Die IZ-Blogger: Ein Kommentar des österreichischen Islamgesetzes

„Zusammenfassend gesagt schafft es die Grundlagen für eine vom Ausland isolierte, von der Regierung (eigentlich fast ausschließlich vom Bundeskanzler) zutiefst abhängige und beaufsichtigte islamische Staatskirche. Der Eindruck drängt sich auf, dass die IGGiÖ zu einem Kontrollinstrument über Muslime und ihr Oberhaupt zu einem postkolonialen Statthalter des Bundeskanzlers degradiert wird.“

(iz). 2015 wiederholt sich zum 200. Mal der Jahrestag des Wiener Kongresses und auch dieses Mal steht ein junger ambitionierter Politiker, der amtierende österreichische Außenminister Sebastian Kurz, für einen innenpolitischen Wandel und tiefe Eingriffe in Grundrechte. Das neue österreichische Islamgesetz stellt vieles dar, aber vor allem Law & Order gegenüber und Kontrolle von Muslimen. Kritik an diesem (teilweise dieselbe wie von Rechtsexperten) wird, so sie von Muslimen kommt, aus Regierungskreisen gerne als „Hetze“, „Propaganda“ oder „gezielte Fehlinformation“ abgetan.

Dabei stellt es einen historischen Bruch im Verhältnis der Muslime zu Österreich dar und wirft ihre grundrechtliche Position in gewisser Hinsicht nicht um 103 Jahre zurück (das alte und erste Islamgesetz wurde 1912 verabschiedet), sondern weit hinter die Standards von 1867 – jenes Jahr, in dem Österreich seinen bis heute gültigen Grundrechtskatalog, der die Autonomie von anerkannten Religionsgesellschaften normierte, bekam – und schafft damit eine für Muslime noch nicht da gewesene, gesetzlich verankerte Diskriminierung.

Betrachtete man die bisherige Debatte in der österreichischen Öffentlichkeit und auch der internationalen Presse rund um das neue Islamgesetz, schien es um Aspekte wie ein Verbot der Auslandsfinanzierung von Imamen oder um die verpflichtende Darlegung der Glaubenslehre anhand einer offiziellen deutschen Qur’anübersetzung zu gehen. Der Aspekt, dass mit dem Gesetz ein eigenes segregiertes Religionsrecht (inkl. Anerkennungs- und Auflösungsbestimmungen für neue und bestehende islamische Religionsgesellschaften) nur für Muslime geschaffen wird, wurde hingegen selten thematisiert. Ebenso wurden die gravierendsten Eingriffe so selten erwähnt, dass man glauben könnte, die geradezu obsessive Beschäftigung der österreichischen Öffentlichkeit mit dem leicht umgehbaren Verbot der Auslandsfinanzierung diene nur der Ablenkung von den schwerwiegendsten Mängeln.

Aus meiner Sicht ist dies wohl primär die am 01.03.2016 vorgesehene Auflösung all jener Vereine, die den Vereinszweck der Verbreitung der Lehre der IGGiÖ verfolgen (§ 31 Abs 3). Um die Ausmaße und Konsequenzen dieses verfassungsrechtlich (im Hinblick zuallererst auf die Religions- und Vereinsfreiheit) bedenklichen Eingriffes zu verstehen, muss man wissen, dass sich die kollektive islamische Praxis in Österreich trotz Bestehens einer anerkannten islamischen Religionsgesellschaft, der IGGiÖ, vorwiegend auf der Vereinsebene abspielt. Muslimische Vereine, meist in Verbänden organisiert, betreiben Moscheen und Gebetsstätten, islamische Zentren, Schulen, Kindergärten und andere Einrichtungen (von ca. 500 Vereinen ist teilweise die Rede).

Rechtlich besteht ihre Beziehung zur IGGiÖ nur darin, dass sie sich in ihren Statuten zur Verfassung der IGGiÖ bekennen, an sie gebunden fühlen und dadurch aus Sicht der IGGiÖ unter anderem ihre religionsgesellschaftliche Aufgabe der Verkündung der Lehre des Islam erfüllen. Gerade damit aber erfüllen sie die Merkmale der genannten Bestimmung des neuen Islamgesetzes. Die Vereine stehen vor der Wahl zwischen Auflösung – deren Aufgaben sollen Untereinheiten der IGGiÖ genannt „Kultusgemeinden“, die erst gegründet werden müssen, übernehmen – oder „Tarnung“ als nicht explizit islamische Vereine durch Änderung ihrer Vereinszwecke in den Statuten.

Die Last dieser Wahl, die zudem eine schwere soziopolitische Dimension aufweist, zeigt sich aber vor allem, wenn man betrachtet, was sich in der Beziehung zwischen IGGiÖ (inklusive ihren Kultusgemeinden) und der Republik Österreich nun ändert. Abgesehen davon, dass das neue Islamgesetz der Bundesregierung insbesondere dem Bundeskanzler die Möglichkeit gibt, die IGGiÖ und/oder ihre Kultusgemeinden aufgrund einer Vielzahl von teils unbestimmten und daher der Willkür Tür und Tor öffnenden Gründen aufzulösen (§ 5 Abs 2), ermächtigt es den Bundeskanzler zu einer Vielzahl von Kontrollbefugnissen gegenüber der IGGiÖ, welche diese mehr oder weniger zu einer Institution von Regierungsgnaden macht. Dazu zählt die Möglichkeit einer Wahlaufsichtsbeschwerde über IGGiÖ-Wahlergebnisse beim Bundeskanzler (§ 28 Abs 2), die Möglichkeit für diesen, unter Umständen einen Kurator für die IGGiÖ bei Gericht zu beantragen (§ 29), interne Beschlüsse der IGGiÖ aufzuheben, Geldbußen zu verhängen (§ 30) und – nicht unwesentlich – jeder neuen Verfassung der IGGiÖ und diversen anderen Rechtsakten die Zustimmung und damit Gültigkeit zu verwehren (§ 23 Abs 1). Bedenkt man, dass die Darstellung der islamischen Lehre mittels deutscher Qur’anübersetzung ein Teil der Verfassung sein muss, wird klar, dass der Bundeskanzler damit auch ein Veto bezüglich der offiziellen Lehre der IGGiÖ bekommt.

Viel lässt sich über das neue Islamgesetz sagen, über diskriminierende Bestimmungen in der Seelsorge, über eine Vielzahl scheinbar neuer, in Wirklichkeit längst vorhandener, Rechte (Schutz der Amtsverschwiegenheit von Imamen, Versammlungs- und Lärmschutz an Feiertagen, Rechtsgrundlage fürs Schächten, u.a.) oder auch über das neu eingerichtete, völlig in staatlichen Händen liegende, theologische Studium an der Uni-Wien, an das die IGGiÖ aber in gewisser Hinsicht gebunden ist. Zusammenfassend gesagt schafft es die Grundlagen für eine vom Ausland isolierte, von der Regierung (eigentlich fast ausschließlich vom Bundeskanzler) zutiefst abhängige und beaufsichtigte islamische Staatskirche. Der Eindruck drängt sich auf, dass die IGGiÖ zu einem Kontrollinstrument über Muslime und ihr Oberhaupt zu einem postkolonialen Statthalter des Bundeskanzlers degradiert wird.

Dass es so weit überhaupt kommen konnte, ist nicht zuletzt dem Umstand zu „verdanken“, dass die Führung der IGGiÖ jahrelang hinter verschlossenen Türen, an ihren Organen und internen Prozeduren vorbei und bei offenkundiger Intransparenz gegenüber der muslimischen Öffentlichkeit, mit dem Staat über das Gesetz verhandelt hat. Sehr früh gab es Warnungen (insbesondere von Engin Karahan aus Deutschland), die schon vorausahnen ließen, in welche Richtung das vorbereitete Gesetz gehen würde. Dass sich trotz aller Intransparenz seit der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfes im Oktober 2014 dennoch eine derart intensive und kritische Debatte in Österreich (mit einem unüberhörbaren Echo im Ausland) und innerhalb der IGGiÖ über Grund- und Bürgerrechte, Partizipation und Transparenz entfalten konnte, lag nicht nur, aber primär, an einer selbstbewussten, deutschsprachigen, politisch wachsamen und manchmal auch provokanten muslimischen Jugend- und Studentenszene, fernab der großen, konservativen Verbände, mit denen sie nicht selten in offenkundigem Konflikt hinsichtlich des Auftretens gegenüber der Regierung stand.

Zwei diametral verschiedene Selbstbilder stießen aufeinander: Auf der einen Seite partizipierende und fordernde Bürger, die nicht bereit zu Kompromissen über ihre Grundrechte sind. Auf der anderen eine traditionelle Verbandselite, die sich ihrem Verhalten nach zu urteilen immer noch als Gast sah, der demütig, höflich und dankbar zu sein hat. Inmitten des Beginns absehbarer Umbrüche und damit verbundenen Sorgen der Muslime in Österreich, scheint sich daher auch ein Wandel im Selbstverständnis der muslimischen Zivilgesellschaft und eine Gelegenheit abzuzeichnen, sich nicht mehr bloß als Muslime oder gar als „Gäste“zu verstehen, sondern als mündige und selbstbewusste Bürger, die nicht um ihre Rechte bitten, sondern sie einfordern.

Gesetzesvorhaben des NRW-Landtages dürfte es muslimische Religionsgemeinschaften schwerer machen

(iz). Ein Gesetzesvorhaben in Nordrheinwestfalen (NRW) hat Muslime aufhorchen lassen. Die Landesregierung und alle im Landtag vertretenen Fraktionen planen, die Anerkennung von Religionsgemeinschaften zukünftig gesetzlich zu regeln. Neben dem Bekenntnis zur Verfassung sollen weitere zentrale Voraussetzungen detailliert geregelt werden.

Eine wichtig Voraussetzung wird etwa die Mitgliederzahl sein. Ein muslimischer Verband, der die Anerkennung als Religionsgemeinschaft erlangen will, muss demnach 17.500 Mitglieder vorweisen (mind. 1 Promille der NRW-Bevölkerung). Zudem muss die Gemeinschaft bereits seit mindestens 30 Jahren bestehen.

Auch bei einer Erfüllung dieser Voraussetzungen soll die Anerkennung keinesfalls garantiert sein. Denn der Landtag soll immer noch das Recht haben, eine Anerkennung als Körperschaft ausdrücklich „von seiner Zustimmung abhängig machen“, berichtete die Katholische Nachrichtenagentur (KNA).

Dieses Gesetzesvorhaben in dem Bundesland, in dem die meisten deutschen Muslime leben, ist ein Schlag ins Gesicht der im Koordinationsrat der Muslims (KRM) organisierten muslimischen Verbände. Denn schon seit Längerem liefen Verhandlungen zwischen den muslimischen Verbänden und der Landesregierung über eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Mit diesem Gesetzesvorhaben drohen diese Verhandlungen obsolet zu werden, denn keiner der großen Verbände dürfte ohne Weiteres die Voraussetzungen in diesem Gesetzesvorhaben erfüllen.

Es stellt sich natürlich auch die Frage, inwiefern die langjährigen Verhandlungen um die politische Anerkennung zu etwas Greifbarem geführt haben. Die Etablierung der Islamischen Theologie und der Islamische Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen wurden ja eben auch forciert, um diese politische Anerkennung voranzutreiben. Jetzt steht der organisierte Islam wieder vor einer Sackgasse.

Auffällig wurde in der letzten Zeit, dass insbesondere die DITIB – als größter Mitgliedsverband im KRM – systematisch eine einheitliche Linie torpediert, aber parallel dazu ihre Landesstrukturen entsprechend den gesetzlichen und politischen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft anpasst. Damit könnte sie in nicht allzulanger Zeit als erste und vielleicht sogar einzige muslimische Religionsgemeinschaft „anerkannt“ werden.

Im Grunde stellt sich für den Koordinationsrat die Sinnfrage. Genügt es wirklich nur, auf „Anerkennung“ zu setzen, aber gleichzeitig das eigentliche Projekt, die Muslime zu ihrem Wohl miteinander zu vernetzen, konsequent zu vernachlässigen? Am Ende könnte man so vor dem Staat und vor den Muslimen verlieren.

Universität Münster weist Kritik am Islam-Zentrum zurück

Münster (KNA). Die Universität Münster hat die Kritik der muslimischen Verbände an ihrem Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) zurückgewiesen. Es würden keine Fakten ohne Mitsprache des Koordinationsrates der Muslime (KRM) geschaffen, sagte Rektorin Ursula Nelles am Montag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Münster. Bislang seien keine mitwirkungsbedürftigen Entscheidungen gefällt worden, etwa die Ernennung eines Professors oder die Verabschiedung von Lehrinhalten.

Da die muslimischen Verbände im Gegensatz zu den Kirchen nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt sind, soll ein Beirat aus acht Personen über Curriculum und Personal entscheiden. Vier Personen ernennt die Universität im Einvernehmen mit dem Koordinationsrat; weitere vier schlägt der KRM selbst vor. Das Gremium hat bislang noch nicht seine Arbeit aufgenommen, obwohl der Lehrbetrieb seit 2012 läuft. Laut Nelles gab es gegen einen vom KRM vorgeschlagenen Kandidaten mit Nähe zum Islamrat Vorbehalte wegen der Verfassungstreue. „Deshalb konnte ich ihn nicht für den Beirat berufen.“ Andernfalls riskiere die Uni, dass der Bund seine Zuschüsse fürs Zentrum streicht.

Nach den Worten der Rektorin hat die Universität bislang keine einzige endgültig bindende Entscheidung getroffen. Die beiden Lehrstuhlvertreter, die neben dem ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide am Zentrum lehren und forschen, hätten nur auf ein Semester befristete Verträge. Zudem seien Lehrpläne nur semesterweise fortgeschrieben worden. Dabei habe die Hochschule eine vorläufige Genehmigung des nordrhein-westfälischen Schulministeriums eingeholt, das sich nach Einführung des islamischen Religionsunterrichtes in NRW auf einen eigenen Beirat stützen könne.

Die vier im KRM zusammengeschlossenen Verbände hatten kritisiert, dass sie entgegen den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht an der Auswahl von Dozenten und Lehrinhalten beteiligt seien. Zudem übten sie heftige Kritik an ZIT-Leiter Khorchide und kündigten ein Gutachten über seine Theologie an. Dazu betonte Nelles, die Verbände hätten der Berufung Khorchides selbst zugestimmt. Wenn sie nun inhaltliche Einwände gegen ihn hätten, mische sich die Universitätsleitung „grundsätzlich nicht ein“. Wie bei der christlichen Theologie sei die Universität auch bei der islamischen dazu verpflichtet, die Glaubensfreiheit der Religionsgemeinschaften zu respektieren. Wenn der Beirat sich konstituiert habe, könne er Khorchide abberufen.

Laut Nelles haben sich im laufenden Wintersemester 1.000 Bewerber für 260 Plätze am ZIT beworben, das Lehrer für den islamischen Religionsunterricht ausbildet. Ende des Monats besucht Bundespräsident Joachim Gauck die Universität.

Thesen: Ein Gastbeitrag von Dr. Ali Özgür Özdil, Hamburg

Als am 16.09.09 Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrats und Mitglied des Koordinierungsrates der Muslime (KRM) zum Iftar-Programm der Islamischen Hochschulgemeinde nach Hamburg eingeladen wurde und zum Thema „Sind wir […]

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