Als würdest du Ihn sehen..

(iz). Wie flach wäre ein Apfel ohne die Dimension der Tiefe? Oder eine Honigmelone. Die Natur um uns, unsere Umwelt, unser Wohnzimmer, unser Schokoriegel – sie alle bestehen aus den drei Dimensionen, die wir gewohnt sind. Sie ergeben damit das vollständige Abbild der Objekte. So nehmen wir sie als real wahr und erfahren sie. Beim menschlichen Charakter sprechen wir aber ebenfalls von „Tiefe“. Gedanken können „tief“ sein, Gedichte, Malereien, Anekdoten und sogar Witze.
Wenn ich über Tasawwuf spreche, mag ich es, dieses Gleichnis zu verwenden, denn es führt uns vor Augen, dass der Islam eine mehrdimensionale Religion ist. Jede dieser Dimensionen ist existenziell für sein Wesen.
In der bekannten Prophetenüberlieferung erscheint der Engel Gabriel (arab. Dschibril) in Form eines Menschen beim Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, und stellt ihm Fragen – um dessen Gefährten zu errichten.
Erst fragte er nach dem Islam, den der Gesandte Muhammad mit den fünf Säulen definierte. Er wurde dann nach dem Iman befragt und erwähnte hier sechs Glaubenssätze. Wer diese Prophetenüberlieferung nachlesen möchte, solle beispielsweise in die 40 Hadithe von Imam an Nawawi schauen.
Ich lege den Fokus nun auf das dritte Anliegen Gabriels; „Berichte mir vom Ihsan“, fragte der Engel und erhält folgende hermetische und „tiefe“ Antwort: „Es ist, dass du Gott anbetest, als würdest du Ihn sehen. Denn, auch wenn du Ihn nicht sehen kannst, so sieht Er dich doch.“
Behalten wir diese Erklärung im Hinterkopf. An dieser Stelle machen wir die spannende Entdeckung, dass die islamischen Wissenschaftsdisziplinen – analog zu dieser Überlieferung – strukturiert sind. Im Fiqh behandelt man unter anderem die Frage nach normativer Korrektheit und Gültigkeit der Gottesdienste – zu Beginn vor allem die „fünf Säulen“ –, womit der Bereich des Islams behandelt wäre. In der Wissenschaftsdisziplin der ‘Aqida geht es um die Erörterung der islamischen Glaubenssätze – also des Iman.
Wo ist nun aber Raum für den Ihsan? Vor allem, wie gelingt es überhaupt, aus der gegebenen Antwort eine Disziplin – geschweige denn eine Wissenschaft – zu entwickeln? Worum soll es dabei gehen?
Wir bräuchten nun eine Definition und wollen uns dabei einer sehr ursprünglichen, einer indigenen bedienen: „Tasawwuf ist guter Charakter. Wer dir also zu besserem Charakter verhilft, der verhalf dir zu mehr Tasawwuf“, so lautet sinngemäß eine Definition von Imam Al-Dschunaid . Das erinnert uns natürlich sofort an die Prophetenüberlieferung, die ihrem Sinn nach lautet: „Nichts wiegt schwerer in der Waage als der gute Charakter.“
Wir sehen hier also Ideale formuliert sowie Tugenden wie die Entwicklung und Erhaltung guter Charaktereigenschaften; oder die Anbetung Allahs, als würde man Ihn sehen. Da man Ihn nicht sieht, solle man wissen, dass Er einen sieht. Doch wie kommt man dahin?
Dies sind innere Dimensionen, die in Zeiten einer beschleunigten und hektischen Welt, in der wir uns immer mehr von uns selbst entfremdet haben, unklar erscheinen. Wie wollen wir uns selbst bessern, uns zu besseren Menschen erziehen, wenn wir uns fremd sind? Wie schaffen wir es, unser rituelles Gebet von einer maschinellen Bewegungsabfolge in eine immer wiederkehrende, dynamische und spirituelle Reise zu verwandeln? Egoismus, Gier, Neid und Hass durch Nächstenliebe, Genügsamkeit und Barmherzigkeit zu ersetzen? Im Tasawwuf findet man hierzu eben keine kostenlosen Pauschalantworten, sondern individuelle Wege der Selbsterziehung, die Anstrengung (Dschihad) bedeuten.
Und exakt darum geht es; sich selbst zu „erziehen“. Dabei ist der Begriff der Nafs zentral. Es handelt sich hier um unser Ego, unser Selbst, ja teilweise sogar dem Äquivalent der unserer Psyche. Sie ist Träger unserer Triebe und Neigungen und Islam lehrt uns die Mäßigung in all unseren Trieben und Neigungen, denn nur durch eine Ausgeglichenheit kehrt der Friede in uns ein.
So verhilft uns der Tasawwuf auch dazu und somit wird hier langsam deutlich, was es damit auf sich hat. Tasawwuf ist kein Sufiorden, kein Derwischtanz und keine ekstatische Meditation – auch wenn dies Elemente sein „können“. Er ist dennoch viel pragmatischer als all dies und ebnet einen Weg im Streben nach Gott, der erst durch einen Selbst führt. Denn nur wer sich selbst erkennt, erkennt seinen Herrn. Und aller Dank und alles Lob gebühren Gott, dem Herrn aller Welten.

Verbot befürchtet

(GfbV). Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zeigt sich besorgt über eine mögliche Schließung der krimtatarischen Selbstvertretung, dem Medschlis. „Der Medschlis ist das nationale und internationale Sprachrohr der Krimtataren. Ihn zu schließen, wäre ein weiterer Versuch Russlands, die indigene Minderheiten auf der Krim mundtot zu machen“, warnt Sarah Reinke, GUS-Referentin der internationalen Menschenrechtsorganisation in Berlin.
Der Medschlis steht für den Widerstand gegen die Annexion der Krim durch Russland – immer gewaltfrei, aber konsequent und dauerhaft. Seit März 2014 verfolgen und schikanieren die pro-russischen Behörden den Medschlis und seine Mitglieder daher: Im Anschluss an die Annexion wurden Einreiseverbote gegen wichtige Politiker wie Mustafa Dschemilew und Refat Tschubarow, den aktuellen Medschlis-Präsidenten, ausgesprochen.
Zudem werden der Medschlis und seine Vertreter seit Herbst 2014 von Politikern und pro-russischen Medien als „radikal“, „extremistisch“ und „terroristisch“ bezeichnet. Selbst das Gerücht, der Medschlis würde Kämpfer des „Islamischen Staates“ rekrutieren, wurde in Umlauf gebracht. Hausdurchsuchungen, willkürliche Festnahmen und Befragungen durch den russischen Inlandsgeheimdienst FSB sind für Medschlis-Mitglieder an der Tagesordnung. Der Vizepräsident des Medschlis, Achtem Chijgoz, ist sogar seit dem 29. Januar 2015 in Haft.
Nun beginnt am 10. März vor dem Obersten Gericht auf der Krim das Verfahren gegen den Medschlis. Die de facto Staatsanwältin der Krim, Natalja Poklonskaja, hatte am 15. Februar die Schließung des Medschlis beantragt, den sie anklagt, eine „extremistische Organisation“ zu sein. Auf über 600 Seiten und in zehn CDs beschuldigt sie die Institution und seine Mitglieder des „Extremismus“, weil diese die nationalen und politischen Rechte der Krimtataren wiederherstellen und ihr Recht auf Selbstbestimmung wahren wollen.
„Der Medschlis der Krimtataren hat 2.300 Mitglieder. Sie alle wären in akuter Gefahr, wenn das Gericht am 10. März in Simferopol die Entscheidung trifft, diese Selbstorganisation der Krimtataren zu verbieten.“ Daher erwartet der Medschlis, dass sich deutsche Politiker hinter ihn stellen und gegen eine Schließung protestieren, erklärt Reinke.

Wasser als Waffe

Mossul, Ramadi, Haditha: Mehrere Staudämme hat der „Islamische Staat“ bereits angegriffen. Laut Wissenschaftlern setzen die Terroristen Wasser verstärkt als Waffe ein. Die Folgen können tödlich sein – auch in Europa.
Bonn (KNA). Hinrichtungen vor laufender Kamera, gesprengte Welterbestätten, blutige Anschläge mitten in Europa: Die IS/Daesh schockiert immer wieder neu. Das gilt nicht nur für medienwirksame Gewalttaten. Weitgehend unbeachtet haben die Terroristen in Syrien und im Irak strategisch bedeutsame Wasserressourcen und weite Teile der Wasser-Infrastruktur unter ihre Kontrolle gebracht. Wissenschaftler sprechen von neuen Standards der Militärtaktik.
Das kostbare Gut wurde immer wieder als Waffe eingesetzt. So ließ der irakische Diktator Saddam Hussein in den 1990er Jahren das Marschland trockenlegen, um die Bevölkerung für einen Aufstand gegen sein Regime zu bestrafen. „Historisch betrachtet war der Einsatz von Wasser als Waffe jedoch immer die Ultima Ratio“, sagt der Nahost-Experte Tobias von Lossow. Seit der Verabschiedung der Genfer Konvention sei diese Waffe sogar fast verschwunden, „oder die Akteure haben sich zumindest nicht mit ihrem Einsatz gebrüstet“.
Nun erfahre die systematische Instrumentalisierung von Wasser eine Renaissance, so der Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik. Der Kampf ums Wasser sei eines von vielen Beispielen für die Enthemmung in den Konflikten in Nahost. Von Lossow zieht drastische Vergleiche: Das Ausmaß an Brutalität, mit der die IS-Terroristen vorgingen, erinnere an den Völkermord in Ruanda. Und: Wer Wasser kontrolliere, könne eine dramatische Drohkulisse aufrecht erhalten – „ähnlich der Wirkungslogik einer Atombombe“.
Schon Mitte vergangenen Jahres warnte etwa das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik, dass alle Parteien im syrischen Bürgerkrieg Wasser und Strom strategisch einsetzten. Am stärksten systematisch gehe der IS vor, sagt von Lossow. So befinden sich mehrere Talsperren in der Hand der Terroristen, darunter die bei Falludscha, Samarra und Ramadi. Zeitweise haben sie bereits einzelne Städte von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten oder aber mit gezielten Überflutungen ganze Ernte- und Nutztierbestände vernichtet.
Greifbar wird die Bedrohung auch für Europa, wenn der Politikwissenschaftler über eine weitere Möglichkeit spricht, Wasser als Waffe einzusetzen: durch Verunreinigung oder Vergiftung. Aus mehreren Orten in Nahost gab es bereits Berichte über vergiftetes Trinkwasser, und der IS hält seine Anhänger dazu an, dem Beispiel andernorts zu folgen. Ein Anschlag auf die Wasserversorgung der kosovarischen Hauptstadt Pristina konnte im vergangenen Sommer nur knapp verhindert werden.
Im Nahen Osten selbst befinde sich Daesh allerdings in einem Zielkonflikt, erklärt von Lossow weiter. Die Organisation will ein Herrschaftsgebiet errichten, ist also „an einer Übernahme von Staatsfunktionen und somit an einer nachhaltigen Nutzung der Ressourcen interessiert.“ Tatsächlich lasse der IS inzwischen auch Leitungen instand setzen, Wasserspeicher anlegen und Brunnen bohren.
Dieses Beispiel veranschaulicht, dass der IS sich einerseits als terroristische Vereinigung versteht, aber eben auch als „Quasi-Staat“. Ähnlich erklärten Terrorismus-Experten einen anderen Fall, der zu Wochenbeginn für Schlagzeilen sorgte: Der Miliz waren geheime Dokumente mit den Namen ausländischer Kämpfer abhanden gekommen. Das Bundeskriminalamt will sie laut Medienberichten zur Strafverfolgung von IS-Rückkehrern nutzen.
Der Einsatz von Wasser als Waffe verstößt gegen das Völkerrecht. Dennoch können die Vereinten Nationen nach Einschätzung von Lossows nicht viel tun: „Die Ächtung durch die Staatengemeinschaft, Appelle oder Sanktionen greifen nicht.“
Einzig militärisches Eingreifen habe bislang Wirkung gezeigt – berge aber auch eine entscheidende Gefahr: „Das Risiko, dass der IS Wasser als Massenvernichtungswaffe einsetzt, steigt, wenn er militärisch zurückgedrängt wird.“ Wenn die Miliz zu scheitern drohe und sich – ihrer eigenen Ideologie zufolge – in der finalen Schlacht mit den Feinden befinde, seien ihr eine Dammsprengung oder die Öffnung aller Schleusen zuzutrauen, so von Lossow. Was dann drohe, sei „ein sprichwörtlicher Untergang der betroffenen Regionen.“

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Muss es immer ein Minarett sein?

Der Bamberger Islamwissenschaftler Lorenz Korn vermisst eine Debatte über die Architektur von Moschee-Neubauten in Deutschland. Es scheint, dass sogar die muslimischen Gemeinden selbst unsicher sind, was sie mit ihren Bauwerken […]

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EU-Gipfel in der Krise

Die Zustrom von Flüchtlingen in die EU nimmt nicht ab – im Gegenteil. Nun soll ein erneuter EU-Gipfel mit der Türkei Lösungen in der Krise bringen. Die Aussichten sind düster. Der türkische Präsident Erdogan warnt davor, die Türken für „Dummköpfe“ zu halten.
Istanbul/Athen (dpa). Vor den Kameras beteuern Vertreter der EU und der Türkei ihren Willen zur Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise. Wie es ohne Kameras zugehen kann, darüber vermittelt das Protokoll eines Treffens des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit den EU-Spitzen einen Eindruck. In dem Papier, das eine griechische Webseite veröffentlicht und dessen Echtheit Erdogan bestätigt hat, wirkt EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wie ein Bittsteller – der von Erdogan rüde abgekanzelt wird. Erdogan drohte bei dem Gespräch vor dem ersten EU-Türkei-Gipfel Ende November: „Wir können die Türen nach Griechenland und Bulgarien jederzeit öffnen.“
Gut drei Monate später steht am Montag der zweite EU-Türkei-Gipfel in der Flüchtlingskrise an – und eine Lösung ist immer noch nicht in Sicht. Unbestritten ist, dass eine solche Lösung kaum denkbar ist, wenn die politische Führung in Ankara nicht kooperiert: Die Türkei bleibt das wichtigste Transitland für Flüchtlinge in die EU und hat inzwischen selbst mehr als 2,5 Millionen Syrer aufgenommen.
Im vergangenen Monat setzten nach UN-Angaben 55 222 Flüchtlinge von der türkischen Küste zu den griechischen Ägäis-Inseln über – fast zwanzig Mal mehr als im Februar des vergangenen Jahres.
Zwar hat die Türkei mit der Umsetzung einzelner Punkte des Aktionsplans begonnen, der beim November-Gipfel mit der EU beschlossen wurde. Entschärft hat das die Krise aber nicht. Allerdings hat auch die zerstrittene EU bislang kaum etwas geliefert. Von einer Entlastung der Türkei kann keine Rede sein.
Stattdessen fordert Brüssel von Ankara, weiterhin Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, diese aber nicht weiterreisen zu lassen. „Nichts für ungut, aber auf unserer Stirn steht nicht „Dummkopf“ geschrieben“, polterte Erdogan kürzlich. Zugleich machte er klar, dass die Türkei Flüchtlinge nicht zum Verbleib im Land zwingen wird.
Zwar wurde beim Gipfel im November beschlossen, die festgefahrenen Verhandlungen mit dem Dauer-Beitrittskandidaten Türkei wieder in Fahrt zu bringen. Eine Mitgliedschaft steht aber in den Sternen. Und neuer Zwist droht im Herbst: Die EU hat den Türken im Gegenzug für ein Entgegenkommen in der Flüchtlingskrise Visa-Erleichterungen für Reisen in den Schengen-Raum von Oktober an in Aussicht gestellt. Die Regierung in Ankara hat das aber als Zusage für visafreies Reisen interpretiert (und der Bevölkerung auch so vermittelt).
Auch von den drei Milliarden Euro, die die EU der Türkei zugesagt hat, ist noch kein einziger Cent geflossen. „Ohne Anreize wird Erdogan den Flüchtlingszustrom nicht stoppen“, sagt ein europäischer Diplomat, der ungenannt bleiben will. „Und drei Milliarden Euro sind kein Anreiz, sondern eine Anzahlung. Das sind ganz andere Summen, die wir jährlich zahlen müssten.“ Der Diplomat fügt hinzu: „Erdogan schenkt uns das doch nicht. Der schenkt uns gar nichts.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel bemüht sich angesichts des wachsenden Drucks zu Hause mit großem Engagement um die Kooperation der Türkei. Vor einem Monat kam sie in Ankara wieder mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und mit Erdogan zusammen. Sie einigten sich unter anderem darauf, die Nato einzuschalten. Der Einsatz in der Ägäis ist zwar beschlossen, die Modalitäten werden aber immer noch verhandelt.
Griechenland ist zwar selbst an dem Einsatz beteiligt, verbindet mit der Operation aber keine großen Hoffnungen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, jetzt werde auch das Bündnis sehen, was sich in der Ägäis seit Jahren abspielt: Wie täglich Dutzende Schlauchboote selbst bei schlechtem Wetter von der Türkei aus nach Lesbos, Chios oder Samos kämen. Zweifel hat Athen auch daran, ob die Türkei – wie vereinbart – tatsächlich Flüchtlinge zurücknimmt, die Nato-Schiffe aus Seenot bergen. „Das möchte ich sehen“, sagte ein Offizier der Küstenwache.
Griechenland hat bereits 2002 ein Rücknahmeabkommen mit der Türkei abgeschlossen. Ein solches Abkommen, das die Türkei zur Rücknahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten verpflichtet, möchte auch die EU im Juni in Kraft treten lassen. Die widersprüchlichen Angaben aus Athen und Ankara zur Umsetzung des bilateralen Vertrages lassen ahnen, wie schwierig das Verhältnis zwischen den Nachbarn ist. Athen gibt an, die Türkei nehme nur 1,5 Prozent der Migranten zurück. Aus Ankara heißt es dagegen, man habe einer Rücknahme in 20.000 Fällen zugestimmt – Griechenland habe aber nur 4.000 Menschen geschickt.

Triumph mit evangelikaler Hilfe

Obwohl Donald Trump bei den Republikanern als wenig religiös gilt, konnte er am „Super Tuesday“ in mehreren Hochburgen der Evangelikalen gewinnen. In der „Grand Old Party“ führt nun kaum noch ein Weg an ihm vorbei.
Washington (KNA). Eigentlich hätte der „Super Tuesday“ der Tag von Ted Cruz werden sollen. Der erzkonservative US-Präsidenschaftsanwärter der Republikaner ist Sohn eines aus Kuba eingewanderten Erweckungspredigers. Unter den protestantischen Rechten hat der texanische Senator viele Anhänger. Das Mitglied der „Southern Baptists“ bietet mehrere hundert Pastoren auf, die seine Ambitionen unterstützen, und verfügt über eine Armee freiwilliger Wahlhelfer aus evangelikalen Gemeinden.
Scheinbar ideale Voraussetzungen also, um in den evangelikalen Hochburgen im Süden der USA zu triumphieren, in denen am Dienstag Vorwahlen stattfanden. Doch am Ende hieß der Sieger einmal mehr: Donald Trump. Und das, obwohl laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew die Mehrheit der US-Konservativen Trump für „nicht besonders“ oder „gar nicht religiös“ hält. Grundlos ist der Argwohn freilich nicht: So erwies sich der 69-Jährige jüngst bei einem Vortrag vor religiös-konservativen Studenten als wenig bibelfest und verwechselte bei einem Kirchenbesuch während des Wahlkampfs in Iowa einen Kommunion- mit einem Spendenteller.
Zuletzt sorgte der Milliardär obendrein mit Kritik an Papst Franziskus und dessen Mexikoreise für Schlagzeilen. Überhaupt wirbt der Presbyterianer eher mit wenig christlichen Versprechen für sich – mit dem Bau einer Mauer, der Abschiebung von elf Millionen Einwanderern und der Rückkehr zur Folter im Kampf gegen den Terror. Trotzdem bleibt er beim Kampf ums Weiße Haus der wichtigste Herausforderer für die etablierte Demokratin Hillary Clinton. Vor allem sein Vorschlag, keine Muslime mehr ins Land zu lassen, kommt bei vielen gut an: 85 Prozent der Trump-Wähler sind von dieser Idee begeistert. Über die fehlende Bibelfestigkeit ihres Favoriten sehen sie offenbar geflissentlich hinweg.
Am Superwahltag erhielt der umstrittene Quereinsteiger erneut Unterstützung aus nahezu allen Bevölkerungsgruppen, von Evangelikalen ebenso wie von Geringverdienern und höher Gebildeten. Mit seinen Erfolgen in den Bundesstaaten Georgia, Alabama, Massachusetts, Virginia, Tennessee, Vermont und Arkansas dürfte Trump seinen Gegnern neues Kopfzerbrechen bereiten. Nicht zuletzt die republikanische Parteiführung, die viel lieber den als gemäßigt geltenden Senator Marco Rubio aus Florida als Sieger sähe, wird sich neu orientieren müssen.
Am politischen Rabauken Trump führt im Lager der Republikaner kaum noch ein Weg vorbei. Rubio überzeugte am Dienstag erneut nicht beim Wähler und konnte lediglich in Minnesota einen Sieg verbuchen – sein erster überhaupt in den Vorwahlen. Cruz errang immerhin den wichtigen Staat Texas sowie Oklahoma und Alaska. Nach seinem Sieg in Iowa zum Vorwahl-Auftakt hat Cruz damit vier Siege auf seinem Konto. Doch an Trump mit seinen bisher zehn gewonnenen Staaten reicht er bei weitem nicht heran.
Dass sich dieser Trend bald umkehren könnte, ist eher unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Trump deutete während einer Pressekonferenz am Dienstag an, dass er – als Zugeständnis für das Establishment – durchaus auch staatsmännisch auftreten kann. Mit konziliantem Unterton sagte er: „Ich bin jemand, der die republikanische Partei zusammenbringen wird, auch wenn das kaum jemand glaubt.“

Hass in den USA

Im US-Bundesstaat Oklahoma wird einem amerikanischen Armeeangehörigen der Zugang zu einem Schießstand verwehrt – weil er Muslim ist. Der Fall geht nun vor Gericht. Mitten im Wahlkampf.
Muskogee (dpa). Als sich der muslimische US-Armeeangehörige Raja’ee Fatihah für eine Schießübung anmelden will, blickt er plötzlich in die Läufe zweier Pistolen. Ob er vorhabe, im Namen des Dschihad eine Gewalttat zu begehen, fragen ihn die Inhaber eines Schießstandes im US-Bundesstaat Oklahoma. Sie fordern ihn auf, das Gelände zu verlassen. Der Schießstand sei eine „muslimfreie Einrichtung“.
Die Diskriminierung von Muslimen habe im US-Bundesstaat Oklahoma in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, sagt einer der größten Muslimverbände der USA. Landesweit steige die Zahl der Hassverbrechen gegen Muslime. Das Council on American-Islamic Relations (CAIR) sieht eine zunehmende islamfeindliche Rhetorik als Grund. Nur etwa ein Prozent der US-Bevölkerung sind Muslime.
Im US-Präsidentschaftswahlkampf machte sich der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump die Angst vor islamistischen Terroranschlägen zunutze und forderte ein Einreiseverbot für Muslime.
Inzwischen erklärten sich immer mehr Geschäfte in den USA zu „muslimfreien Zonen“, stellt CAIR fest. Der Muslimverband forderte das US-Justizministerium auf, sich mit dem Problem zu beschäftigen.
Die Klage von Raja’ee Fatihah gegen den Schießstand könnte politische Signalwirkung entfalten in der Diskussion um die Rechte von muslimischen US-Bürgern. „Ich sollte dieselben Rechte gewährt bekommen wie alle anderen“, teilte der 29-jährige Sportschütze mit. Er ist als Ermittler für den Bundesstaat Oklahoma tätig, wenn er nicht im Militärdienst ist. Fatihah arbeitet für eine Einheit, die sich mit Zivilangelegenheiten beschäftigt.
Im Oktober 2015 wollte das Mitglied der US Army Reserve am Schießstand „Save Yourself Survival and Tactical Gun Range“ in der Nähe seines Wohnortes Tulsa den Umgang mit der Waffe trainieren. Er habe bereits vorher gewusst, dass Muslime auf der Anlage nicht willkommen sind. Mit seinem Besuch habe er dem „Etikett Muslim“ ein Gesicht geben wollen, sagt Fatihah.
Bei seiner Klage gegen die beiden Schießstand-Betreiber erhält der gebürtige US-Bürger Unterstützung von den Oklahoma-Landesverbänden des Muslimverbandes CAIR und der American Civil Liberties Union (ACLU). Die Organisationen haben eine Unterlassungsklage beim Bezirksgericht in Muskogee eingereicht.
Sie berufen sich auf einen Verstoß gegen den „Civil Rights Act“, einem wichtigen Anti-Diskriminierungsgesetz von 1964. Religiöse Diskriminierung habe in den heutigen USA genauso wenig verloren wie die Trennung aufgrund von Hautfarben, sagt Brady Henderson, Rechtsexperte der ACLU.
Die Betreiber des Schießstandes weisen den Vorwurf der religiösen Diskriminierung von sich. Fatihah habe sich streitlustig verhalten. Bei der Angelegenheit handle es sich um eine Frage öffentlicher Sicherheit, ließen sie über ihren Anwalt mitteilen.
„Das Gesetz kann von einem Schießstand nicht verlangen, den nächsten Dschihadisten zu trainieren“, heißt es in einer Stellungnahme auf der Facebookseite der Anlage. Zudem wärmen die Beschuldigten den seit Jahren unbestätigten Vorwurf wieder auf, der muslimische CAIR-Verband sei eine terroristische Organisation.
In einem ähnlichen Rechtsstreit mit einem Waffengeschäft in Florida im vergangenen Jahr war CAIR nicht erfolgreich. Wie die „Washington Times“ berichtet, konnte der Muslimverband nicht ausreichend nachweisen, dass seine Mitglieder durch den anti-islamischen Grundsatz des Ladens geschädigt wurden. Muslime dürfen dort weiterhin keine Waffen kaufen.