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Von der Wut Berliner Kinder: Feuer und Flamme im Silvester

Silvester Berlin Neukölln Krawalle

Dort, wo Mülleimer in Flammen standen oder der Bus ausbrannte, bleiben nur noch die schwarzen Flecken auf dem Asphalt. Am Montag nach Neujahr wurde das Gröbste bereits weggeräumt und die […]

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Wie Wut und Ärger überwinden?

Ich arbeite als Hakim im Bereich der Heilung. Das reicht von Hals- und Kopfschmerzen zu emotionalen Problemen bis zu psychologischen Herausforderungen. Im Verlauf der Jahre habe ich gesehen, dass die […]

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Destruktiver Zorn und was sich gegen ihn tun lässt

(iz). Es gibt mehr als 40 Ahadith [Berichte über Aussagen oder Handlungen des Propheten], in denen von Zorn die Rede ist. Er ist eine Eigenschaft, die der Prophet, Allahs Heil und Segen auf ihm, verboten hat, dass wir sie als Eigenschaft haben. In der letzten Khutba hörten wir eine Aussage über den Starken; dass der wirklich Starke der ist, der seinen Zorn beherrscht und nicht einer, der stark im Kampf ist. Der Kämpfer ist physisch stark und bezwingt seinen Gegenüber im Kampf oder im Wettstreit. Wenn man aber sich selbst beherrscht, das heißt, bezwingt, dann ist man innerlich stark, in seinem Batin. Und das ist das wichtigste.

Wann gilt es solche Geduld zu üben? In einer Hadis heißt es: „Geduld gilt es im Augenblick des ‘ersten Schlags’ zu haben.“ Wenn jemanden eine schlechte Nachricht erreicht, gewöhnt er sich nach einer Weile an diesen Umstand, passt sich an und akzeptiert die Lage. Der Mumin aber tut dies bereits im Augenblick, da ihn die Nachricht erreicht, und nicht erst später, denn „Geduld gilt es im Augenblick des ‘ersten Schlags’“ zu haben.

Es gibt eine Eigenschaft, die, wenn man sie sich aneignet, dem Propheten gleicht. Das ist eine Eigenschaft, die unter den Charaktereigenschaften den Rang ihres Oberhauptes, ihres Sayyid hat. Diese Eigenschaft ist Hilm, Milde. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Der Halim, der Milde, ist beinah ein Prophet.“ Und er sagte: „Hilm, die Milde, ist der Sayyid der Eigenschaften.“ Wenn man mild und dem Zorn fern ist, denkt man ruhiger, entscheidet korrekter, bezieht eine ausgeglichene und eine gerechte Position, irrt nicht ab, ist nicht ungerecht, übertreibt nicht, missbraucht nichts und niemanden. Wenn man jemanden straft, dann überlegt. Und wenn man jemandem eine Gegenleistung erbringt, ist es überlegt, und wenn man lobt oder kritisiert, geschieht es auch überlegt.

Wenn man aber die Kontrolle verliert und die Nafs die Überhand nimmt, dann kann alles was man tut, zu einem schlechten Ende führen. Wenn man zornig ist, verwandelt man sich in einen Anderen, und hält sich an keine Denkregel, hat eine lose Zunge und auch eine lockere Hand. So kann der Zorn zu Ergebnissen führen, die einem missfallen.

Es gibt Situationen, in denen man aufgrund falscher Informationen oder überschnellen Schlüssen zornig wird und später die Wahrheit erkennt und bereut. Und das ist eine schlimme Sache. Allah der Erhabene sagt in der Sure Hudschurat: „Oh ihr Muminin, wenn euch ein Fasiq eine Kunde bringt, dann schafft Klarheit darüber, damit ihr Leute nicht in Unwissenheit beschuldigt, und dann später das, was ihr getan habt, bereut.“ Daher sollte man eine negative Nachricht überprüfen und sich versichern, oder Beweise fordern. Wenn Du an deinem Bruder etwas siehst, dass offensichtlich ungewöhnlich ist, dann wahre eine gute Meinung von ihm, bis Du dir sicher bist. Die gute Meinung ist eine der schönsten Eigenschaften, die man als Muslim haben kann.

Möge Allah mit dem barmherzig sein, der sagte: „Es gibt zwei Eigenschaften, die keine andere gepriesene Eigenschaft überragt: Die Gute Meinung über Allah, und die Gute Meinung über seine Sklaven. Verkörpere diese beiden Eigenschaften und sei nicht stur und aufsässig.“

Eine der größten Tore zur Erleichterung sowie der schnellste und nützlichste Weg ist Dhikrullah. Er poliert die Herzen, ist der Schlüssel der Tür der Eingebung, und der Weg, auf dem die Manifestationen zu den Herzen gelangen. Durch Dhikr geschieht Charakterbildung und -festigung. Der Muslim grämt nicht, sorgt sich nicht oder ist nicht betrübt, außer über sein Vergessen in der Erinnerung an Allah. Wenn er sich mit Dhikr beschäftigt, kennt seine Freude kein Ende und er ist immer glücklich, denn dieser ist der Schlüssel zur Freude und zum Glück. Die Ghafla, die Vergesslichkeit, jedoch ist der Schlüssel zur Trauer und Kummer.

Allah der Erhabene sagt sinngemäß: „Jene, die Iman haben und deren Herzen durch Dhikrullah zur Ruhe kommen – und nur durch Dhikrullah kommen die Herzen zur Ruhe.“ Imam Bukhari und Imam Muslim überlieferten, dass der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Allah der Erhabene spricht: ‘Ich bin der Erwartung, der Meinung meines Sklaven über Mich. Ich bin bei ihm, wenn er Meiner gedenkt. Wenn er Meiner bei sich im Stillen gedenkt, gedenke Ich seiner bei Mir, und wenn er mich in einer Versammlung erwähnt, dann erwähne Ich ihn in einer besseren Versammlung.’“ At-Tirmidhi überlieferte die folgenden Worte des Propheten: „‘Soll ich euch über eine Tat informieren, die für euch die beste Tat, bei eurem König die reinste Tat und die die höchste eurer Ränge ist, und besser als das Spenden von Gold und Silber, und die Begegnung mit dem Feind auf dem Schlachtfeld und dass ihr einander erschlagt?’ Sie sagten, ‘Sicher!’ Und er sagte: ‘Es ist Dhikrullah.’“ Imam Muslim überliefert, dass der Prophet, Allahs Heil und Segen auf ihm, sagte: „Es gibt keine Versammlung von Menschen, die sich zum Dhikrullah trifft, außer dass die Engel sie umgibt, Rahma sie bedeckt, die Engel auf sie herabkommen und Allah sie bei jenen erwähnt, die bei Ihm sind.“

Es gibt zwei Punkte, die ich erwähnen möchte, um sie zu erklären. Das ist einmal laute Dhikr sowie die Versammlung von Menschen für Dhikrullah.

Was den lauten betrifft, so ist er gemäß der Scharia sowohl laut als auch leise möglich. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und im Frieden geben, ermutigte zur Erinnerung an Allah auf beide Arten. Und die Gelehrten stimmen darin überein, dass der laute, also hörbare Dhikr besser ist, vorausgesetzt es ist keine Riya, keine Zurschaustellung dabei, oder man stört niemanden der betet, der Quran rezitiert oder der schläft.

Auf diesen Vorzug des lauten Zikr wird in mehreren prophetischen Überlieferungen hingewiesen. So zum Beispiel das Hadith Qudsi, das vorhin erwähnt wurde, in der Allah der Erhabene sagt, dass Er in der Erwartung seines Sklaven über Ihn ist und sagt: „… und wenn er mich in einer Versammlung erwähnt, dann erwähne Ich ihn in einer besseren Versammlung.“

Und der Dhikr in der Versammlung ist laut. Von Zayd ibn Aslam wurde überliefert, dass er sagte: „Ibnu Adra sagte: ‘Ich ging eines Nachts mit dem Propheten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, und er bemerkte, dass ein Mann in der Mosche laut sprach. Ich sagte, ‘O Gesandter Allahs, vielleicht ist das jemand, der nur angibt.’ Er antwortete: ‘Nein, er ist vielmehr ein Flehender.’“

Was die Versammlung für die Erinnerung an Allah betrifft, so haben wir eine sehr klare Überlieferung darüber, aber es gibt sehr viele mehr. Ich möchte nur eine erwähnen. Imam Muslim und Hakam überlieferten von Abu Hurayra, der sagte:

„Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: ‘Allah hat Engel, die über das Land ziehen, und nach Versammlungen für den Dhikr suchen, und wenn sie so eine Versammlung finden, dann umgeben sie diese Versammlung mit ihren Flügeln, und türmen sich auf bis zum Himmel. Und Allah der Erhabene fragt sie: ‘Woher kommt ihr?’ Sie sagen: ‘Wir kommen von einer Versammlung deiner Sklaven, die mit Subhanallah, Allahu Akbar, Alhamdulillah und La Ilaha illa’llah deiner gedenken. Sie bitten Dich um eine Sache, und bitten Dich um Schutz vor einer Sache.’ Er fragt sie: ‘Und was ist es, worum sie bitten?’ Sie sagen: ‘Sie bitten Dich um den Garten.’ Er fragt: ‘Haben sie ihn denn gesehen?’ Sie sagen: ‘Nein, O Herr!’ Er sagt: ‘Und wie wäre es, wenn sie ihn gesehen hätten?’ Dann fragt er: ‘Und wovor suchen sie Schutz?’ Sie sagen: ‘Vor dem Feuer.’ Er fragt: ‘Haben sie es denn gesehen?’ Sie sagen: ‘Nein.’ Er sagt: ‘Und wie wäre es, wenn sie ihn gesehen hätten? Bezeugt, dass Ich ihnen vergeben habe und ihnen gebe worum sie bitten und sie vor dem beschütze, wovor sie Schutz suchen.’ Die Engel sagen: ‘Es war unter ihnen einer, der sich unter sie verirrt hatte und nicht wirklich einer von ihnen war.’ Er sagt: ‘Auch ihm habe ich vergeben, denn dies sind Leute, dass wer mit ihnen sitzt nicht unglücklich ist.’“

"IZ-Begegnung" mit dem Schriftsteller Feridun Zaimoglu

(iz). Dem Dichter – wie dem gesamten Berufszweig der „Intellektuellen“, wird im Feuilleton und auf Festveranstaltungen gerne ein gewisser Respekt erwiesen. Oft genug verharren viele, nicht alle, in diesem Bannkreis, oder nehmen als sprachliche Kunsthandwerker am allgemeinen Spektakel teil. Wollen sie mit relevanten Beiträgen an Debatten teilnehmen, bleiben sie – jenseits des Feuilletons – zu oft unge­hört oder, wie der Fall Grass belegt, werden von der Herde niedergebrüllt und schnell in ihre Reihen zurückgedrängt.

Zu den, existierenden, Ausnahmen gehört der deutsche Schriftsteller, Publizist und Drehbuch­autor Feridun Zaimoglu, der sich neben seiner künstlerischen Tätigkeit auch an verschiedenen Debatten zu den Themen Islam und Integration beteiligt. Der Kieler (geb. 1964) war auch anfänglich Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz, die er aber 2007 wieder verließ. Aus Protest, dass keine selbstbewussten Muslimas mit Kopftuch eingeladen wurden.

Feridun Zaimoglu, der auch unter jungen Muslimen seine Leser findet, lässt sich nicht auf ein Genre oder auf ein bestimmtes Image festlegen. Schon gar nicht auf das Ökotop einer wie auch immer gearteten „Migrantenliteratur“. Mit dem aktuellen Titel „Ruß“ hat er einen „Heimatroman“ geliefert, der in der – eigentlich untergegangene – Welt des Ruhrgebiets spielt. Mit ihm sprachen wir unter anderem über den Fall Grass, die Möglichkeiten des Dichters und den Islam in Deutschland.

Islamische Zeitung: Lieber Feridun Zaimoglu, man hat den Eindruck, dass in den letzten Jahren das Wirken der Dichter ins folgenlose Feuilleton oder in die kunsthandwerkliche Behübschung herrschender Verhältnisse abgeschoben wurde. Scheinbar plötzlich debattierte Deutschland tagelang über ein Gedicht – lassen wir dessen sprachlichen Gehalt einmal beiseite – von Günter Grass zur Kriegsgefahr im Nahen Osten. Hat sie das überrascht?

Feridun Zaimoglu: Mit Grass verfährt man, als hätte er sich des heimlichen ­Kackens im Weingarten des Herrn schuldig gemacht. Die Freaks der Aufklärung sahen in Sarazin einen ehrenwerten Mann mit kleinen Macken. Die selben Leuten hacken heute auf Günter Grass ein. Er hat die Konservativen geärgert, das verzeihen sie ihm nicht. Einige gute Leute aus dem Kulturjournal machen mit – weshalb? Grass’ Text ist eine einwandfreie politische Analyse. Die blinden Parteigänger mögen noch so laut jodeln: Günter Grass tat Wahrheit kund.

Islamische Zeitung: Früher waren Dichter Künder des Überzeitlichen und sollten Wahrheit sprechen? Lässt sich heute – nach Jahrzehnten Postmoderne, Dekonstruktivismus und Popkultur – damit überhaupt noch etwas anfangen?

Feridun Zaimoglu: Die Party ist vorbei, die Kasper sammeln die letzten Pappbecher ein. Es hieß: Lasst uns so schön ausgebeutet Lieder singen. Es hieß: Der Bekenner ist nur ein schlechter Tänzer. Es hieß: Däumchendrehen und Faseln macht uns munter. Es hieß: Gut und Böse – was schert uns das? Und heute? Geschwätz, Geflüster und Gerüchte. Aber auch: Zerpflückt die Armen. Kapitalverkehr von unten nach oben. Die Rechten schwätzen von Denkverboten, immer dann, wenn sie den Menschen das Denken verbieten wollen. Alles Lügen hilft nichts – der Kapitalismus frisst alle Kinder.

Islamische Zeitung: Ihr Buch „Ruß“ hat einer unserer Autoren im letzten Juli als „einen deutschen Roman“ ­bezeichnet. Ist es für Schriftsteller schwierig geworden, sich unverstellt und verständlich mit ihren Umfeld auseinanderzusetzen?

Feridun Zaimoglu: Hierzulande galt es als schick, Schischi-Schreiber aus Amerika oder Frankreich voll toll zu finden. Es wurden aber auch Pflänzchen aus den Literaturinstituten gelobt. Deutsch war unfein und deutsche Welt ­unwelthaltig. Das hat sich, nur ein bisschen, geändert. Nun will man, nun wollen die Experten, besser hinsehen.

Man man sich ja über mich lustig: Der Mameluck macht auf überdeutsch. Ist mir egal. Ich sehe, dass es vor meiner Haustür keimt und gärt. Blöde wär’s, nicht darüber zu schreiben. Gott sei Dank, die öden Büchlein von Frolleins und Knäbchen sind aus der Mode gekommen. Es sind nicht wenige Kollegin­nen und Kollegen bereit, deutsche Geschichten zu schreiben. Man achte auf die Dichtkunst aus dem Osten. Gute Dichter rücken an, und man wird sie nicht mit den üblichen ­Schaufenster-Ossis verwechseln können.

Islamische Zeitung: Neben – oder begleitend? – zu ihrer schriftstellerischen Arbeit haben sie sich seit Jahren in verschiedene „Integrations-“ und „Islamdebatten“ eingeschaltet. Gelegentlich drängt sich der Eindruck auf, dass mit den meisten Beiträgen nicht die Klarheit, sondern nur die Unüber­sichtlichkeit zunimmt. Haben sie die Hoffnung, hier einen Unterschied zu machen?

Feridun Zaimoglu: Man ruft mich an und bittet mich um meine Meinung. Man sitzt bei mir auf dem Sofa und drückt auf die Aufnahmetaste des Dikta­fons. Und manchmal melde ich mich als Salonfrontsau zu Wort. Ich bin ehrlich: Ich glaube nicht, dass ich mit wirklich klaren Beiträgen zum Thema glänze. Ich gelobe Besserung.

Islamische Zeitung: Ein deutscher Philosoph hat gesagt: „Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämt­heit, wenn sie ‘ich’ sagen.“ Gehen ihnen die vielen Identitätsdebatten nicht auf die Nerven?

Feridun Zaimoglu: Sie sagen es. Ich hör’ schon nicht mehr hin. Vor anderthalb Jahren habe ich aufgehört, Zeitungen zu kaufen. Der mündige und interes­sierte Bürger – was ein Schwindel. Frühstückszeitungen im Hotel lese ich dann doch. Um festzustellen, dass sich nichts geändert hat. Zur Ichverortung neigen vornehmlich Menschen, die im Leben sonst nichts vorhaben. Identität? Albern.

Islamische Zeitung: Lieber Feridun Zaimoglu, sie haben sich, beispielsweise in einem Beitrag für die „Zeit“ und in einer Interviewreihe mit den „Deutsch-Türkischen Nachrichten“, zu Wort gemeldet. Und zwar mit ­einer gehörigen Portion Wut. Braucht es diese Wut, um sich einen Weg zu den Herzen und zum Verstand der Menschen durchzuhämmern?

Feridun Zaimoglu: Was war noch einmal das Modewort der letzten Saison? Wutbürger. Was hat’s gebracht. Was bin ich? Schreibender Wutbürger. Schön ist es, sich nicht zu verheben. Ich rumpele in der Kiste, ein paar Freunde rufen an, und sagen: Guter Rappel, toll. Eigentlich liebe ich Zimmerlautstärke – ausgerechnet ich, den man auch gerne mal als altdeutschen Krakeeler bezeichnet. Ja, ich tobe. Ja, ich lange zu. Aber wenn ich schreibe, tauche ich ab und halte den Mund. Dann fühle ich mich am wohlsten. Das Reden über Missstände zermürbt. Trotzdem: Man sollte schon dann und wann die Lügner anbrüllen.

Islamische Zeitung: Sie nahmen an den ersten Runden der Deutschen Islamkonferenz teil. Können sie heute, nach mehreren Jahren und Mutationen dieser Gesprächseinrichtung, noch etwas damit anfangen? Wenn nein, sehen sie Alternativen?

Feridun Zaimoglu: Am Anfang stand die gute Idee: Die Moslems gehören zu Deutschland. Ich gehörte zu einem bunt zusammen gewürfelten Haufen aus Hauptberuflichen und Privatinteressierten. Es wurden viele Gruppenfotos geschossen. Das Ding implodierte. Der Stifter der Konferenz wanderte in ein ande­res Ressort, die folgenden Minister sprachen weise Worte oder blödes Zeug. Heute schart man sich um eine Leiche, ringt die Hände. Die Leiche stinkt, man sollte sie begraben. Alternativen? Neue Moslem-Welle? Bund der aus der Konferenz Vertriebenen? Liberale für mehr Beinfreiheit? Nein. Junger Deutscher Islam. Ja.

Islamische Zeitung: Ein nicht unerheblicher Anteil der muslimischen Jugend hat höchstwahrscheinlich nur einen sehr begrenzten Zugang zur Sprachwelt und zur Literatur Deutschlands, aber auch der Kultur ihrer Eltern. Haben sie die Hoffnung – wenn sie das denn wollen – diese neuen Generationen zu erreichen?

Feridun Zaimoglu: Die meisten Deutschstämmigen haben keinen Bezug zu Literatur. Ich mache ja nur ein Angebot. Es fällt aber auch, dass zu meinen Lesungen immer mehr Muslime kommen. Sie erleben einen Berserker auf der Bühne. Manchen gefällt’s, andere rümpfen ob meiner Stubenbarbarei die Nase. In der Arbeiterklasse hält man halt die Kultur für recht verzichtbar. Auf die Techniken der Verfeinerung pfeift man. Sehr schade.

Islamische Zeitung: Was ist ihr Verhältnis zu den – vermeintlichen – sozialen Netzwerken und deren Folgen für unsere Kommunikation? Haben sie eine Bedeutung für ihren Alltag?

Feridun Zaimoglu: Verstehe die Frage nicht wirklich. Halt, doch mir dämmert’s. Bin Einzelgänger und ­Einzeltäter. Bin gern unter Menschen, setze mich aber auch gerne ab. Die meiste Zeit des ­Tages sitze ich alleine zu Haue, oder im Zug, oder im Hotelzimmer. Und brüte: über eine Geschichte, über den nächsten Roman, über das nächste Projekt. Und danke am Ende des Tages dem ­Allmächtigen, dass er mich geschützt hat.

Islamische Zeitung: Lieber Feridun Zaimoglu, wie sehen sie den Zustand der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland und was sollte ­geschehen, um ihn zu transformieren?

Feridun Zaimoglu: Alles ist in Auflö­sung. Schön. Alles ist im Entstehen. Noch besser. Das Ziel: Weg von der Tradition, vom Altvaterglauben. Hin zur Menschenliebe. Wer andere Menschen demütigt, ist ein Schwein. Ein Schwein muss man befehden. Das Heilige ist uns überliefert – daran festhalten. Und in den Gärten der reichen Säcke heimlich kacken – darauf nicht verzichten.

Islamische Zeitung: Lieber Feridun Zaimoglu, wir danken Ihnen für das Gespräch.