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Union-Fraktionschef: AfD radikalisiert Umgangston im Bundestag

Foto: Tobias Koch, via Wikimedia Commons | Lizenz: ORTS, CC BY-SA 3.0

Berlin (KNA). Unionsfraktions-Chef Volker Kauder (CDU) hat die Parteien der Mitte im Parlament aufgefordert, die „Spirale bei der sprachlichen Radikalisierung“ nicht mitzumachen. „Das nützt nur den Radikalen“, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Von der katholischen Kirche forderte er, durch Entschuldigung und Entschädigung von Missbrauchsopfern verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
KNA: Herr Kauder, die Spaltung in der Gesellschaft spiegelt sich inzwischen auch deutlich im Bundestag. Macht Ihnen der raue Umgangston Sorgen?
Volker Kauder: Die AfD hat auch im Deutschen Bundestag den Ton mit Aussagen immer weiter verschärft, wie wir sie sonst nur von Rechtsradikalen her kennen. Diesen Reden muss deutlich widersprochen werden. Allerdings dürfen die Antworten selbst nicht persönlich herabwürdigend sein. Das haben leider Redner der anderen Fraktionen in der Generaldebatte am vergangenen Mittwoch nicht immer beachtet. Die Parteien in der Mitte des Parlaments sollten die Spirale bei der sprachlichen Radikalisierung nicht mitmachen. Das nützt nur den Radikalen.
KNA: Einige AfD-Wähler sagen, ihre Partei vertrete gesellschaftspolitische Überzeugungen wie früher die CDU – etwa beim Familienbild, der Homo-Ehe oder in der Abtreibungsfrage…
Kauder: Unsere Grundlage ist das christliche Menschenbild. Die Kernaussage ist, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist. Die Politik der AfD steht im eklatanten Widerspruch dazu. Die AfD grenzt Menschen aus, macht sie verächtlich, sieht in Flüchtlingen pauschal Menschen zweiter Klasse. Die übrige Rhetorik der AfD ist deshalb völlig unglaubwürdig. Außerdem widerspricht ihr nationalistischer Ansatz christlichen Werten.
KNA: Inwiefern?
Kauder: Der christliche Glaube kennt keine Staatsgrenzen und hat keinen völkischen Charakter. Der christliche Glaube ist weltoffen, verbindet die Menschen und macht die Menschen zu Schwestern und Brüdern im Glauben. Die AfD macht hingegen einzig das deutsche Volk zum Bezugspunkt ihres Denkens. Auch das erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte.
KNA: Welche Rolle spielen die Kirchen für den Zusammenhalt der Gesellschaft?
Kauder: Die Kirchen sollten in diesen schwierigen Zeiten Orientierung bieten. Umso tragischer ist nun der Bericht über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Die Wirkung ist verheerend. Auch als evangelischer Christ wie ich, der aber immer auch in der katholischen Kirche eine Heimat im Glauben gefunden hat, ist man bestürzt, dass so etwas passieren konnte.
KNA: Die CDU will ihr Profil wieder schärfen, dazu gehört das „C“. Was bedeutet das für die Fraktion?
Kauder: Das „C“ ist unser Kompass. Wir müssen uns aber immer wieder vergewissern, was uns das „C“ heute sagt. Deshalb werden wir uns in der Fraktion in dieser Wahlperiode erneut in einer Reihe von Kongressen mit dem „C“ beschäftigen und damit auch einen Beitrag zur Debatte um das neue Grundsatzprogramm leisten. Was das „C“ uns bedeutet, wurde etwa bei der Sterbehilfedebatte und der anschließenden rechtlichen Regelung deutlich, mit der die kommerzielle Sterbehilfe verboten wurde.
KNA: Ein Punkt, an dem sich das „C“ reibt, ist die Flüchtlingspolitik. Sie hat die Fraktion beinahe gesprengt.
Kauder: Die Zuwanderung bleibt eine Herausforderung. Klar ist: Wer verfolgt wird oder vor Bürgerkrieg flieht, muss grundsätzlich Aufnahme finden. Wer aber nur bessere wirtschaftliche Perspektiven sucht, der kann nicht bei uns bleiben.
KNA: Dennoch bleibt eine Verantwortung der reichen Industrienationen.
Kauder: Wir müssen noch mehr für die Menschen in ihrer Heimat tun. Für mich ist zudem unfassbar, dass Menschen in Flüchtlingslagern etwa in Jordanien nicht ausreichend versorgt werden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk braucht genügend Geld, damit die Menschen nicht aus Angst vor Hunger fliehen oder weil ihre Kinder nicht unterrichtet werden. Viele Länder zahlen aber ihre Beiträge nicht.
KNA: Eine weitere Herausforderung ist die Integration der Muslime. Ist der Islam integraler Teil der Gesellschaft?
Kauder: Die Integration der überwiegenden Zahl der Muslime ist gelungen, weil diese sich angestrengt haben, ein Teil der Gesellschaft zu werden. Bei einer größeren Minderheit gibt es aber Defizite. Bei einigen Muslimen vermisse ich die Bereitschaft, staatliche Regeln einzuhalten, wozu auch die Toleranz gegenüber anderen Religionen gehört. Allerdings muss auch die Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Muslimen weiter offenbleiben.
KNA: Ist das Gesellschaftsverständnis des konservativen Islam mit der Demokratie vereinbar?
Kauder: Bei uns herrscht Religionsfreiheit. Der Wahrheitsanspruch der einzelnen Religion kann aber in einem demokratischen Staat nicht über die staatlichen Regeln gestellt werden. Das gilt auch für den Islam, gleich welcher Ausrichtung, aber auch für jede andere Religion.