Überblick: Hamburg schließt Staatsvertrag mit Hamburger Religionsgemeinschaften. Von Norbert Müller

Ausgabe 207

(iz). Nun ist es offiziell: Hamburgs Bürgermeister Scholz verkündete auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Daniel Abdin (SCHURA), Zekeriya Altug (DITIB) und Murat Pirildar (VIKZ) das ­Ergebnis fünfjähriger Verhandlungen. Als erstes Bundesland wird die Hansestadt mit den drei islamischen Religionsgemeinschaften einen Vertrag schließen, der gegenseitige Rechte und Pflichten begründet und erstmals muslimischen Verbänden den Rang einer Religionsgemeinschaft verleiht. Der Vertrag muss noch von der Bürgerschaft beschlossen werden. Da die SPD hier über eine absolute Mehrheit verfügt, dürfte dem Inkrafttreten nichts mehr im Wege stehen. Was der Bürgermeister als „Selbstverständlichkeit“ sah, bewertete Daniel Abdin von SCHURA als Riesenschritt zur „institutionellen ­Anerkennung des Islam“.

Tatsächlich ist vieles, das anderswo noch Aufmerksamkeit erregen würde, im Umgang mit Muslimen schon seit Jahren selbstverständlich: wie die Möglichkeit zur sarglosen Bestattung von Muslimen auf islamischen Gräberfeldern mehrerer städtischer Friedhöfe und muslimische Seelsorge in Gefängnissen. Neu ist die Anerkennung islamischer Feiertage nach dem Hamburger Feiertagsgesetz und damit deren Gleichstellung mit kirchlichen Feiertagen. Neu ist auch die Erteilung des Religionsunterrichts in Hamburg – auch durch die islamischen Religionsgemeinschaften – auf Augenhöhe mit der evangelischen Kirche. In der Hansestadt gibt es die Besonderheit des „Hamburger Modell“: Der Unterricht ist ein bekenntnisorientierter nach Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz, wird aber als „Religionsunterricht für alle“ in einer multireligiösen Form erteilt. Jedoch erfolgt dies bislang allein in „evangelischer Verantwortung“ mit evangelischen Lehrern. Muslime waren wie Juden oder Buddhisten nur informell beteiligt.

Das wichtigste Ergebnis aus muslimische Sicht ist jedoch, dass erstmals in einem Bundesland die Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften erfolgte. Regelmäßig wurde Muslimen vorgehalten, es gebe nur „Verbände“, deren Vertretungsberechtigung zweifelhaft sei und die rechtlich kein „Ansprechpartner“ für den Staat sein könnten. Hier haben SCHURA, DITIB und VIKZ nun bewiesen, dass sie die rechtlichen Voraus­setzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllen und damit auf dieser Ebene eine institutionelle Gleichstellung des Islam erreichen können. Tatsächlich sind auch 90 Prozent aller in Hamburg existierenden Moscheen Mitglied einer der drei Religionsgemeinschaften.

Die Anerkennung als Religionsgemeinschaft war mit die kontroverseste im gesamten Verhandlungsprozess und es bedurfte hierzu eines rechtswissenschaftlichen Gutachtens des Erlanger Kirchenrechtlers Prof. Heinrich de Wall und eines religionswissenschaftlichen durch Prof. Gritt Klinkhammer (Uni Bremen). Gerade das Gutachten von Prof. Klinkhammer untersuchte dabei sehr genau durch Besuche und Interviews mit Gemeindevertretern, inwieweit in den Moscheegemeinden eine umfassende Religionspflege stattfindet und inwieweit der jeweilige Verband einen identitätsbilden­den Charakter für die einzelnen Gemein­den besitzt.

Letztlich haben sich Geduld und Verhandlungsgeschick ausgezahlt, weil mit dem Staatsvertrag etwas vorliegt, das vor allem hohe Symbolkraft ausstrahlt in der mit Erbitterung geführten Debatte, ob und inwieweit der Islam zu Deutschland gehört und das ihm Gleichstellung zuzubilligen ist.