Vor dem Bundespräsidenten-Besuch schlagen die Wellen hoch

Münster (KNA). Klappern gehört zum Handwerk. Vor allem zur rechten Zeit. Das haben offenbar auch die muslimischen Verbände verstanden. Sie sind unzufrieden mit dem Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster – kurz ZIT genannt. Diese Einrichtung, an der angehende Lehrer für den neuen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht studieren, findet besonderes Interesse bei Bundespräsident Joachim Gauck. Ende November will er die Universität besuchen. Da stößt die Kritik der Verbände auf besonderes Echo.

Der Unmut wurzelt im komplizierten Verfassungsrecht. Zwar feiert die Politik den neuen islamischen Religionsunterricht an Schulen und die bundesweit insgesamt vier Studiengänge für die Lehrerausbildung als Meilenstein, weil sich nur so die religiöse Unterweisung junger Muslime aus Hinterhofmoscheen herausholen lässt. Doch die Frage, wer verbindlich über die Inhalte von Unterricht und Studiengang sowie das Lehrpersonal an Schulen und Uni bestimmt, ist nur behelfsmäßig gelöst.

Bei der christlichen Theologie sind die Kompetenzen klar in Konkordaten und Staatskirchenverträgen geregelt: Die Uni als staatliche Behörde garantiert die Forschungs- und Lehrfreiheit, die Inhalte aber bestimmen die Kirchen. Das Personal wird nach wissenschaftlichen Kriterien ausgesucht, aber nur mit Zustimmung der Kirchen ernannt.

Solche Rechte kommen den Muslimen nicht zu. Sie werden wegen fehlender Mitgliederlisten vom Staat nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. Allerdings kann eine Landesregierung nicht festlegen, was zum muslimischen Glaubensbekenntnis gehört. Diese Aufgabe soll in Münster nach einem Vorschlag des Wissenschaftsrates ersatzweise ein Beirat übernehmen: Vier Vertreter benennt die Universität im Einvernehmen mit dem Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM), vier weitere schlägt der KRM selbst vor.

Die Zahl vier passt genau auf den Zuschnitt des Koordinationsrates. Denn er ist Dachverband von eben genau vier Verbänden: dem Zentralrat der Muslime, der DITIB, dem Verband der Islamischen Kulturzentren und dem Islamrat. Intern gilt die Regelung, dass jede Organisation einen Vertreter entsendet. Für den Islamrat sollte das sein Generalsekretär Burhan Kesici sein. Der Bund aber, der das Zentrum in Münster mitfinanziert, zweifelt an dessen Verfassungstreue und meldete Vorbehalte an. Auch für eine weitere vorgeschlagene Theologin gab es kein grünes Licht. Die Folge: Der Beirat hat sich noch gar nicht konstituiert, obwohl der Lehrbetrieb in Münster bereits seit einem Jahr läuft.

Die Verbände fühlen sich nun übergangen. Vor allem aber stoßen sie sich an dem mit ihrer Zustimmung berufenen ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide. In Büchern wie „Scharia – der missverstandene Gott“ vertritt Khorchide eine gemäßigte Form des Islam und lehnt eine buchstabengetreue Erfüllung von Gesetzen ab. Nun haben die Verbände ein Gutachten über den Professor angekündigt.

Die Rektorin der Universität Münster, Ursula Nelles, weist entschieden zurück, die Mitspracherechte der Verbände zu übergehen. Bislang seien mitwirkungsbedürftige Beschlüsse nicht gefällt und Professoren nur befristet beschäftigt worden. Auch die Lehrinhalte seien nur für ein Semester fortgeschrieben und vom NRW-Schulministerium abgesegnet worden.

Auch dort gibt es einen Beirat, der über die Lehrpläne für den Religionsunterricht befindet. Das Pikante: Dort darf Islamrat-Generalsekretär Kesici mitarbeiten, der auch Vizevorsitzender der Islamischen Föderation Berlin ist. Die muslimischen Verbänden verstehen die Ungleichbehandlung ihres Kandidaten nicht und machen vor dem Gauck-Besuch in Münster ordentlich Druck. Uni-Rektorin Nelles hält eine Abberufung Khorchides sogar für möglich – wenn der Uni-Beirat das so entscheidet. Dazu muss er sich aber formieren. Der KRM sucht nach einem neuen Kandidaten.