Der blaue Schrecken: AfD ist Teil von Europas Rechtsextremisten

AfD demos

AfD-Erfolge in Thüringen und bei Umfragen stellen Politik und Öffentlichkeit vor schwerwiegende Herausforderungen.

(iz). Die deutsche Öffentlichkeit ist alarmiert: die in Teilen offen rechtsextrem agierende Alternative für Deutschland erlebt ihr Sommermärchen: steigende Umfragezahlen und die Wahl eines Landrates in einer ostdeutschen Kleinstadt.

Die mediale Aufmerksamkeit dürfte den Parteigrößen gefallen, gehört sie doch längst zur Parteistrategie; inklusive der empörten Zurückweisung, beim Land Thüringen handle es sich um einen „Probelauf der Diktatur“ (Der Spiegel).

AfD-Erfolg: Deutschland reagiert alarmiert

Viele Medien überschlagen sich mit ihren Warnungen und düsteren Prognosen nicht fern von den Schlagzeilen vergangener Tage, die mit gleicher Intensität vor der Islamisierung des Abendlandes gewarnt hatten.

Ob es gefällt oder nicht, die AfD nutzt effektiv die Erschütterung, die das konservative Weltbild angesichts permanenten Veränderungsdrucks erfährt. Eine Nebenfolge der alarmistischen Berichterstattung über die Krisen unserer Zeit ist das Gefühl vieler Menschen, ihre Existenz sei auf Sand gebaut.

Hier setzt das Kalkül der rechtskonservativen Vordenker ein: Warum nicht einfach den Eindruck vermitteln, eine Welt im Stillstand sei möglich, und mit entsprechender Grenzziehung das idyllische Leben in Deutschland leicht zu schützen?

Auf „telepolis“ fasst Claudia Wangerin diese Strategie der AfD wie folgt zusammen: „Sie spricht eine Zielgruppe an, die mehr Angst vor ‘Überfremdung’ hat als vor einer ungebremsten Klimakatastrophe. Geschäfte mit arabischen Schriftzügen im Stadtbild scheinen diese Gruppe mehr zu stören als die Aussicht, dass vertraute deutsche Landschaften immer wüstenähnlicher werden könnten.“

Foto: US-Generalkonsulat München, via flickr | Lizenz: CC BY 2.0

Zwischen Empörung und Geschichtsvergessenheit

Im Umgang mit der AfD steigt die Empörung über die Geschichtsvergessenheit der Partei im gleichen Maß wie die Ratlosigkeit, wie das Zurückdrängen rechten Gedankengutes organisiert werden kann.

An erster Stelle zeigt sich das Dilemma in der CDU, der liberalen Verwandtschaft der Partei. Von dem Versprechen des Vorsitzenden Merz, „die AfD Zustimmung zu halbieren“, ist wenig übrig geblieben. Stattdessen formieren sich Gruppen, die ablehnend oder zustimmend dem Erbe der ehemaligen Bundeskanzlerin gegenüberstehen.

Der Pragmatismus der Kanzlerin und ihr Bonmot „Wir schaffen das“ in der Flüchtlingskrise spaltet die Christkonservativen bis heute. Für die AfD hat die Ablehnung Merkels Kultstatus.

Im Kern klingt eine Stellungnahme der Kanzlerin aus dem Jahr 2015 nach: „Wenn wir die Grenzen schließen würden, Deutschland hat 3.000 km Landesgrenze, dann müssten wir um diese 3.000 Kilometer einen Zaun bauen.“

Ein Satz, den die AfD erfolgreich in die Form umgedichtet hat, dass die Kanzlerin die Grenzen überhaupt nicht mehr schützen wollte. Bis heute müht sich die CDU im Spagat, einerseits nicht noch mehr weitere WählerInnen an die Extremen zu verlieren und andererseits die Merkelianer in der Partei nicht zu verärgern.

Foto: DesignRage, Shutterstock

Ampelschwierigkeiten mit der rechten Welle

Aber auch die Regierung tut sich schwer mit der rechten Welle. Angesichts der Klimamaßnahmen, den Sanktionen gegenüber dem russischen Regime und der galoppierenden Inflation hat sie unpopuläre Maßnahmen anzukündigen. Damit treibt sie neben dem Bodensatz der Rechtsradikalen und den unzufriedenen ehemaligen CDU-Wählerinnen eine dritte Gruppe nach Rechts: die Protestwähler.

Bisher hat sie auch die sozialen Fragen, die sich aus dem neoliberalen Kurs der letzten Jahre ergeben, nicht überzeugend beantworten können. Man kann sich nur mit Grausen vorstellen, wie es um das politische Deutschland steht, wenn die Wirtschaft nicht mehr wie gewohnt floriert.

Noch mangelt es nicht an Geld. Es ist schon erstaunlich: Die Bundesregierung stellt in den Jahren 2021 bis 2024 insgesamt mehr als eine Milliarde Euro für die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus bereit. Ergebnis: Die AfD rückt an die 20-Prozent-Grenze.

Die Strategien gegen das Wachstum der rechten Partei reichen von Verbotsforderungen, scharfer Ausgrenzung bis hin zu der Idee, etwaige Regierungsbeteiligungen auf Landesebene zuzulassen, um die Partei auf diese Weise zu „entzaubern“.

Bisher scheint keiner dieser strategischen Ansätze die Erfolge der AfD zu berühren. Ironischerweise dürfte die AfD am ehesten eine ehemalige Marxistin fürchten: Allein eine mögliche Wagenknecht-Partei könnte das rechte Lager kurzfristig spalten.

Foto: wikipedia.org, Von Jasper Goslicki | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Muslimische Gemeinschaften sollten sich engagieren

Auf der zivilgesellschaftlichen Ebene geht es darum, die diversen Akteure für das Thema zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Es ist keine Frage, dass die muslimischen Gemeinschaften in Deutschland hier gut beraten sind, sich gesellschaftlich zu engagieren. Dieser Einsatz ist für die ganze Gesellschaft bedeutsam, weil sich die Einheit der europäischen Rechte gerade aus ihrem Feindbild gegenüber dem Islam erklärt.

Der überzeugte Europäer und Anti-Nationalist Friedrich Nietzsche bringt es in seiner Zarathustra-Dichtung auf den Punkt: „Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen. Gedanken, die mit Taubenfüßen kommen, lenken die Welt.“

Schon im Jahr 2010 erschienen in Deutschland und Frankreich Publikationen, die weit vor der Flüchtlingskrise im Jahr 2015, den Aufstieg der politischen Rechte und ihren Kampfbegriffen der „Umvolkung und Islamisierung Europas“ das Feld bereiten. „Le Grand remplacement“ (die große Umvolkung des französischen Schriftstellers Renaud Camus, 2011) wird vom rechten Kubitschek Verlag Antaios ins Deutsche übersetzt.

Im Jahr 2010 beginnt die Karriere des Tilo Sarrazin, der vom braven, systemtreuen Finanzpolitiker zum Biopolitiker mutiert. Er schreibt neben vielen anderen Ungeheuerlichkeiten über die Zukunft Europas und die sogenannte Abschaffung Deutschlands.

Er schwadroniert von „einem Land, indem der politische Islam seine Vormachtstellung nicht mehr nur gegenüber der restlichen Gemeinschaft der Muslime behauptet, sondern längst auf breite Schichten der Mehrheitsbevölkerung ausweiten konnte und mit seinem Stimmengewicht Wahlen zu seinen Gunsten entscheidet.“

Foto: Wikiwand | Lizenz: CC BY-SA 4.0

Patrick Bahners leistet Verständnishilfe

Einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Geistesgeschichte der Blauen findet sich im neuen Buch von Patrick Bahners „Die Wiederkehr, die AfD und der neue Deutsche Nationalismus“. Grundsätzlich ruft der Autor zur sachlichen Auseinandersetzung mit den Themen der Rechtsnationalen auf: „Zur Rückbesinnung auf Tatsachen aufzurufen ist in der politischen Rhetorik ein legitimer Zug, der oft Wirkung zeigt und dann gute Gründe für sich hat. Aber wer die gesamte Politik aus Tatsachen herleiten will, über die es angeblich keinen Streit geben kann, schafft die Politik ab.“

Der einflussreiche Journalist erinnert daran, dass der „neue Nationalismus als Republikanismus auftritt.“ Das Feindbild der Islamisten dient der Partei, sich einen antitotalitären Anstrich zu geben, ganz nach dem Motto: Wir sind Demokraten, weil sie es nicht sind!

Bahners formuliert angesichts der Dialektik gegen den Islam eine Befürchtung: „Ist die Vorstellung, dass die Trennung von Staat und Gesellschaft die Freiheit sichert, noch so vielen Bürgern intuitiv plausibel, das die nationalistische Vision der Bürgerschaft als Kampfgemeinschaft auf Widerspruch stoßen muss?“

Inmitten der Freund-Feind Debatten um das Unwesen der AfD erinnert er alle Beteiligten ebenso daran, dass das Grundgesetz bindet und in erster Linie die Staatsgewalt beschränkt: „Verfassungstreue wird von Beamten verlangt – die Ausdehnung dieser Erwartung auf alle Bürger hätte deren Verbeamtung zur Folge.“

Können wir etwa aus der Houellebecq-Debatte lernen?

In Frankreich hat sich in den letzten Jahren die Perspektive um die Verschwörungstheorie einer islamischen Machtergreifung in Europa in der Houellebecq-Debatte manifestiert. Im Jahr 2015 publizierte der französische Schriftsteller seinen Skandalroman „Unterwerfung“.

Darin übernimmt er das Narrativ der rechten Vordenker und beschreibt eine Machtergreifung einer muslimischen Partei. Die liberalen und linken Kräfte Frankreichs koalieren in der Fiktion mit den Muslimen, um mit allen Mitteln die rechtsradikale Front National zu verhindern. Die Verhinderung der Rechten wird auf diese Weise zum einzigen Inhalt der Innenpolitik.

Unter dem Eindruck der Terroranschläge von Paris und Nizza fiel der Autor immer wieder mit begleitenden islamophoben Aussagen auf. Auf den ersten Blick scheint der Franzose in der Tradition von Sarrazin und Camus zu denken. Unter diesem Eindruck übersieht man allerdings leicht die Konstruktion des Buches, die vor allem eine Abrechnung mit dem geistigen Nihilismus Europas darstellt.

Den Supermarkt nennt Houellebecq das „wahre Paradies der Moderne“. In einem Interview beklagt er, dass die Konstruktion von „Unterwerfung“ kaum erkannt wurde: „Ich nehme meinem Protagonisten nach und nach alles weg: Soziales Leben, Liebe, Status.“

Der Schriftsteller beschreibt so das „Untot“-Sein seines Antihelden, für den seine Nicht-Existenz bedeutet, keine Wirkung auf die Welt zu haben. Houellebecq beschreibt das konservative Dilemma wie folgt: „Die Vorstellung eines permanenten Wandels macht das Leben unmöglich.“

Schon 2017 relativierte er in seinem Band „Interventionen“ einige Aussagen, die den Islam betreffen: „Man kann eigentlich nicht wirklich sagen, dass es in ‚Unterwerfung‘ eine Darstellung des Islam gibt: Das ist das Schreckliche im Buch, die meisten Figuren sind in Wahrheit keine Muslime.“

Neuerdings erschreckt der Autor seine islam-kritische Anhängerschaft mit weiteren Relativierungen, die den behaupteten verfassungsfeindlichen Hintergrund der Muslime in Europa betreffen: „Das tut mir sehr leid. Ich habe da so sehr vereinfacht, dass etwas richtig Falsches herausgekommen ist. In Wirklichkeit sind Muslime nicht in besonderem Maße Diebe oder Kriminelle. Aber sie leben oft in benachteiligten Vierteln.“

Überraschenderweise grenzt sich der Intellektuelle hier vom rechten Spektrum ab, das an einer Differenzierung wenig Interesse zeigt. Viel zu wichtig ist die Antihaltung gegenüber den Muslimen als einheitsstiftendes Element der europäischen Rechte.

Das Beispiel Houellebecqs zeigt immerhin, dass mit nicht-ideologischen Denkern eine Art Verständigung über den Islam in Europa denkbar wäre. Man wird sich in derartigen Debatten eine Antwort ausdenken müssen, im Sinne einer kritischen Selbstreflexion, warum eigentlich die Muslime in den letzten Jahrzehnten ausschließlich im politischen, weniger im ökonomischen, sozialen oder spirituellen Kleid erscheinen.

Es geht darum zu zeigen wofür, nicht nur wogegen wir stehen. Die Akzeptanz des Islam in Europa, an denen uns Muslimen gelegen sein muss, die Verteidigung der europäischen Idee und der Aufstieg der Rechten bilden einen schicksalhaften Kontext.

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Der Dammbruch: AfD gewinnt erstes Landratsamt in Thüringen

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Die AfD hat im thüringischen Sonneberg erstmals einen Landratsposten errungen. Andere Parteien reagierten alarmiert. (iz/dpa). Meldungen von Anfang des Monats ließen aufhorchen. Wie die dpa am 5. Juni berichtete, verzeichnete […]

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Stellungnahme zu der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ von Ulrich Paffrath vom Forschungszentrum für Religion und Gesellschaft (Teil 1)

Köln (iz). Die folgende kurze Stellungnahme zu der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ befasst sich noch nicht dezidiert mit den zahlreichen Ergebnisse der Studie. Dies wird in einem zweiten Teil in Kürze folgen, denn im Gegensatz zu der bisherigen Berichterstattung produziert die Studie nicht nur ein Ergebnis, sondern eine Vielzahl sehr erwähnenswerter Ergebnisse.

In diesem ersten Teil konzentriert sich die Darstellung zum einen auf den Versuch, die vermutete politische Strategie der Akteure bei der Vorstellung der Studienergebnisse darzustellen. Zum anderen sollen zwei allgemeine methodische Anmerkungen erfolgen, da die Art der Darstellung von Studienergebnissen zum Teil sehr unterschiedliche Wirkungen haben kann.

Der politisch-strategische Aspekt
Ein Ergebnis der Studie, nach welchem ein Viertel der jungen nichtdeutschen Muslime integrationsverweigernde Einstellungen vertreten, stand im Zentrum der medialen Berichterstattung. Der Bildzeitung lag bereits einen Tag vor der offiziellen Vorstellung der Studienergebnisse dieses Teilergebnis exklusiv vor, so dass die Bildzeitung entsprechend berichtete.

Am Tag der offiziellen Vorstellung der Studie appellierte nun der amtierende Bundesinnenminister an die Medien, die Studienergebnisse nicht einseitig negativ darzustellen, sondern differenziert auch über die vielen positiven Ergebnisse der Studie zu berichten. Muslime dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Gleichzeitig warnte er vor Radikalisierungstendenzen bei jungen Muslimen.

Abseits aller realitätsfernen Verschwörungstheorien sollte dem kritischen Beobachter klar sein, dass solche dramaturgischen Abfolgen in den seltensten Fällen zufällig geschehen, sondern vielmehr einem taktischen Kalkül folgen. Das „Durchsickern“ von negativen Teilergebnissen an die Bildzeitung und der spätere Aufruf des Bundesinnenministers zur ausgewogenen Berichterstattung über Muslime sind schlichtweg eine politische Taktik, bei welcher es nach Auffassung des Autors um folgende Kalküle ging:

Durch die Übermittlung (in Form eines „Durchsickerns“) des öffentlichkeitswirksamen negativen Teilergebnisses der Studie kann der politische Akteur (in diesem Falle der Bundesinnenminister) gezielt die mediale Agenda in seinem Sinne steuern, ohne unmittelbar als Scharfmacher, der die Angst vor Muslimen schürt, dazustehen. Schließlich hat nicht er direkt dieses Ergebnis hervorgehoben, sondern eben die Bildzeitung.

Darüber hinaus handelt es sich um ein wissenschaftlich fundiertes Ergebnis. Der Vorteil für die Medien (in diesem Fall die Bildzeitung) ist die Exklusivität der Nachricht und somit die Gewährleistung des finanziellen Profits durch Auflage. Darüber hinaus ist das „Durchsickern“ der Ergebnisse in Richtung Bildzeitung sicherlich förderlich für deren Image als relevantes Leitmedium.

Nachdem nun die Bildzeitung exklusiv über das vom Bundesinnenminister vermutlich gezielt gesetzte Ergebnis berichtet hat, ruft dieser bei der offiziellen Vorstellung der Ergebnisse der Studie einen Tag später die Medien zur ausgewogeneren Berichterstattung auf und versucht, sich somit unangreifbar zu machen, indem er quasi den „schwarzen Peter“ den Medien zuschiebt. Und ebenfalls lassen die teilweise undifferenzierten Reaktionen der übrigen politischen Akteure nicht lange auf sich warten. Verwiesen sei hier u.a. auf die Aussage von Serkan Tören, die Studie produziere keinerlei Erkenntnisse.

Es bleibt offen, ob man die hier vermutete Strategie als aufgegangen bezeichnen kann, da der Bundesinnenminister dennoch als Scharfmacher kritisiert wurde und auch das Zuspielen von Teilergebnissen als Strategie bezeichnet wurde. Die Logik zeigt jedoch, dass eine solche Strategie meistens eine Win-Win Situation sowohl für den politischen Akteur als auch für die Medien darstellt, so dass es sich lohnt, solche taktischen Manöver stets genau zu reflektieren und zu hinterfragen.

Allgemeine methodische Anmerkungen
Auch hier ist wie bei vielen anderen Studien anzumerken, dass es sich nicht um eine repräsentative Studie handelt. Insofern sind Rückschlüsse auf die sogenannte „Grundgesamtheit“ (hier also alle in Deutschland lebende Muslime) nicht möglich. Denn diese Grundgesamtheit ist schlichtweg nicht bekannt.

Insofern sind dann Aussagen wie „ein Viertel der jungen nichtdeutschen Muslime wollen sich nicht integrieren“ nur in Bezug auf die innerhalb der Studie befragten Personen zutreffend. Eine Darstellung, nach welcher sich dieses Viertel auf alle jungen nichtdeutschen Muslime in Deutschland bezieht, ist daher schlichtweg falsch und suggeriert ein gefährliches Zerrbild. Eine Überschrift wie „ca. 125 nichtdeutsche Muslime im Alter zwischen 14 und 32 Jahren innerhalb der Stichprobe sind integrationsunwillig“ wäre sicherlich nicht so öffentlichkeitswirksam gewesen.

Und genau dies beinhaltet eine gewisse Gefahr in Bezug auf die Verwendung von Prozentwerten bei der Darstellung von Studienergebnissen. 25 Prozent der nichtdeutschen Muslime sind integrationsunwillig suggeriert, dass es sich um eine enorme Menge handeln muss, insbesondere dann, wenn man die Ergebnisse so liest, dass es 25 Prozent aller nichtdeutschen Muslime in Deutschland sind. Dies wäre zweifelsohne eine erschreckende Zahl. In absoluten Zahlen dürften es aber laut Studienergebnis ca. 125 Personen sein. Bezogen auf die ca. 4 Millionen Muslime in Deutschland ist dies eine verschwindend geringe Zahl. Dies soll verdeutlichen, welche enormen Unterschiede hinsichtlich der Außenwirkung entstehen können, je nachdem wie man ein und dasselbe Ergebnis darstellt.

Hierfür bietet das exemplarisch dargestellte Teilergebnis der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ ein sehr gutes Beispiel. Insofern wäre es ratsam, bei der Darstellung von Studienergebnissen stets die absoluten Zahlen hinter die jeweiligen Prozentwerte zu schreiben. Zumindest, wenn einem an einer differenzierten Darstellung der Ergebnisse gelegen ist.