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Verfassungsschutz warnt vor rechter Vernetzung

Verfassungsschutz Vernetzung Rechtsextremismus

Berlin (dpa/IZ) Der Verfassungsschutz warnt vor einer Ausweitung rechtsextremistischer Netzwerke. Im vergangenen Jahr sei eine neue beunruhigende Entwicklung zu beobachten gewesen. So hätten sich neben bekannten rechten Akteuren bei Veranstaltungen zuletzt auch „Funktionsträger von nicht extremistischen Parteien, Organisationen und Verbänden“ zusammengefunden, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, in Berlin. Dort stellte Bundesinnenministerin Nancy Faeser einen neuen 13-Punkte-Katalog zum verstärkten Kampf gegen Rechtsextremismus vor. Ein Großteil der aufgelisteten Vorhaben ist allerdings bereits bekannt und teils auch schon beschlossen. 

Beunruhigend sei auch die Zusammenarbeit von zum Teil gewaltorientierten Rechtsextremisten mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern auf Bundes- und Landesebene, sagte Haldenwang. Beispielhaft für die Erweiterung des Teilnehmerkreises sei das Treffen in Potsdam im November gewesen, das das Medienhaus Correctiv im Januar öffentlich gemacht hatte. Auch der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, berichtete, es gebe „in der rechten Szene vermehrt lose Kennverhältnisse und lockere, teilweise auch virtuelle Netzwerke anstatt ideologisch gefestigter und organisierter Gruppen“. Faeser erklärte: „Insbesondere die sogenannte Neue Rechte versucht, ihre menschenverachtende Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Der verlängerte Arm dieser Rechtsextremisten reicht bis in unsere Parlamente.“ Die AfD wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. 

„Kreide fressend, Schafspelze tragend“

Rechtsextremisten tarnten sich, und versuchten – „Kreide fressend, Schafspelze tragend“ – ihre brutalen Vorstellungen zu kaschieren, mahnte Haldenwang. Sie bedienten sich der Ängste und Krisenerfahrungen in der Bevölkerung, um die politischen Ränder zu radikalisieren und ihre Agenda in die bürgerliche Mitte zu tragen. Beim Rechtsextremismus sei nicht nur auf Gewaltbereitschaft zu achten. „Wir müssen aufpassen, dass sich entsprechende Denk- und Sprachmuster nicht in unsere Sprache einnisten.“ Haldenwang nannte beispielhaft die Begriffe „Remigration“ als millionenfache Aussiedlung von Menschen aus Deutschland sowie die Idee des „Ethnopluralismus“. „Klingt nach Vielfalt, meint aber: jede ethnische Gruppe gefälligst in dem Gebiet, wo sie ursprünglich mal herkommt, und schön getrennt voneinander. Und das soll sich bloß nicht durchmischen.“ Diskussionen über solche Thesen bei einschlägigen Treffen seien zwar nicht strafbar, aber griffen trotzdem die freiheitlich-demokratische Grundordnung an und verletzten die Menschenwürde. Haldenwang sagte, die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten, die 2022 bei 14.000 gelegen habe, sei 2023 erneut gestiegen.

Verfassungsschutz ist besorgt

Faeser erklärte, der Rechtsextremismus bleibe die größte Gefahr für die demokratische Grundordnung. BKA-Chef Münch sagte, die Zahl der Delikte politisch motivierter Kriminalität habe sich binnen zehn Jahren mehr als verdoppelt. „Besorgniserregend ist insbesondere der Anstieg von Gewaltdelikten und von Hasskriminalität.“ 2023 sei ein Höchststand erreicht worden. „Größtenteils handelt es sich dabei um Propagandadelikte und Volksverhetzung.“ Aber auch bei Gewaltstraftaten gebe es keine Entspannung. Die entsprechenden Statistiken werden im Frühjahr veröffentlicht. 

Ein Teil von Faesers neuem Papier ist eine „Früherkennungseinheit“ der Bundesregierung zu ausländischen Manipulations- und Einflusskampagnen, die nach den Worten der Ministerin „hoffentlich in wenigen Monaten“ die Arbeit aufnehmen wird. Sie sei in der Bundesregierung vereinbart, solle aber beim Innenministerium angesiedelt werden. Wie Rechtsextremisten wollten auch einige ausländische Akteure die Demokratie in Deutschland schwächen, heißt es in dem Papier. „So erzeugen autokratische Staaten im Internet mit Fake Accounts künstliche Reichweite, erfinden mit KI-basierten Bildern Geschichten und gaukeln mit kopierten Zeitungswebsites Glaubwürdigkeit vor.“ Die neue Früherkennungseinheit soll solche Kampagnen bereits im Vorfeld erkennen, stoppen oder zumindest kenntlich machen. 

Die neuen Vorhaben fußen auf dem „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“, den Faeser im März 2022 vorgestellt hatte. Ein Teil von ihnen ist in dem Vorgängerpapier bereits enthalten. 

Kritik aus Reihen der CDU

„Statt den ersten Plan konsequent abzuarbeiten, gibt sie gleich das nächste Paket hinterher“, sagte der Sprecher der Unionsfraktion für politischen Extremismus, Michael Breilmann (CDU), über Faeser. „Es wirkt, als ginge es der Innenministerin vor allem um eine kommunikative Aufhübschung ihrer eigenen Halbzeit-Bilanz.“ Teil des Aktionsplans waren zum Beispiel bereits die Pläne zur Verschärfung des Waffenrechts, bei denen Faeser erneut Fortschritte anmahnte. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verlangte hier Fortschritte. Faeser gab sich hoffnungsvoll auf eine baldige Einigung in der Ampel-Koalition. In der FDP gibt es Befürchtungen, auch Jäger könnten in Mitleidenschaft gezogen werden.

In dem Papier vom Dienstag spricht sich das Innenministerium auch für eine Änderung des Grundgesetzes aus, um das Bundesverfassungsgericht besser vor der Einflussnahme von Demokratiefeinden zu schützen. 

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), warf Faeser vor, auf einem Auge blind zu sein. „Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist wichtig und richtig, die Ministerin vernachlässigt aber sträflich den Kampf gegen muslimischen Extremismus und Linksextremismus und den damit zusammenhängenden Antisemitismus. Das ist unverantwortlich“, so Throm. Faeser selbst äußerte sich in einer Antwort auf eine ähnlich gelagerte Frage entnervt: „Ich werde irgendwann hoffentlich in Deutschland mal nachvollziehen können, warum man niemals über eine Form des Extremismus reden kann, ohne nicht nach den anderen gefragt zu werden.“ Sie betonte: „Wir gehen gegen alle drei Formen des Extremismus hart vor.“ Haldenwang bezeichnete muslimischen Extremismus und Terrorismus als „Riesenschwerpunkt“ für den Verfassungsschutz, betonte aber: „Als größte Gefahr für unsere Demokratie und für die Sicherheit in Deutschland sehen wir in der Tat den Rechtsextremismus. Insofern wird der auch mit einer sehr hohen Priorität bearbeitet.“

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Verfassungsschutz: Extremistische Straftaten 2023 auf Höchststand

verfassungsschutz

Verfassungsschutz: Mit insgesamt 35.452 Fällen hat die Zahl von Straftaten mit extremistischem Hintergrund einen Höchststand erreicht. (KNA). Mit insgesamt 35.452 Fällen hat die Zahl von Straftaten mit extremistischem Hintergrund laut […]

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Verfassungsschutz: Chef sieht AfD-Umfragewerte mit Sorge

Verfassungsschutz Haldenwang

Thomas Haldenwang, Chef des Verfassungsschutzes, sieht die AfD als gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

Berlin (dpa/iz). Angesichts der Entwicklung der AfD beobachtet Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang den Zuspruch für die Partei mit Sorge und hält es für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich dem entgegenzustellen. Nicht der Verfassungsschutz sei dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken.

Verfassungsschutz will Bevölkerung wachrütteln

„Aber wir können die Bevölkerung wachrütteln, wir können Politiker wachrütteln“, sagte Haldenwang am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Diese Einstufung hatte das Kölner Verwaltungsgericht im März 2022 bestätigt. Die AfD legte Berufung ein. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla wies den Vorwurf des Extremismus gegen seine Partei zurück. In bundesweiten Umfragen stand die AfD zuletzt teilweise auf Platz zwei in der Parteienlandschaft.

Foto: Markus Spiske, via flickr | Lizenz: CC BY 2.0

„Gute Gründe“ für Verdachtsfall

„Aus guten Gründen haben wir die AfD als Verdachtsfall eingerichtet“, sagte Haldenwang. „Wir sehen in der AfD tatsächlich starke Strömungen, die verfassungsfeindlich agieren. Und da geht es insbesondere um Hass und Hetze gegenüber Minderheiten aller Art, Minderheiten, Migranten, Muslime, aber auch Menschen mit anderer sexueller Orientierung.“

Zu beobachten sei auch ein völkisch-nationalistisches Staatsbürgerverständnis mit der Vorstellung von Staatsbürgern erster und zweiter Klasse.

All das müssten die Bürger wissen bei ihrer Wahlentscheidung, sagte Haldenwang. „Umso wichtiger ist es, dass wir über diese Partei und ihre Bestrebungen eben aufklären, über das, was die Gefahr dieser Partei für unsere Demokratie, für unsere freiheitliche Grundordnung ausmacht.“

Die Aufklärung solle auch die gesellschaftlichen Kräfte mobilisieren, sich stärker gegen diesen Trend zu stellen: „Der Kampf für unsere Demokratie muss in der Gesamtgesellschaft geführt werden.“

Foto: knirpsdesign | Shutterstock

Aktueller Bericht: „Hohe Gewaltneigung“ festgestellt

Eine hohe Gewaltneigung unter Extremisten in Deutschland macht dem Verfassungsschutz große Sorgen. Eine deutliche Warnung spricht der Inlandsgeheimdienst in seinem jährlichen Bericht auch zu Spionage- und Einflussnahmeversuchen Chinas aus. 

Vorgestellt wurde der Verfassungsschutzbericht 2022 am Dienstag in Berlin – fast zeitgleich mit dem Auftakt der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen.

Sorgen macht dem Inlandsgeheimdienst, dass sich in Internet-Foren der „Attentäter-Fanszene“ oftmals sehr junge Menschen radikalisieren und gegenseitig zu Gewalttaten aufstacheln.

Foto: Mike Mareen, Shutterstock

China macht Sorgen

Der Bericht enthält eine sehr eindringliche Warnung zu China. Der Verfassungsschutz hält die Volksrepublik derzeit für „die größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland“.

Staatliche chinesische Akteure versuchten, „führende Persönlichkeiten aus der deutschen Wirtschaft unter Ausnutzung der Abhängigkeit einzelner deutscher Unternehmen vom chinesischen Markt“ für die Durchsetzung der Interessen der Kommunistischen Partei Chinas zu instrumentalisieren.

Koalitionsvertrag: GroKo-Positionen zu „Islam" sind erschreckend

(iz). Die Große Koalition steht. Wieder. Der 170-seitige Koalitionsvertrag gelangte über Medien an die Öffentlichkeit und wird aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Nur wenigen scheint dabei aufzufallen, dass die Absätze bezüglich […]

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„Anschlag gegen Menschlichkeit“

Seit Monaten häufen sich in Deutschland Anschläge gegen Flüchtlingsheime. Mit einer Granate im Schwarzwald erreicht die Gewalt eine neue Qualität. Eine entscheidende Frage ist aber offen.
Villingen-Schwenningen (dpa). Mit einem Handgranatenanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im Schwarzwald hat die Gewalt gegen Zuwanderer in Deutschland eine neue Dimension erreicht. Unbekannte warfen in der Nacht zum Freitag den Sprengsatz auf das Gelände der Unterkunft im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen – unklar ist aber, ob die jugoslawische Granate vom Typ M52, eine Kriegswaffe, scharf war und hätte explodieren können. Verletzt wurde niemand.
„Es steht fest, dass sie mit Sprengstoff gefüllt war“, sagte Johannes-Georg Roth, Leiter der Staatsanwaltschaft Konstanz. „Ob ein Zünder verbaut war, ist bisher nicht bekannt.“ Ein Experte des Landeskriminalamtes erklärte, von einer scharfen Granate könne nur gesprochen werden, wenn Sprengstoff und Zünder vorhanden seien. Aus Polizeikreisen hatte es zunächst geheißen, die Granate sei scharf.
Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben in alle Richtungen und schließt ein fremdenfeindliches Motiv nicht aus. Einen konkreten Verdacht gebe es noch nicht. Befragungen in der Nachbarschaft hätten aber den einige Hinweise dazu erbracht, hieß es.
Die Granate wurde von Entschärfern kontrolliert gesprengt. In der Unterkunft leben nach Auskunft des Regierungspräsidiums Freiburg 104 Flüchtlinge aus mehreren Ländern, 39 davon aus Syrien, weitere Flüchtlinge stammten aus Afghanistan, Irak und Albanien.
Die Handgranate sei gegen 1.15 Uhr von der Straße aus über den Zaun in eine Zufahrt des Geländes geworfen worden, sagte der Leiter der Sonderkommission „Container“, Rolf Straub. Der Sprengkörper sei neben einem Container des Sicherheitsdienstes liegengeblieben, in dem sich nach Auskunft von Klemens Ficht vom Regierungspräsidium Freiburg drei Sicherheitsleute aufhielten. Die Granate explodierte jedoch nicht. Zwölf Streifenbesatzungen rückten an, die Polizei sperrte das Gelände und angrenzende Straßen weiträumig ab.
Es ist bundesweit der erste Sprengstoff-Angriff auf Flüchtlinge. „Bis jetzt hatten wir zwar mehrere Fälle, in denen Pyrotechnik verwendet wurde“, sagte eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden. „Dass nun eine Kriegswaffe zum Einsatz gegen eine Flüchtlingsunterkunft kam, ist neu.“
Politiker sprachen von einer neuen Dimension der Gewalt. „Also das ist wirklich unfassbar, dass jetzt schon mit Handgranaten – quasi mit militärischen Waffen – auf Asylsuchende losgegangen wird“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Die Täter dürfen nicht ungestraft davon kommen“, twitterte Bundesjustizminister Heiko Maas.
CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf nannte die Attacke einen „Anschlag gegen die Menschlichkeit“. Die Tat müsse mit der ganzen Härte des Rechtsstaates bestraft werden. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck, innenpolitischer Sprecher, bezeichnete die Tat als „Straßenterror“ und forderte einen Gipfel im Kanzleramt mit Diskussionen, „die am Wohl und Schutz der Flüchtlinge orientiert sind und nicht nur an deren Abwehr“.

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Zweifel an Verfassungstreue von Petry & Co.

Auf Flüchtlinge an der Grenze schießen lassen – steht jemand, der das fordert, noch auf dem Boden der deutschen Rechtsordnung? Mancher Politiker hat da seine Zweifel. Und hält die AfD für einen Fall für den Verfassungsschutz.
Berlin (dpa) – Die Kritik an der AfD wegen Äußerungen ihrer Führung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze ebbt nicht ab. „Die AfD zeigt einmal mehr ihr wahres Gesicht“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, in Berlin. Mit Schusswaffen gegen Flüchtlinge an der Grenze vorzugehen, sei an Zynismus nicht zu überbieten. „Es sind Einlassungen wie diese, die das gesellschaftliche Klima in Deutschland vergiften und das radikale Gedankengut der AfD offenbaren.“
Die Vorsitzende der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland, Frauke Petry, hatte dem „Mannheimer Morgen“ gesagt, Polizisten müssten illegalen Grenzübertritt verhindern, und dabei „notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz“.
Ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch legte später auf Facebook nach. „Wollt Ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffengewalt verhindern?“, wurde sie in dem sozialen Netzwerk gefragt. Storch antwortete knapp mit „Ja“, ruderte später aber etwas zurück: „Gegen Kinder ist der Schusswaffeneinsatz richtigerweise nicht zulässig. Frauen sind anders als Kinder verständig.“
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet sagte „Spiegel Online“, die AfD verletze Prinzipien wie die Würde des Menschen, die Verhältnismäßigkeit der Mittel und den Respekt vor dem Leben. „Sie entwickelt sich zu einer Partei, die das Grundgesetz, die Werte unseres Landes und der Zivilisation verrät.“
Unionsfraktionschef Volker Kauder warf der AfD-Führung in der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) eine „unmenschliche Haltung“ vor: „Die Äußerungen von Frau Petry sind rundum entlarvend: Sie zeigen die wahre Gesinnung der AfD-Führung, ihre ganze Verachtung für die Menschen, die vor Krieg und Vertreibung bei uns Zuflucht suchen.“
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der „Rheinischen Post“ (Montag): „Der Einsatz von Schusswaffen gegen die Flüchtlinge an der Grenze wäre völlig absurd und nicht rechtens.“
Aus Sicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt muss der Verfassungsschutz tätig werden. „Der Verfassungsschutz sollte prüfen, inwieweit Teile der AfD die Voraussetzung einer Beobachtung erfüllen“, sagte sie „Spiegel Online“. „Es ist äußerst fraglich, ob eine Partei, die Flüchtlinge an der Grenze erschießen will und Rassentheorien in die Welt posaunt, ein Teil unseres demokratischen Systems sein kann und sein will.“ Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck argumentierte in der „Welt“ (Montag) ähnlich: „Das sind Feinde des Rechtsstaates.“
Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte am Wochenende dafür plädiert, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Dafür erntete er Kritik aus den Reihen der Linkspartei: „Das ist mal wieder typischer Gabriel-Aktionismus“, sagte Linken-Fraktionsvize Jan Korte der „Welt“. „Sinnvoller wäre es, wenn der Vizekanzler nicht jede Woche eine Forderung der AfD wie beim jüngsten Anti-Asylpaket erfüllen würde.“
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Keine einhellige Zustimmung

Hameln (dpa). Vizekanzler Sigmar Gabriel hat seine Forderung bekräftigt, die rechtspopulistische AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. „In der Vergangenheit sind wir gut beraten gewesen, uns solche Gruppen anzugucken“, sagte der SPD-Parteivorsitzende am Montag beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft in Hameln. „Da gab es am Wochenende sich überbietende Vorschläge der AfD, wo man sich die Frage stellt: Ist das überhaupt ernst gemeint? Aber leider ist es ernst gemeint“, sagte Gabriel. Als Beispiel nannte er Äußerungen zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge.
Gabriel warnte davor, dass die Partei nach einem möglichen Einzug in Landesparlamente auf Kosten des Steuerzahlers auch Mitarbeiter einstellen werde. „Ich möchte schon wissen, wen die da beschäftigen und welche Skinheads und Rechtsradikalen sich dort Zugang verschaffen zu öffentlichen Einrichtungen.“
Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte Mitte November erklärt, die AfD werde von seiner Behörde nicht als extremistisch eingeschätzt und stelle keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar. Allerdings schaue sich der Verfassungsschutz so wie bei der Pegida-Bewegung in Dresden sehr genau an, ob Rechtsextremisten Einfluss nehmen.
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Wie der NSU-Skandal immer wieder Vertrauen zerstört

Die Pannen und Schlampereien bei der Aufarbeitung der Mordserie, welche dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugerechnet werden, sorgen in Deutschland weiterhin für Furore. Obwohl der Nachrichtenwert im Gegensatz zu Beginn der […]

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Die IZ-Blogger: Fünf brennende Moscheen oder fünf Möchtegern-Sheriffs?

(iz). Es ist ein neuer Sheriff in der Stadt und mischt die Gesellschaft ordentlich auf. Gefundenes Fressen. Mit Mühe vermied man eine breite Thematisierung der jüngsten Anschläge auf Moscheen und freut sich nun umso mehr, wenn man über den Islamischen Staat und die so genannte Scharia-Polizei berichten kann. Ein interessanter Kommentar eines Lesers dazu: „Das haben die Geheimdienste aber wieder schlau eingefädelt.“ Und man bekommt tatsächlich das Gefühl, dass da genau zum richtigen Zeitpunkt die nötige Ablenkung herbeigeführt wurde.

Die üblichen Verdächtigen. Immer, wenn man einen neuen „Islamismus“-Skandal benötigt, sind die richtigen Chaoten zu Stelle. Beim näheren Hinschauen sind die Geschehnisse damals in Solingen, Bonn und nun in Wiesbaden durch verschiedene Akteure angefeuert worden; doch bei noch genauerem Hinsehen verschwimmt die Masse wieder ineinander. Ob es nun einzelne Freundschaften sind oder vorangegangenes gemeinsames Auftreten: Die grimmigen Halbstarken sind vom gleichen Schlag. Und immer wieder typisch ist, dass emotionalisierte Jugendliche instrumentalisiert werden. Es ist die Gattung Mensch, die ihre zumeist gute Absicht ausnutzen lässt.

Die Empörung ist groß. Zu groß? Eine Regierung, die sich lieber über fünf Möchtegern-Sheriffs aufregt, die sich selbst zur „Schariah-Polizei“ erklärten, anstatt über fünf brennende Moscheen. Sigmar Gabriel setzte Zeichen (wir berichteten), Merkel aber zieht das Schweigen vor. So ist sie eben, könnte man meinen. Einer Kanzlerin ist diese Ignoranz aber unwürdig. Dass diese Truppe aber ausschließlich Muslime belästigt und auf Kritik via Facebook mit Beleidigungen gegen andere Muslime reagiert, wird nicht erwähnt.

Ebenso wenig, wie dass auch durch den IS-Terror fast ausschließlich Muslime bedroht sind. Das ist alles nicht so markteffektiv, versteht sich. Werden dadurch Muslime bewusst in die Defensive gezwungen? Wieder einmal muss sich jeder distanzieren. Wir hören erneut, was die Muslime des öffentlichen Lebens alles so ablehnen, eigene Inhalte kommen zu kurz. Man verfällt in das typische Muster der Abgrenzung und macht für diesen Moment eine Erweiterung unmöglich. Negativität beherrscht die Schlagzeilen. Was jene, die nur sprechen, um zu betonen, was sie falsch finden, richtig finden, erfährt man nur selten.

Die so genannte Islamdebatte ist wieder voll im Gange. Online wird sie geschickt von Islamhassern angeführt. Dem Muslim bleibt nichts übrig, als zu betonen, dass es sich dabei alles nur um modernistische Sektenanhänger handelt und es nicht für die klassischen Muslime gilt. Aber darauf sind die eingefleischten Kampfdiskutanten eingestellt. Ihre Rhetorik und ihre Taktik zielen darauf ab, die Muslime genau in diese Ecke zu drängen, in der ihnen nichts als Sympathie für das muslimische Gegenbild zu den Hasserfüllten bleibt. „In Wahrheit steht ihr dahinter“, wird einem pausenlos aufgedrückt.

Mit der Scharia an sich haben die Hobby-Hobbylosen sehr wenig zu tun. Böse sind sie auch nicht wirklich; im Grunde genommen sind sie einfache Jungs, denen es an islamischer Bildung fehlt. Da, wo die Gebildeten hätten Bildung anbieten müssen, und es versäumten, entsteht Missbildung. Schuld der Gesellschaft? Unter anderem. Aber auch, oder vor allem, die muslimischen Verbände müssen sich fragen, was sie alles falsch machten, damit derartiges geschehen konnte. Fehler macht jeder, die Medien beschwören aber eine Paralleljustiz. Weh getan haben die Jungs keinem. Im Gegenzug wird der gesamten muslimischen Community wehgetan, mental und gesellschaftlich. Angst ist und bleibt ein gutes Geschäftsmodell für die Medien.

Nach dem NSU-Skandal bleibt es wohl umso interessanter zu hinterfragen, welche Rolle V-Männer in der Szene spielen.

Kritische Auseinandersetzung ja, Panikmache nein

„So wird ‘Feindbeobachtung’ schnell zum Geschäft und die so medial aufgewertete Bewegung für rebellierende und orientierungslose Jugendliche erst richtig attraktiv. Nötig ist eine klare Position gegen salafistisch angehauchte Ideologie, jedoch keine Panikmache.“

(iz), Sie sind eine kleine Minderheit, die Salafisten. Innerhalb dieser Minderheit gibt es eine noch kleinere Minderheit, die tatsächlich gewaltbereit ist. Für sie wiederum gilt das durchaus treffende Bonmot von Sicherheitsleuten: „Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist, aber alle Terroristen sind Salafisten.“

Natürlich ist es schlimm genug, dass es muslimische Extremisten gibt, für die ein Selbstmordattentat oder terroristische Aktivitäten – im Gegensatz zur absoluten Mehrheit der Muslime – keine Tabus sind. Aber es lohnt sich dennoch, auf dem Teppich zu bleiben. Nachdem der unbestimmte Begriff des „Islamismus“ völlig unterschiedliche Menschen auf fatale Weise in eine Schnittmenge zusammenfügte, lohnt sich auch beim Schlagwort „Salafismus“ die Differenzierung nicht völlig aufzugeben.

Wie in jeder anderen Religion gibt es auch im Islam eine Orthodoxie, die versucht, sich dem Wandel der Zeit zu entziehen. Nur gilt: Orthodox zu sein oder sein zu wollen, ist noch kein Verbrechen. Und in einer freien Gesellschaft hat auch die religiöse Orthodoxie, die keinem schadet oder schaden will, ihre Daseinsberechtigung.

//2//Auf Extremismus kann man nicht extrem reagieren. Eine ganzer Zweig der Sicherheitsindustrie widmet sich nun inzwischen mit dem Salafismus – auf diversen Konferenzen, die übrigens meist recht einseitig besetzt sind – und beschwört lautstark die Gefahren für die Jugend und den Staat. In Medien wird nebenbei auch ein Bart oder ein Kopftuch mit dem „Schrecken“ aus dem Mittelalter assoziiert.

Auch Vorfeldorganisationen des Verfassungsschutzes beschützen, mit enormen Mitteln ausgestattet, tatkräftig die demokratische Kultur. Nachdem der „Islamismus“ keine reale Gefahren gezeitigt hat und auch keine grünen Fahnen auf absehbarer Zeit auf dem Reichstag wehen werden, suchen zahlreiche Experten nach neuer Beschäftigung.

So wird „Feindbeobachtung“ schnell zum Geschäft und die so medial aufgewertete Bewegung für rebellierende und orientierungslose Jugendliche erst richtig attraktiv. Nötig ist eine klare Position gegen salafistisch angehauchte Ideologie, jedoch keine Panikmache.