Verfassungsschutzbericht über die Muslimische Jugend in Deutschland hält gerichtlicher Prüfung nicht stand

„Eigentlich erfüllen die bundesweit rund 9.000 Mitglieder der MJD alles, was die Mehrheitsgesellschaft von Muslimen verlangt: Sie sprechen perfekt Deutsch, die meisten gehen aufs Gymnasium oder zur Universität, sie nehmen aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Die 1994 gegründete MJD wendet sich ausdrücklich gegen Gewalt und radikales Gedankengut.” (Jan Kuhlmann, Stuttgarter Zeitung, 17.2.2012)

Berlin (iz/MJD). Das Berliner Verwaltungsgericht entschied bei einem wegweisenden Verfahren „zum größten Teil“ zugunsten der Muslimischen Jugend in Deutschland e.V. (MJD), die sich in dieser Instanz gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz durchsetzen konnte, verlautbarte die MJD in einer Pressemitteilung vom 16.2.2012. „Die MJD begrüßt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16.02.2012, welches feststellt, dass die Vorwürfe des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen die MJD zu großen Teilen rechtswidrig sind. Das Gericht ordnete eine Überarbeitung der Berichterstattung aus dem Jahr 2009 an.“

Die Richter haben „bei allen Punkten klar gestellt“, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz bei einer Berichterstattung auf belegbare Tatsachen stützen müsse. Diese Mindestanforderung wurde in den besagten Punkten nicht erfüllt. Dadurch sieht das Gericht die Rechte der MJD als verletzt und somit das Klagebegehren als begründet an. „Wir begrüßen die Entscheidung des Gerichts und fühlen uns dadurch bestätigt, mit der Erhebung einer Klage einen richtigen Schritt gegangen zu sein. Die überwiegend positive Entscheidung des Gerichts zeigt, dass wir als religiöse Minderheit weiterhin Vertrauen in unser Rechtssystem haben dürfen“, äußerte sich Hischam Abu Ola, Vorsitzender der MJD e.V.

Es mache fassungslos, dass die Verfassungsschutzämter einerseits bei einer um Integration bemühten muslimischen Jugendorganisation mit Akribie nach Vorlagen für denunziatorische Erwähnungen suchen würden, auf der anderen Seite jedoch gewalttätige Rechtsextremisten über Jahre nur unzureichend ins Visier nehmen.

Das Berliner Urteil ist eine wichtige Entscheidung, weil es die beliebte Gleichsetzung von radikalem Gedankengut mit einer religiös-konservativen Einstellung als nicht rechtmäßig eingestuft hat. Es muss auch in Deutschland möglich sein, mit einer inneren religiösen Intensität als rechtstreue Bürger zu gelten.

Gerade auch im Lichte des Naziterror-Debakels mehrerer Landesverfassungsschutzämter sollte die Debatte über die Zukunft der Dienste, die keine Verfassungsorgane sind [Vergleichbares schrieb von einigen Tagen Heribert Prantl, Kommentator bei der SZ] geführt werden. Es kann nicht sein, dass in Deutschland mehrheitsfähige, muslimische Ansichten stigmatisiert und de facto kriminalisiert werden, die im europäischen Kontext – beispielsweise in Großbritannien – kein Problem sind.

Die Frage muss erlaubt sein, ob die, Muslime beobachtende Experten eine Beobachterrolle haben, oder durch ausgrenzende Definitionen selbst zu handelnden Akteuren werden und somit politische Entscheidungen vorwegnehmen.