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Uiguren: Gegen die Laufrichtung

Ausgabe 290

Foto: OIC, Twitter

(HRW/IZ). Anfang Juli veröffentlichten 22 Staaten im UN-Menschenrechtsrat eine gemeinsame ­Erklärung. Darin wurde die chinesische Regierung aufgerufen, ihre Masseninhaftierungen von Muslimen in der chinesischen Region Xinkiang sowie die Einschränkung ihrer Rechte zu beenden. In dem beispiellosen Schritt wurden zusätzlich gefordert, Peking solle uneingeschränkt mit dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte kooperieren und Experten in die Region lassen.

Die 22 Länder (aus Nordamerika, West­europa, Australien, Neuseeland und Japan) äußerten sich besorgt über groß angelegte, willkürliche Inhaftierungen, weitverbreitete Überwachung und weitere Verstöße gegen Uiguren und andere Muslime in Xinkiang. Sie forderten China auf, „den Vereinten ­Nationen und unabhängigen internationalen Beobachtern einen sinnvollen Zugang zu Xinkiang zu ermöglichen“, und baten den Hohen Kommissar, den Menschenrechtsrat (HRC) regelmäßig über die Lage zu informieren.

In den letzten Jahren berichteten Menschenrechtsorganisationen, wie Human Rights Watch und Medien über Lager für „politische Bildung“ in Xinkiang, in denen ca. eine ­Million Uiguren und andere turkstämmige Muslime ohne Gerichtsverfahren inhaftiert und indoktriniert wurden. Außerdem liegen Hinweise auf Misshandlungen und Folter vor. Chinesische Behörden haben umfassende Überwachungstechnologien eingesetzt, um eine Vielzahl rechtmäßiger Handlungen zu verfolgen und als Straftaten zu behandeln. Die Regierung hat entweder bestritten, dass es zu Missbräuchen kommt, oder versucht, ihr Verhalten im Rahmen einer nationalen Strategie zur Terrorismusbekämpfung zu rechtfertigen.

Zwei Tage später haben sich insgesamt 37 Staaten in einem öffentlichen Schreiben gegen die Erklärung der 22 gewandt. In einem gemeinsamen Brief an die UN unterstützten sie das chinesische Vorgehen in seiner westlichen Provinz. Demnach habe die Volksrepublik „bemerkenswerte Fortschritte auf dem Gebiet der Menschenrechte“ gemacht. „Angesichts der großen Herausforderung durch Terrorismus und Extremismus hat China in Xinkiang eine Reihe von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung und Deradikalisierung ­ergriffen, darunter die Einrichtung von ‘Berufsbildungszentren’.“

Neben Partnern Pekings wie Russland, Nordkorea, Venezuela, Weißrussland und Burma wurde der Brief von muslimischen Ländern wie Ägypten, Algerien, Saudi-Arabien, Syrien, Pakistan, Oman, Kuwait, Katar, den Vereinten Arabischen Emiraten sowie Bahrain unterschrieben. Insgesamt mehr als ein Dutzend Mitglieder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) tragen die Aussagen des öffentlichen Briefes mit. Die Unterzeichner ließen sich von der Pekinger Rhetorik überzeugen, dass die Sicherheitslage in Xinkiang gut sei und sich die Betroffenen „glücklich, erfüllt und sicher“ fühlten.

„Die chinesische Regierung hat die Unterstützung von einem Dutzend Ländern mit muslimischer Mehrheit erhalten, um bei der Überarbeitung ihrer abgründigen Menschenrechtsbilanz in Xinkiang mitzuwirken“, sagte die China-Direktorin Richardson. Anstatt sich den vielen Regierungen anzuschließen, die antimuslimische Misshandlungen anprangern, hätten sich diese Länder dem abstoßenden Gegen-Narrativ Pekings angeschlossen.

Mehrere OIC-Mitglieder, darunter Afghanistan, Albanien, Bangladesch, Indonesien, Malaysia, Marokko, Tunesien und die Türkei, haben den von China unterstützten Brief nicht unterzeichnet. Kein Land mit muslimischer Mehrheit hat den jüngsten Aufruf des UN-Menschenrechtsrats mitgetragen.

Chinas Unterdrückungskampagne in Xinkiang war in den Augen von Menschenrechtlern wie Human Rights Watch „ein entscheidender Test dafür, ob OIC-Mitglieder ein immer mächtigeres China dazu drängen werden, seine systematischen Missbräuche gegen Muslime zu beenden“. Das 57-Länder-Gremium hat mehrheitlich geschwiegen und gelegentlich Chinas Politik begrüßt. Als die OIC-Außenminister im März in Abu Dhabi zusammentrafen, ignorierten sie die Lage der uigurischen Muslime und lobten stattdessen Chinas Bemühungen, „die muslimischen Bürger zu versorgen“. Man freue sich, so das Gremium damals, auf „weitere Zusammenarbeit“ mit der Volksrepublik.