Welle nationalistischer Gewalt erschüttert Mazedonien

Die nationalistischen Feindschaften zwischen der slawischen Mehrheit und der albanischen Minderheit in Mazedonien sind wieder offen ausgebrochen. Gewalt bedroht die ohnehin gelähmte Politik.

Skopje (dpa). Tausende Albaner haben in den vergangenen Tagen in Mazedonien ihrem Unmut über die politische Lage mit gewaltsamen Demonstrationen Luft gemacht. In der Hauptstadt Skopje sowie in ihren Hochburgen wie Tetovo und Gostivar attackierten sie die Polizei, die mit Wasserwerfern, Tränengas und Blendgranaten antwortete.

Die neue Gewalt bedroht die Stabilität des Landes. Denn die Innenpolitik ist gelähmt, nachdem die Opposition das Parlament boykottiert hatte. Die Regierung des rechtskonservativen Nikola Gruevski habe die Parlamentswahlen im April massiv gefälscht, begründen die Sozialdemokraten ihren Boykott.

Aktueller Anlass für die neue Gewalt ist die lebenslange Haft für sechs Albaner, die vor zwei Jahren in Skopje fünf slawische Mazedonier ermordet haben sollen. Die Demonstranten sprechen von einem Schauprozess ohne Beweise und wollen so lange demonstrieren, bis sie ihre Landsleute freigepresst haben.

Schon hat das Nachbarland Albanien gegen das als unverhältnismäßig hart beschriebene Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten protestiert. Auch das benachbarte Kosovo zeigte sich besorgt. Beide Länder mahnten, nur die Umsetzung des Abkommens von Ohrid könne die nationalen Spannungen beruhigen. Nach bürgerkriegsähnlichen Unruhen 2001 waren in diesem Abkommen mehr Rechte für die albanische Minderheit festgelegt worden. Einige von ihnen sind noch immer nicht erfüllt worden.

Die staatlich gelenkten Medien versuchten am Montag teilweise, «radikale islamistische Elemente» als Drahtzieher der Demonstrationen und der Gewalt hinzustellen. Doch die Albaner, deren Zahl auf zwischen einem Viertel und einem Drittel der Gesamtbevölkerung geschätzt wird, sind frustriert über die soziale Misere und den fehlenden wirtschaftlichen Fortschritt.

Sie machen dafür auch die slawische Mehrheit verantwortlich, die sich im Streit um den Staatsnamen Mazedoniens mit dem Nachbarn Griechenland kompromisslos zeigt. Athen verlangt mit dem Hinweis auf seine gleichnamige Nordprovinz, dass die frühere jugoslawische Provinz Mazedonien ihren Namen ändert. Mit dieser Forderung blockiert Griechenland seit Jahren die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen, die eine Besserung auch der Wirtschaftslage bringen könnten.

Stattdessen haben die Gruevski-Regierung und die slawische Mehrheit Griechenland durch einen Streit um die Herkunft Alexander des Großen (356-323 vor Chr.) gegen sich aufgebracht, den beide Seiten für sich beanspruchen. Im Zentrum Skopjes ist eine Art Architektur-Disneyland entstanden mit neoklassizistischen Gebäuden, Dutzenden historischen Marmorstatuen, einem Triumphbogen und einem überdimensionierten Brunnen mit Alexander dem Großen auf der Spitze. Alles zu dem einzigen Zweck, Ansprüche auf diesen antiken Helden zu untermauern.