Wie sich der Islam mit anderen teilen lässt

Ausgabe 225

(iz). Der Lehrer unserer Wochenendschule stellte uns eine letzte Frage, bevor er uns entließ. „Fragt euch jemand, was der Islam sei, was würdet ihr sagen?“ Er sprach jeden an und erwartete von allen eine Antwort. Ein Junge sagte, er würde den Fragenden zum Imam schicken. Der zweite, der das für eine gute Antwort hielt, fügte etwas über die fünf Säulen hinzu. Soweit ich mich erinnern kann, gab jeder die gleiche Antwort.
Einen Wissenssuchenden zum Imam zu schicken, schien der einzige logische Schluss zu sein. Bevor wir unsere Sachen packten und rausrannten, hielt der Lehrer uns schweigend auf und blickte jeden an. „Ich bin sehr enttäuscht von euch. Ich wisst nicht genug über eure eigene Religion und würdet die Menschen lieber zu einem Imam schicken?“ Der Lehrer schwieg eine ganze Weile. Niemand sagte ein Wort. „Die Klasse kann gehen.“
Ich musste in den vergangenen zwanzig Jahren über die Frage unseres Lehrers nachdenken. Seitdem habe ich mit vielen über den Islam gesprochen; ihnen aber niemals geraten, direkt zum Imam zu gehen. Im Laufe der Zeit sind mir in vielen Diskussionen Dinge einge­fallen, die unseren Din herausheben: Aspekte, die meinen Glauben an Allah stärken, und mir die Sicherheit verleihen, dass Allah die Religion für uns perfektionierte.
Ich führte eine Kirchengruppe in den Islam ein. Obwohl sie erklärtermaßen kamen, etwas über den Islam zu erfahren, sodass sie andere besser davon überzeugen könnten, „Jesus anzunehmen“, gingen sie mit einer Herausforderung. Sie hatten wichtige Fragen und wollten wissen, was es bedeuten würde, Muslim zu werden. Da meine Argumente auf in­dividuellen Gesprächen beruhen, ist jeder ­eingeladen, weitere Punkte einzufügen. Weil ich nur selten eine Zusammenfassung dieser Art gesehen habe, bin ich überzeugt, dass sie von Nutzen für alle ist, die über den Islam sprechen.
Die Einheit Allahs (Tauhid) – Es besteht überhaupt keine Frage, dass es sich hier um die absolute Grundlage unserer Religion handelt. Während der Punkt vermeintlich einfach ist, ist er enorm wichtig und alles, was in unserem Leben wirklich von Bedeutung ist. Allah, der Majestätische und Erhabene, hat keine Partner. Er zeugte nicht, noch wurde Er gezeugt und Ihn alleine beten wir an. Er ist der Schöpfer, der alleinig Versorgende und in Seinen Händen finden sich alle Dinge. Allah erklärt sich uns im Qur’an, in dem wir Wissen über Ihn durch Seine Namen und Eigenschaften finden. Er ist der Barmherzige, der Allerbarmer.
Erst nachdem jemand dies akzeptiert hat, sollte er sich fragen, was Allah von ihm möchte. An diesem Punkt würde ich nicht einmal verpflichtende oder verbotene Dinge erwähnen. Denn ohne den Glauben, dass Allah anbetungswürdig ist, ist die Gewohnheit mit der Rechten zu essen oder das Verbot von Schweinefleisch irrelevant für sie.
Muhammad ist der letzte Gesandte, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben – können unsere Gesprächspartner sich nur an diese zwei der fünf Argumente erinnern, dann haben sie die wichtigsten verstanden. Die ersten beiden sind Aussagen des Glaubens. Will jemand den Islam annehmen, bezeugt er den ersten und zweiten Punkt. Er wird so zu einem, der sich unterwirft: ein Muslim.
Der Prophet Muhammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, ist der letzte Gesandte in einer langen Kette von Gesandten vor ihm. Dazu gehören viele, an die unsere Gesprächspartner möglicherweise bereits glauben: Adam, Noah, Mose, Abraham, Jakob, Joseph und viele andere. Der Gesandte Allahs war das Siegel dieser Propheten. Er kam mit der gleichen Botschaft wie jene vor ihm. Seine Einzigartigkeit besteht darin, dass sein Leben in der Menschheitsgeschichte so gut dokumentiert ist.
Ein Muslim bemüht sich darum, ihn nachzuahmen. Er war für uns das beste Beispiel in seinem Leben, seiner Ethik und seinem Verhalten. Seine Ehefrau ‘Aischa beschrieb ihn als „einen lebendigen Qur’an“. Alle, die ihn kannten, liebten den Propheten. Er wurde entsandt (wie er uns mitteilte), um guten Charakter zu vervollkommnen. Der Gesandte Allahs, Segen und Heil auf ihm, lehrte uns, dass – obwohl Allah Rechte über uns hat – die Menschen ebenfalls Rechte über uns haben. Wir werden nicht nur danach beurteilt, wie wir anbeten, sondern auch, wie wir die Menschen und Allahs Schöpfung insgesamt behandeln. Der Prophet war ein perfektes Beispiel dafür und ist eine Inspiration für jeden, der sein Leben kennt. Und je mehr man ihn kennt, desto mehr wird man ihn ­lieben.
Die Religion für alle bis zum Ende der Zeit – Allah bestimmte für jedes Volk einen Propheten. Jeder Prophet hatte seinem spezifischen Volk in einer bestimmten Zeit eine gesonderte Botschaft zu überbringen.
Islam hingegen ist die endgültige Botschaft und der Prophet Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, der letzte Prophet und Gesandte. Anderen wurden Wunder gegeben, die von den Anwesenden bezeugt wurden. Auch wenn einige solcher Wunder des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, dokumentiert wurden, so war sein wichtigstes Wunder doch der Qur’an; nicht nur dessen Schönheit, sondern auch seine Weite, die Vollkommenheit und seine Bewahrung bis heute.
Würde heute jede Niederschrift des Qur’an von der Erde verschwinden, so könnte sie einfach dupliziert werden, weil der Qur’an in unseren Herzen und nicht nur auf dem Papier besteht. Das ist Teil der Bewahrung unserer Religion. Sie ist in sich schon Beweis dafür, dass der Islam die endgültige Botschaft ist, die für die Menschheit bis zum Ende aller Zeiten bestimmt ist. Innerhalb dieser Offenbarung spricht Allah die Menschheit direkt an und beschreibt den Weg, der zu Ihm führt.
Jesus, Friede sei mit ihm, war ein Prophet Allahs – sein Name wird im Qur’an um ein Mehrfaches häufiger erwähnt als der von Muhammad. Wir glauben an seine originale Botschaft, die ihm gegebenen Wunder und wir glauben an seine Rückkehr zum Ende der Zeit. Sein Rang ist wie der anderer Propheten. In der Sura Mariam, dem 19. Kapitel des Qur’an, finden sich aufschlussreiche Aussagen zur Geschichte von Jesus; gerade auch die Begebenheit von Zacharias in den ersten 15 Versen. Allah schuf für uns das Wunder der Geburt Jesu’ durch die Jungfrau Maria. Allah kann einem älteren Paar ein Kind schenken, Adam aus dem Nichts und Eva aus dessen Rippe schaffen. Zacharias Geburt war genauso ein Wunder wie die von Jahja. Allah erschuf Zacharias aus dem Nichts und er teilt uns in den kommenden Versen mit, wie Er das gleiche mit Jesus tat. Und auch dies war ein Leichtes für Ihn.
Wir sind für unsere Taten verantwortlich – begeht jemand in dieser Welt ein Verbrechen, dann wollen wir nichts als Gerechtigkeit. Warum sollte Allah, der Gerechte, weniger als das akzeptieren? Wir würden es nicht dulden, dass jemand für die Verbrechen eines anderen bestraft wird. Warum sollte Allah es dann erlauben, dass jemand anderes für unsere falschen Taten zur Rechenschaft gezogen wird?
Und wenn das der Fall wäre, was wäre dann der Sinn des Lebens? „Der den Tod und das Leben erschaffen hat, damit Er euch prüfe, wer von euch die besten Taten begeht.“ (Al-Mulk, 2) Wir müssen uns anstrengen. Es gibt einen Tag des Gerichtes, an dem wir vor Allah mit unseren Büchern in der Hand stehen werden und für unsere Handlungen geradestehen müssen. Es gibt einen Paradiesgarten und ein Höllenfeuer. Obwohl es eine Rechenschaft und endgültige Gerechtigkeit an diesem Tag gibt, so ist es wichtig anzumerken, dass Allah der Allerbarmer und Vergebende ist. Unsere Taten allein bringen uns nicht in den Garten, sondern Allah hat für die Menschheit Seine Barmherzigkeit am Tag des Gerichtes vorbehalten. Sie übersteigt jede menschliche Vorstellung von Barmherzigkeit.
Als ich zu der Kirchengruppe über diese Rechenschaftspflicht sprach, unterbrach mich jemand und wollte wissen, wie das Paradies im Islam ist. Ich erzählte ihm das Hadith über die letzte Person, die in den Garten eintreten wird. Als ich fertig war, fragte mich mein Sitznachbar, wie er dort hinkommen könne. Ich antwortete ihm: „Es mag ihnen nicht gefallen, aber Sie müssen Allah alleine anbieten und dürfen ihm weder Partner, noch einen Sohn zur Seite stellen. Sie bemühen sich, das Richtige zu tun. Und auch wenn ich Ihnen nichts garantieren kann, so werden sie zumindest auf dem richtigen Weg sein.“ Der Mann lächelte und dankte mir.
Er schickte mir eine Email mit dem Dank der ganzen Kirchengemeinde, in der er schrieb: „Viele von uns – darunter ich – wurden letzte Nacht herausgefordert.“ Als Muslime ist es unsere Pflicht, mit der Welt jene Schönheit zu teilen, die uns gegeben wurde. Es ist Zeit, dass wir uns selbst definieren. Und solche Begegnungen sind der beste Weg dafür.