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Viele Gründe für einen Besuch

Ausgabe 271

Foto: Ammar Asfour | The Eye in Islam

(MV Media). Während Kroatien in den Sommermonaten von Touristen überrannt wird, scheint das benachbarte Bosnien-Herzegowina oft nicht wahrgenommen zu werden. Viele Menschen erinnern sich an den Krieg, der hier in den 1990er Jahren stattfand. Aber 20 Jahre später ist das Land eines der spannendsten Reiseziele in Europa.
Beinahe drei Viertel der Hauptstadt Sarajevo wurden von Granaten und Bomben beschädigt oder zerstört. Aber seitdem ist es der Stadt gelungen, zu ihrer vergangenen Dynamik zurückzukehren. Das historische Zentrum vereint Ost und West auf die beste Weise. Und Besucher können sich in einer Minute fühlen, als seien sie in Wien, und in der nächsten, als seien sie in Istanbul.
Insbesondere in der Altstadt, der Bascarsija, kann die osmanische Vergangenheit Sarajevos gespürt werden. Hier über­blicken kupfergrüne Kuppeln die engen Gassen des Kunsthandwerker-Basars. Währenddessen schmücken großartige Überbleibsel des österreichisch-ungarischen Reiches die Straße um die Ferhadija herum.
Obwohl es Zeichen aus der jüngsten Vergangenheit gibt – von Schrapnellen vernarbte Wände und Friedhöfe auf den umliegenden Hügeln –, Sarajevo ist eine Stadt, die das Leben bejaht.
Reist man durch Bosnien-Herzegowina, ist es unmöglich, sich nicht in die Landschaft zu verlieben. Dramatische, felsige Berge werden in der Mitte von türkisfarbenen Flüssen und Wasserfällen durchschnitten. Sie bedecken einen erheblichen Teil des Landes. Das Land hat nur einen kleinen, 25 Kilometer langen, Anteil der Adriaküste. Überschattet wird er von den Buchten und Stränden Kroatiens und Montenegros. Bosnien übertrumpft sie aber alle, wenn es um epische Schluchten und Täler geht. Natürlich kann man Tage, wenn nicht Wochen in Sarajevo verbringen. Es lohnt sich aber trotzdem, die Hauptstadt zu verlassen, um Landschaft und andere Städte zu erkunden.
Mostar beispielsweise ist eine der spektakulärsten Städte Bosnien-Herzegowinas. Es besticht mir seiner erstrangigen osmanischen Architektur und dem Stari Most (was „alte Brücke“ bedeutet). Das Bauwerk wurde 1993 bei Angriffen kroatischer Milizen auf bosnische Regierungstruppen zerstört, aber seitdem mit türkischer und internationaler Hilfe wiederaufgebaut. Auch jetzt erreicht sie an ihrem höchsten Punkt eine Höhe von 24 Metern. Heute noch ist es ein Ritus für junge Männer, von hier in den Fluss Neretva zu springen.
Auch andere Orte lohnen einen Besuch. Dazu gehört Pocitelj nahe der kroatischen Grenze. Ein Teil seiner Architektur stammt aus osmanischer Zeit. Jajce im Nordwesten des Landes ist eine atemberaubende Stadt auf einer Hügelspitze. Sie wird von einer mittelalterlichen Festung gekrönt, an deren Fuß ein Wasserfall in die Tiefe stürzt.
Trotz der Kriegsschrecken, die immer noch frisch im Gedächtnis der Menschen verhaftet sind, geben sich die Bosnier die größte Mühe, Fremde willkommen zu heißen. Gäste bei einheimischen Familien werden freundlich gedrängt, viel Kaffee zu trinken und so viel zu essen, bis sie voll sind. Und Besucher werden feststellen, dass es überall und zu jeder Zeit Menschen gibt, die ihnen helfen möchten.
Apropos Kaffee, das Getränk ist eines der Leitmotive des sozialen Lebens in Bosnien-Herzegowina. Auf den ersten Blick kann der Kaffee hier der türkischen ­Variante ähneln. Aber die Einheimischen bestehen darauf, dass beide komplett unterschiedlich seien. Feingemahlener Kaffee wird mit kochendem Wasser in einem Metallgefäß namens Dzezva zubereitet. Dieser wird solange gerührt, bis er eine cremige Farbe bekommt. Dann füllt man ihn in eine kleine runde Tasse namens Fildzan, häufig begleitet von Zucker­würfeln. Sie werden üblicherweise in den Kaffee gestippt, um die Bitterkeit auszugleichen.
Während der bosnische Kaffee ein Echo der osmanischen Traditionen ist, gibt es auch Kaffeehäuser, die an mitteleuropäische Gewohnheiten anknüpfen. Hier wird starker Kaffee mit Kuchen serviert. Sarajevo hat eine schier endlose Variation an Cafés, wo Besucher sich einfach nur zurücklehnen, entspannen und die Welt an sich vorüberziehen lassen können.
Auch bei der Preisgestaltung ist Bosnien attraktiv. Sarajevo ist eine der kostengünstigsten europäischen Hauptstädte. Und außerhalb der Stadt gehen die Preise weiter nach unten. Verglichen mit Kroatien, wo sich die Preise dem westeuropäischen Niveau angleichen, ist hier vieles geradezu spottbillig. Auswärts essen kostet hier weniger als eine Handvoll Bosnische Mark.
Das soll aber nicht heißen, dass Besucher nicht trotzdem ihr ganzes Geld im wundervollen Basar ausgeben können. Es gibt einige wunderschöne Einkaufsmöglichkeiten in Bosnien-Herzegowina. Das liegt nicht nur an den Preisen, die im Vergleich mit dem restlichen Europa recht niedrig sind. Das Niveau der handwerklichen Qualität ist beeindruckend. Handgemachte Kupferwaren, sehr feine Spitzen, aber auch klassische Teppiche, Webereien und Schmuck gehören zu den traditionellen Spezialitäten. Etwas eigentümlicher sind die Stifte, die am Markt um die Bascarsija verkauft werden. Sie werden aus Geschossen gefertigt, die vor 20 Jahren während der Belagerung abgefeuert wurden.
Das Land hat eine alte Tradition des Handels und als Folge auch eine vielfältige Bevölkerung. Hier kann man den Gebetsruf durch die Täler hindurch hören. Gefolgt werden sie vom Ton der Kirchenglocken. In der Innenstadt von Sarajevo finden sich eine Moschee, eine Synagoge, eine orthodoxe und eine katholische Kirche in einem einzigen Block.
Vom knusprigen Burek voller würzigem weißen Käse hin zu saftigem Grillfleisch – Bosniens Küche ist lecker und sättigend. Die frischen Zutaten kommen aus der Region. Eine gesunde Portion Schopska-Salat mit frischem Fladenbrot ist nur schwer zu schlagen.