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Populismus – das angebliche Volk

(iz). Die Demokratie scheint vor unseren Augen zu zerfallen. Egal wo, überall steigen Autokraten auf – wie in Ungarn und Polen, Bolsanaro in Brasilien. Nicht zu schweigen von den üblichen Verdächtigen wie Putin. Im Westen sehen wir den nationalen Populismus eines Trump und den Ablauf des britischen Dramas als Konsequenz des Brexits.

Wer profitiert, wenn nationale Populisten die Kontrolle übernehmen? Nicht die Menschen. Wir sehen eine kleine Gruppe an der Spitze, die mehr und mehr Kapital auf eine Art und Weise besitzt, die nicht mehr haltbar ist. Das führt zu wütenden Reaktionen von jenen am unteren Ende, die im Wesentlichen entrechtet sind.

„Demokratie“ wird von diesen Demagogen heute mit dem populistischen Willen gleichgesetzt oder dem, was verschiedene Quellen als den „demokratischen Willen des Volkes“ bezeichnen. Damit kann beinahe alles gerechtfertigt werden. Sie tun dies auf eine Art und Weise, die absolut nichts mit Logik zu tun hat und alles mit einer entfesselten Wut auf der Suche nach einem Ventil.

In Ungarn vertritt Ministerpräsident Orbán etwas, was er „illiberale Demokratie“ nennt. Der Begriff wurde 1997 von Fareed Zakaria geprägt und steht in Verbindung zum nationalen Populismus. Seinerseits stellt er die Frage, was Demokratie eigentlich ist. In der jüngeren Vergangenheit drehte sich die zentrale politische Frage in der „Demokratie“ wirklich über die Höhe der Steuern, Staatsausgaben und wer davon profitieren wird. Im Populismus wird nur wenig darüber gesprochen. Es geht mehr darum, Wut gegen gefühlte Ungerechtigkeit zu kanalisieren.

Ihre Funktion besteht in der Bestätigung von Herrschaft durch Wahlen. Im Westen bedeutet sie üblicherweise „liberale Demokratie“. Das „liberal“ bezieht sich auf die historische Bewegung, in der sie entstand. Im Wesentlichen ist sie Verpflichtung zur Verfassung, zum Rechtsstaat, zu persönlichen und Minderheitsrechten sowie zu freien Medien.

Was gehört zum neuen Populismus? Nationale Einheit vor ethnischem oder politischem Pluralismus, Kontrolle über Einrichtungen des Rechts und der Bildung sowie der Verlust der Autonomie von Medien. Kaczynski in Polen macht da das Gleiche wie Orbán in Ungarn. Abhängig von der Definition von „demos“ kann „Demokratie“ zur Rechtfertigung von beinahe allem genutzt werden. All das macht natürlich Feinde nötig, gegen die man sich vorgeblich verteidigt. Dies sind für Orbán George Soros und Einwanderer. Für Trump sind es Fake-News und Einwanderer

„Der Volkswille“ ist ein Mythos. Ihm fehlt der Zusammenhang, denn es gibt bei den meisten Dingen mehr als zwei Möglichkeiten. Üblicherweise wird er benutzt, um Widerspruch verstummen zu lassen. Er ist eine Phrase ohne Substanz. Wie wir sehen können, ist die heutige Form der Demokratie angeschlagen. John Stuart Mill sagte: „Wenn die Gesellschaft selbst der Tyrann ist – die kollektiv über den einzelnen Individuen steht, aus denen sie gemacht ist –, übt sie eine schrecklichere soziale Tyrannei als viele Arten politischer Unterdrückung aus, da sie weniger Fluchtwege lässt und tiefer in die Einzelheiten des Lebens eindringt und die Seele selbst versklavt.“

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Hass auf Muslime ist Realität

(iz). Der jüngste Terroranschlag gegen eine Synagoge im anhaltinischen Halle machte deutlich, dass sich die Vorurteile von rechtsextremen Antisemiten in Deutschland häufig auch auf andere Minderheiten wie Muslime erstrecken. So […]

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Von der zeitlosen Sprache der Klänge

(iz). Nicht umsonst verorteten frühere Völker den Ursprung ihrer Musik (und anderer Künste) in den himmlischen Sphären und in eine „Zeit vor der Zeit“; sie schien irgendwie immer da gewesen […]

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Weiß, muslimisch & britisch

(azthebaz.wordpress.com). Wenn jemand im alltäglichen Gespräch oder in den Medien die Worte „Muslim“ oder gar „britischer Muslim“ benutzt, dann werden bestimmte Bilder erzeugt. Typischerweise handelt es sich um pakis­tanischstämmige Männer […]

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Die Stadt, die nie schläft

(iz). Eine qualmende Hitze erfasst uns, begleitet vom beißenden Benzingeruch und dem unaufhörlichen Hupen unzähliger Autos, während wir durch die automatischen Ausgangstüren des Flughafens durchgehen. Doch dieses Mal kam es anders. Ein moderner, stiller aber glänzender Flughafen begrüßt uns im Namen der Metropole, die schon seit Jahrhunderten Menschen verzaubert. Zügig geht es mit einem Taxi Richtung Innenstadt, ganz gleich wo wir hinschauen, erblicken wir lebhafte Menschenmengen, die fleißig arbeiten, umherschauen und einkaufen.

Nach dem einchecken im Hotel begeben wir uns zur prachtvollen Sultan-Ahmet Moschee, die schon von vielen Touristen umzingelt zu sein scheint, doch der Anblick täuscht. Der Riesenkomplex beherbergt mit Leichtigkeit tausende Besucher und hinterlässt ein Gefühl von Ehrfurcht und Glückseligkeit. Die meisterlich Kuppelbauten, künstlerische Kalligraphien und lichtdurchflutete Marmorfresken erscheinen schon fast surreal, so dass wir an manchen Momenten mehrfach hinschauen müssen, um zu realisieren, dass wir wirklich hier sind.

Bevor wir das Schauspiel verdauen können, wenden wir uns und erblicken die ebenfalls prachtvolle Hagia-Sophia Moschee, welche heute als Museum zugänglich ist. Das byzantinisch-osmanische Meisterwerk entzückt mit seiner anmutenden Innenarchitektur, lässt uns kurz innehalten und über die vergangenen Jahrhunderte hindurch gleiten.

Nach einer kurzen Erfrischung schlendern wir durch die chaotische Innenstadt, quetschen uns durch enge aber nostalgisch-authentische Gassen und landen am Hof der Fatih-Moschee. Eine Brise erfasst uns, aus den sorgfältig angelegten Gartenanlagen duftet es nach Rosen. Die Moschee erscheint wie ein schönes Gemälde, der Ezan wird gerade ausgerufen und wir eilen zur Gebetswaschung.

Am Hof findet zugleich eine Hochzeits- als auch eine Trauerfeier statt, sinnbildlich für den Werdegang und die Vielschichtigkeit des Lebens.

Wir wollen den Bosporus überqueren und nehmen die Fähre. Zwischen den kreischenden Möwen am Kai tutet sie mehrmals laut, während sie abfährt und wir uns Richtung Oberdeck bewegen und krampfhaft einen schönen Platz zu ergattern versuchen. Für wenig Geld genießt man hier vom Meer aus die Silhouette der Stadt: Zahlreiche Moscheen, der Galata-Turm und der Topkapi-Palast strahlen im gleißenden Sonnenlicht. Mithilfe der Fähre, die uns von Europa nach Asien schifft, erreichen wir Üsküdar, einen der ältesten Stadtteile Istanbuls. Er pulsiert und verführt uns mit seiner traditionell-modernen Stadtteilsymbiose.

Nach einer kurzen Wanderung am Ufer Richtung Leanderturm, die von zahlreichen Legenden und Sagen umrankt ist, nehmen wir ein Taxi und fahren zur neu erbauten großen Çamlıca-Moschee. Vom Riesenkomplex aus ist die ganze Stadt zu sehen. Als wir in die Moschee hineingehen, begrüßen uns nebst Gebetsruf der wunderschöne Teppich mit Ornamenten, die ins unendliche zu verlaufen scheinen. Türkisbeige Farbtöne dominieren, versinnbildlichen innerliche Ruhe, durch farbenfrohe Fenster erscheinen religiöse Mosaiken und neuzeitliche Meisterkalligrafen und Maler  haben – wie meine Augen bezeugen – ihr bestes gegeben, um der jahrhundertealten Tradition gerecht zu werden. Hingucker sind die drei großen Fenstermosaiken, die im Winde verwehende Wolken darstellen und die vielen Säulen, die nach arabisch-andalusischer Tradition erbaut sind. Die hervorragendste Aussicht bietet sich vom Hauptausgang! Er vermittelt das Gefühl des Herabblickens aus einem himmlischen Palast, da sich die Moschee auf einem der höchsten Plattformen Istanbuls befindet.

Am Ende des ersten Tages sind wir erschöpft, aber glücklich, die Stadt teilweise entdeckt zu haben. Ruhe finden wir abends in einem der vielen Cafés in trendigen Vierteln, wir steigen mühsam den Hügel hinauf zum Süleymaniye-Komplex, eine der schönsten und geheimnisvollsten Moscheen, um dahinter in einem der Cafés Platz zu nehmen. Wir sitzen nur einen Meter vor dem Abhang, der einen fantastischen Ausblick zur Abendsilhouette bietet und staunen lange Zeit über die Erhabenheit und Schönheit dieser Stadt, die nie zu schlafen scheint.

Als der nächste Tag anbricht, fahren wir nach einem köstlichen Frühstück Richtung Levent, einem modernen und gehobenen Stadtteil mit Skyline. Mit einem Aufzug inmitten einer luxuriösen Einkaufspassage steigen wir auf bis an die Spitze und zur Aussichtsplattform des höchsten Gebäudes. Der 360 Grad Panoramablick ermöglicht uns eine Vogelperspektive über Istanbul und wir staunen schwer, wie weit die Stadt eigentlich reicht. Wo wir schonmal hier sind, darf ein Besuch in einem berühmten Steakhouse natürlich nicht fehlen. Es gleicht einem Schauspiel, wie der Steakmaster sein Kunstwerk aus Fleisch mit einer Prise erlesenem Salz verarbeitet und serviert. Ganz zu schweigen von der dekorativ präsentierten Ofenkartoffel, die er kurzerhand mit zerlassener Butter zu Kartoffelpüree stampft und diese als Garnitur zum Fleisch bietet. Nicht nur die Show, sondern auch das Zergehen der Köstlichkeiten auf der Zunge ist ein unvergessliches Erlebnis.

Bei einem Spaziergang, um die Köstlichkeiten zu verdauen, begegnen wir am Ufer des Bosporus die alte Festungsanlage, die auf die gegenüberliegende Befestigungsanlage blickt, verbunden durch die Fatih Sultan Mehmet Brücke. Dieser Anblick ermöglicht uns die Vorstellung vom Beginn der Eroberung Konstantinopels. Sultan Fatih hatte die Anlagen nämlich vor der Belagerung der Stadt errichtet, um die vom schwarzen Meer einfahrenden Kriegs-und vor allem Handelsschiffe abzufangen, um dem Bosporus und somit die enorm wichtige Handelsroute zu kontrollieren.

Wir spazieren weiter südlich am Ufer entlang nach Besiktas, dem Ort, an dem es der Sultan während der Belagerung tatsächlich bewerkstelligte   jegliche Vorstellungskraft zu sprengen, indem er mit seiner Flotte übers Land ins goldene Horn einzog, um den undurchdringlichen Eisentau der Byzantiner zu umgehen und letztendlich die Stadt zu übernehmen. Bevor er dies tat, sagte er: „Um die Grenzen der Möglichkeit zu erkennen, muss das Unmöglich versucht werden.“

Inmitten des Stadtteiles erhebt sich ein alter, märchenhafter Turm, der wie ein Wächter seine Bewohner hütet. Der vormalige Beobachtungsturm der Feuerwehr, heute eine Aussichtsplattform, gehört zu den schönsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Im siebzehnten Jahrhundert absolvierte der Luftfahrtpioner Hazerfen Ahmed Çelebi von hier aus einen Gleitflug über den Bosporus nach Üsküdar mit selbstgebauten Flügeln.

So wandern wir von Stadtteil zu Stadtteil und ringen uns nach Eyüp – einem nostalgisch und spirituell aufgeladenem Ort – benannt nach einem Prophetengefährten, der hier begraben liegt. Eine vielfältige und lautstarke Menschenmenge durchzieht das Gelände, indessen Zentrum sich ein Brunnen mit Wasserspielen und natürlich die alte Moschee inklusive Mausoleum befinden. Der hintere Teil der Moschee erstreckt sich zu einem großflächigen Friedhof, der bedeutende Persönlichkeiten beherbergt. Und so machen wir uns motiviert auf den Weg, die wichtigsten Grabmäler der Stadt aufzusuchen, um unsere Spiritualität aufzuladen und bei Allah Vergebung um Ihretwillen zu ersuchen. Dabei zählen die sogenannten Wächter des Bosporus, Aziz Mahmud Hüdai, Yahya Efendi und der Prophet Yuscha als wichtige spirituelle Stätten.

Die Nacht bricht ein und wir sitzen am Kai von Eminönü, gewappnet mit Tee und Zuckermais, lassen die belichtete und immer noch pulsierende Stadt auf uns einwirken und betrachten zahlreiche Nachtangler auf der Galatabrücke, wie sie geduldig versuchen, ihrem Hobby nachzugehen.

Unser dritter und leider letzter Tag in Istanbul bahnt sich an. Wir nehmen früh die Fähre zu den sog. Prinzeninseln. Ein heiteres Gedrängel erwartet uns in der Wartehalle – Touristen drängeln sich, um schöne Plätze auf dem Deck zu ergattern und fangen wild an, Fotos und Selfies zu schießen. Wir sehen Schulgruppen mit überforderten Lehrkräften sowie Familien mit Kinderwagen, alle gespannt darauf, einen schönen erholsamen Ausflug in geruhsamer Umgebung zu genießen. Auf der größten Insel angekommen, spazieren wir eine Weile durch die im Waldgebiet liegenden schönen Holzhäuser, umringt mit Geschäften, Souvenirläden und Restaurants, bevor wir auf eine nostalgische Pferdekutsche steigen und uns über die Insel kutschieren lassen.

Anschließend machen wir uns auf den Weg zum alten Kloster auf dem Gipfel der Insel, lassen die Aussicht auf uns wirken und fahren am Nachmittag mit der selben Fähre wieder zurück zur Anlegestelle in Eminönü. Dort ergattern wir ein traditionelles Fischbrötchen inklusive Einlegegurken zur Stärkung und wollen noch vor dem Schließen den prachtvollen Dolmabahçe Palast aus dem neunzehnten Jahrhundert erkunden. Durch den mehrstündigen Aufenthalt erkunden wir den Komplex mit pompöser Gartenanlage und Uhrturm. Eine junge Reiseführerin führt uns durch die Innenräume, überall wertvolles und aufwendig bearbeitetes Kiefernholz-Mobiliar auf handgefertigte Orientteppiche für Staatsempfänge, Besucher, Arbeits-, Wohn- und Verwaltungsräume auf Stockwerken, die nur durch königliches Treppengeländer übertrumpft werden können. Hier hat zuletzt der spätere Staatsgründer Atatürk bis zu seinem Tode residiert, in seinem Sterbezimmer befindet sich heutzutage immer noch die Uhr, die man um 09.05 Uhr anhielt, als er dort starb.

Unsere letzte Station ist der große Bazar, ein komplexes Geflecht malerischer Ladengassen, geführt von flinken lauten Besitzern, welche die verschiedensten Waren an den Mann bringen wollen und deshalb um die Wette schreien, ähnlich wie auf deutschen Märkten. Das Funkeln der Juwelen, die Pracht der Seide und der fein gewebten persischen Teppiche ziehen uns magisch an und wir gleiten durch Raum und Zeit.

Mit Tränen in den Augen verabschieden wir uns vom Trubel, versuchen auf dem Rückweg zum Flughafen alles Revue passieren zu lassen, während der Taxifahrer die Fahrt mittels Smalltalk angenehmer machen möchte.

In Deutschland angekommen, freuen wir uns, von Beamten und Menschen sprachlich verstanden zu werden und sind dankbar für die angenehme Stille und die strengere Ordnung, die hier herrscht.

Auf dem Weg nach Hause lächeln wir zufrieden, solch eine anstrengende aber wunderschöne Kurzreise nach Istanbul angetreten zu haben. Wir hoffen auf zahlreiche Reisen, so schön wie diese.

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Wie werden wir belastbarer?

(Fiqh of Social Media). Durchhaltevermögen und die Überwindung von Schwierigkeiten zur Erreichung ­höherer Ziele sind beeindruckend. Gut gemacht. Niemand wird widersprechen, dass Widerstandsfähigkeit eine wichtige Charaktereigenschaft ist. Mir geht es um eine kritische Analyse, ob das, was die Selbsthilfebranche so aggressiv anpreist, ihr Versprechen hält und wie wir es aus islamischer Perspektive verstehen können. Mir geht es um viel mehr als nur Entschlossenheit. Es geht darum, die säkulare Perspektive (in meinem Fall eine amerikanische) der islamischen gegenüberzustellen.

Der Reiz von Entschlossenheit der Lebensratgeber ist, dass sie als Allheilmittel gilt. Sie offeriert Optimismus. Wer diese Sache meistern kann, werde das Mittel zum Erfolg erschließen. Stoße ich auf ein Hindernis, kann ich meiner Ursache des Scheiterns die Schuld geben – einem Mangel an Beherztheit. Entschlossenheit umfasst verschiedene Klischees der Motivationsbranche: sich damit zufrieden zu geben, unerfüllt zu sein. Die Jagd genauso wie die Beute zu lieben. Oder dass das Sich-Verlieben und verliebt bleiben Entschlossenheit sei. Es ist der Glaube an den Erfolg, der sich einstellt, wenn man nur lange und hart genug arbeitet. Kurz gesagt, es ist das einzelne Wort für den amerikanischen Traum.

In der Selbsthilfe-Literatur findet sich das Leitmotiv der Kontrolle dessen, was sich im eigenen Rahmen bewegt, und dem Loslassen des Restes. Im Allgemeinen würden wir dem von muslimischer Warte zustimmen. Wir konzentrieren unser Handeln auf unseren Verantwortungsbereich und vertrauen auf Allah bei dem, was wir nicht kontrollieren können.

Menschen beizubringen, dass sie jede Situation überwinden können, wenn sie nur hart genug arbeiteten, ist nicht nur unrealistisch, sondern zeugt auch von mangelndem Mitgefühl. „Die Vorstellung, ein armes Kind könne Hunger, das Fehlen an medizinischer Vorsorge, Obdachlosigkeit und Trauma durch ernsthafte Anstrengung und Durchsetzungsvermögen überwinden, war immer dumm und herzlos. Genau das, was man von Mr. Scrooge oder den Koch Brüdern zu hören erwartet“, schreibt Diane Ravitch. Der Fokus auf die individuellen Eigenschaften Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen verschiebt die Aufmerksamkeit weg von strukturellen oder systemischen Fragen, die Fähigkeit der Person beeinflussen. Persönliche Eigenschaften seien demnach wandelbar, ­während strukturelle Ungleichheiten als „fest“ angesehen werden.

Der individuelle Fokus ist genau das, was etwas wie dieses Konzept zu einem beliebten Kandidaten der Selbsthilfe-­Literatur macht. Schulen und Unternehmen treiben es voran, weil es sich auf den Einzelnen anstatt auf die Realität der Umstände konzentriert. Es gibt eine Menge kognitiver Dissonanzen, wenn ein Unternehmen Mitarbeiter aufruft, sich auf die Entwicklung solcher Eigenschaften zu konzentrieren, ohne dabei destruktive Beschäftigungspraktiken zu berücksichtigen, die den Umsatz steigern und die Mitarbeiter physisch wie emotional beschädigen.

Valerie Strauss schreibt in der „Washington Post“, dass dieser Diskurs von Eltern der Mittel- und Oberklasse ange­trieben werde. Sie wollten, dass ihre verwöhnten Kinder die Tugenden des Kampfes gegen Beschwerlichkeiten zu schätzen wissen. Unglücklicherweise bedeute diese Konzentration auf die charakterliche ­Erziehung, dass arme Schüler litten, denn es werde weniger Geld ausgegeben, um diesen die nötigen Fähigkeiten für Erfolg zu vermitteln. Sisyphus habe jede Menge Entschlossenheit gehabt, schreibt sie. Das habe ihm aber auch nicht weiter geholfen.

Als Muslime sind wir dazu angehalten, sowohl das Individuum als auch das System zu adressieren. Eigenschaften wie Entschlossenheit oder verzögerte ­Befriedigung sind nichts Schlechtes. Sie sind aber fehl am Platze, wenn das weitere Bild nicht mit einbezogen wird. Im Islam beispielsweise ist eine Person dazu angehalten, nicht zu betteln. Gleichzeitig gibt es aber den Anruf an jene, die geben können, die Bedürftigen aufzusuchen. Ein Schuldner ist sehr deutlich angeraten, seine Schulden so schnell wie möglich zu bezahlen. Gleichzeitig wird der Gläubiger dazu ermutigt, es ihm leicht zu machen oder auch die Summe zu erlassen.

Das stellt einen realistischen Rahmen zur Anwendung solcher Konzepte dar. Eine Person unter schwierigen Umständen wird ermutigt, widerstandsfähig zu sein und wieder auf die Beine zu kommen. Zur selben Zeit braucht es helfende Strukturen zu ihrer Unterstützung.

Jenseits dieses Rahmen verbirgt sich eine umfassendere Frage: Die behandelten Eigenschaften orientieren sich am Erfolg. Dieser wird als persönliche Sache angesehen und orientiert sich an Dingen wie akademischen Leistungen, Karriere, Wohlstand oder gesellschaftlichem Rang. Wenn dies das Endziel sein soll, ist die individuelle Perspektive viel leichter.

Die islamische Definition von Erfolg ist viel breiter. Es gibt zum einen das offenkundige Wissen von Errungenschaften im Jenseits. Um die geht es hier aber nicht. Selbst im diesseitigen Sinne mag eine erfolgreiche Person jene sein, die den Besuch einer bekannten Schule oder den Traumjob aufgibt, um Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Die Betonung auf individuellen Erfolg um jeden Preis hat zum Zusammenbruch wesentlicher familiärer und gemeinschaftlicher Netzwerke beigetragen.

Verstärkt wird dies dadurch, wenn eine Person meint, sie brauche niemand anderen und müsse sich nur durchsetzen. Wir feiern starke und unabhängige Menschen. Die Selbsthilfe sagt uns, wir könnten mit der richtigen Einstellung alles erreichen. Aber was geschieht im Falle unseres Scheiterns? Was passiert, wenn wir Einsamkeit und keine Erfüllung finden? Wenn uns die Bindungen der Familien-Solidarität fehlen und wenn Geld uns nicht erfüllt? Dann fällt alles auf uns zurück.

Es ist genau dieses Gefühl der Beschränkung, vor dem Allah uns im Qur’an warnt: „Wer sich aber von Meiner Ermahnung abwendet, der wird ein beengtes Leben führen, und Wir werden ihn am Tag der Auferstehung blind versammeln.“ (TaHa, Sure 20, 124) Scheitern wir, ist die Selbsthilfe-Industrie immer bereit, uns wieder aufzuhelfen. Sie ist bereit, uns einen anderen Podcast, eine neue Pose der Macht oder einen neuen Kurs für Achtsamkeit anzubieten. Diese ­werden unweigerlich scheitern, weil sie sich weiterhin darauf konzentrieren, das Individuum zu heilen, anstatt sich mit der Realität in seinem Umfeld ­auseinanderzusetzen.

Trotzdem sind Entschlossenheit und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) lobenswerte Eigenschaften. Wir müssen an ihrer Entwicklung arbeiten, da wir sie zwangsläufig brauchen werden. „Und Wir werden euch ganz gewiss mit ein wenig Furcht und Hunger und Mangel an Besitz, Seelen und Früchten prüfen. Doch verkünde frohe Botschaft den Standhaften, die, wenn sie ein Unglück trifft, sagen: ‘Wir gehören Allah, und zu Ihm kehren wir zurück.’ Sie sind es, denen Segnungen von ihrem Herrn und Erbarmen zuteil werden, und sie sind die Rechtgeleiteten.“ (Al-Baqara, Sure 2, 155-7)

Widerstandsfähigkeit ist ein Reflex. Erfährt eine Person ein Beschwernis, greift sie auf vorhandene Gewohnheiten und Werte zurück. Das erinnert an die Aussage des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, wonach Geduld im ersten Schlag (des Schicksals) liegt. Er lehrte uns die nötige Geisteshaltung, um überhaupt entschlossen zu sein. „Wunderbar ist die Sache des ­Gläubigen. Denn für ihn ist Gutes in jeder Lage und das ist bei niemandem außer ihm der Fall. Ist er glücklich, dankt er Allah und daher ist Gutes für ihn darin. Und wird er geschädigt, ist er geduldig und daher ist Gutes für ihn darin.“ Er lehrte uns die Gewohnheit, die wir brauchen, um sicherzustellen, dass wir den Reflex der Entschlossenheit haben, wenn die Situation es benötigt. „Wer sich freuen will, dass Allah ihm in harten und schwierigen Zeiten antwortet, möge Ihn in Zeiten der Gelassenheit häufig anflehen.“

Die Institution der Moschee als ein Gemeinschaftszentrum stellt eine massive Gelegenheit zum Aufbau einer Infrastruktur für Unterstützung dar. Widerstandsfähigkeit, so der Autor und Forscher Michael Ungar, sei kein Heimwerkerprojekt. Gemeinschaften müssten Wege finden, um die Ressourcen bereitzustellen, die für die Widerstandsfähigkeit einer Person nötig seien. „Welche Art von Ressourcen? Die Art, die einen durch die unvermeidlichen Lebenskrisen bringt. (…) Nachbarn oder eine Gemeinde, die bereit sind, einen Auflauf mitzubringen, Ihre Auffahrt zu räumen oder die Kinder zu versorgen, während Sie alles Nötige tun, um die Schwierigkeiten zu überwinden“, schreibt Ungar.

Der Autor fasst die angemessene Anwendung von Entschlossenheit zusammen: „Verändern Sie Ihre Welt zuerst, indem Sie die Beziehungen finden, die Sie pflegen, die Möglichkeiten, Ihre Talente zu nutzen, und die Orte, an denen Sie Unterstützung durch die Gemeinschaft und die Regierung sowie soziale Gerechtigkeit erfahren. Sobald Sie diese haben, wird Ihre Welt Ihnen mehr zum Erfolg verhelfen, als Sie sich jemals selbst helfen könnten.“

Die eine wichtige Zutat, die hier fehlt, ist das Vertrauen auf Allah (arab. tawakkul). Allah sagt darüber im Qur’an: „Diejenigen, zu denen die Menschen sagten: ‘Die Menschen haben sich bereits gegen euch versammelt; darum fürchtet sie!’ – Doch dies nur ihren Glauben, und sie sagten: ‘Unser Genüge ist Allah, und wie trefflich ist der Sachwalter!’“ (Al-i-Imran, Sure 3, 173)

Das ist der gleiche Dhikr, den Ibrahim, Friede sei mit ihm, sprach, als er in das Feuer geworfen wurde. Und dieses wurde kalt. Es gibt einen Kernelement des Glaubens, ein Gleichgewicht zwischen Angst und Hoffnung herzustellen. Gelehrte raten, wenn jemand verzweifelt ist, sich an die Traditionen zu erinnern, die die Hoffnung auf Allahs Vergebung stärken. Unsere Fähigkeit zum Beharren, zum Widerstandsvermögen und zur Entschlossenheit steht in direkter Verbindung zu unserer Beziehung mit Allah. Und dem wahren Grad unseres Vertrauen auf Ihn.

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Brief an einen neuen Muslim

Allah, der Erhabene, sagt in Seinem Qur’an: „Wer könnte etwas Besseres sagen, als der, der zu Allah aufruft, rechtschaffen handelt und spricht: ‘Gewiss doch, ich gehöre zu den (Allah) Ergebenen’?“ (Al-Fussilat, 33)
(iz). Du hast Islam akzeptiert. Du hast erkannt, dass du einen Herrn hast, Der dich erschuf, dein Schicksal bestimmte – sowohl das Gute als auch das Schlechte, das Süße sowie das Bittere darin –, Der deine Gebete hört und Der dich gut kennt. Ist Ihm denn nicht bewusst, was Er schuf? Ein Herr, der Dich führt und zum Islam leitete. Der großzügig, barmherzig und mächtig ist. Er ist schnell in der Abrechnung und hat sowohl schöne als auch majestätische Eigenschaften. Du erkennst, dass dein barmherziger Herr persönlich für dich eine Botschaft durch Seine Propheten entsandte. Der letzte war der Gesandte Allahs, Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden gewähren. Du glaubst, dass das Buch Allahs das Wort Allahs ist, Der darin zu dir spricht.
Du bist möglicherweise erstaunt, dass deine Kultur die Wahrheit des Islam seit mehr als tausend Jahren verbirgt. Du wurdest überwältig von der Erkenntnis, dass er die Wahrheit und der Reale ist, dass der Garten und das Feuer wirklich sind, dass unzählige Propheten und Gesandten zur Menschheit geschickt wurden. Dazu gehörten ’Isa (Jesus), Musa (Moses), Ibrahim (Abraham), Nuh (Noah) und Adam sowie viele weitere, deren Namen wir nicht kennen und welche durch die Menschheitsgeschichte hindurch auf der ganzen Erde entsandt wurden. Heute lebst du in der Gültigkeit des letzten Propheten – Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Seine Botschaft hebt alle früheren Bücher und deren Lebensweise auf. Sie gilt bis zum Ende der Zeiten für Menschen aller Völker und Sprachen.
Du gehörst einer Gemeinschaft an, die sich vom Osten in China bis nach Westeuropa und Amerika erstreckt, von der Südspitze Afrikas bis in die kalten Steppen des nördlichen Eurasiens. Es ist eine Gemeinschaft, die Araber, Türken, Perser, Chinesen, Afrikaner, Malayen und Indonesier, Inder und Pakistaner sowie eine wachsende Zahl von Deutschen, Spaniern, Engländern, Italienern, Mayas und Menschen aus der Karibik umfasst. Sie macht mehr als ein Viertel der Menschheit aus.
Du kennst vielleicht den Reichtum und die Schönheit bei Architektur, Kunstfertigkeit und Kunsthandwerk des muslimischen Lebens, die große Menge an Gedichten und Liedern sowie das riesige kulturelle Erbe der Gelehrsamkeit in den Wissenschaften des Islam. Zu Letzteren gehört die Kommentierung des Qur’an, verfeinerte Ausführungen zum Recht, Studien der Hadithliteratur, arabische Wörterbücher etc.
Inmitten dessen jedoch fällt dir auf, dass du nicht nur ein neuer Muslim bist, sondern auch „Konvertit“ genannt wirst. Und du sollst dich noch weiter einstufen. Unterschiedliche Leute – Muslime wie Nichtmuslime – wollen von dir wissen: Bist Du Sunni, Sufi, Salafi, Hanafi, Maliki, Schafi’i oder Hanbali? Und folgst du einem „traditionellen“ oder „politischen“ Islam, wirst „gemäßigter“ Muslim oder gar Extremist? Du hast einfach Islam akzeptiert und bist damit zufrieden, Muslim zu sein. Es verwirrt dich vielleicht, dass die Teilhabe an diesen Untergruppen notwendig erscheint, um dich in Gegnerschaft zu anderen zu bringen. Manchmal äußert diese sich in wirklicher Abneigung, die an Hass grenzt. Im Falle der Rechtsschulen erfolgt diese Unterscheidung so höflich, dass sie in deinen Augen eine tiefergehende Feindschaft maskiert.
Du siehst und spürst gelegentlich jene, für die „der Westen“ im vollkommenen Gegensatz zu „Islam“ steht. Sie positionieren sich eindeutig im Gegensatz dazu. Andere haben hingegen die Absicht, diesen „Westen“ auf jede erdenkliche Weise nachzunahmen. Für sie gibt es für den Islam keinen anderen Weg nach vorne als in solch einer Imitation.
Das ist ein Rätsel. Aber als neuer Muslim magst du dich nicht in der Lage sehen, an deiner Intuition festhalten, dass Islam selbst genug ist und du nur Muslim bist. Es ist die Absicht dieses offenen Briefes, dich zu überzeugen, dass das ausreicht. Aber ich möchte zeigen, dass die Gruppierungen, zu denen ihr eingeladen werdet, und ihre Etiketten eine gewisse Substanz haben. Ich möchte dich überzeugen, dass Zugehörigkeit eine Wirklichkeit ist und dass sie alle Muslime sind und Teil der größeren Gemeinschaft. Nichtsdestotrotz besteht das große Geheimnis darin, einfach Muslim zu bleiben. Vielleicht beginnt bei dir die Erkenntnis, dass dieses etwas ist, dessen Bedeutung wir nicht vollkommen umfassen. Wir müssen sie uns wieder aneignen.
Wo anfangen? Erstens möchte ich mich auf Fragen beschränken, in denen unterschiedliche Gruppen Recht haben. Denn es gibt Dinge, bei denen Muslime sich einig sind, ohne dass sie in den Bereich der Meinungsverschiedenheiten vordringen.
Beginnen wir mit dem, was „politischer Islam“ genannt wird. Hier gäbe es verschiedene Beispiele. Tatsächlich haben sie sich mit wichtigen Fragen des Islam beschäftigt, denen von Regierung und Autorität. Ein Teil des Rechts kann nicht ohne Herrschaft oder einen ernannten Qadi realisiert werden. Und es besteht kein Zweifel, dass es traditionelle Ausdrucksformen muslimischer Regierung gibt. Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass wir unsere Geschichte häufig grob vereinfachen. Selbst ein oberflächlicher Blick offenbart alle Arten von politischen Formationen in den letzten eineinhalb Jahrtausenden. Und doch können alle Formen unter dem Titel der Gemeinschaft mit einer Führung zusammengefasst werden, die im Qur’an als „jene mit Autorität über euch“ beschrieben werden. Gemeinschaftliche Autorität spielt in Teilen des Islam eine Rolle. Sie muss die Leute ernennen, welche die Zakat einsammeln, oder auch den Anfang beziehungsweise das Ende des Ramadan bestimmen. Insofern haben solche Gruppen Recht, dass es keinen wirklichen Weg gibt, die religiöse Seite des Islam von den gemeinschaftlichen Aspekten zu trennen. Und diese Politik ist recht klar im Buch (Allahs) und der Sunna (der prophetischen Lebensweise) zu finden.
Unter den politischen Gruppen gibt es solche, die einen Trend verkörpern, der sich „Modernismus“ nennen ließe. Geht es darum, dass wir mit der Moderne umgehen müssen, dann ist der Fall unbestreitbar. Tatsächlich lässt sich begründen, dass eine der wesentlichen Eigenschaften von Islam ist, in jedes Zeitalter und jede Gesellschaft zu passen – bis zum Ende der Zeiten. Nicht nur enthält das Recht spezifische zeitlose Regeln. Es verfügt auch über Prozeduren für den Umgang mit neuen Situationen. Und bringt Antworten auf der Basis der Qur’anverse, der bekannten prophetischen Lebensweise, der Übereinkunft der Leute des Wissens und früherer Urteile auf neue Fragen hervor.
Das betrifft den rechtlichen Rahmen, aber Islam war immer modern beziehungsweise wir sollten eher sagen, dass er „neu“ ist. Andernfalls liefe etwas schief. Seine Neuheit gründet nicht auf dem Einfluss äußerer Kulturen, sondern weil er jede Zeit einer höheren Bewertung unterzieht, sowie das Annehmbare bewahrt und zurückweist, was inakzeptabel ist. Ein Modernismus, der behauptet, dass wir Islam revidieren oder reformieren müssen aufgrund dessen, was wir von Wissenschaft und anderen gegenwärtigen Institutionen verstehen, ist bereits veraltet. Die Wissenschaften, die so hochgehalten werden, werden von ihnen selbst kritisch in Augenschein genommen. Sie befinden sich in einer Krise. Solche Menschen sehnen sich nach der präzisen, mechanischen Ordnung von Newton, die längst von den Unschärfen der Quantenmechanik hinweggefegt wurde.
Islam war immer neu. Sein Erscheinen war ein Novum. Und in den Worten des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, war er ein Fremder. Er sagte: „Der Islam begann als etwas Fremdes und wird als Fremdes zurückkehren, so wie er begann. Und die Seligkeit gehört den Fremden.“ Dieses Hadith wurde von Abu Huraira überliefert und findet sich unter anderem in der (Sahih-)Sammlung von Imam Muslim. Die große andalusische Zivilisation war vollkommen neu. Das Entstehen der Osmanen brachte etwas komplett Neuartiges hervor. Jede muslimische Kultur war unverbraucht.
Nach dem politischen Verständnis und dem Modernismus werfen wir einen Blick auf das, welches die Tradition beansprucht. Nehmen wir beispielsweise die Salafis (die manchmal auch abwertend als die Wahhabiten bezeichnet werden). Sie betonen die Praxis der Salaf. Das sind der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sowie die rechtschaffenen Generationen nach ihm. Darin liegen sie ganz richtig. Von Abu Nahih Ar-’Irbad ibn Sarija wurde folgende Aussage überliefert: „Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ermahnte uns mit einer Ermahnung, durch welche unsere Herzen furchtsam wurden und die Augen mit Tränen überflossen. Und so sagten wir: ‘Gesandter Allahs, es ist, als wäre diese eine Ermahnung zum Abschied, also gib uns Rat.’ Er entgegnete: ‘Ich rate euch, Taqwa vor Allah, dem Mächtigen und Majestätischen, (Taqwa ist das umsichtige Verhalten, das sich aus dem furchtsamen Bewusstsein von Allah ergibt. Das heißt, die Vermeidung all dessen, was Er und Sein Gesandter, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, untersagten und die Befolgung dessen, was sie befahlen) zu haben sowie zu hören und zu gehorchen, selbst wenn ein Sklave den Befehl über euch hat. Wer von euch lebt, wird viele Meinungsverschiedenheiten erleben. Also müsst ihr an meiner Sunna festhalten sowie an der Sunna der rechtgeleiteten Kalifen, die den geraden Weg nehmen. Beißt darauf mit den Backenzähnen. Hütet euch vor neu eingeführten Angelegenheiten. Denn jede neu eingeführte Frage ist eine Erneuerung. Und jede Erneuerung ist eine Irreführung. Und jedes Abirren führt in das Feuer.’“ Abu Dawud und At-Tirmidhi sagte, dies sei „ein gutes Sahih-Hadith“. Und Imam An-Nawawi übernahm es in seine Auswahl der vierzig Hadithe, von denen die Leute des Wissens sagen, dass sie unverzichtlich sind.
Diese sehr bekannte Aussage ist eine von vielen, die klarmachen, dass man an der Sunna des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sowie der von den rechtgeleiteten Kalifen festhalten muss. Daher ist das Bestehen der Salafis darauf nichts Neues. Es ging auch nicht verloren, sondern hier besteht und bestand immer Einigkeit unter den Muslimen. Tatsächlich gibt es in dieser Frage so viele Qur’anverse und prophetische Überlieferungen, dass kein Zweifel möglich ist. Es gibt vergleichbare Formationen, von denen man sagen kann, dass ihre Orientierung in Richtung Tradition, Vergangenheit und der vorsichtigen Bewahrung der islamischen Quellen geht. Und wer könnte etwas gegen die Wichtigkeit desselben sagen?
Lass uns nun einen Blick auf jene werfen, die stärker den spirituellen Aspekt des Islam betonen. Für die Sufis besteht Sufismus in seinen ersten Stufen aus der Reinigung des Herzens und der Befreiung des Verhaltens von zerstörerischen Gewohnheiten wie Prahlerei, Neid, Geiz, Gier, Wut und Hass. Andererseits geht es um die Verkörperung von edlen Charaktereigenschaften wie Großzügigkeit, Nachsicht, Standhaftigkeit, Aufmerksamkeit etc. Sie streben nach einem wahren und direkten Wissen (arab. ma’arifa) von Allah, dem Erhabenen. Das ist etwas anderes als Wissen aus Büchern oder Studium, obwohl es nicht im Widerspruch zu ihm steht. Sehr viele Gelehrte sind der Ansicht, dass die Wissenschaften des Sufismus für jeden muslimischen Mann und jede muslimische Frau verpflichtend sind. Denn es gibt viele Qur’anverse und Hadithe des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, welche die Wichtigkeit eines authentischen Wissens von Allah betonen. Negative Charaktereigenschaften seien fatal. Vielmehr seien die edlen Qualitäten des Charakters die eigentliche Essenz, für die der Gesandte Allahs, Heil und Segen auf ihm, gesandt wurde. Er, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Ich wurde nur entsandt, um die edlen, großzügigen Charaktereigenschaften zu vervollkommnen.“ Das wurde von Al-Bukhari und einer Vielzahl bedeutender Hadithgelehrter überliefert. Hier handelt es sich nur um einen von vielen Texten, welche diese Punkte betonen. Manche Muslime stimmen zu, sind aber anderer Meinung, was die Begrifflichkeit betrifft. Statt über Sufismus zu sprechen, reden sie von „Reinigung der Seele“ (arab. tazkijat an-nas). Es ist klar, dass sich Muslime über die Bedeutung dieser Wissenschaft verständigt haben.
Glaubt aber jemand, man könne wegen der spirituellen und inneren Dimensionen des Islam seine äußeren Dimensionen aufgeben, oder glaubt er an eine innere Deutung, welche eine eindeutige, klare Bedeutung ignoriert, dann wäre das ein Verderben des Islam. Vielmehr ist Sufismus ein wichtiger und bedeutender Aspekt unseres Weges, dessen Wichtigkeit nur klarer im Kontext der traditionellen Quellen und Politik wird. Das heißt, er ist Teil eines Ganzen.
Wenden wir uns Begriffen wie „traditioneller Islam“ – eine moderne Prägung – oder „sunnitischem Islam“ zu. Beide werden für den gleichen Zweck benutzt: die Zugehörigkeit zu den Ahl As-Sunna wa’l-Dscham’ah (Leute der Sunna und der Gemeinschaft). Diese Terminologie wurde geprägt, um verschiedene Formationen der muslimischen Gemeinschaft abzudecken, obwohl sie sich bei manchen Punkten der Praxis und Glaubenslehre unterscheiden. Es handelt sich um die Schüler der vier Rechtsschulen (Hanafiten, Malikiten, Schafi’iten und Hanbaliten), den Nachfolgern der beiden Schulen der Glaubenslehre  (die von Maturidi und Asch’ari) sowie den Lehrwegen des Sufismus, die sich auf Imam Al-Dschunaid zurückführen lassen. Unter diesem Dach sammelt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Positionen, welche von Muslimen eingenommen werden. Gleichzeitig gelten alle als annehmbar, auch wenn es Meinungsunterschiede unter ihnen gibt.
An diesem Punkt ist es wichtig, daran zu erinnern, dass diejenigen, die mit diesen Begriffen beschrieben werden, Muslime sind; nicht bloß Sunnis oder „sunnitische“ Muslime. Obschon Muslime den hanafitischen, malikitischen, schafi’itischen oder hanbalitischen Schulen folgen, die aus dem Korpus der Leute der Sunna und der Gemeinschaft bestehen, sollten sie nicht durch sie definiert werden. Das heißt, jemand mag der Rechtsschule (arab. madhhab) von Abu Hanifa folgen, ist aber kein hanafitischer Muslim, sondern Muslim. Die Parteilichkeit unter Rechtsschulen ist eine Verfallserscheinung, obwohl sie in sich alle annehmbar sind. An diesem Punkt zeigt sich die Bedeutung von Führung, denn diese bestimmt den eingeschlagenen Weg bei solchen Fragen.
Wenden wir uns nun dem Islam im Westen zu. Sind wir auch nicht blind gegenüber dem Handeln imperialer und kolonialistischer Mächte in Vergangenheit und Gegenwart, lehnen wir jene Sichtweise ab, die den Westen als eine monolithische Einheit betrachtet, die ein Feind des Islam sei. Insbesondere deshalb, weil wir seine Früchte sind. In meinen Augen zeigt ein vorsichtiges Studium der europäischen Geschichte, dass der Westen seit sehr langer Zeit auf seinem Weg zum Islam ist. Eine profunde Lesart unserer Geschichte ergibt, dass wir über das imperiale römische Erbe hinausgegangen sind. Das Gleiche gilt für die Verfälschungen bei Glaube und Religion, welche die Kirchen uns aufgezwungen haben. Ein Beweis dessen ist die eigentliche Tatsache, dass ein solcher Text angesichts der großen Menge an Menschen nötig wird, die hier ihren Islam bezeugen.
In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf deine Rolle bei all dem Zurückkehren. Lass dich inmitten all dessen nicht von Enttäuschung und Desillusionierung, möge Allah dich und mich davor schützen, verführen. Nach der ursprünglichen Freude über die Entdeckung dieses verborgenen Schatzes erfahren nicht wenige, dass viele Muslime und Gemeinschaften dabei scheitern, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Sie wenden sich langsam von Moscheen ab, die von ihren ethnischen Trennungen und Streitigkeiten dominiert werden. Selten verlassen sie den Islam komplett, aber Begeisterung schwindet. Diese Enttäuschung wird unmöglich, wenn du dich, zusammen mit deinen Brüdern und Schwestern, als verantwortlich fühlst, Islam in unserer Zeit und in diesen Ländern hervorzubringen. Dann bleibt dir keine Zeit für Enttäuschung und Depression.
Obwohl wir gewohnheitsmäßig bestehende Gruppen als spalterisch ansehen, ist die Bildung von Gemeinschaften und Anerkennung von Autorität näher am Weg des Propheten, Allahs Heil und Segen auf ihm, und seiner Gefährten, anstatt als isolierte Familien und Einzelpersonen zu leben. Dass solche Gruppen Gemeinschaften werden und natürlich alle Muslime willkommen heißen müssen, und alle Muslime als ihre Brüder und Schwestern betrachten sollten, um sich natürlich zu größeren Gemeinschaften zusammenzuschließen, halten wir für offensichtlich.
Aber ich würde gerne noch einmal mit dir sprechen, der in dieser Gesellschaft Muslim wurde. Dein Platz ist sehr wichtig. Du musst den mittleren Weg des Islam einnehmen. Und ich meine keine Aufgabe von Inhalten, sondern einen Weg des Ausgleichs. In diesem Fall solltest du auch dem Druck anderer widerstehen, den Islam in die andere Richtung zu verändern. Das heißt, migrantische, kulturelle Elemente in ihren Islam zu bringen. Der Islam wird sich hier ausbreiten, wenn klar ist, dass man nicht aufhört, etwa Brite zu sein, wenn man Muslim wird. Denn er ist keine Kultur, sondern Filter für Kultur.
In diesem Bemühen ist es wichtig, dass du mit Eltern und Familie, alten Freunden und Bekannten, Arbeitskollegen und Kommilitonen in guter Beziehung bleibst. Dieser Aspekt kann nicht überbetont werden. Wie viel vom Islam besteht aus gutem Charakter und Verhalten, Großzügigkeit, Höflichkeit und Freundlichkeit! Im Gesandten Allahs haben wir hier ein gutes Vorbild. Als einheimische Muslime habt ihr Zugang zu den Menschen dieser Regionen. Es mag reichen, dass sie einfach nur wissen, dass du Muslim bist, wenn deine Lebensführung in Übereinstimmung mit der des Gesandten Allahs ist, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Du bist an einem historischen Ereignis beteiligt, auch wenn die Geschichte deinen Namen vielleicht nicht aufzeichnet. Und trägst also eine doppelte Verantwortung: Die Verantwortung, von allen Muslimen, welchen Gruppen sie angehören, eine gute Meinung zu haben und und sich ihnen gegenüber gut zu verhalten. Und du trägst die Verantwortung, ein Vorläufer der islamischen Realität zu sein, die sich in unseren Ländern ankündigt.
Darin wird ein Kernelement der islamischen Botschaft als unvermeidlich erkennbar. Es ist so offensichtlich, dass es selten explizit in der Literatur erwähnt wird: Gemeinschaft. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, und seine Gefährten waren eine Gemeinschaft. Das belegt die gesamte Hadithliteratur. Setzen wir das in Beziehung zu dem von uns Gesagten, dann ist es der Bedarf nach ihr, der Menschen dazu treibt, Gruppen zu schaffen und zu ihnen zu gehören. Es erübrigt sich, festzuhalten, dass eine gefühlskalte Moschee, zu der die Leute kommen und gehen, ohne sich zu begegnen, und in der sich nicht um das gegenseitige Wohlergehen gekümmert wird, nicht dieser Anforderung gerecht wird. Und sie basiert gewiss nicht auf dem Modell der erleuchteten Stadt Medina, die unser geliebter Gesandter, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, etablierte. In dem Gebet, das wir fünf Mal täglich verrichten, und in der von uns rezitierten Fatiha, bitten wir Allah darum, „uns auf dem geraden Weg zu führen“. Wir flehen darum um „uns“, ohne Qualifizierung von Geschlecht, Rasse oder Kultur. Und es geht auch nicht nur um „mich“. Es wird auf der grundlegendsten Ebene des Islam davon ausgegangen, dass wir eine Gemeinschaft sind.
Wir finden ein wesentliches Element im Islam sowie in jeder Gesellschaft, die irgendwann die Überreste des Islam eines alten Propheten hatte. Dass es zwei Ebenen der Kommunikation gibt, von denen nur eine den modernen Menschen als real gilt: die zwischenmenschliche Kommunikation. Das andere lebenswichtige Element, dem jede vernünftige Kultur immer Aufmerksamkeit schenkte, ist die Kommunikation mit dem Unsichtbaren, Göttlichen: Das Gespräch mit Ihm in ernsthaftem Anrufen sowie dem Zuhören, wenn Er uns in Seinem offenbarten Buch anspricht.
Gemeinschaft ist notwendig für die gegenseitige Erinnerung, die so sehr Teil des Islam ist. Wir sind Menschen, die lehren und belehrt werden. Jeder Muslim hat einige Gebiete, in denen er lehrt und einige, in denen er unterrichtet wird. Gemeinschaft ist notwendig, damit unsere Kinder aus der Familie in die Welt kommen können. Bildung bedeutet ursprünglich „hinausführen“, das Kind aus der Welt des Kindes und der sicheren Zone der Familie in das Leben führen, das es wiederum leben muss.

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Faszination Islam

Einerseits missbilligen Teile der westlichen Gesellschaft die Konvertiten zum Islam, andererseits setzen die Konvertiten eine lange Tradition des kulturellen Austauschs fort und können möglicherweise zur Entwicklung des Islam im Westen […]

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„Eine Frage der sozialen Gerechtigkeit!“

Köln. „Für mich ist es einfach eine Frage der sozialen Gerechtigkeit!“, stellt die 25-jährige Büsra Y. aus Köln klar. Die Studentin setzt sich auf ihrem Plakat für den Kohleausstieg ein und hat als Ehrenamtliche der Hilfsorganisation Islamic Relief Deutschland die humanitäre Perspektive im Blick. „Als einkommensreiches Land haben wir eine besondere Verantwortung in der Klimakrise und sollten uns dieser stellen. Unsere Politik muss endlich handeln und aufhören, auf Kosten der Ärmsten in anderen Regionen der Welt zu handeln!“, findet Büsra und erntet zustimmendes Nicken von ihren Mitstreitern.

So wie Büsra und hunderttausend weitere Menschen bundesweit stellt Islamic Relief Deutschland als humanitärer Akteur folgende Forderungen an die politischen Vertreter: Ein verbindliches Datum für das Netto-Null-Ziel vor 2050 festzuhalten und Ziele für die nationalen Beiträge zur Senkung des CO2-Ausstoßes bis zur COP 2020 festzulegen. „Entwicklungsländer sowie arme und marginalisierte Menschen sind überproportional vom Klimawandel betroffen, obwohl sie weniger zum Problem beigetragen haben. Das ist ungerecht und deswegen sind wir heute hier!“, erklärt Amin Hasanein, Climate Advocacy-Beauftragter bei Islamic Relief Deutschland, der auf seinem Plakat „Klimagerechtigkeit jetzt!“ fordert.

Um ihren Beitrag für eine Veränderung zu leisten, unterstützt Islamic Relief Deutschland vulnerable Gemeinden dabei, widerstandsfähiger gegenüber den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels zu werden. „Der Klimawandel ist eine moralische Frage, die für uns mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit einhergeht. Wir leisten in vielen vom Kima Wandel betroffenen Ländern Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit. So wissen wir aus erster Hand, dass Überschwemmungen und Dürren, wie etwa in Somalia, Menschen töten und Krankheiten, Unterernährung, Einkommensverluste und Massenmigration verursachen.“, sagt Tarek Abdelalem, Geschäftsführer von Islamic Relief Deutschland.  Er ergänzt: „ Als Einzelne liegt es in unserer Verantwortung, für einander und den Planeten zu sorgen, und wir können verschiedene Maßnahmen ergreifen, um nachhaltiger zu leben. Nur gemeinsam, so wie heute in Köln geschehen, können wir wirklich etwas verändern!“

Islamic Relief Deutschland ist Mitglied der Klima-Allianz Deutschland sowie CAN Europe und streikte am heutigen Freitag als Unterstützer der Fridays for Future-Bewegung in Köln. Bereits im August 2015, noch vor dem Pariser Klimaabkommen, verfasste das globale Islamic Relief-Netzwerk mit Partnern die erste islamische Deklaration zum Klimaschutz. Mit zahlreichen Nothilfe- und Entwicklungsprojekten in Ländern wie Bangladesch, Nepal und Somalia stärkt Islamic Relief Gemeinden weltweit, beispielsweise durch die Entwicklung von Frühwarnsystemen bei Naturkatastrophen und durch Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Gemeinden gegenüber vom Klimawandel verursachter Dürre.

Islamic Relief Deutschland ist eine gemeinnützige deutsche Nichtregierungsorganisation mit humanitärem Auftrag. Sie vertritt die Überzeugung, dass wir uns in Deutschland in einer privilegierten Lage hinsichtlich der Verwirklichung universeller humanitärer Ziele befinden und daraus eine besondere Verantwortung erwächst, den weniger Begünstigten zur Seite zu stehen. Humanitäre Arbeit und großherziges Geben lindern Not in der Welt und fördern zudem das gegenseitige Verständnis und dienen dem Frieden. Richtschnur ihres Handelns sind universelle humanitäre Ziele: Schutz des Lebens und der Würde des Menschen, Schutz der Familien und Kinder, Anrecht auf materielle Sicherheit sowie freie geistige und spirituelle Entfaltung. Wir haben uns dazu verpflichtet, Armut und Leid der Ärmsten dieser Welt zu lindern – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Kultur.

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„Die Erde wieder großartig machen“

Mehr als 5.000 Waldbrände lodern auf Borneo und Sumatra. Hunderttausende Hektar Kohlenstoffspeicher gehen in Rauch auf. Als Brandstifter gilt die Palmölbranche. Der giftige Smog trieb jetzt viele zun Protest auf die Straße. Von Michael Lenz

Kuala Lumpur (KNA). Aqilah Fairuz ist immer dabei, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht. „Ich bin eine Aktivistin“, sagt die 18-Jährige stolz. Ihre simple Botschaft bei dem Klimaprotest am Samstag in Kuala Lumpur hat Fairuz auf ein Stück weiße Pappe geschrieben: „We can make the Earth great again“ – „Wir können die Erde wieder großartig machen“.

Die Studentin mit dem Berufsziel Englischlehrerin trägt als gläubige Muslimin ein schwarzes Kopftuch, das farblich mit der Gesichtsmaske harmoniert. Solche Masken sind in diesen Tagen in Kuala Lumpur ein häufig anzutreffendes Accessoire zum Schutz vor dem giftigen Haze. So wird der von den Waldbränden in Indonesien stammende Smog genannt, der seit Wochen gräulich-gelb und stinkend die Hauptstadt Malaysias und weite Teile des Landes einhüllt.

In Malaysia und Indonesien herrscht die trockene Jahreszeit – für Palmölfirmen und Plantagenbesitzer alle Jahre wieder die perfekte Gelegenheit, Urwälder für die Schaffung neuer Flächen für Plantagen abzufackeln. Aktuell lodern nach Angaben indonesischer Behörden in Kalimantan (dem indonesischen Teil Borneos) und auf Sumatra 5.086 Brandherde. Malaysia ist weltweit nach Indonesien der zweitgrößte Palmölproduzent, und viele der großen malaysischen Palmölfirmen sind in Indonesien aktiv.

Der Haze ist nicht nur das große Thema bei dem Klimastreik der jungen Leute in Kuala Lumpur, er ist in diesem Jahr die Motivation vieler, aktiv zu werden. Wie zum Beispiel der Schuhfabrikant und Musikproduzent Sidweswaran Paramaswaran. Nach den Medienberichten über den Haze, Bildern von durch die Brände umgekommene Orang Utans und der eigenen Erfahrung des krankmachenden Smog sagte sich der 31-Jährige „Genug ist genug“ und startete zwei Tage vor dem weltweiten Klimastreik am Freitag eine Petition auf Change.org.

Darin werden die Regierungen von Malaysia und Indonesien aufgefordert, ein für alle Mal Schluss mit den Bränden zu machen und die Plantagenbesitzer zur Verantwortung zu ziehen. In nur drei Tagen wurde die Petition schon von 10.000 Menschen unterzeichnet. „Wenn wir 100.000 Unterschriften haben, will ich sie den zuständigen Ministern in Malaysia und Indonesien übergeben“, sagt Paramaswaran.

Fast entschuldigend sagt die Studentin Ili Nadiah Dzulfakar: „Unsere Klimademonstration ist nicht so groß wie die in Berlin.“ Sie ist Mitgründerin der Klima Action Malaysia (KAMY), einer der Organisatorinnen der Demo an diesem Samstag mit Ziel Merdeka (Unabhängigkeit) Platz. „Bei der Beantragung der Demo hat die Polizei versucht uns einzuschüchtern“, erzählt die Studentin der Umweltwissenschaft.

„Bei unseren Workshops über Umwelt und Klima sind immer Beamte der Special Branch (Geheimdienst der Polizei) anwesend.“ Es gehe ja um den Raubbau an den Wäldern Malaysias durch die Palmölindustrie und damit um Malaysias wichtigstes Exportgut. „Da ist Kritik unerwünscht“, sagt Dzulfakar. Malaysias katholische Landwirtschaftsministerium Teresa Kok wirft der EU einen „Handelskrieg“ gegen Malaysia vor, nachdem das EU-Parlament im August 2018 beschlossen hatte, bis 2030 die Verwendung von Palmöl für Bio-Kraftstoffe schrittweise zu beenden.

Unterdessen erreichen Grenzwerte für Feinstaub und Ruß in Malaysia höchst ungesunde Höhen. Tausende Schulen wurden in den vergangenen Tagen geschlossen, Atemwegserkrankungen sind um 16 und Bindehautentzündungen um 25 Prozent gestiegen. Cloud seeding – die „Impfung von Wolken“ für künstliche Niederschläge – hat zwar in den vergangenen Tagen in Kuala Lumpur zu einigen Regenfällen geführt, aber ohne großen Erfolg. Wenige Stunden nach den Regengüssen riecht und schmeckt die Luft wieder verbrannt, beginnen die Augen wieder zu tränen.

Für Eugene Chang ist der Klimastreik die erste Demo in seinem jungen Leben. „Greta Thunberg ist meine Inspiration. Meine Eltern waren anfangs skeptisch. Aber inzwischen haben sie akzeptiert, dass ich meine eigene Meinung habe“, sagt der 15-Jährige. Sein konkretes Anliegen: „Schulen müssen endlich den Schutz der Umwelt zum Thema machen. Das ist doch deren Verantwortung.“