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Lagebild von CLAIM Allianz: Mehr als zwei antimuslimische Vorfälle pro Tag

Saba-Nur Cheema Muslimfeindlichkeit CLAIM

Muslimfeindlichkeit: Wie die CLAIM Allianz in ihrem Lagebild veröffentlichte, kommt es zu zwei Übergriffen pro Tag. Berlin (CLAIM Allianz). Täglich finden im Schnitt mehr als zwei antimuslimische Übergriffe in Deutschland statt, darunter Diskriminierungen, […]

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Debatte(n) nach Silvester: Erneut wird Kriminalität „migrantisiert“

Brandanschlag Razzia IS cuxhaven Polizei

(iz). Kriminolog:innen und Soziolog:innen schütteln wahrscheinlich seit Neujahr wie Wackeldackel ununterbrochen den Kopf, wenn sie sich die Berichterstattung zur Silvesternacht in Berlin anschauen. Parallel sprechen manche Politiker- und Journalist:innen seit Neujahr in Dauerschleife über die vermutete Herkunft der Täter. So, als ob die Herkunft erklären würde, warum überwiegend Jugendliche und junge Männer mit (illegalen) Böllern und Raketen auf Polizei- und Feuerwehrkräfte in der Silvesternacht geschossen haben. Diese Diskussion ist nicht wissenschaftlich, sondern rassistisch.

Das kleine Einmaleins der Forschung besagt: Die ethnische Herkunft führt nicht zur Kriminalität, sondern die soziale Herkunft. Die meisten Täter sind also vermutlich bildungsfern, sozial abgehängt und wirtschaftlich schlecht gestellt. Statt darüber zu reden, ist immer wieder von der möglichen Herkunft die Rede. Und das alles nur, weil die mutmaßlichen Täter teilweise dunkelhaarig und nicht-weiß sind.

Solche Menschen werden von der Mehrheitsgesellschaft als Ausländer:innen wahrgenommen. Ob sie das tatsächlich sind, kann aufgrund des Aussehens nicht beurteilt werden. Möglicherweise handelt es sich um Deutsche.

Dass die Herkunft der Tatverdächtigen keine große Rolle spielt, zeigt eine Stellungnahme des Innenministeriums zum Lagebericht 2021, der rund 88.600 Übergriffe auf Polizeibeamte erfasste. Von den bekannten Täter:innen seien 70 Prozent deutsche Staatsbürger:innen.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass 13,1 Prozent der Bevölkerung Ausländer:innen sind. Sie machen jedoch 30 Prozent der Täter:innen aus. Gemessen am Bevölkerungsanteil sind Ausländer:innen hierzulande demnach verhältnismäßig krimineller als Deutsche.  

Nun könnten sich Rassist:innen bestätigt fühlen, denn auf den ersten Blick wirkt es, als ob Ausländer:innen aufgrund ihrer Herkunft häufiger kriminell sind. Ausländer:innen sind jedoch auch häufiger von relativer Armut und Bildungsdefiziten betroffen. Dies führt zur Kriminalität und nicht die Herkunft.

Unabhängig von der Herkunft, ist und bleibt die Gewalt gegen Sicherheitskräfte kriminell. Dennoch sind viele Täter auch Opfer eines Systems, indem Chancengleichheit eine Illusion ist. Bildungsferne und von relativer Armut betroffene Menschen haben qua Geburt schlechte Karten im Leben, denn ihre Wahrscheinlichkeit aufzusteigen ist gering, wie diverse Studien belegen.

Dies rechtfertigt nicht die Taten, aber es zeigt, wo das Problem liegt. Natürlich müssen die Täter bestraft werden, aber die Bildungs- und Sozialpolitik ist vor allem gefragt, statt rassistische Debatten zu führen. Dies gilt auch für gewisse Journalist:innen und Pseudo-Expert:innen.

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Angriffe auf Muslime auf niedrigstem Stand seit 2017

Osnabrück (KNA). Die Zahl der Übergriffe auf Muslime und Moscheen in Deutschland ist laut der Bundesregierung so niedrig wie seit Beginn dieser Zählung 2017 noch nie. So wurden von April bis Juni insgesamt 99 islamfeindliche Straftaten verzeichnet, wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, über die die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet.

Beobachter betrachten dies als einen überraschend starken Rückgang. 2017 und davor wurden islamfeindliche Übergriffe sowie der Tatort Moschee noch getrennt abgefragt. Die Täter kommen demnach in der Regel aus dem rechten Spektrum.

Die endgültigen Zahlen dürften laut Linksfraktion durch Nachmeldungen jedoch wie üblich noch steigen. Zu den Vorfällen zählten Volksverhetzung, Beleidigungen, Beschimpfungen, Störung der Religionsausübung und Sachbeschädigung. Sechs Taten richteten sich gegen Moscheen oder andere Religionsstätten. Bei den Attacken wurden drei Menschen verletzt.

Damit setzte sich der rückläufige Trend aus dem ersten Quartal fort, in dem die Behörden 113 Übergriffe verzeichnet hatten. Seit Jahresbeginn gibt es weniger als halb so viele Taten wie im Vorjahreszeitraum, wie es hieß. Dagegen waren es im letzten Quartal 2020 laut Bundesregierung noch 225 Straftaten gewesen.

Die Innenexpertin der Linksfraktion Ulla Jelpke sprach von einer „erfreulichen Entwicklung“, zeigte sich jedoch skeptisch. „Es erscheint mir verfrüht, hier von einem verfestigten Trend auszugehen oder gar Entwarnung zu geben.“ Zumal nur die gemeldeten Straftaten in der Statistik auftauchen würden, während die Dunkelziffer erfahrungsgemäß hoch liege.

So würden Straftaten von der Polizei nicht als islamfeindlich erkannt, oder die Betroffenen würden sich aus Scheu und Misstrauen gegenüber den Behörden gar nicht erst an die Polizei wenden.

Laut Innenministerium gab es im zweiten Quartal auch keine islamfeindlichen Aufzüge. Nach Angaben der Linken ist dies aber falsch, weil sich zumindest Pegida Dresden jeden Montag zu ihren Aufmärschen versammle, so die „Neue Osnabrücker Zeitung“.

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Widersprüche interessieren nicht

(iz). Nach den Ereignissen in der ­Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof und den sich anschließenden öffentlichen Diskussionen müssen wir festhalten, dass unser Land, unsere Gesellschaft, ein gravierendes und in seiner unheilvollen […]

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„In der Mitte der Gesellschaft angekommen“

(iz) Dass es so etwas wie Muslimfeindlichkeit gibt, ist mittlerweile in der Gesellschaft angekommen. Ein innermuslimisches Gespräch darüber steht noch aus. Dazu sprachen wir am Rande der Osnabrücker Fachkonferenz zum antimuslimischen Rassismus mit Dr. Zekeriya Altug. Der Physiker leitet die Außenbeziehungen bei DITIB und ist Sprecher des KRM.
Islamische Zeitung: Lieber Herr Dr. Zekeriya Altug, Sie waren am 14.1. Teilnehmer einer Podiumsdiskussion in der Universität Osnabrück zum Thema „antimuslimischer Rassismus“. Wie erleben Sie und der Moscheeverband, bei dem Sie engagiert sind, dieses Phänomen?
Dr. Zekeriya Altug: Das ist kein neues Phänomen. Die neue Dimension, die wir in diesen Tagen erleben, liegt darin, dass es sich gewandelt und in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Es wird nicht mehr als Rassismus wahrgenommen. Vielmehr denken viele Menschen, dass Sie mit ihren Forderungen nach Sonderregelungen und Beschränkungen für Muslime sogar diesen etwas Gutes tun würden. Man möchte quasi die Muslime vor sich selbst beschützen. Damit erkennt man den Muslimen die Fähigkeit auf den eigenen freien Willen ab. Am deutlichsten wird dieser „humanistische“ Rassismus selbsternannter Islamkritiker in ihrer Aussage, dass man Muslime nicht den muslimischen Verbänden überlassen dürfe.
Sprich, der Staat beziehungsweise die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft muss die Muslime vor sich selbst schützen. Diese Forderung vieler Islamkritiker, aber auch mancher vermeintlich liberaler Politiker verkennt, dass es im Islam keine Zwangsmitgliedschaft in den Religionsgemeinschaften gibt. Die Brisanz der letzten Monate und Jahre liegt jedoch darin, dass diese Islamfeindlichkeit mittlerweile als Patriotismus und Verteidigung westlicher Zivilisation wahrgenommen wird. Immer mehr Menschen, die man zuvor nicht dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet hätte, teilen solche fremdenfeindlichen Ansichten und schrecken mittlerweile sogar nicht vor Gewalt gegen Muslime zurück. Dies untermauern auch die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden und das nicht nur seit den steigenden Flüchtlingszahlen oder der Silvesternacht von Köln.
Ich sehe das mehr als eine Reaktion auf den laufenden Integrationsprozess des Islams in der Gesellschaft. Die Mehrheitsgesellschaft reagiert zum Teil allergisch auf dieses Zusammenwachsen. Dabei bieten die Flüchtlingsfrage und auch die Ereignisse der Silvesternacht der bestehenden Islamophobie beziehungsweise der Islamfeindlichkeit lediglich eine nachgelieferte Legitimation.
Islamische Zeitung: Haben Sie, als Repräsentant einer der großen muslimischen Organisationen, eigentlich das Gefühl, dass Ihre Gesprächspartner aus Staat, Politik und Medien das Thema ausreichend ernst nehmen?
Dr. Zekeriya Altug: Das ist sehr unterschiedlich. Viele Politiker, aber auch Vertreter staatlicher oder kommunaler Institutionen, zeigen nicht nur Sensibilität für das Problem. Es gibt Ansätze und Bemühungen, die pluralistische Ausrichtung unserer Gesellschaft und den Beitrag der Muslime hierfür zu würdigen und zu stärken. Dazu gehört natürlich auch, dass Muslime neben der Wahrnehmung ihrer Rechte sich auch ihrer Verantwortung für diese Gesellschaft stellen. Zuletzt hat man dies bei der Unterstützung unserer neu ankommenden Mitmenschen sehr deutlich erlebt. Unsere Gesellschaft hat als ein Ganzes agiert und Menschen in Not geholfen, ohne darauf zu achten, welcher Religion oder Ethnie sowohl die Helfenden als auch die Hilfesuchenden angehören.
Dennoch erleben wir immer wieder, dass auch viele Politiker die Ängste und auch die große Abneigung gegenüber Muslimen und dem Islam in der Gesellschaft zur Selbstprofilierung nutzen. Leider werden nicht diejenigen, die gute und solide Arbeit für und mit den Menschen machen, sondern eher die Lautstarken stärker wahrgenommen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass wenn die öffentliche Wahrnehmung kippt, sich auch die Politik der Mitte opportunistisch den Weg des geringeren Widerstandes zur Wählerstimme sucht. Dies sehen wir sehr deutlich darin, dass wenn von Seiten der Muslime oder besser gesagt auch vermeintlicher Muslime Straftaten oder nichtakzeptable Handlungen wie bei der Scharia-Polizei vorkommen, eine bundesweite Empörung durch alle Parteigrenzen hinweg deutlich und zu Recht artikuliert wird.
Jedoch nehmen viele Politiker kaum Notiz, wenn wöchentlich Moscheen angegriffen werden und sogar Flüchtlingsheime brennen. Daher können wir nicht einmal hoffen, dass der breite Rassismus beziehungsweise die Islamfeindlichkeit, die sich bereits in der Schule, der Nachbarschaft und im Berufsleben zeigt, als solche wahrgenommen wird. Bei Muslimen wird sogar das Fehlverhalten nicht beim Täter, sondern bei den Opfern der Ressentiments gesucht, da diese ja bekanntermaßen Integrationsverweigerer seien.
Ganz problematisch wird es jedoch, wenn vermeintlich linke Politiker, die für Multikulti und offene Gesellschaftsform stehen, gerade bei Muslimen radikale Forderungen nach staatlichem Einfluss stellen, wie zuletzt ein Teil der Grünen Spitze mit Herrn Özdemir und Herrn Beck. Tragisch ist es, dass man auch hier die globalen politischen Konflikte, die man deutlich als Privatfehde zwischen Herrn Erdogan und Herrn Özdemir erkennen kann, die von einer persönlichen Enttäuschung von Seiten des Herrn Özdemir zu resultieren scheint, auf dem Rücken der deutschen Muslime austrägt, indem man ihnen die laut Verfassung garantierten Grundrechte absprechen möchte. Interessant ist, dass auch diese vermeintlich grünen Politiker mit sehr starken Behauptungen um sich werfen, von denen sie wissen, dass sie jeder Grundlage entbehren. Man hofft wohl, dass die Wählerschaft noch grüner hinter den Ohren ist und diesen Unterstellungen Glauben schenken wird, wenn man sie denn nur laut genug artikuliert. Dieses Verhalten, welches wir bislang nur vom äußersten rechten Rand der Gesellschaft und Politik kennen, scheint, wenn es um Muslime geht, zunehmend auch im linken Spektrum und sowieso in der politischen Mitte salonfähig zu sein.
Islamische Zeitung: Reflektiert die, zumeist soziologische und auf die Träger des Ressentiments ausgerichtete, Analyse die Lebenserfahrung von Muslimen und deren Umgang mit dem Phänomen?
Dr. Zekeriya Altug: Auf akademischer Ebene haben wir mittlerweile viele und auch  differenzierte Untersuchungen des Phänomens, die nicht mehr nur das Problem bei den Muslimen verorten. Ich denke, dass sich in den letzten Jahren in diesem Bereich vieles bewegt hat, auch wenn wir noch einen langen Weg vor uns haben. Allerdings finden diese Erkenntnisse ihren Weg nur schleppend in die Arbeit vor Ort und in die Mitte der Gesellschaft. Das Problem verstärkend kommt hinzu, dass für öffentliche Meinungen und Wahrnehmungen wissenschaftliche Analysen und Fakten weniger effektiv sind, als das Bauchgefühl und die mediale Sprache. In der breiten Öffentlichkeit wird noch immer davon ausgegangen, dass Muslime aufgeklärt und somit vor ihrer eigenen Religion, zumindest vor Teilen davon, geschützt und ja auch vor ihrer eigenen Kultur gerettet, befreit werden müssten. Man möchte die Muslime zivilisieren.
Daher ist ein völlig neuer Diskurs nötig. Wir müssen den Umgang mit den Muslimen in der Öffentlichkeit diskutieren. Der Islam und somit die Muslime werden nicht nur als etwas Fremdes gesehen. Vielmehr wird der Islam als die Antithese westlicher Errungenschaften und der Moderne, natürlich auch der Postmoderne, wahrgenommen. Um hier einen neuen Ansatz zu schaffen, müssen wir sicherlich auch darüber diskutieren, welche Werte der Islam vertritt, aber auch, welche Werte unsere deutsche Gesellschaft als ihre eigenen ansieht. Gehört Pluralismus und Religionsfreiheit ohne Wenn und Aber dazu?
Dass der Islam dazugehört, ist mittlerweile schon artikulierbar. Aber ist der ­Islam auch gleichberechtigt? Das heißt, gehören wir als Muslime nur dazu, oder gehören wir als Muslime wie Nichtmuslime zusammen und bilden diese Gesellschaft in all ihrer Vielschichtigkeit und Vielfältigkeit? Diesen Fragen muss sich auch die Mehrheitsgesellschaft stellen. Wir müssen hier die Deutungshoheit den radikalen Kräften von rechts und auch den Islamkritikern entreißen. Dies darf  jedoch nicht schablonenhaft geschehen. Es reicht nicht, dass man behauptet, weltoffen und freiheitlich zu sein und man alle Menschen als gleich ansehe. Dies muss sich auch in den Handlungen widerspiegeln.
Islamische Zeitung: Welche individuellen Auswirkungen haben Ihrer Meinung nach solche Vorurteile bei betroffenen Muslimen? Gelegentlich drängt sich der Eindruck auf, dass ein Teil der muslimischen Community sich ebenfalls in eine „Wagenburg“ zurückgezogen hat…
Dr. Zekeriya Altug: Die Auswirkungen werden immer fataler. Während die erste und zum Teil auch die zweite Generation von Migranten, die ja die große Mehrheit der Muslime darstellen, sich selbst als Gäste, und somit als Fremde gesehen haben und dadurch die Ablehnung der Gesellschaft zum Teil besser verkraften konnten, weil sie ja irgendwann zurück in die Heimat zurückkehren würden, sieht es für die hier geborenen Muslime ganz anders aus. Wenn man keine andere Heimat kennt, hier geboren wurde und von klein auf die Sprache und Kultur erlernt hat und sich selber als Deutscher fühlt, aber nicht als solcher akzeptiert wird, hat das für die Entwicklung des Individuums gravierendere Folgen. Denn diese Menschen haben nichts, wohin sie – wenn auch nur in ihrer Zukunftsplanung oder Hoffnung – gehen können.
Auch wenn viele junge Menschen, Kinder und Enkelkinder von ehemaligen Migranten, sich selbst neben ihrer deutschen Identität auch als türkisch oder arabisch bezeichnen, so wissen sie, dass sie nicht nur das jeweilige, vermeintliche Heimatland nicht nur nicht wirklich kennen, sondern sie wissen auch, dass sie auch kulturell dem Herkunftsland ihrer Eltern fremd geworden sind. Wenn nun diese Menschen im einzigen wirklichen Heimatland ebenfalls als Fremde angesehen werden, so ist dies sehr schwer zu verarbeiten. Für Konvertiten gilt das Gleiche. Obwohl seit Generationen Teil der Gesellschaft, wird man wegen seiner Glaubensentscheidung plötzlich zum „Ausländer“.
Islamische Zeitung: SoziologInnen glauben ja, dass es sich hier um ein Vorurteil ohne das Objekt des Vorurteils handle. Ist es wirklich so einfach, dass Muslime gar nichts mit der Entstehung von gegen sie gerichteten Vorurteilen zu tun haben?
Dr. Zekeriya Altug: Ja und Nein zugleich. Man kann in der Tat sagen, dass es für dieses Vorurteil sowie für die Ablehnung des Islam und der Muslime keiner Handlung der Muslime bedarf. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist in allen Gesellschaften unterschiedlich stark verankert. Das zeigt auch die Tatsache, dass in den Regionen, wo wenig oder keine Muslime leben, die ­Islamophobie und Islamfeindlichkeit am größten ist.
Dennoch kann man auch nicht übersehen, dass auch viele Geschehnisse in islamischen Ländern, die zwar zum Teil auch von säkularen Gruppen ausgelöst sein können, dazu beitragen, dass die Situation nicht entspannt, sogar eskaliert, wie wir es zurzeit erleben. Sicherlich müssen sich auch die Muslime in Europa an die eigene Nase fassen und überlegen, was sie dagegen tun können und ob sie etwas dagegen getan haben.
Islamische Zeitung: Bedeutet das im Umkehrschluss nicht auch eine fatalistische Einstellung?
Dr. Zekeriya Altug: Das denke ich nicht. Fatalistisch wäre es ja, wenn man jegliche Verantwortung von sich wegschiebt. Zu analysieren, dass die Haltung der Muslime nicht die Ursache darstelle, ist erst einmal legitim. Wichtig ist jedoch, dass man die eigene Verantwortung und auch die eigenen Möglichkeiten zur Lösung und Entspannung der Lage sieht und auch demnach handelt. Sicherlich kann ich hierbei nicht für jeden einzelnen Muslim sprechen. Aber zumindest wir als DITIB sowie viele andere Vertreter von Muslimen haben den Handlungsbedarf erkannt und tun sehr viel in diesen Bereichen, vom Dialog über soziale Dienste bis hin zur Bemühung der gleichberechtigten Teilhabe in vielen Bereichen. Der Hinweis, dass man für eine Lösung und Entspannung auch den Beitrag der nichtmuslimischen Gesellschaft, den es bereits von vielen Gruppen wie den Kirchen gibt, braucht, darf nicht als Fatalismus verschrien werden. Vielmehr ist es die Bestrebung, echte Lösungen zu finden.
Islamische Zeitung: Es gibt seit einigen Jahren einen enormen Anstieg in der Beschäftigung mit dem Phänomen „antimuslimischer Rassismus“ auf muslimischer Seite. Praktisch geschieht aber recht wenig. Woran liegt das?
Dr. Zekeriya Altug: Muslime wachsen bereits mit vielen Ressentiments und sogar Repressalien auf, sodass sie irgendwann abgestumpft sind und sogar der offensichtliche Rassismus, dem sie begegnen, sie eher resignieren lässt. Viele Ressentiments und unterschwelligen Rassismus erkennen sie oft erst gar nicht.
Die Diskussionen um und über den Islam nach den Anschlägen von 2001 haben jedoch dazu geführt, dass die Muslime hierbei sensibler geworden sind. Daher hat man großen Nachholbedarf sowohl in der Analyse des Phänomens als auch in Gegenstrategien. Gleichwohl kann man sagen, dass die Muslime viele Mechanismen, die für Gegenstrategien nötig wären, erst noch aufbauen und sich sogar erst die Expertise aneignen müssen. Denn über Jahrzehnte war man nur für religiöse Dienste zuständig. Später kamen soziale Angebote dazu. Jetzt ist man in der Situation und der Pflicht, die Gesellschaft mitgestalten zu können.
Islamische Zeitung: Wieso kriegen es Deutschlands Muslime, insbesondere ihre Interessenvertreter, nicht hin, analog zu den USA eine Lobbygruppe wie CAIR auf die Beine zu stellen? Diese, mit geringen Mitteln begonnen, ist mittlerweile landesweit vertreten und arbeitet hochprofessionell. Ein Vorbild für Sie?
Dr. Zekeriya Altug: Das kann mehrere Gründe haben. Zum einen hat Lobbyarbeit in den USA einen anderen Stellenwert und eine andere Historie. Zum anderen ist es sicherlich auch eine Frage der Prioritäten. Wie bereits erwähnt, sehen viele muslimische Organisationen ihre Aufgaben in der Basisarbeit. Die Lobbyarbeit wird erst langsam als eine Notwendigkeit erkannt und sicherlich auch nicht bei allen in gleicher Gewichtung. Wir als DITIB versuchen momentan, hierfür Strukturen zu stärken und neue Möglichkeiten aufzubauen. Es ist ein Prozess, der von vielen weiteren Aktivitäten begleitet wird und nur im Gleichschritt erfolgreich funktionieren kann. Wir brauchen sicherlich eine gute Lobby, aber nicht nur. Ebenso brauchen wir eine funktionierende Wohlfahrtspflege, Religionsunterricht an Schulen, Islamische Theologie an Universitäten, Seelsorge, Bestattungswesen, Solidarität mit Bedürftigen, einen echten innerislamischen Diskurs und vieles mehr, was die DITIB neben der Religionsausübung leisten muss. Nur durch ganzheitliche Strategien können wir tatsächlich auch eine starke Überzeugungskraft und Teilhabe in Politik und Gesellschaft erreichen.
Islamische Zeitung: Ablehnung und Feindschaft hat bereits der Prophet Muhammad erfahren. Brauchen wir auch eine spirituell-religiöse Behandlung des Themas, um es richtig einordnen zu können?
Dr. Zekeriya Altug: Die Spiritualität und die Religiosität begleiten uns ja ständig. Ansonsten hätten wir auf muslimischer Seite eine viel stärkere Aussichtslosigkeit und Resignation. Der Glaube ist die stärkste Quelle unserer Zuversicht auf eine bessere Zukunft. Wir sehen ja gerade im Verhalten manch junger Muslime, die die Religion erst neu entdecken und die Tradition und Spiritualität nicht kennen, dass ohne diese eine schnelle Desillusionierung und Perspektivlosigkeit einsetzen kann und leider oft genug der Weg in eine Abschottung und schlimmstenfalls in eine Radikalisierung sehr kurz sein kann. Daher ist der Glaube und das Vertrauen in Gott eine Quelle unserer Motivation.
Diese Spiritualität darf jedoch gerade nicht zu der fatalistischen Einstellung führen, es sei göttlicher Wille, dass man hier dieser Anfeindung ausgesetzt ist. Vielmehr kann unsere Spiritualität, insbesondere der Grundgedanke des Sufismus, der ja eine tiefe Verankerung in der Tradition des Islam hat, uns und auch der Gesamtgesellschaft neue Wege aufzeigen, um mit den aktuellen Spannungen besser umzugehen. Lösen werden wir die Polarisierung unserer Gesellschaft am Ende nicht nur über Regeln und Gesetze. Vielmehr über gegenseitige Akzeptanz und Toleranz. Am Ende werden es wieder höchst menschliche Gefühle, wird es wieder das Bauchgefühl unserer Gesellschaft sein müssen, das ein respektvolles Miteinander und eine kulturelle Vielfalt als völlig normal ansehen wird.
Islamische Zeitung: Lieber Dr. Altug, vielen Dank für das Interview.

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Die IZ-Blogger: Nach den Brandstiftungen der 1990er Jahre brennen nun auch Moscheen

(iz). Die Übergriffe auf Moscheen haben in den letzten Jahren signifikant zugelegt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Lagen die Übergriffe […]

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Zum Hintergrund der jüngsten Übergriffe auf Moscheen. Interview mit der Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer

(iz). Vor Kurzem wurde bekannt, dass vier Moscheen an unterschiedlichen Orten zum Ziel anti-muslimischer Übergriffe wurden. Trotz muslimischer Stellungnahmen dazu erreichte das ­Thema entgegen der Schwere der Vorgänge nur die Seiten einiger Lokalblätter sowie von Muslimen betriebene Webseiten.

Die IZ sprach mit der Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer über den Zusammenhang zwischen medialer Muslimfeindlichkeit und solchen Übergriffen. Wir fragten nach den Mechanismen der öffentlichen Islamkritik, wollten wissen, wie groß die Fähigkeit zur Selbstkritik unter Deutschlands Qualitätsmedien ist und reflektieren über die Möglich­keit, ob und wie anti-muslimische Webseiten einer stärkeren Kontrolle unterzogen werden. Dr. Schiffer sieht „Zitierzirkel“, die am Fortbestand und der Verfestigung von Vorurteilen beteiligt sind. Abschließend beleuchten wir mit der Expertin die Möglichkeit, ob und wie Muslime Gegenstrategien entwickeln können, solange sie – wie bisher – keine Diskurshoheit in den Mainstreammedien haben.

Islamische Zeitung: Frau Dr. Schiffer, in den letzten Tagen wurde bekannt, dass es Übergriffe auf vier unterschiedliche Moscheegemeinden gab. Viele Muslime sehen Zusammenhänge zwischen solchen Taten und einer medial präsenten „Islamkritik“ unterschiedlicher Färbung. Erkennen Sie als Medienwissenschaftlerin hier einen Zusammenhang?

Dr. Sabine Schiffer: Ja, wir sehen hier einen Zusammenhang und warnen davor bereits seit Langem.

Islamische Zeitung: Wie genau funktioniert dieser Zusammenhang zwischen den Segmenten der medialen Muslimfeindlichkeit und dieser ideologischen Kriminalität?

Dr. Sabine Schiffer: Die so genannte „Islamkritik“, die oft weit über Religionskritik hinausgeht, führt zu einer regelrechten Dämonisierung aller Muslime und schürt Ängste. Sie wird in Teilen der allgemeinen Medien seit Langem, extrem im Internet und jetzt auch auf der Straße in Form von ­Infoständen ausgefochten. Das ist gewissermaßen eine Dauerberieselung, die bei einigen verfängt und Ängste auslöst. Es ist immer wieder so wie das, was wir von den Anschlägen von vor 20 Jahren kennen [Solingen], sodass sich gerade junge Leute aufgefordert fühlen, endlich mal etwas zu tun, während die Alten nur reden. Der Ausgrenzungscharakter ­solcher diffamierenden Debatten wird sehr oft unterschätzt.

Islamische Zeitung: Gilt das für alle Erscheinungen, die unter „Islamkritik“ firmieren, oder gibt es eine Grenze zwischen legitimer Meinung und Diffamierung?

Dr. Sabine Schiffer: Natürlich gibt es solche Grenzen. Die Frage ist aber, ob noch zwischen beidem ­unterschieden wird. Geht es wirklich um Religionskritik? Das ist ja normalerweise kein Thema öffentlicher Debatten. Währenddessen gibt es Muster bei der Äuße­rung bestimmter Themen, deren ­Kritik oft berechtigt ist. Deren Fokus aber ist ein anderer. Sehr oft werden ­allgemeine Missstände wie Gewalt, Terror, Krieg, Frauenunterdrückung oder Antisemitismus, die auf der ganzen Welt zu beklagen sind, einfach Muslimen allein zugewiesen. Derart wird eine kleine Verschwörungstheorie konstruiert, so als müsse man gegen Islam und Muslime vorgehen, um diese Probleme zu beseiti­gen. Hier haben diese Kritik beziehungs­weise die allgemeine Religionsdiffamierung eine Funktion, die man in einem solchen Moment erkennen muss. ­Dabei werden immer wieder zu verallgemeinernde Klischees in den Raum gestellt und wiederholt, sodass ich glaube, dass die öffentliche Debatte ein bisschen kritischer betrachtet werden müsste.

Islamische Zeitung: Jüngst veröffentlichten Medienwissenschaftler Studien, in denen sie das Maß der Selbstkritik in der Medienarbeit untersuchten. Das Ergebnis sah nicht so gut aus… Gibt es Reflexion in Medien, was Veröffentlichungen über den ­Islam auslösen können?

Dr. Sabine Schiffer: So wenig, wie es „den Islam“ gibt, so wenig gibt es „den Journalisten“ oder „die Medien“. Viele stellen selbstkritische Fragen. Aber es gibt auch einige, die dadurch auffallen, dass sie eine ganz starke Tradition einer bestimmten Ausrichtung pflegen. Insofern herrscht ein bisschen der Ruch, dass ja nur über Fakten berichtet werde. Es wird aber nur selten überprüft, ob diese ­Fakten überhaupt relevant für den vorliegenden Sachverhalt sind. Wenn ich dies immer zusammen konstruiere, dann suggeriere ich natürlich Zusammenhänge, die vielleicht bei etwas umfassenderer Betrachtung gar nicht als etwas spezifisch musli­misches oder islamisches erkennbar wären. Hier gibt es Leute, die das reflektie­ren, und es gibt solche, die eine Reflektion verweigern. Sie halten sich für sehr gut informiert und entwickeln daher sowieso eine gewisse Barriere, die Dinge selbstkritisch zu betrachten. Studien belegen dies. Auch die Fähigkeit der Kolle­gen untereinander, in öffentlichen Debatten tatsächlich Dinge und Kollegen in Frage zu stellen, ist gerade in Deutschland eher selten ausgeprägt.

Islamische Zeitung: Gelegentlich drängt sich der Eindruck auf, dass Behauptungen, die ihren Ursprung in Meinungen haben (wie „der Islam unterdrückt Frauen“) gerade in letzter Zeit zu nicht hinterfragten Fakten geworden sind. Ist das ein Problem?

Dr. Sabine Schiffer: Ja, das ist wohl richtig. Aus Vorurteilen sind inzwischen feste Wissensstrukturen geworden, die dann auch gar nicht mehr hinterfragt werden. Gerade beim Thema Frauen herrscht bei sehr vielen Leuten eine ganz feste Vorstellung. Diese wurde in den letzten Jahren durch derlei Debatten noch weiter verfestigt. Da die Benachtei­ligung von Frauen ein allgemeines Phänomen ist, fehlt zwar die Spezifik, aber entsprechende Beispiele werden trotzdem traditionell Muslimen zugewiesen, weil Muslime im Fokus der Debatte stehen und nicht alle, die Frauen unterdrücken.

Das ist ein Phänomen der Feindbildkonstruktion. Man sollte ganz klar erken­nen, dass wir es hier mit einer tiefsitzen­den rassistischen Struktur zu tun haben, die eben Feindbildcharakter hat.

Islamische Zeitung: Welche Rolle spielen Aktivisten, die öffentlich als Experten oder objektiv schreibende Journalisten wahrgenommen werden?

Dr. Sabine Schiffer: Es gibt natürlich gewisse, zu beobachtende Zitierzirkel, in denen sich kolportierte Meinungen von einflussreichen Leuten ­verselbstständigen, wobei die Gegenstimmen schnell unter­gehen. Insofern haben wir keine gleichwertige Debatte zwischen einzelnen Meinungen, sondern ganz starke Kräfte, die bestimmte Dinge veröffentlichen können; und andere eben nicht.

Andererseits fehlt in Sachen Strafverfolgung von behördlicher und politischer Seite eine Gleichbetrachtung der Dinge. Man sollte alle bedrohten Menschen schützen und nicht nur bestimmte Opfergruppen als solche festlegen, wobei andere nach dem Motto ignoriert werden: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Hier wird ein Potential unterschätzt, dessen extremste Ausformungen sich in Norwegen beobachten ließen.

Islamische Zeitung: Ist es ein Fortschritt, dass bestimmte Landesverfassungsschutzämter anfingen, bestimmte muslimfeindliche Webseiten und Newsgroups zu beobachten?

Dr. Sabine Schiffer: Zunächst ja, aber wenn der oberste Dienstherr des „Verfassungsschutzes“ erklärt, dass man den wichtigsten Hetzblog nicht beobachtet, weil man den Islam nicht lieben müsse, dann ist das natürlich ein ganz starkes Signal. Es wird in den entsprechenden Kreisen wahrgenommen und auch gelobt. Da fühlt man sich bestätigt.

Wir hätten längst aus den Anschlägen vor 20 Jahren lernen müssen, dass solche Äuße­rungen aus der politischen Mitte den rechtsextremen Rand stärken, dass der Rassismus der Mitte die Ränder stärkt und die Extremisten irgendwie ermutigt, dann aktiv zu werden. Wir sehen das an den zunehmenden Anschlägen auf Einrichtungen, die ganz klar als ­muslimische erkennbar sind.

Islamische Zeitung: Sie haben eben vom rechten Rand gesprochen. Oft wird die kritisierte Islamkritik mit den Vokabeln rechts, rechtsextrem oder rechtspopulistisch in Verbindung gebracht. Dieses Phänomen findet sich – Stichwort Kritische Islamkonferenz oder Zentralrat der Ex-Muslime – auch bei Leuten, die gemeinhin als Linke wahrgenommen werden. Ist das nicht ein simples Beschreibungsmuster?

Dr. Sabine Schiffer: Da haben Sie Recht. Die Verlagerung an den rechten Rand suggeriert ein bisschen, dass die Gesellschaft an sich immun sei und funktioniere und dass es nur rechts ein Problem gäbe. Hier handelt es sich auch darum, eine Projektionsfläche zu haben. Wir haben es hier mit einem ganz breiten Phänomen zu tun und das ist genau das Problem, warum es politisch so anschlussfähig ist. Teilweise wird es auch von politischen Gruppierungen und Strömungen ausgenutzt.

Islamische Zeitung: Haben Sie Ratschläge, wie Muslime und/oder ihre Interessenvertretungen im Rahmen eigener Medienstrategien etwas tun können? Sehen Sie hier Potenziale?

Dr. Sabine Schiffer: Ehrlich gesagt sehe ich da kein großes Potenzial, weil sie nicht entscheiden, was in den Mainstreammedien erscheint. So erschien zu den Anschlägen auf die Moscheen nichts beim ZDF oder bei der Tagesschau.

Die Presseerklärung des KRM fand ein Echo bei Lokalzeitungen; ich nehme an, nicht auf deren Titelseiten. Insofern ­haben wir es hier mit einer Diskurshierarchie zu tun. Hier Einfluss zu nehmen, ist sehr, sehr schwierig.

Eine Strategie wären sicherlich, Bündnisse mit rassismuskritischen Organisationen und deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um eine ganz besondere Form von Rassismus handelt, sondern eine wie andere Rassismen auch. Über die Zusammenarbeit mit solchen Bündnissen lassen sich Leute werben, die diese Problematik jetzt schon ernstnehmen. Ich denke, die Zielgruppe muss ganz klar die Zivilgesellschaft sein, denn von politischer Seite hätten sich bisher schon klare Akzente setzen lassen.

Islamische Zeitung: Angesichts des stellenweise phänomenalen Erfolges, den kleine Teams oder Einzelpersonen haben, auch ohne große Mittel Gegenöffentlichkeit herzustellen, sollte es möglich sein, koordiniert etwas auf die Beine zu stellen…

Dr. Sabine Schiffer: Es bleibt das Problem zu lösen, dass Betroffene sehr oft als unglaubwürdig wahrgenommen werden, da sie ja im eigenen Interesse sprechen. Zudem erkennt das Unterbewusstsein Verneinung nicht, das heißt, dass oftmals eine Wiederholung der Klischees stattfindet – mehr nicht. Hier könnten wir aus dem antisemitischen Diskurs Ende des 19. Jahrhunderts lernen, wie es nicht geht.

Was die neuen Medien anbelangt, gibt es da natürlich Potenziale, aber die nutzen auch andere – und die erreichen nur bestimmte, eingeschränkte Zielgruppen. Wie aber die Mainstreammedien zu gewinnen sind für eine menschenfreundlichere und repräsentativere Darstellung, das bleibt eine wichtige Frage, die wiederum auch andere Themen betrifft.

Frankreich: Weniger Übergriffe, dennoch mehr Fremdenfeindlichkeit

(KNA) Die Zahl rassistischer, antisemitischer und fremdenfeindlicher Übergriffe in Frankreich ist im vergangenen Jahr zurückgegangen. 2010 seien 886 Taten registriert worden, darunter 165 Gewalttaten, berichteten französische Medien am Dienstag unter […]

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