Der Interkulturelle Rat in Deutschland kündigt den so genannten „Muslimtag“ an

Darmstadt (iz). Wie aus einer Pressemitteilung vom 14.11.2013 hervorgeht, wurde am Rande der 26. Tagung des Deutschen Islamforums (13.11.) der Förderverein für einen so genannten „Deutschen Muslimtag“ gegründet. Bereits seit geraumer Zeit wurde die Idee einer derartigen Komplementärveranstaltung zu denen großen Kirchen von Vertretern des „liberalen Islam“ in Umlauf gebracht.

„Ähnlich wie beim Katholikentag und beim evangelischen Kirchentag soll der Muslimtag den Dialog über gesellschaftspolitische Themen fördern“, hieß es in dem Schreiben. Laut Mitteilung wurde der Journalist Abdul-Ahmad Raschid zum Vorsitzenden gewählt. Zu den weiteren Vorstandsmitgliedern zählen unter anderem die Islamwissenschaftlerin Mohagheghi, die Lehrerin Rabeya Müller sowie Dr. Miksch und Y. Khurshid, beide vom Interkulturellen Rat. Letztere seien gebeten worden, „geschäftsführende Aufgaben“ zu übernehmen.

Trotz des offiziell Titels einer solchen Veranstaltung – die 2016 das erste Mal stattfinden soll – ist es um die Idee seit ihrer ersten öffentlichen Formulierung still geworden. Vertreter muslimischer Organisationen und Netzwerke haben sich hierzu bisher nicht zu Wort gemeldet.

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Interview: Uni-Rektorin Nelles weist Kritik am Islam-Zentrum Münster zurück

(KNA) Das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) an der Universität Münster steht in der Kritik der muslimischen Verbände. Uni-Rektorin Ursula Nelles äußerte sich am Montag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und wies die Vorwürfe zurück.

KNA: Frau Rektorin Nelles, der Bundespräsident besucht Ende November das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT)…

Nelles: Bundespräsident Joachim Gauck besucht vorrangig die Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Er hat aber sein besonderes Interesse für das ZIT bekundet, weil er dem interreligiösen Dialog einen großen Stellenwert einräumt.

KNA: Die muslimischen Verbände attackieren öffentlich ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide. Ist das ein guter Zeitpunkt für den Besuch?

Nelles: Der Bundespräsident ist jederzeit willkommen. Möglicherweise kommt die Kritik der Verbände auch gerade jetzt im Vorfeld der Visite des Staatsoberhauptes auf, um besondere öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen.

KNA: Der Koordinationsrat der Muslime mit seinen vier Verbänden klagt darüber, bei Lehrinhalt und Lehrpersonal nicht mitreden zu dürfen.

Nelles: Grundsätzlich gilt für die islamische Theologie das Gleiche wie für die christliche: Kirchen beziehungsweise Religionsgemeinschaften einerseits und der Staat andererseits sind in unserem freiheitlichen Gemeinwesen getrennt. Die Universität als Teil der staatlichen Behörden garantiert die Forschungs- und Lehrfreiheit. Bei den bekenntnisorientierten Studiengängen sind wir aber verpflichtet, die Glaubensfreiheit der Religionsgemeinschaften zu respektieren und deren Mitwirkungsrechte sicherzustellen. Die entsprechenden Konkordate und Staatskirchenverträge haben wir analog konsequent auf die islamische Theologie übertragen. Wir berufen die Professoren nach wissenschaftlichen Kriterien, ernennen sie aber erst, wenn die Religionsgemeinschaften ihre Zustimmung gegeben haben.

KNA: Mit den Kirchen haben sie ein direktes Gegenüber. Die staatlich nicht als Religionsgemeinschaften anerkannten muslimischen Verbände sollen ihre Vertreter in einen Beirat des ZIT entsenden und darüber mitreden. Das Gremium hat sich aber noch gar nicht konstituiert. Klagen die muslimischen Verbände nicht zu Recht darüber, dass ohne sie Fakten geschaffen werden?

Nelles: Nein, denn wir haben bislang keinerlei mitwirkungsbedürftige Entscheidungen wie beispielsweise die Ernennung eines Professors oder die Verabschiedung von Lehrinhalten gefällt. Nach der Beiratsordnung beruft die Universität acht Mitglieder: Vier Personen ernennt die Universität im Einvernehmen mit dem KRM, und weitere vier schlägt der Koordinationsrat selbst vor. Gegen einen von diesen mit Nähe zum Islamrat gab es Vorbehalte des Bundes wegen der Verfassungstreue. Deshalb konnte ich ihn nicht für den Beirat berufen – andernfalls würde die Universität riskieren, dass der seine Zuschüsse für das Zentrum wieder streicht.

KNA: Zeigt der Vorgang, dass das Beiratsmodell nicht funktioniert?

Nelles: Die Beiratslösung ist sicher nicht optimal und eine Art Hybrid-Lösung. Bei den christlichen Fakultäten haben wir ein klares Gegenüber: die Universität auf der einen Seite und die davon organisationsrechtlich getrennten Kirchen andererseits. Beim Beirat macht man die Bekenntnisgemeinschaft zu einem Teil der Binnenstruktur der Universität. Das löst Probleme aus. Es wäre besser und ehrlicher, wenn man eine legitime Vertretung der islamischen Religionsgemeinschaften neben der Universität hätte – mit all den Mitspracherechten, wie sie die Kirchen auch haben.

KNA: Auch Khorchide lehnt die Beiratslösung ab…

Nelles: Das stimmt nicht. Er hat die selben Vorbehalte wie ich. Aber im Moment gibt es keine andere Lösung zu dem vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Modell.

KNA: Der Lehrbetrieb läuft seit einem Jahr. Wie stellen Sie die in der Verfassung abgesicherte Religionsfreiheit denn sicher?

Nelles: Wir haben, wie gesagt, seitdem keine einzige endgültig bindende Entscheidung getroffen. Die beiden Lehrstuhlvertreter, die neben Herrn Khorchide im Zentrum lehren und forschen, haben nur Verträge, die auf ein Semester befristet sind. Zudem haben wir keine Lehrpläne abschließend beschlossen, sondern nur semesterweise das Curriculum fortgeschrieben. Dabei haben wir eine vorläufige Genehmigung des nordrhein-westfälischen Schulministeriums eingeholt, das sich nach der Einführung des islamischen Religionsunterrichtes in NRW auf einen eigenen Beirat stützen kann.

KNA: Die Verbände haben ein Gutachten über die Arbeit Khorchides angekündigt. Was ist, wenn sie ihm das Vertrauen entziehen?

Nelles: Die Verbände haben selbst der Berufung von Khorchide zugestimmt. Wenn sie nun inhaltliche Einwände haben, mischt sich die Universitätsleitung grundsätzlich nicht ein – eben wegen der Trennung von bekenntnisorientierten Wissenschaftsinhalten einerseits und staatlicher Sicherstellung von Forschungsfreiheit andererseits. In der aktuellen Diskussion vermischen sich aber leider politische und theologische Fragen – ob beispielsweise alles verfassungsrechtlich korrekt organisiert ist und ob Khorchides Positionen allgemeine Meinung innerhalb der muslimischen Gemeinschaft sind.

KNA: Kann es sein, dass Khorchide wie sein Vorgänger Sven Kalisch den Lehrstuhl verliert?

Nelles: Der Vergleich mit Herrn Kalisch ist unsinnig. Herr Kalisch hatte öffentlich erklärt, kein Muslim mehr zu sein. Vor diesem Hintergrund kann er natürlich nicht mehr islamische Theologie lehren, weshalb die Universitätsleitung ihn als Beamten mit einer anderen Aufgabe betraut hat – erneut in Analogie zu den Konkordaten und Staatskirchenverträgen. Solche Fälle gab es auch in der katholischen Kirche. Das zeigt, dass wir das Mitspracherecht der Glaubensgemeinschaften respektieren.

KNA: Eine Abberufung von Khorchide ist also auch möglich?

Nelles: Ja. Wenn der Beirat sich konstituiert, kann er das machen.

KNA: Und Sie haben wieder ein Problem.

Nelles: Das sind keine Probleme, das sind Herausforderungen – in diesem Fall übrigens eher hypothetischer Natur. Wann immer man etwas Neues anfängt, muss man damit rechnen, dass es am Anfang Verwerfungen gibt. Wir haben noch keine allzu lang zurückreichenden Erfahrungen mit der islamischen Theologie und sind in einer Art Experimentierphase. Wo, wenn nicht an Universitäten, sollte dieses Experiment Schritt für Schritt durchgeführt werden?

KNA: Drohen nicht Dauerauseinandersetzungen, wenn der Beirat seine Arbeit aufnimmt?

Nelles: Ohne Auseinandersetzungen gäbe es keine Wissenschaft, keine Streitkultur und keine Debatten. Ich bitte geradezu um die Auseinandersetzung mit der islamischen Theologie. Diese müssen aber die Theologen und die Religionsgemeinschaften selbst führen und nicht die Universitätsleitung. Ich fürchte mich ja auch nicht vor der katholischen Kirche, nur weil sie schon mehrfach Professoren die Lehrbefugnis entzogen hat.

KNA: Wie entwickelt sich – unabhängig von den aktuellen Querelen – das islamische Zentrum?

Nelles: Sehr gut. Das Interesse ist groß. Für das laufende Wintersemester hatten sich rund 1.000 Bewerber auf 260 Plätze beworben. Durch die Einführung des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichtes in NRW ist ein attraktives Berufsfeld entstanden. Auch in der öffentlichen Diskussion über die Inhalte des Studienganges sehe ich einen Erfolg. Sie zeigt, dass wir ihn brauchen.

Bekir Alboga erneuert Kritik am aktuellen Stand des Beiratsverfahren des ZIT Münster

Düsseldorf (KNA). Der Druck auf den Islamwissenschaftler Mouhanad Khourchide in Münster nimmt zu. Nach dem Zentralrat der Muslime (ZDM) äußerte nun auch der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime (KRM), Bekir Alboga, am Donnerstag in Düsseldorf gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) Bedenken, ob Khorchide seinen Lehrstuhl „konfessionsgebunden leiten“ könne.

Dem Koordinationsrat gehören der Zentralrat, der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) sowie die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) an. Alboga ist auch stellvertretender Generalsekretär der Ditib.

Er wirft Khorchide vor, die Mitarbeit der muslimischen Verbände in dem Beirat des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster abzulehnen. Der Beirat, der über Lehrinhalte- und -personen entscheidet, soll aus je vier Vertretern der Universität und des KRM bestehen. Jeder Verband im KRM entsendet einen Vertreter. Zwei vom Islamrat nacheinander vorgeschlagene Kandidaten wurden laut Alboga wegen offensichtlicher verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt. Deshalb arbeitet der Beirat an dem mit Bundesmitteln geförderten Zentrum noch nicht. Gleichwohl läuft der Lehrbetrieb seit dem Wintersemester 2012.

Die Universität Münster hatte bei der Ernennung Khorchides im Jahre 2010 die Zustimmung des KRM eingeholt. An dem Zentrum werden islamische Religionslehrer und Imame ausgebildet. Da der Islam im Gegensatz zu den Kirchen nicht als klar definierte Religionsgemeinschaft anerkannt ist, bestimmt ersatzweise der Beirat über Lehrinhalte und -personal. Mit diesem Verfahren lehnt sich die Hochschule an das Berufungsverfahren für katholische und evangelische Theologie-Professoren an und folgt zugleich einer Empfehlung des Wissenschaftsrates.

Alboga wies Vorwürfe zurück, dass die muslimischen Verbände die Funktionsfähigkeit des Beirats blockierten. Der KRM habe sich darauf verständigt, „zum letzten Mal“ einen weiteren Kandidaten vorzuschlagen.

Muslimische Verbände kritisieren Theologie-Zentrum in Münster

Köln (KNA). Die muslimischen Verbände in Deutschland kritisieren den Leiter des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT) in Münster, Mouhanad Khorchide. „In Münster werden Inhalte beschlossen und Professoren bestellt – über die Köpfe der Religionsgemeinschaften hinweg“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, am Dienstag in Köln. Münster agiere nicht im Einklang mit verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach Lehrinhalt und Lehrpersonal mit den Religionsgemeinschaften abgestimmt werden sollen.

Inhaltlich wirft Mazyek Khorchide vor, wie ein Orientalist und nicht wie ein Vertreter einer bekenntnisorientierten Religion zu argumentieren. Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) werde in Kürze ein theologisches Gutachten herausgeben, das „Punkt für Punkt“ Khorchides Theologie unter die Lupe nehme.

Mazyek forderte, dass das ZIT seine Arbeit solange ruhen lasse, bis sich der Beirat konstituiert hat, der über Lehrinhalte und Lehrpersonal befindet. Das Gremium besteht aus je vier Vertretern der Universität und des KRM. Weil von den Verbänden vorgeschlagene Kandidaten wegen ihrer Nähe zum Islamrat vom Bundesverfassungsschutz nicht akzeptiert werden, arbeitet der Beirat nicht. Gleichwohl läuft der Lehrbetrieb seit dem Wintersemester 2012.

Mazyek warnte davor, ohne die Religionsgemeinschaften Fakten zu schaffen. Weiter kritisierte er, dass Khorchide selbst gegen die Beiratslösung ist. Damit stelle er sich gegen die Verfassung. Es sei unhaltbar, dass das ZIT in dieser Situation Bundesgelder bekomme. Die Handlungsfähigkeit des Beirats sei so schnell wie möglich herzustellen. „Taktische Spielchen können wir uns nicht leisten, das sage ich in alle Richtungen“, so Mazyek.

Khorchide hatte in einem „Zeit“-Interview gesagt, dass er das Beiratsmodell und die damit verbundene Lehrerlaubnis am liebsten abschaffen würde. Stattdessen sei er für eine Selbstverpflichtung, in der stehe, dass man ein Leben nach islamischen Maßstäben führe. Ende November will Bundespräsident Joachim Gauck das Zentrum in Münster besuchen. Mazyek begrüßte die Visite als Würdigung der islamischen Theologie an den Hochschulen.

Interview: Muslimische Verbände kritisieren Theologie-Zentrum in Münster

(KNA). Die muslimischen Verbände sind unzufrieden mit dem Leiter des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT) in Münster, Mouhanad Khorchide. Über die Gründe äußert sich der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, am Dienstag im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Köln.

KNA: Herr Mazyek, der Bundespräsident besucht Ende November das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) in Münster. Aber ihre Freude ist getrübt…

Mazyek: Mit dem Besuch würdigt der Bundespräsident, dass an deutschen Hochschulen neben der christlichen Theologie nun auch der islamische bekenntnisorientierte Glaube gelehrt wird. Dies rechne ich Herrn Gauck hoch an – wie seinem Amtsvorgänger, der bereits die islamische Theologie an der Uni Osnabrück besucht hat.

KNA: Dennoch sind Sie nicht einverstanden damit, wie es derzeit in Münster läuft.

Mazyek: Die vier im Koordinationsrat (KRM) zusammengeschlossenen muslimischen Religionsgemeinschaften sind besorgt über das, was da in Münster passiert. Wir bekommen täglich Briefe von unseren Gemeindemitgliedern, die sich beschweren. In Münster werden Inhalte beschlossen und Professoren bestellt – über die Köpfe der Religionsgemeinschaften hinweg. Münster agiert nicht entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach Lehrinhalt und Lehrpersonal in Abstimmung mit den Religionsgemeinschaften festgelegt werden sollten. ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide will ja offenkundig diese Mitsprache auch noch ganz kappen. Aber sein Mandat ist explizit auf diese Zustimmung aufgebaut, weil bekenntnisorientierter Glaube vermittelt werden soll und keine Orientalistik. Khorchide redet, schreibt und handelt aber wie ein Orientalist und nicht wie ein Islamlehrer. Und das ist die Krux aller Probleme.

KNA: Tragen die muslimischen Verbände nicht selbst Schuld an der Misere? Die Uni hat ihre vier Mitglieder für den Beirat nominiert. Der KRM hat mit der Besetzung seiner vier Kandidaten dagegen Probleme, weil der Bundesverfassungsschutz bei dem einen oder der anderen eine zu große Nähe zum Islamrat moniert.

Mazyek: Zwischenzeitlich ist eine von der Uni bestellte Person des Beirats aus Protest über das Vorgehen in Münster zurückgetreten. Es muss so schnell wie möglich Handlungsfähigkeit des Beirats hergestellt werden. Taktische Spielchen können wir uns nicht leisten, dass sage ich in alle Richtungen. Ich kann auch nicht ganz nachvollziehen, dass der Vertreter des Islamrats im nordrhein-westfälischen Beirat sitzen darf, der die Inhalte für den schulischen Religionsunterricht festlegt, in Münster aber nicht. Der Islamrat sucht jetzt aber dennoch eine neue Person. Und ich hoffe, dass bald eine verträgliche Lösung gefunden wird, mit der alle leben können.

KNA: Soll das ZIT seine Arbeit ruhen lassen, bis der Beirat steht?

Mazyek: Für Münster hätte dies den größten Vorteil. Die Uni würde auf einen Schlag den Geruch los, die Situation auszunutzen und ohne die Religionsgemeinschaften Fakten zu schaffen.

KNA: Khorchide selbst ist gegen die Beiratslösung und den Einfluss der islamischen Verbände. Aus seiner Sicht gibt es im Islam keine amtliche Lehrerlaubnis.

Mazyek: Damit stellt er sich gegen die Verfassung. Diese sieht vor, dass die Lehrerlaubnis durch die Religionsgemeinschaft begründet wird. Khorchides Vorstoß bedeutet im Umkehrschluss, dass er sich selbst diese Befähigung geben und alleiniger Master islamischer Rechtsprechung werden will. Es ist unhaltbar, dass solch ein Konsortium, das sich explizit gegen die Vorgaben des Wissenschaftsrates setzt, weiter Bundesgelder bekommt. Solche Vorstöße sind in der Öffentlichkeit vielleicht schick, weil sie gegen muslimische Verbände gerichtet sind. Sie gefährden aber nachhaltig den Standort Münster.

KNA: Was stört Sie denn so sehr an der Arbeit von Khorchide?

Mazyek: Wie gesagt, er argumentiert wie ein Orientalist und nicht wie ein Vertreter einer bekenntnisorientierten Religion. Der KRM wird in Kürze ein Gutachten herausgeben, das ausgewiesene Theologen erstellen, in dem wir sachlich Punkt für Punkt seine sogenannte Theologie vor dem Hintergrund des reichen Fundus der 1.400-jährigen islamischen Geistesgeschichte genauer unter die Lupe nehmen.

KNA: Khorchide ist dagegen, den Islam auf rechtliche Regelungen zu reduzieren und will juristische Aussagen – etwa, dass Dieben die Hand abzuhacken sei – nicht wörtlich verstehen, sondern im historischen Kontext. Ist Ihnen der Professor zu liberal?

Mazyek: Gar nicht, nur muss diese Liberalität auch mit Substanz gefüllt sein. Längst stellen zum Beispiel viele Gelehrte die drakonischen Hadd-Strafen unter ein Moratorium. Damit wird man doch nicht gleich liberal. Khorchide benutzt bekannte mutazilitsche Ansätze (eine islamische Denkrichtung, Anm. d. Red.), verwoben mit autobiografischen Erlebnisberichten. Auch manch Alttestamentarisches ist dabei, wenn man mal bestimmte Begriffe heranzieht. Wirklich Neues ist nicht zu erkennen. Daran ändert auch nichts, wenn man sich als besonders liberal oder als Reformer preist, was zugegeben hierzulande geradezu elektrisiert. Was aber hinten raus kommt, ist wichtig. Und das ist theologisch und wissenschaftlich ziemlich dünn?

KNA: Was soll Khorchide denn anders machen?

Mazyek: Der Islam ist in Deutschland eine junge Wissenschaft. Da brauchen wir Professoren, die zunächst einmal die 1.400-jährige muslimische Geistesgeschichte aufarbeiten. Und das heißt: Monografien und analytische Bibliografien sprachlich und kulturell in den deutschen Sprachraum zu bringen. Vor dem Experiment kommt die Bestandsaufnahme, sonst bleibt das Experiment eine Luftblase. Im Bereich Monografien und Bibliografien haben bislang nur Orientalisten gearbeitet, die aber anders an die Texte herangehen als bekenntnisorientierte Wissenschaftler.

KNA: Khorchide setzt aus Ihrer Sicht die falschen Prioritäten?

Mazyek: Ich denke schon. Ich will das an einem Beispiel erklären. Vorbildlich, obwohl ohne bekenntnisorientierten Anspruch, ist das Projekt «Corpus Coranicum» der Berliner Arabistik-Professorin Angelika Neuwirth. Sie bemüht sich um eine der Überlieferung entsprechende Übersetzung des Korantextes in die heutige Zeit. Nicht alles würde ich kritiklos hinnehmen. Aber an ihrer Art erkennt man einen wissenschaftlichen Ethos und eine gewisse Demut, die ich mir bei Khorchide wünsche. Neuwirth zeigt: Man kann frei forschen, ohne die wissenschaftliche Würde zu verraten. Es geht mir gar nicht um Linientreue oder so. Aber eine Jahrhunderte alte Geistesgeschichte mit exzellenten wissenschaftlichen Arbeiten plus Glaubensvermittlung lässt sich nicht in den Kategorien liberal oder konservativ beschreiben. Das suggeriert aber Khorchide. Er macht sich so zwar populär, aber wissenschaftlich angreifbar, weil oberflächlich.

KNA: Khorchides Vorgänger, der Islamtheologe Muhammad Sven Kalisch, hat die Zustimmung der islamischen Verbände verloren, nachdem er die Existenz Mohammeds angezweifelt hatte. Droht nun auch Khorchide eine Abberufung?

Mazyek: Nochmals, es geht hier nicht um Orientalistik, sondern um die Glaubenslehre. Hier muss es ein Mindestmaß an Authentizität geben. Dieses zu beurteilen, obliegt weder dem Staat, der neutral bleiben muss, noch dem einzelnen Wissenschaftler. Was authentisch ist, müssen die Gläubigen sagen, – allerdings plausibel. Warten wir erst mal, was das Gutachten des KRM ergibt.

KNA: Spielen Sie nicht das Spiel des radikalen Salafisten Pierre Vogel? Er fordert im Internet vollmundig, Khorchide von der Universität zu vertreiben.

Mazyek: Noch schlimmer, er erklärt ihn zum Glaubensverweigerer. Diese Äußerungen sind extrem populistisch und gleichsam hochgefährlich. Jemanden kraft irgendwelcher Autorität zum Kafir, also zum Ungläubigen oder Glaubensverweigerer zu erklären, lehnen wir rundweg ab. Übrigens hat Khorchide in seinem Buch die Neo-Salafisten ebenso zu Glaubensverweigerer erklärt. Damit hat er, vielleicht ohne es zu merken, das Geschäft der Fundamentalisten bedient.

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Kommentar: Die Islamkonferenz ist gescheitert. Auch, weil sie „heiße“ Begriffe nicht abrüsten will

(iz). In schwierigen Debatten kann man sich auch schwer verheben. So liest man heute sogar in der ehrwürdigen FAZ diese bemerkenswert abstruse Logik: „Extremismus und Terror gehören zu den Gründen, […]

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"IZ-Begegnung" mit dem jungen Autor und Journalisten Eren Güvercin über sein neues Buch und die Lage der Muslime in Deutschland

(iz). Wie ist die Lage der deutschen Muslime? Bisher waren es vor allem Beobachter von Außen, die dazu – mehr oder weniger qualifizierte – Aussagen treffen. Im April erscheint im Herder Verlag „Neo-Moslems. Porträt einer deutschen Generation“. Darin versucht der junge Autor Eren Güver­cin, neue und nach ­vorne weisende Antworten auf offene Fragen zu geben. Ihm geht es insbesondere um selbstbewusste Ansätze, mit denen sich die junge Generation der Muslime konstruktiv und überraschend zu Wort meldet.

Eren Güvercin, geboren 1980 als Sohn türkischer Eltern in Köln, studierte Rechtswissenschaften in Bonn und arbeitet als freier Journalist für verschiedene Hörfunksender und Zeitungen. Er ist Mitinitiator der „Alternativen Islamkonferenz“ und betreibt das Blog erenguevercin.wordpress.com.

Islamische Zeitung: Im April erscheint dein erstes Buch bei Herder („Neo-Moslems. Porträt einer deutschen Generation“). Wer sind diese Neo-Moslems? Musste man für sie extra ein neues Wort erfinden?

Eren Güvercin: Ich bin kein Freund davon, dass man für die Muslime in Deutschland neue Worte erfindet. Im Laufe der Entwicklung des Buches sind wir in der Kooperation mit meinem Lektor auf die „Neo-Muslime“ gestoßen. Er fand den Titel griffig und beim zweiten Nachdenken dachte ich, dass es für den Leser auf jeden Fall spannend sein ­würde.

Bei „Neo-Muslimen“ mag man im ersten Augenblick an Neonazis oder Neoli­beralismus denken. Also Begriffe, die negativ besetzt sind. Es vermittelt aber auch etwas, das neu und frisch ist und sich daher für den Titel eignet. Man muss auch die Seite der Vermarktung im Auge behal­ten, damit potenzielle Käufer angezogen werden. Daher fand ich diesen Titel gut.

Wer die Neo-Muslime sind… (überlegt)… Das sind junge Muslime wie ich, die einen türkischen oder arabischen Hintergrund haben, aber hier geboren und aufgewachsen sind. Sie sind ein ganz natürlicher Bestandteil der deutschen Gesellschaft wie alle anderen auch. Als Neo-Muslime kann man ebenso die größer werdende Anzahl deutscher Muslime sehen, die – aus welchen Gründen auch immer – zum Islam gefunden haben.

Islamische Zeitung: Du hast dich, auch in der IZ, Mitte letzten Jahres an der Liberalismus-Debatte beteiligt. Dabei wendest du dich auch gegen die Etikettierung von Muslimen. Ist das nicht ein Widerspruch zu der Vorstel­lung von „Neo-Muslimen“?

Eren Güvercin: Meine Kritik ­richtete sich an alle Seiten, da mit dem Label „konservativ“ oder „liberal“ Muslime etikettiert werden. Den Vorgang habe ich generell kritisiert; unabhängig davon, wie ich zu „konservativen“ oder „liberalen“ Inhalten stehe. Interessanterweise ­wurde meine Kritik nur von den Repräsentanten eines so genannten „liberalen Islams“ zurückgewiesen. Es gab natürlich auch Gegenstimmen, und diese werden sich jetzt sicherlich auf das Wort „Neo-Muslime“ stürzen und sagen: „Herr ­Güvercin, sie betreiben ja gleichfalls dieses Labeling!“ Da muss man sich aber erst einmal das Buch anschauen und dann bin ich auch für diese Kritik offen. Wenn man das Buch liest, wird klar, dass das keine Etikettierung ist, sondern nur ein Buchtitel. Schließlich urteilen wir über ein Buch ja nicht über den Titel, sondern über den Inhalt.

Islamische Zeitung: In Zeiten des Niedergangs denken Menschen oft mehr darüber nach, was sie sind, als was sie tun – Stichwort „Identitäts-Debatte“. Sind die Neo-Muslime da anders, oder leiden sie an ihrer ­Identität? Haben sie multiple Identitäten?

Eren Güvercin: Multiple Identitäten? Keine Ahnung. Ehrlich gesagt, sind dies Begriffe, die mir nicht viel sagen. Um es einfach zu machen: Ich als junger Muslim, der in Deutschland geboren und aufge­wachsen ist, finde diese ganzen Identitätsdebatten, wonach wir zwischen zwei Kulturen stünden etc., relativ nutzlos und öde. Sie haben mich nie interes­siert. Ich pfeife drauf.

Sie stehen auch nicht im Zentrum meines Buches. Ich versuche, in separaten Themenbereichen Debattenbeiträge zu leisten, bei denen man zu Anfang nicht gedacht hätte, dass hier Muslime etwas zu sagen hätten. Diese ganze Identitätsdebatte läuft schon seit 10 bis 20 Jahren. Wenn es so weitergeht, wird auch in den kommenden 20 Jahren um Identität, Integration und Kulturkampf und was auch immer gestritten. Ich finde die Vorstellung, dass wir armen deutsch-türkischen Muslime zwischen Stühlen sitzen würden, offen gestanden recht langweilig. Das ist auch nicht mein Thema.

Ich denke, wir sollten als Muslime einmal selbstkritisch fragen, ob wir zu ­allen Themen, die in Medien debattiert werden, etwas sagen müssen. Wir sollten vielleicht auch souverän genug sein und entgegnen, dass Identitätskonflikte nicht unser Thema sind. Ich persönlich will dazu keinen Beitrag leisten. Selbst in meiner Jugend war dies nie ein Thema für mich. „Bin ich ein Türke? Bin ich ein Deutscher?“ Das hat mich nie wirklich interessiert.

Islamische Zeitung: Es gibt viele neue Projekte – innerhalb wie außerhalb der bestehenden Strukturen – dieser neuen Generation. Ist sie für dich der Motor von Veränderung?

Eren Güvercin: (überlegt)… Es gibt natürlich gerade unter den jungen Muslimen viele verschiedene Initiativen. ­Seien es die Zahnräder, Internet-Communities, Cube-Mag etc. Ich finde es grundsätzlich positiv, dass Jugendliche aus verschiedenen Hintergründen, Vereinen und Verbänden zusammenkommen und etwas gemeinsam machen. Aber diese Projekte haben mich offen gestanden nie so angesprochen, dass ich 100-prozentig dahinter stehen würde.

Die meisten beschäftigen sich immer mit den selben Dingen. Oft handelt es sich dabei um eine Reaktion auf Debatten, die uns von der Gesellschaft vorgesetzt werden. Es ist selten der Fall, dass junge Muslime eigene Themen setzen und auch einmal das Bild der Muslime in Deutschland brechen. Die ­Generation unserer Eltern konnte das nicht, weil sie aus einem ganz anderen Milieu kam und einen anderen Erfahrungshorizont hatte. Meine Eltern sind damals Ende der 1960er Jahre aus einem anatolischen Dorf direkt nach Deutschland gekommen. Sie hatten keinerlei Sprachkenntnisse, haben aber das Beste aus ihrer Situ­ation gemacht. Sie haben alles für uns getan. Selbst wenn meine Mutter eine Analphabetin ist, hat sie darum gekämpft, dass ihre Kinder die beste Bildung ­bekommen.

Es liegt jetzt an uns, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und voranzukommen und auch von uns aus der Gesellschaft etwas anzubieten. Ich ­finde, dass viele junge Muslime auf ihre Situation nur reagieren, als dass sie agieren würden und aus einer Position der ­Stärke vielleicht auch zu anderen als den medi­al inszenierten Themen Stellung ­beziehen würden.

Islamische Zeitung: Aus welchen Gründen auch immer haben wir einen Dschungel multipler Identitäten und Lebensentwürfe – auch unter den Muslimen. Sie sind – anders als die so genannten liberalen Kritiker – keine homogene Masse. Wie lassen sich für die Muslime im Dschungel dieser Meinungen verbindliche Positionen formulieren? Können wir verhindern, dass das ganze in Bedeutungslosigkeit abgleitet?

Eren Güvercin: Egal, welcher Strömung man angehört, gibt es immer viele gemeinsame Nenner. Entscheidend ist, dass man nicht nur zwischen Gleichgesinnten in seinem eigenen Ghetto lebt. Wir müssen aus unserem eigenen Milieu heraustreten und uns mit anderen Muslimen treffen. Ungeachtet der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verband oder zu einer spezifischen Initiative lassen sich immer verbindliche Elemente finden.

Betrachten wir die Debatte der letzten Monate zwischen so genannten „konser­vativen“ und „liberalen“ Muslimen. Würden sich die Vertreter beider Positionen wirklich begegnen, ließen sich Punkte formulieren, die sich als gemeinsame Ansichten herauskristallisieren.

Ich halte nichts von diesen künstlichen Gräben – seien es die zwischen verbands­gebundenen und ungebundenen Muslimen. Obwohl ich selbst nie Mitglied gewesen bin und die Verbände mich persönlich auch nicht ansprechen, sehe ich bei der Begegnung mit Mitgliedern von Milli Görüs oder anderen großen Verbänden schon, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben. Selbst die Mitglieder eines bestimmten Verbandes sind in sich überhaupt keine homogene Masse. Es wäre beispielsweise bei der Milli Görüs unfair zu behaupten, alle ihre Mitglieder seien konservativ oder sonst was. Selbst innerhalb der „liberalen“ Muslime wird man solche finden, die teilweise konserva­tive Ansichten haben. Die Welt ist nicht so schwarz-weiß, wie wir sie uns gerne zeichnen würden. Daher ist die inflatio­näre Verwendung der Labels „konserva­tiv“ und „liberal“, um sich von den ­jewei­lig anderen abzugrenzen, eine reine Kampfrhetorik. Inhaltlich steckt da kaum was dahinter.

Islamische Zeitung: Braucht es dafür nicht Pole der Autorität, die in dieser Vielfalt Prioritäten setzen? Oft werden die unwichtigsten Fragen – wie das Binden des Kopftuchs – auf die gleiche Stufe mit den wichtigsten – wie der Zakat – gestellt. Man gewinnt den Eindruck, dass das vertikale Wissens des Islam durch die neuen Organisations­formen nivelliert wird.

Eren Güvercin: In der islamischen Geschichte übernahmen diese Funktionen immer die Gelehrten. Viele jungen Muslime beschäftigen sich mit ihrem Din. Kommt es dann zu Fragen, ist das Inter­net die erste Instanz, der sie sich zuwen­den. Zuerst wird einmal „Schaikh Google“ konsultiert, anstatt zuerst zu einem Imam des Vertrauens zu gehen. Daher ist es umso wichtiger in unserer Zeit, dass die dafür ausgebildeten Personen mit solchen Fragen konfrontiert werden.

Niemand kann behaupten, dass alle Imame in Deutschland des Deutschen nicht mächtig wären oder in einer Paral­lelgesellschaft lebten. Es gibt genau so viele Imame, die wissen, wie das Leben in Deutschland ist und die die ­Probleme der Jugendlichen kennen. Man sollte sie aber auch ansprechen.

Islamische Zeitung: Nach mehr als einem Jahrzehnt Internet, soziale Netzwerke und digitaler Endgeräte; haben sich die traditionellen Formen und Denkregeln irreversibel geändert – Stichwort „Schaikh Google“ – oder finden die jungen Muslime einfach nicht die passenden Imame, denen sie sich zuwenden können?

Eren Güvercin: Natürlich gibt es ­dieses Problem, aber es gibt gleichermaßen immer mehr junge Muslime, die sich von den traditionellen Gemeinden dis­tanzie­ren. Sie bauen eigene, quasi gemein­schaftliche Strukturen auf. Natürlich kann man auf das Wochenendtreffen ­einer Jugendorganisation gehen und dort ein schönes Wochenende haben. Aber eine Moschee vor Ort, wo man zumindest zum Freitagsgebet hingeht und eine gemeinschaftliche Realität hat, ist eine andere Sache. Das ist ein Punkt, der defi­nitiv unter jungen Muslimen thematisiert werden sollte.

Das ist halt Fluch und Segen der Technik. Ich will nicht alles verteufeln, aber Muslimen sollte bewusst sein, dass – egal, welche Technik das ist – es auch einen Einfluss auf ihren Alltag hat. Es braucht hier eine kritische Distanz, oder besser gesagt einen gelasseneren Umgang mit der Technik.

Islamische Zeitung: Glaubst Du, dass einer deiner archetypischen Neo-Muslime, deren muslimische Identität nicht unerheblich durch Twitter, Facebook und das Internet geprägt wird, überhaupt noch in der Lage ist, so etwas wie die traditionelle Wissens­aneignung zu verstehen?

Eren Güvercin: Das Problem ist, dass sie es nicht kennen. Würden sie es kennenlernen, würden sie es definitiv schätzen. Ich glaube, sie versuchen sich aus dieser Unkenntnis heraus im Internet eine alternative Sicht zu suchen. Ich habe einen Zugang dazu, aber viele andere im meinem Umfeld haben es nicht. Könnten sie den qualitativen Unterschied erkennen, würden sie verstehen, dass das Internet kein authentisches Wissen ­bietet, sondern bloße Information. Die ­direkte Wissensvermittlung ist etwas ganz ande­res als die bloße Vermittlung von Information über das Internet etwa.

Die großen muslimischen Organisatio­nen, welche die Ressourcen dazu haben, sind in der Verantwortung, die muslimischen Jugendlichen auch mit diesem Wissen in Verbindung zu bringen. Wenn sie nicht dazu in der Lage sind, haben sie versagt.

Islamische Zeitung: Gelegentlich hat man das Gefühl, dass allen neuen Ansätze – von den „liberalen Muslimen“ bis zu den „Neo-Salafiten“ – die Herzenswärme und der Stallgeruch der alten Hadschis fehlt, die noch eine innere Verbindung zum Propheten und zu Medina haben. Das ganze wirkt manchmal etwas steril. Teilst du ­diese Erfahrung und brauchen wir dazu nicht ironischerweise „alte“ ­Elemente wie die Futuwwa?

Eren Güvercin: Im ersten Kapitel meines Buches würdige ich die erste Generation meiner Eltern, die hier alles aufgebaut hat. Ich habe sie als die „goldene Generation“ bezeichnet – ganz besonders die Frauen. Sie haben ganz viel ­geleistet. Gerade durch die einfache Spiritualität der anatolischen Bauern haben sie uns ganz viel vermittelt. Das können nur die wissen, die das auch erfahren haben. Was uns meine Eltern an Spiritualität ­gegeben haben, findet man an keiner Universität, auf keinem Wochenendtreffen, in kei­nem Iman-Seminar oder sonst irgend­wo. Ich glaube, dass wir als junge Muslime, die in Deutschland geboren wurden, glauben: „Wir sind fortschrittlich und haben in Europa eine gute Bildung genossen.“ Ich denke, dass wir langsam merken, was wir an unseren alten ­Leuten haben. Es ist genau diese ­Herzenswärme, die sie uns in den Hinterhofmoscheen vermittelt haben. Heute haben wir neue, repräsentative Moscheebauten, aber wenn die Spiritualität fehlt, dann nutzt auch das schönste Gebäude nichts. Es waren Menschen, die nicht viel zu reden brauchten, um echtes Wissen zu vermitteln. Auch in der gesellschaftlichen Debatte kommt die Wertschätzung der ganzen Gastarbeiter-Generation viel zu kurz.

Islamische Zeitung: Nehmen wir dein Buch als Ausgangsbasis; was wäre die Quintessenz, aus der man neue Sachen entwickeln könnte?

Eren Güvercin: Gegen Ende gehe ich auf meine Idee einer alternativen Islamkonferenz ein. Für manche mag das eine Provokation sein, weil man glauben könnte, dass es sich dabei um ein Konkurrenzprodukt zur DIK handelt. Die ihr zugrunde liegende Idee ist, dass bei einer wirklichen innermuslimischen Begegnung auf Augenhöhe womöglich vorher da gewesene Differenzen sich erfahrungsgemäß von selbst auflösen werden. Ich versuche mit Unterstützung von Feri­dun Zaimoglu, alle relevanten Muslime zusammenzubringen – konservativ oder liberal, organisiert oder unorganisiert. Wir sollten miteinander, statt übereinan­der reden. Es geht nicht um die Gründung einer Über-Organisation, sondern das einzige Ziel ist, dass sich die verschie­denen Muslime begegnen, sich austauschen und meinetwegen auch sich streiten. Das ist bisher niemals der Fall gewesen. Bisher kamen die Muslime nur auf Einladung seitens Dritter zusammen, wo es aber niemals ein Gespräch auf Augenhöhe gab.

Islamische Zeitung: Das scheint ja einer der Punkte zu sein, an dem du dich mit Lamya Kaddor triffst, die im letzten Monat einen „Muslimtag“ ­vorschlug…

Eren Güvercin: Die Idee stammt ja von Abdul-Ahmad Rashid, dem ZDF-Redakteur vom „Forum am Freitag“, den ich sehr schätze. Ich finde den Vorschlag auch gut, nur handelt es sich dabei um etwas anderes. Seine Idee ist die Organisation eines öffentlichen Events nach dem Vorbild des Kirchentags.

Ich finde solch ein Vorhaben wichtig und würde so etwas auch sofort unterstützen. Es geht mir bei der Alternativen Islamkonferenz aber um eine Debatte unter den Muslimen, bei der über alles gesprochen werden kann – meiner Meinung auch gerne hitzig. Um diese Offen­heit zu gewährleisten, braucht es einen geschützten Raum. Es muss auch Zonen geben, in denen die Muslime untereinan­der sein können. Dialogveranstaltungen haben wir meiner Meinung nach genug gehabt in den letzten Jahren. Warum soll es nicht auch einmal einen wirklichen Dialog unter Muslimen geben?

Islamische Zeitung: Lieber Eren, vielen Dank für das Gespräch.

Aus der Reihe „Briefe, die abzuschicken wir uns nicht getrauten“

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