Vom Ghetto der inneren Leere. Interview mit dem Rapper Musa Bastian Gerner

(iz). „Ghetto in dir“ heißt das aktuelle Album von Musa. Der gebürtige Würzburger und Wahlberliner rappt über soziale Verantwortung, Politik, Optimismus, Hoffnung und über Islam und Spiritualität.

Islamische Zeitung: „Ghetto in dir“ heißt Ihr neues Album. Was ist das innere Ghetto?

Musa: Das innere Ghetto ist für mich das Finsternis im Herzen und steht im Allgemeinen für eine innere Leere und innere Unzufriedenheit.

Islamische Zeitung: Sie singen vom Durchbrechen der Grenzen, von der Freiheit. Wie befreit man sich von so einem inneren Ghetto?

Musa: Ich habe kein allgemein gültiges Rezept, wie man sich aus dem inneren Ghetto befreien kann. Doch mit Geld schafft man es sicher nicht. Deshalb muss man sich mit seinem Inneren auseinandersetzen. Wenn man das geschafft hat, verändert sich automatisch auch das Äußere um einen herum. So kann das Ghetto aus allen Neuköllns aber auch aus den Regierungs- und Bankenvierteln dieser Welt verschwinden.

Islamische Zeitung: Thematisch bewegt sich Ihr neues Album zwischen gut und böse: Es geht um die Verlogenheit dieser Welt, um bittere Wahrheiten, aber auch um das Schöne im Leben.

Musa: Ich kann einfach nicht mit verschlossenen Augen durch diese Welt gehen. Ich sehe die Missstände unserer Zeit nicht als unveränderbar an und habe daher keine Lust, mich mit leeren Versprechungen von irgendwelchen dahergelaufenen Politikern abspeisen zu lassen, die den Bankern und Kapitaleignern aus der Hand fressen und nur an ihrem eigenen Machterhalt interessiert sind. Fast jeder ist heutzutage nur an seinem persönlichen Vorteil interessiert und daher rühren auch die meisten Probleme. Deshalb bin ich gegen Turbokapitalismus und programmatische Massenverdummung.

Ich kann nicht nur gegen etwas sein, ohne auch über eine Alternative nachzudenken. Wenn wir unsere Mitmenschen bevorzugt behandeln und das eigene Interesse zurückstellen, haben wir eine Chance, aus dieser Misere herauszukommen. Wir müssen uns gegenseitig helfen, mit allem was wir haben, ohne Angst, der andere könne uns die Butter vom Brot nehmen!

Islamische Zeitung: Es klingt überzeugend und herzlich, wenn Musa vom Bruder, Freund, Verlust, oder von der Liebe rappt. Gibt es eine Grenze in Ihrer Musik zwischen Kunst und Privatem?

Musa: Ich habe da keine definierbare Grenze. Kunst muss echt sein. Und nur wenn sie echt ist, hat sie eine Chance, wertvoll zu werden. Echt muss nicht unbedingt privat bedeuten. Jeder handhabt das, glaube ich, anders. Ich versuche einfach das auszudrücken, was mir wichtig ist und was ich für richtig halte. Angreifbar ist man doch so oder so und es allen Recht machen, kann sowieso nicht. Ich habe keine Scheu, Privates preiszugeben.

//2//

Islamische Zeitung: Sie singen auch vom Islam, vom Glauben und von der Spiritualität. Es ist nicht gerade der Regelfall, über Allah oder das Gebet in Rap Rhythmus zu sinnieren. Ist es nicht schwer, einem breiten Publikum – Muslimen und Nicht-Muslimen – gerecht zu werden?

Musa: Ich bin nunmal ein Muslim und Rapper. Da die Praxis des Islam mich persönlich sehr ausfüllt und mir jeden Tag einen Weg eröffnet, aus meinem inneren Ghetto einen wunderschönen Ort zu machen, kann ich gar nicht anders, als diese Themen auch in meine Musik einzubauen. Wenn mich ein Muslim dann fragt, ob meine Musik islamisch sei, sage ich einfach ja, denn das wollen die meisten hören. Wenn man anfängt zu erklären, dass diese Musik für alle Menschen geeignet ist, stößt man eher auf Unverständnis.

Musik muss scheinbar immer in Schubladen gesteckt werden. Ich mache weder religiöse, noch unislamische Musik. Ich mache einfach nur Rap, der zum Ausdruck bringt, was ich denke und fühle. Musik, die ich selbst gut finde und die anderen Menschen hoffentlich positive Impulse gibt. Da spielt es doch keine Rolle, an was man glaubt. Vielmehr stellt sich die Frage: Gefällt mir diese Musik oder nicht?

Islamische Zeitung: Von „Balsam“ 2008 zum „Ghetto in dir“ 2013. Welchen Prozess haben Ihre Texte in der Zwischenzeit durchlaufen?

Musa: Ich habe es – glaub ich – geschafft, meine Texte zugänglicher zu machen. Man muss sich nicht mehr zwingend mit meiner Person auseinandersetzen, sondern kann sich aussuchen, aus welcher Perspektive man die Texte auf sich wirken lässt. 2008 hat jemand gesagt, meine Texte würden vom „Erwachsenwerden“ erzählen. Vielleicht bin ich in den letzten fünf Jahren ein bisschen erwachsener geworden, denn ich habe es geschafft, einen Beruf zu finden, der mir Spaß macht und von dem ich leben kann. Hauptberuflich bin ich Sounddesigner und mache Tonpostproduktion für TV- und Kinofilme. So kann ich viel unbedarfter und ohne Schaffensdruck Musik machen. Insofern ist ein Stück Bürgerlichkeit ganz angenehm.

Islamische Zeitung: Die Musik Ihres neuen Albums klingt intensiver und vielfältiger: Es kommen spanische Gitarrenklänge, Trompetentöne hinzu. Das klingt nach Wachsen, Steigerung oder gar nach einer neuen Richtung?

Musa: Eine neue Richtung ist das nicht. Früher war ich mit einer Band unterwegs, heute arbeite ich mit dem Beatmaker Quendolin Fender zusammen. Die Musik entsteht also nicht mehr im Proberaum, sondern im Studio. Dort sucht sich Quendolin Sounds von alten Schallplatten und macht daraus neue Songs. Daher haben wir viel mehr Möglichkeiten, was das Instrumentarium angeht. Neben den „gesampelten“ Klängen hat auch Gitarrist Haiko Heinz etwas für uns eingespielt. Daher: wachsen und Steigerung auf jeden Fall. Wer will schon stehenbleiben im Leben?

Islamische Zeitung: Weiterhin viel Erfolg auf Ihrem Weg und vielen Dank für das Gespräch. (Interview: Vykinta Ajami)