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Rheinland-Pfalz: Auf dem Weg zum Staatsvertrag

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Rheinland-Pfalz: Die Verhandlungen zwischen Landesregierung und muslimischen Verbänden haben begonnen. (iz)., Am 13. Juni gab die Schura Rheinland-Pfalz (ein Verband von Muslimen in dem südwestlichen Bundesland) über Facebook bekannt, dass […]

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Zehn Jahre Hamburger Staatsvertrag: Es bleibt noch einiges offen

Als Hamburg 2012 einen Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden abschloss, war das Bundesland Vorreiter. Aus Sicht von ExpertInnen war das ein wichtiger Schritt zu einer rechtlichen Integration des Islam in Deutschland. […]

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Riem Spielhaus zum Hamburger Staatsvertrag: „Ein bundesweiter Impuls“

(KNA). 2012 hat Hamburg als erstes Bundesland Verträge mit drei Islamverbänden und der Alevitischen Gemeinde geschlossen. Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten sollen sie nun einer Neubewertung unterzogen werden. Auf einem Fachtag am Mittwoch spricht unter anderem die Professorin für Islamwissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen, Riem Spielhaus. Sie forscht zur rechtlichen Anerkennung islamischer Verbände in Deutschland. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schildert sie ihren Blick auf die Hamburger Verträge und bewertet ihre bundesweite Wirkung. Von Michael Althaus

Frage: Frau Professorin Spielhaus, haben sich die Hamburger Verträge mit den islamischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde aus Ihrer Sicht bewährt?

Riem Spielhaus: Ich nehme aus Hamburg einerseits Zufriedenheit sowohl auf staatlicher als auch aufseiten der Religionsgemeinschaften wahr. Die Verträge treffen Regelungen zu Feiertagen, Religionsunterricht und Bestattung und decken damit aus meiner Sicht die wichtigsten Fragen ab. Der interreligiös getragene „Religionsunterricht für alle“ scheint in Hamburg gut zu laufen. Auch die Feiertagsregelung scheint zu funktionieren. Auf der anderen Seite gab und gibt es auf muslimischer Seite auch immer mal wieder Frustration.

Frage: Worüber?

Riem Spielhaus: Über einzelne, konkrete Punkte kann ich als außenstehende Beobachterin wenig sagen. So eine Frustration muss nicht immer einen konkreten Grund haben. Manche Erwartungen sind gar nicht zu erfüllen, sondern liegen zum Beispiel auf der Ebene von gesellschaftlichem Diskurs. Man möchte zum Beispiel wertgeschätzt werden.

Frage: Und die Frustrationen auf staatlicher Seite?

Riem Spielhaus: Die islamischen Religionsgemeinschaften sind in Deutschland noch nicht so organisiert wie die beiden großen Kirchen. Auch wenn es beispielsweise in Hamburg bereits Professionalisierungskurse für das Personal in islamischen Gemeinden gegeben hat, können sicher nicht immer alle Erwartungen auf staatlicher Seite erfüllt werden. Frustration gibt es darüber hinaus immer wieder auch bei der Frage, ob die islamischen Verbände auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Da gab es in Hamburg etwa Debatten um die Teilnahme einzelner Vertreter des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) am Al-Quds-Tag oder um die Abhängigkeit der Ditib vom türkischen Staat. Die wurden teils auch innerhalb der islamischen Verbände kontrovers geführt, setzen aber natürlich vor allem die staatliche Seite unter Rechtfertigungsdruck.

Frage: Dem IZH wird eine unmittelbare Abhängigkeit vom iranischen Regime vorgeworfen. Das Zentrum ist Mitglied im Dachverband Schura, einem von drei Partnern der Stadt bei dem Islamvertrag. Sollte die Schura trotzdem Vertragspartner bleiben?

Riem Spielhaus: Mit konkreten Empfehlungen möchte ich mich zurückhalten. Die entscheidende Frage ist, wie sich die Schura in dieser Situation verhält. Sie prüft derzeit, ob das IZH seine Mitgliedschaft ruhen lassen kann und hat ein Schiedsgericht eingesetzt. Die Einflussnahme aus dem Iran auf das IZH ist offensichtlich stärker geworden. Das wird auch innerhalb der Schura diskutiert und einzelne Mitgliedsverbände haben sich bereits vom IZH distanziert, weil sie sich nicht aus dem Ausland lenken lassen wollen. Es kann weder aus Sicht der Verbände noch aus Sicht des Senats Ziel sein, eine solche Konstellation einzugehen. Ähnliche Debatten gab es auch zur Türkei-nahen Ditib. Allerdings hat sich die Hamburger Ditib immer als besonders selbstständig hervorgetan gegen Versuche aus Ankara, sie zu lenken.

Frage: Befürworter des Vertrags argumentieren, man müsse ihn um des Dialogs willen beibehalten…

Riem Spielhaus: Einen Vertrag aufzulösen bedeutet ja nicht gleich, den Dialog aufzulösen. Ein Dialog wäre selbst mit einer Organisation, in der sich ausländische Kräfte engagieren, wichtig. Es kann durchaus interne Kräfte geben, die sich versuchen, davon freizumachen. Wir kennen das zum Beispiel von der katholischen Kirche genauso, dass es Organisationsstrukturen außerhalb von Deutschland gibt, sogar staatliche mit dem Vatikan. Auch hier kann es durchaus zu Problemen kommen. Aber darüber wird konstruktiv und transparent gesprochen. So könnte man sich das auch bei den islamischen Organisationen vorstellen.

Frage: Sind denn ansonsten aus Ihrer Sicht Änderungen an den Verträgen notwendig?

Riem Spielhaus: Das wird man im bevorstehenden Gesprächsprozess Punkt für Punkt klären müssen. Zudem wäre zu fragen, ob es weitere Bereiche gibt, für die man Vereinbarungen treffen möchte. Potenziale sehe ich bei der Jugendarbeit und der Wohlfahrtspflege. Hier könnte Hamburg bundesweit noch einmal neue Akzente setzen.

Frage: Als vor zehn Jahren die Verträge abgeschlossen wurden, wurde ihnen Vorbildcharakter für die ganze Republik zugesprochen. Gilt das immer noch?

Riem Spielhaus: Ja. Hamburg hat in der Tat einen Impuls gesetzt, der sehr stark über die Grenzen der Hansestadt hinaus wahrgenommen wurde. Nicht ganz ein Jahr später wurde ein ähnlicher Vertrag mit islamischen Verbänden und später auch mit der Alevitischen Gemeinde in Bremen geschlossen. In Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wurden Vertragsgespräche aufgenommen. In Niedersachsen ist der Prozess seit 2016 auf Eis gelegt. Rheinland-Pfalz hat 2019 einen Vertrag mit den Aleviten geschlossen. Mit den islamischen Verbänden wurden auch dort die Gespräche zwischenzeitlich gestoppt, inzwischen aber wieder aufgenommen.

Frage: Woran hapert es bei den Gesprächen, und warum tut sich in den anderen Bundesländern nichts?

Riem Spielhaus: Die Gespräche wurden vor allem wegen der Entwicklungen 2016 in der Türkei ausgesetzt. Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der dortigen Regierung und ihren Gegnern war eine erhöhte Einflussnahme der Türkei auf die Ditib-Verbände hierzulande festzustellen. Rheinland-Pfalz geht nun einen spannenden Weg, bei dem sich die Partner Zeit nehmen und sich Zielvorgaben setzen. Ich denke, jedes Bundesland muss seine eigene Geschwindigkeit finden und seine jeweiligen Strukturen berücksichtigen. In Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen ist die Zusammenarbeit wesentlich einfacher als in Flächenländern, weil die Akteure viel näher beieinander und besser vernetzt sind.

Frage: Wären auch andere Modelle der Zusammenarbeit als ein Staatsvertrag erstrebenswert?

Riem Spielhaus: Natürlich. In Berlin gibt es seit 2005 das Islamforum, ein Koordinierungsgremium zwischen staatlichen, islamischen und weiteren gesellschaftlichen Institutionen. Auch dort wurden verschiedene Regelungen getroffen, zum Beispiel zu Bestattungen, zu Feiertagen und zum Religionsunterricht.

Hansestädte haben die Nase vorn bei Verhandlungen mit Muslimen

Bremen/Köln (iz). Nach der Hansestadt Hamburg ist es wieder eine Hansestadt, die einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften unterzeichnet hat. In Bremen und Bremerhaven sind von nun an islamische Feiertage, die Besetzung einiger, öffentlich-rechtlicher Gremien, Bestattungsrituale oder der Bau von Moscheen vertraglich geregelt.

Mit diesem Staatsvertrag gehört der Islam nun auch zu Bremen. Zuvor hatte Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) den Islam in die Hansestadt „eingebürgert“.

Zu den Unterzeichnern des Bremer Staatsvertrags gehören neben der Schura Bremen auch der Landesverband der islamischen Religionsgemeinschaften Niedersachsen und Bremen (DİTİB), unter dem erfolgreichen Vorsitzenden Yılmaz Kılıç aus Melle und der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ). Alle Beteiligten, angefangen vom Bremer Senat über Kirchen, Moscheen und weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen bewerten den Staatsvertrag als einen „Meilenstein“ und wichtige Anerkennung der muslimischen Religionsgemeinschaften sowie ihrer langjährigen, ehrenamtlichen Arbeit.

Den islamischen Religionsgemeinschaften ist es nun gesetzlich erlaubt, Moscheen mit Kuppeln und Minarette zu bauen, sofern diese sich mit den geltenden Baugesetzen vertragen. Außerdem bekennen sich beide Seiten ausdrücklich zur Gleichstellung von Mann und Frau. Dass dieser Punkt in dem Vertragstext ausdrückliche Erwähnung findet, weist auf eine offene Wunde in der Einwanderergesellschaft hin: Noch immer gibt es in den oftmals patriarchalischen Familienstrukturen vieler Muslime, Araber und Türken Defizite bei der geschlechtlichen Gleichstellung.

Dies hat aber im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung in der Mehrheitsgesellschaft überhaupt keine Grundlage in der islamischen Religion. Patriarchalische Gesellschaftsstrukturen und geschlechtliche Diskriminierung haben vorislamische Zusammenhänge, die öffentlich auch klar benannt werden müssen. Kulturelle Eigenschaften mit pseudoreligiösen Merkmalen zu vermischen, bringt die Migrantencommunity nicht voran. Bei der Geschlechtergleichstellung müssen sich viele Muslime noch weiter anstrengen. Der kulturelle, soziale und wirtschaftliche Erfolg der muslimischen Frau sollte die Männer nicht irritieren.

In dem Bremer Vertragstext finden weiterhin Abkommen zu Bestattungen auf öffentlichen Friedhöfen, die Beteiligung in öffentlich-rechtlichen Institutionen, zum Beispiel in den Rundfunkräten sowie die Achtung islamischer Speisevorschriften für die Bremer Muslime Erwähnung. Des Weiteren können sich die Muslime an islamischen Feiertagen wie dem Ramadan-Ende und dem Opferfest unbezahlten Urlaub nehmen und die Kinder vom Schulunterricht befreien lassen. Muslimische Schüler bekommen grundsätzlich frei an den Feiertagen und müssen nicht, wie früher, um Erlaubnis bei der Schulleitung fragen.

Daneben müssen Betriebe ihrem Personal an diesen Tagen die Teilnahme an dem Gebet erlauben, falls seitens des Arbeitgebers keine ernstzunehmenden Gründe dagegen sprechen. Weitere wichtige Fragen, wie etwa der Schwimm- und Religionsunterricht oder die Speisevorschriften auf Klassenfahrten, finden in dem Staatsvertrag keine Erwähnung. Diese müssen aber ebenso schnell geklärt werden.

In dem Stadtstaat (Bremen und Bremerhaven) leben nach Schätzungen etwa 50.000 Muslime. Diese bekommen durch den Vertrag, zwar mehr Rechte, aber auch mehr Pflichten im Alltag. Dennoch bedeutet ein Staatsvertrag noch keinen Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Erst dadurch wäre es aber möglich, auf „gemeinsamer Augenhöhe“ zu diskutieren, wie so oft von Integrationsexperten gefordert wird. Erst durch einen Körperschaftsstatus können wichtige Mitspracherechte und nötige Finanzmittel für eine qualitativ wertvolle Arbeit beansprucht werden.

Sie müssen aber auch mehr Finanzmittel bekommen, um die ehrenamtlichen Tätigkeiten zu professionalisieren und geeignete sowie dringend benötigte Fachkräfte einzustellen. Bei der Finanzmittelvergabe und der zukünftigen Einstellungspraxis des Landes Bremen wird sich herausstellen, ob sich Wohlfahrtsverbände, Kirchen und andere öffentlich-rechtliche und zivile Organisationen wirklich über diesen Staatsvertrag freuen und es ernst meinen oder ob dies nur Politik mit Symbolcharakter ist.

Man muss sich nichts vormachen: Es geht hier auch um die Verteilung von knappen Ressourcen. Wo Geld und Macht geteilt werden, muss jeder zu Kompromissen bereit sein. Mit der Anerkennung der islamischen Religionsgemeinschaften und der Unterzeichnung des Staatsvertrags kommt ein weiterer „Akteur“ hinzu, den die etablierten Kräfte als Konkurrenz ansehen könnten.

Es bleibt zu hoffen, dass die neue Situation zu neuen Kooperationen und gegenseitigem Nutzen führen wird; ein Nutzen für die gesamte Gesellschaft. Eine „win-win-Situation“ gewissermaßen, in der alle Seiten profitieren und keiner verliert.

Zum Autor:
Yasin Bas ist Politologe, Historiker, Autor und freier Journalist. Zuletzt erschienen seine Bücher: „Islam in Deutschland – Deutscher Islam?“ sowie „nach-richten: Muslime in den Medien“.

Interview mit Avni Altiner, dem Vorsitzenden der Schura Niedersachsen e.V.

(iz). Muslimische Themen werden bei uns gerne und oft auf abstrakter und konfliktreicher Ebene abgehandelt. Hier herrschen Allgemeinplätze, Vereinfachungen und Schlagworte. ­Schauen wir genauer hin, dann sind Nuan­cen und Schattierungen erkenntlich. Je lokaler der Blick wird, desto schwerer wird ein simples Weltbild.

Wie agieren aktive Muslime abseits der Bundespolitik im Bereich der Länder? Was sind ihre Themen, Probleme und Wünsche? Diese und noch mehr Fragen stellten wir dem neuge­wählten Vorsitzenden der Schura Niedersachsen e.V., Avni Altiner. Sie ist als bunte Interessenvertretung von Muslimen auf Landesebene ein Beispiel dafür, wie sich innermuslimische Kooperation und ergebnisorien­tiertes Arbeiten realisieren lassen.

Islamische Zeitung: Lieber Herr Altiner, Sie sind als Vorsitzender der Schura Niedersachsen bestätigt worden. Was sind die Aufgaben ­Ihres Verbandes?

Avni Altiner: Die Schura Niedersachsen e.V. ist ein multi-ethnischer und übergreifender Landesverband von ca. 90 Moscheegemeinden, landesweit sind fast alle Moscheegemeinden in der Schura organisiert; weitere ca. 76 Moscheen im Landesverband der DITIB.

Wir sind Partner des Landes beim isla­mischen Religionsunterricht oder in den zur Zeit laufenden Verhandlungen über einen Staatsvertrag. Als einziges Bundesland in Deutschland wird in Niedersachsen ab kommendem Schuljahr islamischer Religionsunterricht nach den Vorgaben des ­Grundgesetzes angeboten. Damit ist die Schura Niedersachsen e.V. eine anerkannte Religionsgemeinschaft; wie in Hamburg und Bremen.

Islamische Zeitung: Normalerweise wird Niedersachsen nicht oft mit Fragen des Islam und der muslimischen Community in Verbindung gebracht. Was sind Ihre wichtigsten Themen?

Avni Altiner: Die Schura Niedersachsen e.V. hat die Devise: „Erst Leistung erbringen, dann darüber zu reden – auch in den Medien.“ Deshalb sind wir in der Medienlandschaft nicht so präsent wie Verbände, die auf Bundesebene dominieren.

Wichtige Fragen sind für uns die unmittelbare Beteiligung beim islamischen Religionsunterricht mit Lehrbefugnisentscheidung (Idschaza) und ebenso bei der Ausgestaltung des Islamisch-theolo­gischen Instituts an der Universität Osnabrück. Weiterhin positioniert sich die Schura Niedersachsen e.V. in politischer Hinsicht als ein Islam der Mitte, der sich damit deutlich von randständi­gen Strömungen (etwa Salafisten) abgrenzt und damit für eine breite politische Stabilität innerhalb des deutschen Verfassungs- und Gesellschaftsrahmen garantiert.

Islamische Zeitung: Mehrheitlich stehen die Bundesverbände im Blickpunkt des Interesses, und nur selten diejenigen auf Landesebene…

Avni Altiner: Die Arbeit wird ganz überwiegend nur auf Landesebene gemacht; dorthin hat die deutsche Verfas­sung die Kompetenz in Religionsangelegenheiten verwiesen. Die Schura Niedersachsen e.V. beherzigt dies. Unsere Ansprechpartner sind die Landesministerien, Gewerkschaften, Kirchen, Sozial­verbände und regionale Medien. Mit all diesen haben wir ein positives und konstruktives Auskommen. Unsere Arbeits­schwerpunkte sind Partizipation an der politischen Gestaltung des Landes, besonders auch im Hinblick auf die Belan­ge der Muslime. All dies fließt letztlich in das Verhandlungsbündel für einen Staatsvertrag zusammen.

Islamische Zeitung: Die Schura steht einerseits in Verhandlungen mit der Landesregierung, andererseits nimmt diese – durch verdachtsunab­hän­gige Moscheekontrollen und das Sicherheitsprogramm – eine konfron­tative Haltung gegenüber Muslimen ein. Wie gehen Sie damit um?

Avni Altiner: Für uns gibt es kein Schwarz-Weiß-Denken. Gerade mit dem Ministerpräsidenten (früher Wulf, heute McAllister), dem Kultus-, dem Wissenschafts- und dem Justizministerium haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Wir gehen davon aus, dass sich der Konflikt, der sich aus dem irritierenden Agieren des Innenministers ergab, mit der Landtagswahl im Januar 2013 auflösen wird, unabhängig von der ­Parteikonstellation.

Islamische Zeitung: Ihr Verband ist auchan der Ausbildung muslimischer Religionslehrer und Imame beteiligt. Wie bewerten Sie den momentanen Entwicklungsstand des Projekts?

Avni Altiner: In Osnabrück ist nicht nur das – nach der Dozentenzahl – größte islamisch-theologische sowie religions­pädagogische Institut entstanden; dank einer vernünftigen Politik des Wissenschaftsministeriums ist auch die von der Verfassung gebotene Einbindung der Muslime in Gestalt eines politikunabhängigen Beirates im bundesweiten Blick am besten gelöst. Auch hier zeigt sich, dass das Institut den Weg eines Islam der Mitte geht, hier also die Gläubigen im Land im Blick hat.

Zügig muss nun in Osnabrück der Be­darf an ca. 200 Lehrkräften für den konfessionellen islamischen Religionsunterricht bereitgestellt werden, denn das Land hat dessen Einführung zum Schuljahrsbeginn 2013/2014 zugesichert. Ebenso brauchen wir in Deutschland ausgebildete, sprachfähige Theolo­gen, die selbst von der Basis kommen, praktizierend sind und „Stallgeruch“ haben. Nur diese werden von den gläubigen Muslimen in Deutschland ernstge­nommen werden; nicht jene, die sich als große Reformtheologen der Mehrheitsgesellschaft in den Medien dauernd anbiedern.

Islamische Zeitung: Die Entwicklung einer „Islamischen Theologie“ hat bei Muslimen zu gemischten Reaktionen geführt. Einerseits hoffen viele auf eine Heimischwerdung der muslimischen Lehrer, andererseits befürchten Stimmen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft, dass es zu einer Einflussnahme auf die Unabhängigkeit der Lehre kommen könnte…

Avni Altiner: Genau diese Sorgen teilen wir! Aber mit den Antworten auf die Fragen zuvor habe ich den hier eingeschlagenen Weg beschrieben. Dass ­unser Weg der Kooperation mit der Uni und dem in dieses und seine Mannschaft eingebrachten Vertrauens der richtige ist: das wird von den Mitgliedern beider Landesverbände – Ditib und Schura – so begrüßt.

Uns ist aber auch klar – und da wollen wir gemeinsam hin –, dass die Lehre und mehr noch die Forschung in Osnabrück uns als Muslime in Deutschland und Europa begreift. Dies ist der Rahmen, in dem islamisches Recht, Geschichtsverständnis und Gesellschaftsordnung zu verorten sind; und zwar mit Blick auf eine lange Zukunft, eine Zukunft, der eine Vision muslimi­scher Gemeinschaft zugrunde liegt und die sich im Deutschland und Niedersachsen etwa der 2030er Jahre eingerich­tet hat. In Osnabrück ist ein richtiger Beirat mit Basisbindung entstanden, hier hat man keinen Beirat, der wie anderswo künstlich „gebastelt“ wurde, um lediglich die Form zu wahren. Das Inte­ressante ist natürlich, dass die ­Muslime diese Entwicklung sehr genau beobach­ten, und auch die Studierendenzahlen sprechen eine klare Sprache, wenn etwa manche Standorte mehr Dozenten als Studierende haben.

Islamische Zeitung: Aber am Doppelstandort Münster und Osnabrück wird doch auch eine kuriose „Barmherzigkeitstheologie“ gepflegt und die Schura Niedersachsen ist im Beirat?

Avni Altiner: Nein, Sie müssen da unterscheiden zwischen Herrn Khorchides persönlichen Überzeugungen in Münster und dem Kollegium in Osnabrück. Wir sind nur für Osnabrück zuständig. Soweit ich informiert bin, orien­tieren sich die Osnabrücker an einer Theologie der Mitte. Diese so ­genannte „Barmherzigkeitsheologie“ von Herrn Khorchide ist tatsächlich meilenweit von der Basis entfernt. Jeder in der muslimi­schen Community weiß, dass er damit die Residenzgesellschaft bedient. Klar ist und bleibt: Diese Thesen mögen auf Kirchentagen und in der deutschen Öffentlichkeit bejubelt werden, sie haben jedoch keinerlei Rückkoppelung in den Moscheegemeinden. Im Grunde genommen ist das nichts anderes als eine einseitige und selektive Lesart der islami­schen Quellen. Das Gewünschte wird in die Quellen hinein projiziert. Entweder tut er dies bewusst oder unwissentlich, suchen Sie sich die bessere Alternative aus. Mich würde im Übrigen interessieren, wie der Koordinationsrat (KRM) sich hierzu positioniert.

Islamische Zeitung: Seit Jahren besteht der KRM. Wie viel von seinen Aktivitäten kommt bei Ihnen vor Ort an und fühlen Sie sich ausreichend koordiniert?

Avni Altiner: Zwar gehören die in der Schura Niedersachsen e.V. durch ihre Ortsmoscheevereine vertretenen Verbände IGMG und VIKZ zu den KRM-Partnern. Doch ist keiner der bundesweiten Landesverbände Gründungsmitglied oder Partner des KRM. Der KRM ist aufgrund seiner Struktur – selbst eine Satzung fehlt bislang – nicht Religionsgemeinschaft im Sinne der Verfassung. Unsere Aufgabe ist es, die Mus­lime im Hinblick auf den islamischen Religionsunterricht und umfassend in Vereinbarungen mit dem Land zu vertreten. Wir wünschen uns im Interesse der Muslime, dass sich der KRM in Nordrhein-Westfalen zu einer richtigen Religionsgemeinschaft nach der Losung „Vielfalt in Einheit mit denselben Rechten und Kompetenzen“ weiter­entwickelt – wie hier in Niedersachsen.

Islamische Zeitung: Sind Sie der Ansicht, dass die bisherige Organisationsstruktur der Muslime ihre ­zukünftigen Aufgaben gerecht wird? Immerhin besteht die ethnische Separation in der Community auch ­weiterhin…

Avni Altiner: Sabr [Geduld], Aufklärung und erfolgreiches Vorbild sind hier die Devise. In den beiden Hafenstädten Hamburg und Bremen haben die Schura Hamburg und die Schura Bremen einen Staatsvertrag ausgehandelt. Die Schura Niedersachsen befindet sich – in guter Kooperation mit dem DITIB-Landesverband – gerade in diesem Prozess. Über ethnische ­Separation macht sich Gedanken, wer zurückblickt. Auch hier gibt es sehr positive Entwicklungen in der Zusammenarbeit.

Islamische Zeitung: Was erhoffen Sie sich für die nächsten Jahre?

Avni Altiner: (…) dass sich aus Islamophobie und Diskriminierung ein sympathisches Miteinander der Religionsgemeinschaften in Niedersachsen, Deutschland und Europa entwickelt. Allen Muslimen hier muss vollkommen klar sein, dass der Schlüssel dazu in ­ihren eigenen Händen liegt: Wer zurück schaut, wer auf den Staat wartet, wer sich seine Befehle und Fatwas in der Ferne abholt, wer sich nicht in demokrati­sche Strukturen einfügen kann, wer sich der Partizipation in den zivilgesellschaftlichen Einrichtungen verweigert, wer den Bildungs­aufstieg verschläft, wer nicht durch ­Taten ein gutes Vorbild liefert und zeigt, dass der Islam auch ­dieser Gesellschaft etwas Positives zu bieten hat, der und die verwehrt nicht nur sich selbst eine gedeihliche Zukunft sondern versündigt sich am Auftrag des Islam, unseres geliebten Propheten und der Umma. Die Islamische Zeitung ist uns da stets eine gute Plattform, der wir ein langes, erfolgreiches Leben wünschen. Denn wir sollen einen urdeutschen Satz beherzigen, der da heißt: „Ohne Fleiß kein Preis“

Islamische Zeitung: Lieber Avni Altiner, Danke für das Gespräch.