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Festnahmen nach Anschlag in Türkei: Wer sind die Verantwortlichen?

Der Tag nach dem Anschlag im Zentrum Istanbuls mit sechs Toten steht ganz im Zeichen der Aufklärung. Für die türkische Polizei und das Innenministerium stehen die Verantwortlichen fest. Von Anne Pollmann und Linda Say

Istanbul (dpa/iz). Die Ermittlungen zum Anschlag mit sechs Toten in Istanbul haben gerade erst begonnen, doch für die türkische Polizei war der Fall am Montag klar: Sie veröffentlichte Fotos einer Frau in Handschellen. Sie soll die Bombe auf der Einkaufsstraße Istiklal platziert haben. Bei dem Anschlag am Sonntag auf der belebten Einkaufsstraße waren sechs Menschen getötet worden, 81 wurden verletzt.

Wenig später habe die Syrerin gestanden, ihren „Befehl“ von der „PKK/YPG/PYD“ bekommen zu haben. Aus türkischer Sicht sind die syrische YPG und deren politischer Arm PYD Ableger der verbotenen Terrorgruppe PKK und ebenfalls „Terrororganisationen“. Beide dementierten am Montag jegliche Verantwortung für den Anschlag mit mehr als 80 Verletzten.

Noch bevor die Ermittlungen abgeschlossen sind, hätten türkische Beamte für eine neue Militäroperation in Nordsyrien plädiert, sagte Berkay Mandirici von der International Crisis Group. Ein Vorhaben, das Präsident Recep Tayyip Erdogan seit Mitte des Jahres ankündigt. Ankara geht regelmäßig gegen alle drei Gruppierungen militärisch vor, in der Südosttürkei, dem Nordirak und in Nordsyrien.

Mit der angeblichen Unterstützung für die YPG etwa hatte Ankara auch das Veto für die Nato-Norderweiterung um Schweden und Finnland begründet. Die USA wiederum sehen die YPG im syrischen Bürgerkrieg als Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Innenminister Süleyman Soylu warf Washington erneut vor, „Terrororganisationen“ zu unterstützen. Er lehnte Beileidsbekundungen aus Botschaft und Konsulat ab.

Mandirici sagte, es bleibe abzuwarten, ob die türkischen Ermittlungen weitere Beweise einer Schuld der PKK/YPG aufdeckten. Die Terrormiliz Islamischer Staat oder das Terrornetzwerk Al-Qaida und Sympathisanten dieser Gruppen sollten noch nicht als potenzielle Täter ausgeschlossen werden. In der Türkei gebe es Schätzungen zufolge Tausende von IS-verbundenen Personen, sowohl türkische Staatsbürger als auch Ausländer, die aus Syrien und dem Irak eingereist sind. „Der Istiklal-Angriff spiegelt in Bezug auf Verhalten und Ziel frühere Angriffe des IS mit Blick auf Methode und Ziel in der Türkei in den Jahren 2015/2016 wider.“

Bewohner Aleppos wollen Regierungsangriffen trotzen

(Eurasia). Die Einwohner der syrischen Provinz Aleppo, deren Städte und Dörfer im Norden von allen Seiten durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“, die Kurden-Miliz YPG und Regierungstruppen Baschar al-Assads militärisch bedrängt werden, haben ihre Entschlossenheit ausgedrückt, vor den feindlichen Kämpfern nicht fliehen und ihre Häuser verteidigen zu wollen.
Trotz des Umstands, dass sich die Angriffe auf Aleppo zu Boden und aus der Luft intensivieren, Berichten zufolge 200 000 Zivilisten vor den Kämpfen nördlich der Provinz fliehen, betonen Aktivisten und darauf angesprochene Zivilisten, dass sie lieber in ihrer Heimat sterben wollen, als vor den vorrückenden Kämpfern zu fliehen. Gegenüber Feldreportern wurden zahlreiche Durchhalteparolen geäußert.
„Wir sind nicht verängstigt von den Bomben, sondern vor dem drohenden Migrationsdruck. Wir werden die Stadt nicht verlassen, bis der Feind unser Stadtzentrum einnimmt. Wir wurden auf diesem Land geboren, wir werden hier sterben“, sagten einige Menschen aus der Provinzhauptstadt Aleppo.
„Wir sind immer noch dankbar dafür, dass wir hier sein können. (Der Befragte zeigt auf ein Viertel, welches kürzlich von der syrischen Armee eingenommen wurde) Können Sie noch dankbar sein? Ich möchte nicht gehen und will nicht im Schlamm eines Flüchtlingscamps leben. Wir sind ehrbare Menschen. Ja, hunderte Raketen schlagen täglich hier ein, aber das verängstigt mich nicht. Das einzige, was mir Angst macht, ist die Gefahr, dass wir gezwungen werden, die Stadt zu verlassen. Das macht mir mehr Angst als die Angriffe“, gab ein lokaler Schuhverkäufer aus Aleppo zu bedenken.
„Wir haben schon schlimmeres erlebt als die Angriffe der Russen und Assads. Wir sind daran gewöhnt und sind nicht eingeschüchtert“, sagte eine Frau aus einer mehrheitlich kurdisch geprägten Nachbarschaft in Aleppo.
„Ich habe vergessen, wie man liest und schreibt“
„Ich konnte mehr als zwei Jahre in die Schule gehen. Eines Morgens realisierten wir aber, dass unsere Schule durch einen Kanonen-Angriff zerstört wurde. Ich kann nur noch schwerlich lesen und schreiben, weil ich es in der Zwischenzeit verlernt habe. Das ist der Grund, warum meine Mutter regelmäßig von mir verlangt, ein wenig zu lesen“, gab das Mädchen Schedi, welches noch im Alter eines Kindes ist, an.

Schedi (Eurasia; Cihat Arpacik)
Schedi (Eurasia; Cihat Arpacik)

„Viele meiner Verwandten haben Syrien in Richtung Türkei verlassen. Sie gingen nach Gaziantep und nach Istanbul. Sie baten mich, mitzugehen, aber ich lehnte es ab. Ich möchte in meinem eigenen Land bleiben“, sagte wiederum eine betagte Dame aus Höllük, einem mehrheitlich von Turkmenen bewohnten Distrikt Aleppos. Sie gab an, dass sie 64 Jahr alt sei.
Türkmenin aus dem Bezirk Höllük (Eurasia; Cihat Alparcik)
Türkmenin aus dem Bezirk Höllük (Eurasia; Cihat Arparcik)

Aleppo gehört zu den ältesten Städten der modernen Welt. Es galt vor dem syrischen Bürgerkrieg noch als wirtschaftliches Zentrum des Landes. Seit fünf Jahren wehren sich die Bürger Aleppos den Bomben- und Luftangriffen der Regierung Baschar al-Assads zum Trotz, die Stadt zu verlassen.
Kinder, die sich am offenen Feuer wärmen (Eurasia; Cihat Alparcik)
Kinder, die sich am offenen Feuer wärmen (Eurasia; Cihat Arparcik)

Aleppo: Das verletzbarste Ziel
Vor einigen Tagen nahmen Regierungstruppen und alliierte schiitische Islamisten aus dem Iran, Irak und dem Libanon, einschließlich der Hisbollah, gezielt ein turkmenisch geprägtes Wohnviertel im Stadtzentrum von Aleppo ins Visier. Seitdem finden mithilfe Russlands die heftigsten Luftschläge gegen die aufständische Bevölkerung der Region an der türkischen Grenze statt.
Fassbomben werden seit Jahren von der syrischen Luftwaffe auf die Bezirke Hayderiye, Bostan Pascha, Scheich Hidir und Höllük abgeworfen. Die Einnahme der westsyrischen Stadt Kalamun setzte das Fundament für eine stärkere Involvierung ausländischer Kämpfer, die der syrischen Regierung nahe stehen.