen, um den Schaden für die Zivilbevölkerung gering zu halten, teilte sie auf Anfrage lediglich mit. 

Es waren nicht die ersten Berichte über Angriffe auf Ziele in der Stadt nahe der Grenze zu Ägypten. In der vergangenen Wochen hatte das israelische Militär dort Augenzeugen zufolge häufiger Stellungen von Hamas-Mitgliedern attackiert. Rafah ist der einzige Ort im gesamten Küstenstreifen, in dem die Hamas noch die Kontrolle ausübt. 

Derzeit sind in der Stadt noch keine israelischen Bodentruppen im Einsatz. Rafahs Bürgermeister Al-Sufi warnte vor einem Vorstoß der Armee in den Ort. „Jeder Militäreinsatz in der Stadt, in der mehr als 1,4 Millionen Palästinenser leben, wird zu einem Massaker und einem Blutbad führen.“

Die USA und Deutschland sprechen sich vehement gegen ein militärisches Vorgehen Israels in Rafah aus. US-Präsident Joe Biden seinen Ton gegenüber der israelischen Regierung verschärft und das Vorgehen der Streitkräfte gegen die Hamas als unverhältnismäßig bezeichnet. „Ich bin der Ansicht, dass das Vorgehen bei der Reaktion im Gazastreifen überzogen ist“, sagte Biden bereits am 08. Februar im Weißen Haus. Es gebe viele unschuldige Menschen, die hungerten, in Not seien oder gar ums Leben kämen. „Das muss aufhören.“

Auch Großbritannien reiht sich in die Liste der Staaten ein, die vor einem militärischen Vorgehen Israels in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens warnen. Er sei „zutiefst besorgt über die Aussicht einer Militäroffensive in Rafah“, erklärte der britische Außenminister David Cameron am späten Samstagabend auf der Online-Plattform X. „Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gazas sucht in der Gegend Zuflucht“, schrieb der frühere Premier. Die Priorität müsse auf einer sofortigen Feuerpause liegen, um Hilfslieferungen zu ermöglichen und Geiseln herauszubekommen. Danach müssten Fortschritte in Richtung einer dauerhaften Waffenruhe gemacht werden, forderte er. 

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor der Armee den Befehl erteilt, eine Offensive auf Rafah vorzubereiten. In der Stadt gebe es noch immer vier verbleibende Hamas-Bataillone. Demnach soll die Militärführung die Evakuierung der Zivilisten in dem Ort planen. 

Die Hamas hat Israel für den Fall eines militärischen Vorgehens in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens mit einem Abbruch der Gespräche über ein Geisel-Abkommen gedroht. Jeder Angriff könne die Verhandlungen zunichtemachen, zitierte der palästinensische Fernsehsender Al-Aksa, der als Sprachrohr der Hamas gilt, am Sonntag ein nicht näher genanntes hochrangiges Hamas-Mitglied.

Weit mehr als 1.000.000 bereits geflüchtete Palästinenser in Rafah

Eine Militäroffensive in Rafah gilt als hochproblematisch. In dem Ort, der vor dem Krieg rund 300.000 Einwohner hatte, sollen sich inzwischen weit mehr als eine Million Palästinenser aufhalten. Die meisten von ihnen flohen vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs. 

Wegen heftiger Kämpfe in der letzten Woche im Bereich der Stadt Chan Junis im südlichen Gazastreifen sind nach Augenzeugenberichten tausende Palästinenser in Autos oder zu Fuß Richtung Rafah an der Grenze zu Ägypten geflohen. Da auch hier die Grenzen geschlossen sind, ist fraglich, wohin die Zivilisten noch fliehen können.

UN-Generalsekretär António Guterres hatte bereits zuvor vor einer humanitären Katastrophe und Folgen für die gesamte Region gewarnt. Die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens sei in Rafah zusammengepfercht und könne nirgendwo anders hin. Auch die US-Regierung und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich in den vergangenen Tagen deutlich gegen ein militärisches Vorgehen in Rafah ausgesprochen. 

In Israel haben am Samstagabend mehrere Tausend Menschen für die Freilassung der von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln demonstriert. Angehörige der Geiseln warfen dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor, die über internationale Vermittler laufenden Verhandlungen mit der Hamas zu torpedieren.

Netanjahu geht einem israelischen Medienbericht zufolge davon aus, dass Israel aufgrund des internationalen Drucks nur rund einen Monat Zeit für eine Offensive in Rafah hätte. Der Einsatz muss demnach bis zum 10. März abgeschlossen sein. An dem Tag beginnt für Muslime weltweit der Fastenmonat Ramadan. 

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Hilfslieferungen im symbolischen Maße. 700.000 Geflohene im Süden Gazas

Hilfslieferungen Gaza Rafah

Erste Hilfslieferungen haben nach Angaben von Medien und internationalen Einrichtungen Gaza erreicht. Die Menschen brauchen täglich das 5-fache. Ein Überblick

(dpa, KNA, iz). Nach den Evakuierungsaufrufen an die Zivilbevölkerung im nördlichen Gazastreifen sind nach israelischen Militärangaben rund 700.000 Palästinenser in den Süden geflohen. Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Samstag, man rufe die in der Stadt Gaza und im Norden des Palästinensergebiets verbliebenen Zivilisten dazu auf, sich ebenfalls in das Gebiet südlich von Wadi Gaza zu bewegen.

Bei den Angriffen starben nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums 4.137 Menschen. Davon sind 70 Prozent Kinder und Frauen. Mehr als 1.000 Personen würden vermisst. Sie befänden sich vermutlich unter den Trümmern.

Nach UN-Angaben sind angesichts der heftigen Luftangriffe Israels bereits etwa 1,4 Millionen Menschen im Gazastreifen aus ihren Häusern vertrieben. Mehr als 544.000 von ihnen hätten in Einrichtungen des Palästinenserhilfswerks UNRWA Schutz gesucht. Andere kamen demnach bei Familie oder Freunden unter.

Hilfslieferungen aus Ägypten wurden erstmals durchgelassen

Erste Lieferungen von dringend benötigten Hilfsgütern in den Gazastreifen sind angelaufen. Einige LKWs fuhren am Samstag von Ägypten in den palästinensischen Bereich des Grenzübergangs Rafah, wie auf Bildern im ägyptischen Fernsehen zu sehen war.

Dem Roten Halbmond von Ägypten zufolge sollen die 20 Lastwagen vor allem mit Nahrungs- und Arzneimitteln beladen sein. Es sind die ersten Lieferungen über Rafah seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Hamas am 7. Oktober.

„Ich komme gerade vom Tor zum Gazastreifen (Rafah Crossing) mit einem tiefen Gefühl und einem gebrochenen Herzen.

Einerseits habe ich die Großzügigkeit der Fahrer von mehr als 100 Lastwagen gesehen.

Einige stehen dort schon seit Tagen und warten darauf, den Übergang passieren zu können, und sie sind eine Lebensader für die Menschen in Gaza.

Der Unterschied zwischen Tod und Leben, mit Wasser, mit Lebensmitteln, mit Medikamenten, mit allem, was die Menschen in Gaza brauchen.“

Antonio Guterres, 21.10.2023

Der Grenzübergang ist derzeit der einzige Weg, Unterstützung für die notleidende Zivilbevölkerung in den Gazastreifen zu bringen. Wie lange die Grenze offen bleiben sollte, blieb zunächst unklar. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths erklärte, den Hilfslieferungen seien tagelange intensive Verhandlungen vorausgegangen. Letztlich hatten sich alle Seiten auf den Konvoi mit 20 Lastwagen verständigt.

Die Güter sollen über das UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA an die Bevölkerung verteilt werden. Mediziner-Teams würden ebenfalls am Samstag in den Gazastreifen fahren, sagte Chalid Sajid, Leiter des ÄRH im Nord-Sinai. „Wir warten auf die Erlaubnis, dass ägyptische Krankenwagen passieren, um verletzte Palästinenser zu ägyptischen Krankenhäusern zu bringen.“

UN begrüßt Konvois und hofft auf weitere

Griffiths geht davon aus, dass dem ersten humanitären Konvoi mit 20 LKWs für zügig weitere folgen. „Ich bin zuversichtlich, dass diese Lieferung der Beginn einer nachhaltigen Anstrengung sein wird, die Menschen im Gazastreifen sicher, zuverlässig, bedingungslos und ungehindert mit lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff zu versorgen“, teilte er in Kairo mit. „Die Menschen im Gazastreifen leiden seit Jahrzehnten. Die internationale Gemeinschaft kann sie nicht weiter im Stich lassen.“

Vier Lieferwagen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren ebenfalls auf dem Weg in den Gazastreifen, wie die Organisation berichtete. Sie haben Medikamente und Versorgungsmaterial für Verwundete, für chronisch Kranke, sowie lebenswichtige Arznei und Material für die Versorgung von 300.000 Menschen für drei Monate geladen.

Ein Flugzeug mit weiterem Material unter anderem für Operationen, Infusionen, und Desinfektionsmittel wurde gestern im nahegelegenen Al-Arisch eingetroffen, ein weiteres Flugzeug wurde am Samstag erwartet, berichtete die WHO. An Bord waren ebenfalls Zelte und Wassertanks.

Foto: UN Geneva, via flickr | Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

Guterres fordert humanitäre Feuerpause

Guterres forderte bei einem Nahost-Gipfeltreffen eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen. Er nannte drei unmittelbare Ziele: die ungehinderte humanitäre Hilfe für die Zivilisten im Gazastreifen, die sofortige und bedingungslose Freilassung aller aus Israel entführten Geiseln und engagierte Bemühungen, die Gewalt einzudämmen, um eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern.

Er blickte zusätzlich weiter in die Zukunft: Der Krieg könne nur mit einer Zweistaatenlösung befriedet werden, einen für Israelis und einen für Palästinenser. „Die Zeit zum Handeln ist gekommen, handeln, um diesen schrecklichen Alptraum zu beenden“, sagte er.

Krieg: UNRWA beklagt 17 tote Helfer

Seit Beginn des Kriegs zwischen der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen und Israel am 7. Oktober sind mindestens 17 Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks für die Palästinenser (UNRWA) getötet worden. „Leider ist die tatsächliche Zahl wahrscheinlich noch höher“, erklärte Generalsekretär Philippe Lazzarini am Samstag.

Zudem seien mindestens 35 Institutionen des Hilfswerks in Mitleidenschaft gezogen und einige von ihnen bei israelischen Luftangriffen direkt getroffen worden. Insgesamt hätten 500.000 Menschen in verschiedenen UNRWA-Einrichtungen in ganz Gaza Zuflucht gefunden, darunter in Gebäuden, „die nicht als Unterkünfte gedacht waren und in denen die Lebensbedingungen einfach unhaltbar sind“.

hilfslieferungen gaza

Foto: Wafa, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Umstände in Gazas Notunterkünften seien katastrophal, so das Hilfswerk. Überbelegung, fehlende Privatsphäre und eingeschränkte Verfügbarkeit von Wasser verstärkten den Leidensdruck der Betroffenen. Aufgrund der wachsenden Spannungen komme es bereits zu gewalttätigen Auseinandersetzungen unter den Bewohnern.

Lazzarini forderte einen bedingungslosen Schutz für Zivilisten. Dies sei eine nicht verhandelbare rechtliche Verpflichtung aller Konfliktparteien. Ferner seien Angriffe auf zivile Einrichtungen, einschließlich Schulen, Krankenhäuser, Gotteshäuser und Wohnungen von Zivilisten zu unterlassen.

„Lassen Sie es mich deutlich sagen: Der Schutz von Zivilisten in Konfliktzeiten ist kein Wunsch oder Ideal, sondern eine Verpflichtung und ein Bekenntnis zu unserer gemeinsamen Menschlichkeit“, so Lazzarini, und forderte einen sofortigen Waffenstillstand.