Innovation und Ursprung

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Innovation und Ursprung: Die technologische Entwicklung entzieht sich der politischen Kontrolle. Das Ende ist offen.

(iz). Wer hat nicht einmal über das perfekte muslimische Leben nachgedacht. Wer sich auf diesen Gedanken einlässt, wird sich dabei von Erinnerungen an die Gemeinschaft in Medina inspirieren lassen. Man sinnt über die Charaktereigenschaften der ersten Muslime nach, ihr Leben in der Moschee und auf dem Marktplatz, an ihre sozio-ökonomischen Einrichtungen. Überhaupt glauben wir an die Idee einer solidarischen und gerechten Gesellschaft, die die Schöpfung nicht nur bewahret, sondern preist.

Fern scheint diese Realität, wenn man sich die islamische Wirklichkeit im einundzwanzigsten Jahrhundert vergegenwärtigt. Generationen von Muslimen haben sich damit beschäftigt, wie das Erbe und die Tradition neu gelebt werden können. Die Ansätze variieren zwischen Fundamentalisten, die das Rad der Geschichte anhalten wollen, Pragmatikern, die ihre Praxis auf das beschränken, was möglich erscheint oder den Muslimen, die die Innovationen gerade als Chance ansehen, dem ursprünglichen Vorbild wieder nahezukommen.

Die Zukunft des Islam in der Moderne dreht sich um die Frage der Technik. Für die einen sind die technologischen Innovationen mehr oder weniger Verführungen des Teufels; für die Anderen eine Möglichkeit, das Erbe in der Moderne neu zu etablieren. Dass die Technik nicht einfach aus unserem Alltag verdrängt werden kann, zeigt eindrucksvoll der Siegeszug des Smartphones.

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Innovationen haben das Leben aller Muslime verändert

Ob es uns gefällt oder nicht, diese Neuerung hat das Leben von de facto allen Muslimen unabhängig von ihrem Hintergrund radikal verändert. Deutlich wird dies auf der Pilgerreise, wo es unzählige Pilger auf ihrem Aufenthalt begleitet. Die Phantasie einer Rückkehr in das Mittelalter wird hier eindeutig durch die Faktizität technologischer Anwendung decodiert.

Fakt ist: Die Lehre und unsere Weltanschauung werden entscheidend von den neuen Kommunikationstechniken bestimmt sein. Die Konsequenzen der Revolution, die Realität von Erfindungen wie Blockchain, ChatGPT oder virtuellen Währungen verändern unsere Gegenwart.

Die Hoffnung bleibt, dass diese Metamorphose zu Verbesserung der Lebensumstände des Menschen beitragen. Neben den bekannten negativen Einflüssen der Techniken wie der sozialen Medien auf unser Dasein gilt es, die Frage zu beantworten, ob diese neuen Möglichkeiten uns Kinder der Neuzeit auf überraschende Weise an das ursprüngliche Modell zurückführen.

Beispiele für diesen Trend gibt es bereits: Man denke nur an das erfolgreiche Crowdfunding, das die Idee der Solidarität unterstützt, oder an Internetseiten, die die lokale Verteilung der Zakat effektiv organisieren. Selbst die alte Einrichtung der Gilden, die Netzwerke der Kompetenz, erlebt mit Hilfe der Angebote der sozialen Medien eine Renaissance.

Die verlorene Einheit von Moschee und Marktplatz, die die muslimische Zivilisation über Jahrhunderte prägte, könnten Gemeinden mit der Etablierung virtueller Handelsplätze überwinden. Ist es eine Utopie, dass wir eines Tages neben dem Gebetsraum Räume finden, die Start-Ups beheimaten oder uns Bildschirme anbieten, mit deren Hilfe wir in die globale Halal-Ökonomie eintreten? Willkommen im 21. Jahrhundert!

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Die Kernfrage nach dem Geld

Der Natur dieses Zeitalters entsprechend ist es die Frage des Geldes, die den Streit zwischen den Ursprüngen unserer Kultur und dem Einfluss der Innovation deutlich zeigt. Über Jahrhunderte war der Tausch von Zahlungsmitteln in Form von Gold und Silberwährungen der Motor der Globalisierung der Ökonomie. In der islamischen Welt waren der Dinar und der Dirham fixierte Gewichtseinheiten der Rohstoffe.

Das internationale Währungssystem verdrängte die reinen Substanz-Währungen. Die Einführung der Papiergeldwährungen wurde in der Geschäftswelt zunächst nur akzeptiert, weil sie bis 1971 durch den sogenannten Goldstandard gedeckt waren.

Diese Praxis beendete die US-Regierung, die eine enorme Geldsumme für die Finanzierung des Vietnamkrieges benötigte. Mit Hilfe Saudi-Arabiens und dem Handel mit Öl in der amerikanischen Währung begann das „goldene“ Zeitalter der Petrodollars.

Gleichzeitig entbrannte eine Diskussion um die Ethik der neuen, von keiner logischen Grenze gehegten Geldproduktion. An dem Streit um eine gerechte Geldordnung beteiligen sich politische, ökonomische und traditionell auch religiöse Lehren. Der provokante Slogan, Geld kenne keine Moral, forderte das ethische Handeln heraus.

Die wundersame Geldvermehrung ist nicht folgenlos und verstärkt auf der ganzen Welt die Spaltung der Gesellschaften in Arme und Reiche. Und, die ökonomische Krise, rund um die Themen der Verschuldung und der Inflation, erinnerte die Muslime an die Fundamente ihrer eigenen Wirtschaftsordnung.

Die Wahl der Zahlungsmittel – sei es beim Einkauf, dem Handel oder bei der Zahlung der Zakat – ist eine elementare Frage. Nur welches Geld in den Staaten erlaubt ist, entzieht sich in freiheitlichen Systemen der Entscheidung des Einzelnen. Auf der internationalen Ebene gibt es seit einigen Jahren Bewegungen und Alternativen auf diesem Feld.

Karte Naher Osten Iran Yuan Einfluss

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Die reichen Ölstaaten orientieren sich neu

Es ist paradox, dass ausgerechnet Saudi-Arabien den amerikanischen Dollar als Leitwährung in Frage stellt. Die Ankündigung des Landes, seine Öllieferungen nach Fernost mit der chinesischen Währung abzuwickeln leitet vermutlich eine Zeitenwende ein.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass die technologische Revolution, in der wir uns aktuell befinden, die machtvollsten Einrichtungen der letzten Jahrzehnte in Frage stellt: die Existenz der Banken und das Währungssystem überhaupt. Mit Hilfe der Blockchaintechnologie sind Kreditinstitute für die Vermittlung vieler Geschäfte nicht mehr nötig und das Monopol der Geldproduktion der nationalen Staaten wird durch alternative Währungen herausgefordert. 

Hier sind nicht nur Regierungen, sondern mächtige, private Global Player am Start. Völlig neu ist zum Beispiel das Phänomen, dass Techfirmen wie Facebook oder Amazon über die Einführung eigener Währungen nachdenken und damit indirekt ein Kreditsystem anbieten.

In den letzten Jahren war es vor allem „Bitcoin“, das die Vision einer anderen Wirtschaft befeuerte.

Die virtuelle Währung ist dezentral organisiert, nicht manipulierbar und wird von keiner zentralen Stelle reguliert. Die Schöpfung der Einheiten ist ein energieaufwändiger, mathematisch komplizierter Prozess. Vor allem ist die Menge der Bitcoins auf ca. 21 Millionen begrenzt. Damit steht diese Grenze der Möglichkeit, endlos Geld zu drucken diametral entgegen. Über die Jahre ist eine bunte Bewegung entstanden, die deswegen die Vorteile der neuen Währung preist.

Ihre Gegner verweisen auf den turbulenten Verlauf der Preisentwicklung der künstlichen Münzen, die als reine Kunstprodukte keinen in sich wohnenden Wert haben. Unlängst ist mit dem „Islamic Coin“ eine muslimische Variante der Kryptowährung entstanden. Das Unternehmen wird von prominenten Persönlichkeiten aus den Vereinten Emiraten unterstützt.

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Auch Papiergeld wird kritisch beäugt

Die Gelehrten streiten, ob diese Alternative sich im Rahmen des islamischen Rechts bewegt, allerdings hört man ähnliche Vorwürfe gegenüber der Nutzung von inflationärem Papiergeld. Und in Sachen Gold gibt es Kritik an den manipulierten Preisen und an dem Fakt, dass niemand genau weiß, wo die Goldreserven gelagert sind. Wie kaum bei einer anderen Diskussion wird klar, dass die reine Lehre, unter den gegebenen Umständen, schwer zu formulieren ist.

Fest steht, die Auseinandersetzungen um das Geld wird in der modernen Massengesellschaft nicht nur von der Werthaltigkeit des Zahlungsmittels, sondern ebenso von der Praktikabilität entschieden. Die simple Frage, welches Geld sich am einfachsten mit Smartphones disponieren lässt, ist künftig entscheidend. Neben den üblichen Papiergeldwährungen, die wir mit unseren Kreditkarten nutzen, sind es die Krypto- und Goldwährungen, die Verbreitung finden. Bewegung in dieser Frage gibt es in der ganzen Welt.

Im Jahr 2023 ließ das amerikanische Bundesland Arkansas mit der Ankündigung aufhorchen, Gold und Silber wieder als gesetzliche Zahlungsmittel zuzulassen. Die Goldmünzen, die beim Kauf keiner Mehrwertsteuer unterliegen, werden eine harte Alternative zum US-Dollar sein. Und das Gold wird in diesem Fall nicht nur eine Anlageform sein, sondern ein Tauschmittel des Alltags; vermutlich nicht durch den Einsatz physischer Münzen, eher werden die Nutzer goldgedeckte Debitkarten erhalten.

Mit der Rückkehr in die vortechnologische Vergangenheit hat dieses Phänomen wenig zu tun. Eine offene Frage ist, ob die amerikanische Zentralbank die Existenz einer harten Währung, die inländisch in Konkurrenz mit dem Dollar tritt, auf Dauer tolerieren wird.

Wie immer sich das Rad der Geschichte dreht, es wird spannend zu beobachten sein, wohin die technologische Innovation führt und wie sie unsere Gesellschaften verändert. Die Politik hat nur begrenzte Macht den Schwung der Veränderungen aufzuhalten.

Ob man diese Fakten mit Optimismus oder mit Pessimismus zur Kenntnis nimmt, entscheidet über den spirituellen Zustand der kommenden Generationen. Es wäre erstaunlich, wenn die alten muslimischen Einrichtungen, die Marktplätze, die Gilden, die Handelsverträge und das reale Geld ihre Aktualität zurückgewinnen. Damit wäre wieder ein Anlass gegeben, das islamische Wirtschaftsrecht genauer zu studieren.

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