Was kostet uns der Klimawandel?

Ausgabe 296

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(IPS). Klimawandel ist längst Realität. Immer heftigere Wirbelstürme und ausgedehnte Dürreperioden führen zur Zerstörung von Infrastruktur und zur Behinderung des Lebensunterhalts. Und so tragen sie zur Massenmigration bei.

Maßnahmen zur Bekämpfung steigender Temperaturen – die bislang wohl eher unzureichend waren – können zu Standortveränderungen in der Geschäftswelt führen. Giganten aus dem Bereich der fossilen Brennstoffe müssen die Notwendigkeit erneuerbarer Energiequellen erkennen. Autoproduzenten können nicht umhin, in sauberere Fahrzeuge zu investieren.

Aber die Messung der wirtschaftlichen Kosten von Klimawandel ist noch nicht abgeschlossen. Wir können die unmittelbaren Unkosten für sich ändernde Wettermuster sowie häufigere und intensivere Naturkatastrophen abschätzen. Die meisten potenziellen Kosten liegen hingegen außerhalb des Horizonts einer normaltypischen wirtschaftlichen Analyse.

Die ökonomischen Folgen des sich verändernden Klimas werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach beschleunigen. Entscheidend für die kommenden Generationen wird sein, dass das Ausmaß des Schadens von den politischen Entscheidungen abhängen wird, die wir heute treffen.

Politiker und Investoren erkennen zunehmend zukunftsträchtige Auswirkungen des Klimawandels auf den Finanzsektor. Dieser wirkt sich auf zwei Hauptkanäle des Finanzsystems aus.

Der erste Kanal beinhaltet materielle Risiken, die sich aus Sach-, Infrastruktur- und Grundstücksschäden ergeben. Der zweite – ein Übergangsrisiko – resultiert aus Veränderungen in der Klimapolitik, der Technologie sowie der Stimmung unter Verbrauchern und Märkten während der notwendigen Anpassung an eine kohlenstoffarme Wirtschaft. Die Auswirkungen der Entwicklungen können erheblich von Land zu Land abweichen. Volkswirtschaften mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind in der Regel anfälliger für direkte materielle ­Risiken.

Durch ihren Kontakt zu Unternehmen, Haushalten und Staaten können sie Klimaschocks erleiden und Finanzinstitute können den materiellen Risiken der Entwicklung direkt ausgesetzt sein. Dies kann auch indirekt geschehen: durch die Auswirkungen des Klimawandels auf die allgemeinere Wirtschaft und Feedbackeffekte innerhalb des Finanzsystems.

Seinen Ausdruck findet die Empfindlichkeit dem zukünftigen Klima gegenüber in gestiegenen Ausfallrisiken von Kreditpaketen oder niedrigeren Werten verschiedener Vermögensarten. Beispielsweise können ein steigender Meeresspiegel und ein häufigeres Auftreten extremer Wetterereignisse Verluste für Hausbesitzer verursachen und so den Immobilienwert verringern, was zu einem höheren Risiko auf dem Hypothekenmarkt führt.

Kreditportfolios sind ebenfalls gefährdet, wie die Insolvenz des größten kalifornischen Energieversorgers Pacific Gas and Electric zeigte. Im „ersten Bankrott durch Klimawandel“ (The Wall Street Journal) führten Dürren zu einem rapiden Anstieg der Feuergefahr für die Arbeit der Firma. Wenn Banken ihre Kreditvergabe einschränken, können sich die finanziellen Bedingungen verschlechtern; insbesondere wenn viele Institute gleichzeitig von Klimaschocks betroffen sind.

Für Versicherer und Rückversicherer sind physische Risiken auf der Aktivseite wichtig. Aber Risiken entstehen auch auf der Passivseite, da Versicherungspolicen häufiger und schwerer als ursprünglich erwartet Ansprüche der Versicherten verursachen. Es gibt Hinweise darauf, dass Verluste durch Naturkatastrophen heute schon zunehmen. Infolgedessen ist es wahrscheinlich, dass Versicherungen in gefährdeten Gebieten der Welt teurer oder gar nicht mehr verfügbar sind.

Die Bemühungen zur Einbeziehung klimarelevanter Risiken in regulatorische Rahmenbedingungen stehen vor großen Herausforderungen. Die ordnungsgemäße Erfassung von Klimarisiken erfordert eine Bewertung über einen langen Zeitraum und die Anwendung neuer methodischer Ansätze, damit die Rahmenbedingungen hinsichtlich der Finanzaufsicht die tatsächlichen Risiken angemessen widerspiegeln.

Es ist von entscheidender Bedeutung sicherzustellen, dass die Bemühungen um die Einführung eines Klimarisikos in die Überlegungen, die aufsichtsrechtliche Regulierung stärken, anstatt sie zu schwächen. Richtlinien wie das Zulassen, dass Finanzinstitute weniger Kapital für Schulden halten, nur weil diese als „grün“ eingestuft sind, können – durch eine erhöhte Hebelwirkung und finanzielle Instabilität – leicht schädlich wirken, wenn die zugrunde liegenden Risiken dieser Schulden nicht angemessen verstanden und gemessen wurden.

Der Klimawandel wird sich auf die Geldpolitik auswirken, indem er das Produktivitätswachstum verlangsamt (zum Beispiel durch Schäden an Gesundheit und Infrastruktur) und die Unsicherheit und die Gefahr von Inflation erhöht.

Dies kann die Anpassung der Geldpolitik an neue Herausforderungen im Rahmen der Befugnisse von Zentralbanken rechtfertigen. Die Zentralbanken sollten die Rahmenbedingungen für ihre Refinanzierungsgeschäfte dahingehend überarbeiten, dass sie Klimarisikoanalysen einbeziehen und größere Sicherheitsabschläge für Vermögenswerte vornehmen, die materiellen Risiken oder Übergangsrisiken ausgesetzt sind.

Die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels zwingen uns, empirisch über seine wirtschaftlichen Kosten nachzudenken. Jeder zerstörerische Hurrikan und jede unnatürlich ausgedörrte Landschaft wird die globale Produktion beeinträchtigen, ebenso wie der Weg zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft die Kosten für Energiequellen in die Höhe treibt. Externe Effekte werden nicht länger ignoriert und alte Vermögenswerte wertlos gemacht.

Auf der anderen Seite werden Kohlenstoffsteuern und Energiesparmaßnahmen, die den Ausstoß von Treibhausgasen verringern, die Schaffung neuer Technologien vorantreiben. Die Finanzen müssen eine wichtige Rolle bei der Bewältigung dieses Übergangs zum Wohle künftiger Generationen spielen.

Alle drei Autoren arbeiten als Fachleute und Repräsentanten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) auf den Gebieten der Ökonomie und Finanzwirtschaft.