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Zweifel an Verfassungstreue von Petry & Co.

Auf Flüchtlinge an der Grenze schießen lassen – steht jemand, der das fordert, noch auf dem Boden der deutschen Rechtsordnung? Mancher Politiker hat da seine Zweifel. Und hält die AfD für einen Fall für den Verfassungsschutz.
Berlin (dpa) – Die Kritik an der AfD wegen Äußerungen ihrer Führung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze ebbt nicht ab. „Die AfD zeigt einmal mehr ihr wahres Gesicht“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, in Berlin. Mit Schusswaffen gegen Flüchtlinge an der Grenze vorzugehen, sei an Zynismus nicht zu überbieten. „Es sind Einlassungen wie diese, die das gesellschaftliche Klima in Deutschland vergiften und das radikale Gedankengut der AfD offenbaren.“
Die Vorsitzende der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland, Frauke Petry, hatte dem „Mannheimer Morgen“ gesagt, Polizisten müssten illegalen Grenzübertritt verhindern, und dabei „notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz“.
Ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch legte später auf Facebook nach. „Wollt Ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffengewalt verhindern?“, wurde sie in dem sozialen Netzwerk gefragt. Storch antwortete knapp mit „Ja“, ruderte später aber etwas zurück: „Gegen Kinder ist der Schusswaffeneinsatz richtigerweise nicht zulässig. Frauen sind anders als Kinder verständig.“
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet sagte „Spiegel Online“, die AfD verletze Prinzipien wie die Würde des Menschen, die Verhältnismäßigkeit der Mittel und den Respekt vor dem Leben. „Sie entwickelt sich zu einer Partei, die das Grundgesetz, die Werte unseres Landes und der Zivilisation verrät.“
Unionsfraktionschef Volker Kauder warf der AfD-Führung in der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) eine „unmenschliche Haltung“ vor: „Die Äußerungen von Frau Petry sind rundum entlarvend: Sie zeigen die wahre Gesinnung der AfD-Führung, ihre ganze Verachtung für die Menschen, die vor Krieg und Vertreibung bei uns Zuflucht suchen.“
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der „Rheinischen Post“ (Montag): „Der Einsatz von Schusswaffen gegen die Flüchtlinge an der Grenze wäre völlig absurd und nicht rechtens.“
Aus Sicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt muss der Verfassungsschutz tätig werden. „Der Verfassungsschutz sollte prüfen, inwieweit Teile der AfD die Voraussetzung einer Beobachtung erfüllen“, sagte sie „Spiegel Online“. „Es ist äußerst fraglich, ob eine Partei, die Flüchtlinge an der Grenze erschießen will und Rassentheorien in die Welt posaunt, ein Teil unseres demokratischen Systems sein kann und sein will.“ Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck argumentierte in der „Welt“ (Montag) ähnlich: „Das sind Feinde des Rechtsstaates.“
Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte am Wochenende dafür plädiert, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Dafür erntete er Kritik aus den Reihen der Linkspartei: „Das ist mal wieder typischer Gabriel-Aktionismus“, sagte Linken-Fraktionsvize Jan Korte der „Welt“. „Sinnvoller wäre es, wenn der Vizekanzler nicht jede Woche eine Forderung der AfD wie beim jüngsten Anti-Asylpaket erfüllen würde.“
Photo by Metropolico.org

Nur die halbe Wahrheit. Und was folgt daraus? Kommentar von Morad Bouras

(iz). Volker Kauder betont seine Ansichten und tritt in die Fußstapfen des CSU-Manns Friedrich. Jener Innenminister, der wie Kristina Köhler so einige Parolen geschwungen hat und Studien instrumentalisierte, zeigte mit seiner ersten Amtshandlung seine Position und revidierte Wulffs Aussage der Islam gehöre zu Deutschland. Was bedeutet diese Aussage eigentlich und welche Konsequenzen ziehen Schröder, Friedrich und Co. daraus?

Über 4.000.000 Muslime sind in Deutschland zugegen. Davon ist ein großer Teil vor mehreren Generationen zugewandert. Von diesen vier Millionen Muslimen sind etliche in Deutschland geboren und besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Mittlerweile zählen auch zahlreiche Deutsche dazu, die ihren alten Glauben ablegten, und den Islam für sich persönlich aussuchten, um so ihr Heil zu finden. Verwerflich?

Kaut Kauder auf einer längst ad acta gelegten Debatte herum, oder versucht er bereits jetzt, Wahlkampf zu machen? In konservativen Kreisen findet diese Parole oft Anklang. Es scheint, als gäbe es nichts Wichtigeres, als eine Meinung zu betonen, die zu begründen auf Wege führt, die allenfalls ins Verderben münden. Wie argumentiert eine Person diese Position? Mit äußeren Merkmalen der Muslime? Mit ihrem Verhalten? Ihrer Bildung? Ihren sprachlichen Fähigkeiten? Ihrer Gewalt, sei sie wenig oder etwas stärker ausgeprägt? Und wenn nun diese Position vertreten wird, welche Schlussfolgerung zieht sie nach sich?

Die Anwesenheit der Muslime in Deutschland begann weit vor 100 Jahren. In Europa seit über 1.000 Jahren. Das sind Fakten, keine Hirngespinste. Im Zuge der Gastarbeiterrekrutierung, in Zeiten in denen man vom Wirtschaftswunder sprach, wurden gezielt ungebildete, aber kräftige Männer aus der Türkei, Griechenland und anderen Ländern angeworben. Natürlich sorgte man sich um sie und bot ihnen eine nette Rückkehrprämie an und fügte Anfang der 1980er hinzu, dass mit der Annahme der Prämie alle Rentenansprüche aufgehoben werden würden. Dass die meisten aus der Türkei stammten und Muslime waren, ist dem Kapitalismus egal. Er funktioniert einfach.

…und was folgt daraus?
Keine Gotteshäuser für Muslime? Keine freie Schul- und Berufswahl? Extra Steuern? Keinen Islamunterricht an Schulen? Wie soll es denn mittel- und langfristig aussehen? Sollen die Parolen, die Instrumentalisierungen der Studien, die Uminterpretation der islamologischen Erkenntnisse so lange vollzogen werden, bis die Muslime selbst verwirrt sind und ihres Selbstbewusstseins beraubt werden? Ist mit Integration tatsächlich Assimilation gemeint? Was will man von den Muslimen und dem Islam? Wieso wird andauernd um den heißen Brei geredet?

Das Herumreiten von Kauder auf dieser Frage kommt zur richtige Zeit. Die Koranverteilung einiger Muslime, denen das Staatsfeindtrikot übergezogen wurde, erregt die Gemüter dieses Landes. Das der „Wachturm“ der Zeugen Jehovas an jeder Straßenecke zu finden ist und einem in die Hand gedrückt wird, wird dabei außer Acht gelassen und gar nicht thematisiert. Traut man den bundesdeutschen Bürgern so wenig zu, als das sie sich selbstbewusst und vernünftig mit einer Weltreligion auseinandersetzen?

Ist Deutschland nicht das Land der Dichter und Denker, das Land der Ingenieurskunst und nicht zuletzt eine Kulturnation? Es scheint als sei das Selbstvertrauen in die geistigen Fähigkeiten der Deutschen verloren gegangen. Die Aussage, „Der Islam gehört zu Deutschland“, ist richtig. Die Aussage, dass die Muslime zu Deutschland gehören ist auch richtig. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Muslime aus Deutschland auswandern, ist gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sanktioniert werden für das was sie sind, scheint zu steigen. Zu Recht?