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„Paradoxes Zusammenspiel von Unglaube und Angst vor Islam“

Leipzig (KNA). Die Deutschen werden ungläubiger – und reiben sich zugleich immer mehr am Islam. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) interpretiert der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel beide Trends. Den Kirchen empfiehlt er kritische Distanz zu politischen Verteidigern eines christlichen Abendlandes.
Frage: Herr Professor Pickel, der gesellschaftliche Rückhalt der Kirchen nimmt ab, zugleich wird der Ruf nach Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen den Islam lauter. Inwieweit ist das ein Thema für die Religionssoziologie?
Gert Pickel: Das ist eines der zentralen neuen Themen der Religionssoziologie und vor allem der Forschung zu Politik und Religion. Es gibt ein fast paradoxes Zusammenspiel zwischen einer ungebrochenen Säkularisierung auf der einen Seite und so etwas wie eine „Rückkehr der Religion“ in die öffentliche Diskussion. Dabei spielt Religion eine eher negative Rolle – sie dient vor allem rechtspopulistischen Akteuren zur Abwehr einer kulturellen Bedrohung. So wird vor allem die Zugehörigkeit zum Islam ein Merkmal zur Identifikation eines Gegners.
Frage: Gibt es verlässliche Zahlen zu dieser auseinanderdriftenden Entwicklung?
Gert Pickel: Die Zahl der Konfessionslosen wächst seit den 1970er Jahren stetig und übersteigt bereits die Mitgliedschaften der einzelnen großen Kirchen in Deutschland. Auch die Zahl derer, die sich allgemein als religiös bezeichnen, sinkt konstant. Zugleich fühlt sich mehr als jeder zweite Deutsche vom Islam, was immer er auch darunter versteht, bedroht. In Ostdeutschland sind es noch mehr als in Westdeutschland, obwohl oder vielleicht, weil dort fast keine Muslime leben.
Frage: Wie interpretieren Sie diesen Trend?
Gert Pickel: Es handelt sich um zwei Trends, die teilweise unabhängig voneinander sind. Dabei hat die Tendenz, die religiöse Zugehörigkeit als Abgrenzungsmerkmal zu verstehen, einen wesentlich politischeren Charakter.
Frage: Kommt das überraschend für Sie?
Gert Pickel: Die Säkularisierung ist nichts Neues. Erstaunlicher ist die Entwicklung, die religiöse Zugehörigkeit als Merkmal für Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen zu nutzen. Auch in der modernen westeuropäischen Gesellschaft spielt das offenbar noch eine beachtliche Rolle. Ausgelöst wurde dies sicher auch durch die starken Fluchtbewegungen nach Europa, bei denen die Geflüchteten pauschal meist als Muslime betrachtet werden.
Frage: Inwieweit sind die Verfechter des Abendlandes offen für eine kritische Korrektur ihrer Weltsicht durch die Kirchen?
Gert Pickel: Da stelle ich wenig Einsicht fest. Einige christliche Grundwerte wie das Gebot der Nächstenliebe stellen ja ein Problem für die „Verfechter des Abendlandes“ dar. Sie vertragen sich nur sehr schlecht mit ihren mehrheitlich auf Ausgrenzung und Ablehnung ausgerichteten Positionen.
Frage: In jüngster Zeit ist immer wieder auch von einem christlich-jüdischen Deutschland die Rede. Gibt es ein gesellschaftliches Bewusstsein für eine auch jüdische Prägung unserer Kultur?
Gert Pickel: Diese Nähe wird gerade in theologischen Diskussionen immer wieder betont, in der Bevölkerung ist diese Verbindung allerdings von nur geringer Bedeutung. Dort unterscheidet man deutlich zwischen beiden Religionen. Die meisten sehen eine historische Verantwortung der Deutschen gegenüber dem Judentum, allerdings fühlt sich auch jeder Fünfte durch das Judentum bedroht. Das deutet auf einen bemerkenswerten Anteil an zumindest sekundärem Antisemitismus, also eine Konfrontationsstellung gegenüber Israel, hin.

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Mein Trip durch die Türkei

„Reisen: Erst bist Du sprachlos, dann macht es Dich zum Erzähler.“ (Ibn Battuta) (iz). Zu Fuß nach Antalya? Fahr doch mit dem Bus!“, sagt die Verkäu­ferin in dem kleinen Lebensmittelladen […]

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Nichts Neues am Nil: Al-Sisi bittet zur Scheinwahl

Kairo (KNA). „Die Präsidentschaftswahlen 2018 werden die fairsten in der Geschichte Ägyptens“, kündigte der Wahlkampfleiter von Staatschef Abdel Fattah al-Sisi bei dessen Kandidatur im Januar an. Doch die am Montag beginnende Abstimmung kennt schon jetzt den Sieger – eben al-Sisi – und wieder einmal den großen Verlierer: die demokratische Entwicklung im bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt. Als einzigen Gegenkandidaten ließ das Regime auf den letzten Drücker noch einen politischen No-Name zu, nachdem es eine Reihe prominenter Bewerber um das Präsidentenamt unter fadenscheinigen Vorwürfen aus dem Rennen geworfen hatte. Nichts Neues am Nil.
Neu war nur das Maß der Einschüchterung, mit der der 63-jährige al-Sisi die Konkurrenz kaltstellte, einen nach dem anderen. Nicht mal der 2011 gestürzte Langzeitdiktator Hosni Mubarak war so brachial mit Kontrahenten umgesprungen. Dessen letzter Ministerpräsident Ahmed Shafiq wurde nach Erklärung seiner Kandidatur Anfang Januar flugs von Dubai nach Kairo ausgeflogen und dort tagelang offenbar so unter Druck gesetzt, dass er das Vorhaben zurückzog. Als nächster knickte Mohammed Anwar al-Sadat ein, Neffe des 1981 ermordeten Präsidenten. In einem solchen Klima der Angst könne er nicht antreten, teilte er mit.
Wenig später traf es Ex-Generalstabschef Sami Anan. Der hatte in einem Kandidatenvideo den ewigen Krebsschaden der ägyptischen Gesellschaft allzu deutlich benannt: die Kontrolle der Armee über die Wirtschaft und Politik des Landes. Anan kam in Haft. Die Begründung: Er habe sich nicht mit der Armee abgestimmt und treibe „einen Keil zwischen Militär und Öffentlichkeit“.
Als letzten Anwärter nahmen sich die Sicherheitsbehörden den Anwalt Khaled Ali vor. Ein Gericht verurteilte ihn wegen einer „obszönen Geste“ bei einer Rede und die Polizei steckte Mitglieder seines Wahlkampfteams ins Gefängnis. „Diese Wahlen haben keine demokratische Bedeutung“, so seine resignierte Bilanz beim Rückzug von der Kandidatur Ende Januar.
Alis Anhänger, Menschenrechtler und Demokratie-Aktivisten, hatten zwar ohnehin nicht mit einem Wahlsieg gerechnet. Sie hofften aber auf mehr politische Räume und die Wiederbelebung der öffentlichen Debatte über Freiheit und Meinungsvielfalt. Um die steht es in Ägypten unter dem Ex-Geheimdienstchef al-Sisi schlechter denn je. „Die Situation ist viel schlimmer als unter Mubarak“, sagt Andreas Jacobs, langjähriger Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo. „Der Polizeistaat geht mit größter Härte gegen jeden Ansatz von organisierter Opposition vor. Deren Anführer sind tot oder sitzen im Gefängnis.“
Laut Amnesty International wurden seit al-Sisis Putsch 2013 gegen die Regierung der Muslimbrüder rund 60.000 Menschen aus politischen Gründen verhaftet. Allein 2017 sollen mehr als 100 Regimegegner hingerichtet worden sein. Von der gleichgeschalteten Presse hat der Diktator nichts zu befürchten. Die sozialen Medien, 2011 noch Treibriemen des Aufruhrs, überwacht die Geheimpolizei strenger denn je.
Dabei hatte der frühere Feldmarschall die Präsidentschaft 2014 als Hoffnungsträger übernommen. Doch die Wirtschaft des 100-Millionen-Volkes wächst viel zu langsam. Statt Investitionen in Gesundheit und Bildung plant der Autokrat lieber pharaonische Megaprojekte wie die neue Verwaltungshauptstadt Capital City in der Wüste. Auch den Terrorismus bekommt der Staat nicht in den Griff. Immer wieder gibt es besonders auf dem Sinai islamistische Attentate, die es gar nicht mehr in die westlichen Medien schaffen.
Zugleich würgt das Regime jeden Versuch gegen die weit fortgeschrittene Islamisierung in der Gesellschaft ab. Al-Sisi, den dunklen Gebetsfleck auf der Stirn, geriert sich ebenso als frommer Muslim wie als gutherziger Landesvater – und den Personenkult um sein onkelhaft dreinblickendes Konterfei hat er derweil auf die Spitze getrieben.
„Die Leute sind enttäuscht von ihm – aber es fehlt die Alternative“, bilanziert Jacobs. Trotzdem habe al-Sisi in Teilen des autoritätsgläubigen Volkes immer noch einen gewissen Rückhalt. Die Armee, deren Pfründe er sichert, steht hinter ihm – und das bedeutet in Ägypten fast alles. Die Großunternehmer sind auf seiner Seite, und auch die Kopten, immer wieder Ziel verheerender Terroranschläge, dürften ihn notgedrungen als das kleinere Übel sehen.
Als Gegenkandidat und unbeschriebenes Feigenblatt diente sich dem Präsidenten in letzter Minute Moussa Mostafa Moussa von der systemkonformen Ghad-Partei an. Die Peinlichkeit einer Alleinkandidatur bleibt al-Sisi somit erspart. Fürchten muss er höchstens, dass allzu viele Ägypter bei der Farce nicht mitspielen und die Wahlbeteiligung minimal ausfällt. Immerhin haben 600 Personen des öffentlichen Lebens trotz Polizeigewalt zum Boykott aufgerufen.

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Was ist dran an der Generation M?

Die Idee einer neuen muslimischen Generation, die von vorne führt und die Welt verändert, mag überraschend sein inmitten der gegenwärtig negativen Darstellung der globalen muslimischen Erfahrung. Generation M, der Spitzname dieser Vorreiter, ist jedoch sehr real. Und es ist auch der Titel eines neuen Buches von Shelina Janmohammed.
Mit mehr als fünf Prozent der Bevölkerung und einer Anzahl von drei Millionen insgesamt wurden Muslime in Großbritannien für verschiedene Menschen zu einer nennenswerten Kategorie –  wie etwa Sozialwissenschaftler oder Politiker auf der Suche nach Lösungen für Radikalisierung. Der Fokus des Buches verschiebt die Aufmerksamkeit weg von den negativen Aspekten der britisch-muslimischen Erfahrung; Fragen, die einer drängenden Lösung bedürfen. Während mehr als die Hälfte der britischen Muslime zu den zehn Prozent der Ärmsten des Landes gehören, gibt es eine wachsende Anzahl von Muslimen, die hochgebildet, aufstrebend und fähig sind sowie – und noch wichtiger – sich ökonomischen auf dem Halal-Markt beteiligen. Sie gelten als die neue Frontlinie der Beteiligung und des Engagements, aber auch als ein neuer Markt.
Jedoch, es ist etwas „faul im Staate Dänemark“. Ein Buch, das sich mit Muslimen im Aufschwung beschäftigt und ein detailreiches Narrativ von Engagement, Fortschritt und Aufklärung bietet, entwirft sorgfältig Vorlagen, die das wirtschaftliche Wohlergehen fördern, aber auch das Halal-Kapital im Jenseits. Mit Sicherheit mag jemand einwenden, das sei keine neue Perspektive. Es gab immer Muslime, die sich erfolgreich integrierten, Aufstieg nach oben sowie Partizipation erlangten und den Status des Kleinbürgers oder darüber hinaus erreichten. In dieser Hinsicht gab es immer muslimische Gruppen, die sich voneinander genauso wegbewegten wie von der kollektiven Gesellschaft.
Während dem wirtschaftlich nach vorne blickenden Segment der Muslime in Großbritannien Augenmerk geschenkt wird, bleibt es Tatsache, dass ehrgeizige und erfolge Personen einen begrenzten Anteil der gesamten Gruppe darstellen. Währenddessen leidet die Mehrheit unter den schädlichen Folgen von Deindustrialisierung, Neoliberalisierung und Marginalisierung.
Das unerbittliche Tempo der Modernisierung führt zu neuen Herausforderungen für Individuen, die auch Verbraucher sind. Eine Identität, die durch die Natur der eigenen Konsumgewohnheiten bestimmt wird, ist mehr denn je zu einem kraftvolleren, scharfen und weitblickenden Indikator der sozialen und kulturellen Beziehungen geworden. Der Massenkonsum erschient Seite an Seite mit Atomisierung, Individualismus und Voyeurismus. Markenbildung, Öffentlichkeitsarbeit, Markteinführung, Produktdifferenzierung, strategische Platzierung und Preisoptimierung sind alles Wettbewerbspraktiken, die auf die Verbesserung von Marktanteilen abzielen.
Daher ist Generation M auf einer grundlegenden Ebene ein Marketingkonzept. Es identifiziert eine Kategorie von Menschen, die von Werbefirmen im Dienste von Unternehmen zur Steigerung von Gewinnen identifiziert werden. Da die muslimische Bevölkerung in aller Welt wächst, wird sie als Möglichkeit für Marketing betrachtet. Sie ist ein Raum zur Erzielung enormer Profite und nicht notwendigerweise ein Weg, Menschen zusammenzubringen, die verschiedentlich von der Wechselhaftigkeit des Kapitalismus betroffen sind.
Kapitalismus wird kapitalistische Tendenzen reproduzieren, wenn er das Potenzial in Schwellenländern auszubeuten sucht. Das ist in der Form von mobilen, gebildeten, ehrgeizigen und finanziell relativ gut gestellten jungen Leuten der Fall. Sie wollen höhere Lebensstandards in Verbindung mit kultureller, spiritueller und wirtschaftlicher Integration in den globalen Mainstream.
Während in einer kapitalistischen Gesellschaft Erfolg gleichbedeutend mit Belohnung ist, werden diese Ergebnisse zugunsten derjenigen verzerrt, die mit größerem Kapital an den Start geht. Das ist ein ewiges Problem für politische Entscheidungsträger, für die die Gefahren des Monokapitalismus ständig gegenwärtig sind. Darüber hinaus ist dieser Marktliberalismus, wenn er ungehemmt bleibt, zügellos, unterscheidungslos und gnadenlos.
Heute ist nichts in Ordnung mit der neoliberalen Ordnung, dem Aufstieg des Brexitismus, des Trumpismus, der Verunglimpfung von Muslimen, dem Hass auf Einwanderer sowie der Verachtung von Vielfalt. All das reflektiert einen Zusammenbruch in der westlichen, liberalen Vorstellung.
Was wir beobachten, ist der lang anhaltende, langsame und gefühlt schmerzhafte Niedergang des Westens. Insbesondere, da China und andere östliche Mächte globale Macht zurück in den Osten bringen. Das neoliberale und hyperkapitalistische Scheitern ist unser Alltag geworden; elitärer, selbstsüchtiger und betrügerischer als je zuvor. Daher neigt ein ungezügelter und nicht eingehegter Kapitalismus dazu, überhaupt nicht „halal“ zu sein.
„Generation M“ ist ein ziemlich direkter Versuch, die Aufmerksamkeit von diesen alles andere als schmeichelhaften Ergebnissen abzulenken. Daher richtet die Autorin ihren Fokus darauf, wie Muslime kreative, opportunistische und entwicklungsfähige Möglichkeiten nutzen können, um zu ihrer Existenz in der Gesellschaft beizutragen. In sich ist dies eine kalkulierte Entscheidung, einen positiven Beitrag zu einer Gruppe in der Gesellschaft zu leisten, die selbst positive Beiträge leistet.
Das überzeugende Narrativ in dem Buch von Shelina Janmohammed ist die Vorstellung, dass dies nicht nur einfach ein Fall von verbesserter Integration unter heutigen jungen Muslimen ist. Hier besteht ein besonderer Fokus auf der Wiederaneignung von Identität, Spiritualität und menschlicher Verbindung durch Konsumdenken. Es handelt sich um das Vorhaben einer Neudefinition, was heißt, als muslimischer Verbraucher Mitglied einer Gesellschaft zu sein.
Die Essenz von „Generation M“ besteht darin, die Sicht zu präsentieren, dass Muslime per se keine problematische Kategorie seien. Vielmehr gebe es im gegenwärtigen Klima mit all seinen Negativenergien eine beträchtliche Menge junger Muslime, die wertvolle Beiträge dazu leisten, indem sie beispielsweise britisch, muslimisch und – interessanterweise – weltlich sind. Die Geschichte dieser Muslime wird ohne Kompromisse, Konfrontationen oder Zusammenschlüsse erzählt.
Die Nettowirkung von „Generation M“ besteht darin, dass sie Muslime ins Spiel bringt. Es ermöglicht bestimmten ökonomischen Innovationen, die Möglichkeiten zur Integration, dem sozialen Wohlergehen und der Normalisierung von Unterschieden in der Gesellschaft zu verbessern. Bei dem Buch handelt es sich um einen genuinen Ansatz, dieses Konzept als eine organische, aufstrebende und ideelle Vorstellung zu entwickeln, die geerdet, von unten nach oben und entwicklungsfähig ist.
„Generation M“ ist jedoch kein bloßes Handbuch zur Wirtschaft. Es hat die ernsthafte Absicht, auf die islamischen Aspekte von Integration zu schauen. Die Seiten dieses Buches sind gefüllt mit Anpassungen an wirtschaftliche Kriterien, um Maßstäbe des Islam zu erfüllen. Muslime werden hier ermutigt, eine größere Bedeutung ihres Handelns durch den Islam zu suchen. Aber das Ganze wird durch ein System betrachtet, in welchem Kapitalismus und Konsumententum als Triebkräfte dienen.
Obwohl all dies ein würdiges Unterfangen ist und das Ausmaß der Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten, in der Realität existiert, besteht eine Gefahr. Nämlich das Risiko der Zeichnung einer strahlenden und allzu glänzenden Perspektive der wirtschaftlichen und kulturellen Integration von Muslimen. Selbst für hochqualifizierte, sehr gut gebildete und artikulierte Muslime gibt es externe Risiken. Diese betreffen Diskriminierung und Marginalisierung. Sie beeinträchtigen dieses gesonderte Bevölkerungssegment, berühren aber auch Minderheiten im Allgemeinen.
An diesem Punkt hat die Autorin gute Arbeit geleistet. Sie trennt die Probleme einer ungezügelten kapitalistischen Gesellschaft und die Chancen, die sich aus dem Kapitalismus ergeben. Dieser führe nicht notwendigerweise zu einer Verringerung des Muslimseins. Im Gegenteil, in vielen Fällen führen solche Ansätze Gelegenheiten ein, die zur ökonomischen Integration beitragen, während der Halal-Aspekt bei Engagement und Partizipation erhalten bleibt. Architekten, Designer, Technikgurus, Autoren und Visionäre aller Art befinden sich an einem einzigartigen Ort, um eine besondere Rolle in der Gesellschaft zu spielen.
„Generation M“ konzentriert sich auf die Bemühung in Beziehung zum Muslimsein – als ein separater Ort für Erfindung, Innovation und Beschwörung inmitten einer mobilen, aufstrebenden Bevölkerungsgruppe. Währenddessen verbleibt mindestens die andere Hälfte der Muslime in den Tiefen eines marginalisierten Abgrunds.
Jedoch sollte das Buch nicht abgetan werden, weil es verzerrt ist. Tatsächlich ist sein Ziel, sich auf die Möglichkeiten, anstatt auf die Begrenzungen des Lebens zu konzentrieren. Aktive Teilnahme ist ein Weg vorwärts für alle, die gehört und verstanden werden wollen. Und aktive Partizipation ist für jene, die an der Spitze einer evolutionären wirtschaftlichen und kulturellen Praxis stehen. Die Folgen sind nicht bloß eine Verbesserung der gelebten Realität dieser Erneuerer. Sie schaffen auch externe Effekte, die eine positivere und vorwärtsweisende Vision eines engagierten Muslims präsentieren. Diese wiederum führen zu erweiterten positiven Effekten im Hinblick auf die Akzeptanz der Gruppe als Ganzer.
Shelina Janmohammed, Generation M: Young Muslims Changing the World, IB Tauris, ­London 2017, Taschenbuch, 340 Seiten, ISBN 978-1780769097, als Taschenbuch und Kindle verfügbar.

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Muslime auf der Buchmesse: mittendrin, statt nur dabei

Berlin (iz). Die gerade zu Ende gegangene Leipziger Buchmesse zählte in diesem Jahr 271.000 Besucher. Das waren zwar weniger als der angestrebte Besucherrekord von 300.000 Gästen, nichtsdestotrotz ist die bibliophile Messe ihrem Ruf als Ort für alle gerecht geworden, die Bücher und das Lesen lieben.
Wie bereits im letzten Jahr war die IZ wieder mit einem Messestand vertreten. An vier Tagen, in denen die Buchmesse für das Publikum geöffnet war, standen wir für Gespräche und Begegnungen bereit. Wie wichtig ein solches Angebot von muslimischer Seite ist, zeigen nicht nur die Tausenden Ausgaben unseres Magazins, die zur Mitnahme auslagen. Unter dem Motto „Die Welt mit muslimischen Augen sehen“ nutzten die unterschiedlichsten Charaktere die Chance, muslimische Beiträge kennenzulernen.
Für viele Besucher war die Möglichkeit, kostenlose Exemplare mitzunehmen, auch eine barrierefreie Chance, direkt in einen relevanten Austausch mit Muslimen zu treten. Nach Sätzen wie „Oh schau mal, ‘Islamische Zeitung‘“ oder „Schatz, da sind Muslime!“ bahnten sich oft interessante Gespräche an. Und es war gerade das unerwartete Treffen auf ein muslimisches Medium, das Menschen an den IZ-Stand brachte, die „dem Islam“ gegenüber entweder fern oder gar ablehnend eingestellt waren. Es war keine Seltenheit, dass manche mit – beinahe greifbaren – vorgefassten Ansichten über „den Islam“ oder „die Muslime“ zur IZ kamen und auf eine positive Weise erleben sollten, wie haltlos viele ihrer Vorurteile waren.
Was an einem signifikanten Anteil der Begegnungen auffiel: Dass zwischen den beiden Seiten nicht so sehr Allahs Din steht und dass es in allen (inklusive unseren eigenen) Köpfen nicht einmal darum ging. Als Beispiel mag ein Gespräch herhalten: Da kam ein gutbürgerlich-gebildetes Pärchen aus Sachsen an den Stand, das nach eigenem Bekunden „eher ‘konservativ’ und ‘rechts’“ sei. Der Islam „der Muslime“ sei für sie etwas Fremdes und „nicht kompatibel mit der deutschen Kultur“.
Es wurde schnell deutlich, dass sie innerlich schon auf die erahnte, vielleicht erhoffte, Konfrontation warteten. Als sich das Gespräch in einer anderen Richtung verlief (auch dank der IZ-Texte, die sich mit dem Verhältnis von europäischer Kultur zum Islam beschäftigen), fiel der erwartete „Clash“ aus. Danach war ein Austausch über die religiösen und spirituellen Grundlagen der Muslime möglich.
Was in Leipzig auffiel: Das – beiderseits gepflegte – Missverständnis, Islam oder Muslimsein seien eine wie auch immer geartete Größe, die den „Muslim“ vom „Deutschen“ (so als wäre dies ein Gegensatz) unterscheide. Aus welchen Gründen oder guten Argumenten auch immer liegt das nicht nur am kulturalisierten Rassismus, der den Muslim zum Anderen macht, sondern auch am innermuslimischen Selbstverständnis und Wirken.
Die diesjährige Leipziger Buchmesse hat die Grundüberzeugung der IZ-Redaktion erneut bestätigt: Das gemeinsame Gespräch ist unverzichtbar. Und es kann dabei helfen, Gräben zu überwinden sowie die Feindeslinien heutiger Echokammern aufzuweichen. Gerade in schwierigen Zeiten, wie sie die muslimische Community in Deutschland derzeit erlebt, sind Bemühungen zu einer echten Begegnung im Großen und Kleinen unverzichtbar. Wir sollten uns solche Gelegenheiten nicht entgehen lassen.

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Altbekanntes aus dem Heimatministerium

Bonn (KNA). Gehört der Islam zu Deutschland? Immer wieder kochen Diskussionen um diese Frage hoch. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Frage mehrmals zustimmend beantwortet – auch an diesem Freitag (den 16. März) wieder. Christdemokrat Wolfgang Schäuble sah ebenfalls den Islam als Teil Deutschlands und Europas an, als er 2006 im Amt des Bundesinnenministers erstmals zur Islamkonferenz lud.
Am stärksten im kollektiven Gedächtnis blieb der Satz vom damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff vier Jahre später. Er sagte: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Er sagte das am Tag der Deutschen Einheit. Und kaum ist die neue Bundesregierung im Amt, kommt die Debatte erneut auf – ausgelöst von Horst Seehofer (CSU), Innenminister und auch zuständig für Heimat.
Der neue „Superminister“ findet: „Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt.“ Zugleich sagte er der „Bild“-Zeitung am 16. März, dass hier lebende Muslime „selbstverständlich“ zu Deutschland gehörten. Seehofer will erneut Islamkonferenzen einberufen, um über Probleme bei der Integration zu diskutieren: „Meine Botschaft lautet: Muslime müssen mit uns leben, nicht neben oder gegen uns.“ Man müsse miteinander sprechen.
Jetzt wird erst einmal über den Islam und seinen Bezug zu Deutschland – Heimat auch für viele Muslime – gesprochen. Manch einer nennt das mit Blick auf Seehofers Heimat Bayern Wahlkampf. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte gar im SWR: Die CSU mache „Wahlkampf für die AfD“. Deren Vorsitzender Alexander Gauland bezeichnete den Satz umgehend als ureigene Linie seiner Partei.
Andere Politiker nennen die neue Diskussion überflüssig – so etwa FDP-Chef Christian Lindner. „Weder verlangt irgendwer die Übernahme islamischer Sitten, noch ist das Christentum Staatsreligion“, sagte er der „Rheinischen Post“ am 17. März. Der religionspolitische Sprecher der Fraktion, Stefan Ruppert, sprach von einer „Pseudodebatte“. Man dürfe „nicht naiv die Augen davor verschließen, dass es Auswüchse des radikalen und militanten Islamismus“ hierzulande gebe, betonte Ruppert. Seehofer solle sich „um die Durchsetzung des geltenden Rechts kümmern“. Scharfe Kritik kam von Grünen und der Linken.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag): „Wir brauchen eine sachliche Debatte darüber, nach welchen Regeln und welchem Werteverständnis wir in Deutschland zusammenleben wollen.“ Die Religionsfreiheit müsse geschützt werden.
Zustimmung erntete Seehofer nicht nur von einigen Unionspolitikern und seinem Nachfolger als Ministerpräsident in Bayern, Markus Söder, sondern auch aus der SPD. So sagte die brandenburgische Landtagsabgeordnete Kerstin Kircheis im rbb-Inforadio, sie gehe davon aus, dass Seehofer den politischen Islam meine: „Der gehört generell nicht zu Deutschland.“ Aus Sicht des sachsen-anhaltischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Andre Poggenburg gehört der Islam nicht zu Deutschland – „im Gegensatz zu gut integrierten und rechtstreuen Muslimen in unserem Land.“
Und die Kanzlerin? Sie bekräftigte ihre Haltung: Der Islam gehöre zu Deutschland, wo etwa vier Millionen Muslime lebten. Die Bedeutung der Islamkonferenz betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. Diese solle fortgeführt werden. Ziel sei ein harmonisches Verhältnis der Glaubensrichtungen, dazu seien Austausch und gegenseitiger Respekt nötig. Darin sei sich die Bundesregierung einig – und dies könne auch aus dem Interview mit Seehofer gelesen werden. Innenamtssprecher Johannes Dimroth beteuerte, aus der „Meinungsäußerung“ Seehofers folge „mitnichten eine Neuordnung der Politik“.

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Muslime nahmen Stellung, wie reagiert die Politik?

Berlin (iz). In einer Bundespressekonferenz haben die drei großen Dachverbände der Muslime in Deutschland Position bezogen. In ihren Stellungnahmen machten die drei Verbandsvertreter klar, dass eine klare Reaktion der Bundespolitik auf die Bedrohungslage gegenüber Muslimen vermisst wird. Die kurzfristig angerufene Pressekonferenz war recht gut besucht. Offensichtlich gibt es in der deutschen Presselandschaft ein Interesse an Information aus erster Hand.
Neben dem allgemeinen Aufruf zur gesellschaftlichen Solidarität gab es auch konkrete Anmerkungen und Vorschläge. Burhan Kesici (Islamrat) kritisierte, dass „die Sicherheitsbehörden auf Angriffe auf Moscheen nicht ausreichend vorbereitet“ seien und Zekeriya Altug (DITIB) forderte einen speziellen Beauftragten für Islamfeindlichkeit in der Regierung.
Altug klärte in seinem Beitrag zudem über die Mär von angeblichen politischen Tiraden in DITIB-Freitagspredigten auf. Er wies darauf hin, dass es auf privater Ebene vereinzelte umstrittene Stellungnahmen von DITIB-Mitgliedern gegeben habe, welche der Verband aber selbst kritisiere und als Positionen nicht teile.
Einig waren sich die Vertreter, dass sie das eigentliche Problem für die Sicherheitslage im wachsenden rechtspopulistischen Potential in Deutschland sehen. Aiman Mazyek (Zentralrat) hob hervor, dass die Lage der Muslime in Deutschland in erster Linie ein innenpolitisches Problem und – aus seiner Sicht – eine Einmischung der Türkei grundsätzlich nicht hilfreich sei.
Indirekt nahmen die Verbände mit ihrer gemeinsamen Stellungnahme auch innermuslimische Kritik an einer fehlenden Koordination der Stellungnahmen von muslimischen Verbänden auf. Man wird sehen, ob die gemeinsame Sorge über die Zukunft der Muslime in Deutschland hier zu einer Wiederbelebung des Koordinationsrates der Muslime führen könnte, einer Interessenvertretung, die eigentlich das Gespräch mit der muslimischen Zivilgesellschaft und der deutschen Öffentlichkeit suchen will.

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„Weißes Pulver“: Das Maß des Erträglichen überschritten

Berlin (iz). Die Sicherheitslage in Deutschland ist angespannt. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, kann ein Lied davon singen. Schon länger klagt der prominente Muslim über die allgemeine Zunahme von Gewaltdelikten gegenüber Moscheen und Muslimen in Deutschland, aber auch über persönliche Bedrohungen.
Trauriger Höhepunkt dieser Kampagne ist nun ein konkreter Mordaufruf, offensichtlich aus dem rechten Milieu, der nun zur Schließung des Kölner ZMD-Büros führte. Gerade Mayzek spürt, dass nach sprachlichen Eskalationen gegen seine Person auch konkrete Anschläge zu befürchten sind.
„Wir fühlen uns nicht ausreichend geschützt“, sagte Mazyek dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es wäre tatsächlich bemerkenswert und ein fatales Zeichen, wenn ein Dachverband deutscher Muslime – mangels ausreichenden Schutzes – praktisch in den Untergrund getrieben würde. Bisher haben auch die Berliner Behörden nur angeboten, ab und zu einen Streifenwagen zum Wohnsitz des ZMD-Vorsitzenden vorbei zu schicken. Das ist offensichtlich zu wenig.
Es mag zur Realität gehören, dass es auch für Muslime leider keine absolute Sicherheit in diesem Land geben kann. Aber, und darum geht es hier: Der Staat muss klare Signale senden und zumindest wichtige Symbole des Islam in Deutschland, seien es Moscheen oder Personen, auch sichtbar schützen. Solidarität ist nun angesagt. Die letzte Aktion gegen Aiman Mazyek hat das Maß des Erträglichen überschritten.

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Helm ab zum Gebet? Wunsch nach Bundeswehrimamen bisher unerfüllt

(KNA). Die meisten öffentlichen Stimmen sprechen sich für eine muslimische Seelsorge bei der Bundeswehr aus. Doch es gibt noch Hürden. Nach den Worten des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), […]

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Rainer Maria Rilke: Dichter auf der Suche

Da aber als in sein Versteck der Hohe, sofort Erkennbare: der Engel, trat, aufrecht, der lautere und lichterlohe: da tat er allen Anspruch ab und bat bleiben zu dürfen der […]

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