Eine Warnung vor den Extremen

Ausgabe 213

„Und diejenigen, die, wenn sie ausgeben, weder maßlos noch knauserig sind, sondern den Mittelweg dazwischen (einhalten).“ (Al-Furqan, 67)

(iz). Schaitan kommt zu den Leuten über zwei Wege – wenn er sie ermutigt, weniger und weniger zu tun, oder aber, mehr und mehr. Beide Pfade führen ins Verderbnis. Verständlich wird dies im Falle des weniger und weniger, was dazu führt, dass am Ende jene Handlungen aufgegeben werden, auf denen unser Din aufgebaut ist. Aber wie könnte es etwas schlechtes sein, wenn man mehr und mehr macht, und warum könnte Schaitan dies als Werkzeug zur Fehlleitung nutzen, mag sich mancher fragen. Der Grund ist, dass es zu Übertreibungen in der Religion ­führen kann. Eine Tendenz, die eine große Gefahr für Individuen und die Gemeinschaft darstellt.

Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Hütet euch vor Übertreibungen im Din. Dies einzige Sache, die diejenigen, die vor euch kamen, in die Zerstörung führte, war die Übertreibung im Din.“ Und er sagte ebenfalls: „Diejenigen, die übertreiben, werden zerstört. Diejenigen, die übertreiben, werden zerstört.“

„Übertreiben“ heißt hier, die Grenzen dessen zu überschreiten, was nötig ist und extrem wird. Die Christen beispiels­weise waren extrem in der Verehrung ihres Propheten und vergötterten ihn. Auch wir Muslime unterliegen der Gefahr der Extreme. In jeder Zeit waren es diese, die zu einer Abspaltung von der Gemeinschaft führten – dem Hauptkörper der Muslime. Die Schia ließ sich von der exzessiven Liebe zu Saijiduna Ali und seiner Familie dazu verleiten, den Rest der Prophetengefährten zurückzuweisen und sie zu verachten – und die Mehrheit der muslimischen Gemeinschaft, die den ­Islam von diesen lernte. Die Khawaridsch gingen wegen der sprichwörtlichen Interpretation des Rechts in die Irre. Sie wiesen jede andere Deutung zurück und betrachteten alle, die solchen folgten als außerhalb des Islam. Und es waren Anhänger beider extremistischen Gruppen, die zwei der vier rechtgeleiteten ­Khalifen ermordeten. Keiner der frühen, führenden Gestalten des Islam wurde von Nichtmuslimen besiegt oder kam durch ihre Hand ums Leben, sondern dafür waren extremistische Elemente in ihren Reihen verantwortlich. Extremismus – und die Übertreibung im Din – stellen ein größeres Risiko für die muslimische Gemeinschaft dar, als es ihre Feinde jemals könnten.

Extreme sind demnach per Definition spaltend. Und sie sind die wichtigste Ursache für Fitna [arab., kann als Versuchung, Streit oder Bürgerkrieg übersetzt werden]. Denn die Leute der Übertreibung, insbesondere in Fragen des Rechts, tendieren zum Schwarz-Weiß-Denken. Für sie gibt es nur zwei Katego­rien des Denkens: verpflichtend und verboten. Daher gilt alles, was ihrer engen Weltanschauung widerspricht, als Bida und außerhalb des Islam.

Ihre Übertreibung in der Religion führt sie zum Glauben, dass sie etwas Gutes tun, während es in Wirklichkeit andersherum ist. Es heißt in einer Aussage des Propheten: „Der Gläubige ist hart mit sich selbst, aber großzügig mit anderen, während der Munafiq (Heuchler) hart mit anderen und großzügig mit sich selbst umgeht.“ Der Islam ist der Din des Gleichgewichts, der sich auf dem Mittleren Weg bewegt. Allah sagt: „Und Wir haben euch zu einer Gemeinschaft der Mitte gemacht.“ (Al-Baqara, 143)

Drei Männer kamen zum Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Einer sagte: „Ich verbringe die ganze Nacht im Gebet.“ Der ­zweite: „Ich faste jeden Tag.“ Und der ­dritte meinte gar: „Ich meide die Nähe von Frauen und werde niemals heiraten.“ Und so erwiderte er: „Ich habe mehr Furcht und Taqwa vor Allah als ihr, und doch faste ich und breche mein Fasten, bete und schlafe, und heirate Frauen. Wer sich von meiner Sunna abwendet, gehört nicht zu mir.“

Zu einem ausgeglichen Leben gehört, an der Sunna des Gesandten Allahs festzuhalten, wie er für uns durch die ­großen Freunde Allahs, Gelehrten und jede nachfolgende Generation bewahrt ­wurde. Das ist die Mäßigung, um die sich Muslime bemühen sollten und nicht der mediale Slogan von heute. Würden wir diesem folgen, dann wäre ein Muslim, der fünf Mal täglich betet, bereits ein „Fundamentalist“. Wir können es nicht zulass­en, dass andere uns auf diese Art und Weise definieren. Die Parameter des Din sind klar und ihre Grenzen ebenso. Das ist Mäßigung und der Mittlere Weg.

Imam Malik sagte: „Das Ende dieser Gemeinschaft wird durch nichts anderes korrigiert als durch das, was sie zu ihrem Beginn rechtgeleitet hat.“ Und diese Sunna ist keine eingeschränkte Enge – wie uns viele glauben machen wollen, sondern eine breite Straße – die große Vielfalt und Meinungsunterschiede zulässt. Der Prophet lehrte uns, dass der Din leicht ist und keine Beschwernis; eine Barmherzigkeit, kein Fluch.