Vom „Mathnawi“ inspiriert

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(iz). Mein Favorit ist „Das Mesnevi hat mich gelehrt“. Ich habe es geschrieben, nachdem ich den ersten Band des „Mesnevis“, Mevlanas Hauptwerk, gelesen habe.
Darauf folgt: „Der Monolog eines Muslims im 21. Jahrhundert“. Ich finde es ziemlich ignorant, dass sich meines Erachtens die absolute Mehrheit der Muslime in Klagen darüber ergießt, wie rassistisch und diskriminierend die Welt doch sei, als ob Allah uns nicht prüfen würde. Aber wir haben vergessen, was „guter Charakter“ bedeutet; gemäß der Überlieferung: „Ich wurde nur gesandt, um (das Wissen um) den schönen Charakter vollkommen zu machen.“ Deshalb auch das Zitat, das dem Gedicht vorangestellt ist. Den Sufigelehrten traf ich in Konya, habe es selbst in seinem Werk gelesen und bald erscheint inscha’Allah ein Werk dieses Gelehrten, das ich übersetzt habe.
Das dritte Gedicht, „Anstand“, ist in erster Linie mir gewidmet. Oft glauben wir Menschen, wer studiert, stelle etwas dar. Einzig und allein der Anstand, der Charakter (Adab) sagt, wie gebildet ein Mensch ist. Schems-i-Täbrizi Hz. sagte: „Der Anstand ist der Übersetzer des Verstandes.“ Yunus Emre Hz. (1240-1321) sagte: „Ich durchreiste Scham [Syrien] und Aleppo und habe nach Wissen gestrebt, jedoch ist das Wissen ein Nichts: Unbedingt Anstand! Unbedingt Anstand!“
Das Mesnevi hat mich gelehrt
Das Leben ist kein Trauerzug,
Nicht Ansammlung von Leidenstagen,
Es ist gemacht zum Höhenflug,
Zum Leben schöner Heldensagen!
Du sagst, du möchtest lieber sterben, Der Peinigung ein Ende setzen;
Was würde aus der Erde werden,
Wenn nur Verbrecher sie besetzen?
Was wäre mit den lieben Kindern,
Den Menschen mit gebrochnen Herzen, Wer würde ihre Sorgen lindern,
Wer würde Allahs Rat beherzen?
Wer würde Menschen Hoffnung spenden, Die resigniert ihr Dasein fristen,
Wer würde sein Talent verwenden
Für Menschen, die die Flagge hissten? –
Es ist der höchste Dienst am Menschen, Den Glauben wieder herzustellen,
Den Mut zum Werk und an das Wünschen, Um diese Erde zu erhellen.
«Gib dein Herz nur der Liebe zu denen, deren Herzen froh sind. Gehe nicht in die Nähe der Verzweiflung; es gibt Hoffnungen. Gehe nicht in Richtung Dunkelheit: es gibt es Sonnen.» (Mevlana, Mesnevi)
Monolog eines Muslims im 21. Jahrhundert
«Anderen keine Schwierigkeiten zu machen, ist nicht das Zeichen eines schönen Charakters, das Zeichen eines schönen Charakters ist das Ertragen der Schwierigkeiten, die von anderen ausgehen.» Muhammed El-Konyevi Hz. (geb. 1942)
Die Kälte dieser Welt, sie bietet mir kein Heim,
Wär’ diese Welt ein Poem, fehlte mir der Reim.
Das Urteil über mich, nahm mir die Kindheit früh,
Sie ist noch in mir, ja! ich spüre ihren Keim!
Ich sei der Grund für Krieg und Terror auf der Welt,
Ein Mann, der Meinung aller Frauen unten hält;
Das, was ich glaube sei zu mittelalterlich,
Verbreite ständig Angst, sei alles – nur kein Held.
Nun los! Ich stehe hier – schlagt alle auf mich ein!
Nur härter los! Ich fürchte nur Allah allein!
Das Wort ist meine Waffe, Weisheit Munition,
So hat mein Leben trotz der Stürme mein Design!
Du siehst nur Laien über Schicksalsschläge klagen, Ein Meister nutzt sie, weiß mit Würde zu ertragen.
Anstand
Wer Anstand besitzt, weiß genug. Wer keinen Anstand besitzt, richtet mit seinem Wissen nur Unheil an.
Den Begriff »Genie«, den höre ich nicht selten,
Ein Verdienst wird Menschen damit zugeschrieben;
Menschen ohne Wissen werden andre schelten
Diese sind es, sie gefährden unsern Frieden!
Wissen! daran machen wir den Wert von Menschen fest,
Närrisch! Wert an solch Missbrauchbares zu knüpfen;
Jeder Mensch muss sich bewähr’n in einem Test,
Achtsamkeit! Ist’s Mittel, um hoch aufzutrumpfen.
Der Respekt! vor Eigenheiten anderer,
Eine ausgestreckte Hand, auch Schwächeren gereicht!
Empathie! denn jeder Mensch ist Wanderer,
Auf der Suche nach Verständnis, fühle nicht zu seicht.
Ach, Genie ist bloß ein Nichts, ein Nichts! Respekt,
bedingungslos Respekt! Anstand, ach! die Arbeit am Charakter ist das schwierigste Projekt!
Zur Person: Ahmet Aydin ist 24 Jahre alt. Er studierte Islamwissenschaft und Turkologie, doch brach beide nach dem dritten Semester ab. Er studiert nun ab April Philosophie im vierten Semester in Göttingen. Mit dem Schreiben von Gedichten fing er im Alter von 16 an. Nachdem er das erste Mal Goethes „Faust“ gelesen hat, schrieb er die ersten Verse.