Thema Ramadan: Was Kerim Balci aus den Witzen seines Großvaters lernte

Ausgabe 206

(Zaman). In den Zeiten, bevor das Fernsehen in unser Leben eindrang, waren die Ge­schichten, Erinnerungen und Witze, die die Familienältesten erzählten, Teil ­unserer Lebensfreude. Diese Witze und Geschichten hatten verschiedene Funktionen. Sie stärkten die Bindung zwischen den Generationen, hatten eine erzieherische Wirkung und waren unterhaltsam.

Anekdoten aus dem Ramadan hatten einen besonderen Rang unter diesen Geschichten und Erinnerungen. Jeder hat schon einmal die Erfahrung mit einem irrtümlichen, zu frühen Fastenbre­chen oder dem Verpassen des Morgenmahls gemacht, dass er oder sie mit einem besonders hungrigen Tag bezahlen musste. Dies wurde zu lehrreichen ­Anekdoten in der Sprache unserer Familienältesten. In unserem Haus waren die Geschichte und Witze von Großpapa Abbas die Hauptattraktion der dörflichen Abende im Ramadan.

In der Sprache unserer Zeit war Großpapa ein Comedian, der entsprechend der Tagesbedürfnisse unsere monotonen Dorfabende aufhellte. Aber durch diese Witze lernten wir etwas über die verschiedenen Sekten im Islam, was das Fasten bricht, erfuhren von der Mildtätigkeit der osmanischen Sultane und bekamen hilfreiche Tipps für den Ramadan. Wird mir manchmal eine komplizierte Frage gestellt und ich gebe eine Antwort, dann muss ich mich zurückhalten, um nicht zu verraten, dass die Quelle meiner Informationen die Witze meines Opas waren.

Meine erste Information über das Verhältnis zwischen dem Neumond und dem Ramadananfang erhielt ich von einem seiner Witze: „Eine Person mochte das Fasten nicht und, um es zu vermeiden, versuchte sie, den Neumond nicht zu sehen. Er schloss alle Fenster in seinem Haus und blickte nur nach unten, während er auf der Straße lief. Eines Nachts sah er die Reflexion des Mondes in einer Pfütze. Er begann, sich zu beklagen: ‘Oh, lieber Mond, musst du in meinen Blick treten? OK, wir haben es verstanden, es ist schon Ramadan…“ Großpapa ließ natürlich wichtige Einzelheiten in Witze wie diese einfließen. Du musst den Neumond nicht selbst sehen. Es reicht, dass er zu sehen ist.

Jedes Jahr bringt die türkische Vorstellungsgabe neue Witze hervor: „Einmal rief ein Imam zu früh zum Abendgebet in Rize und die Leute brachen ihr Fasten zu früh. Dies wurde dem Mufti von Ankara vorgetragen, der erklärte, dass jeder in Rize den Tag erneut fasten müsse. Am nächsten Tag erhielt der Mufti einen Anruf aus Deutschland. Das Mann an der Leitung stammte aus Rize und fragte, ob er auch nachfasten müsste.“