Wer soll die Bürgerrechte verteidigen?

Ausgabe 282

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(IPS). Weltweit stehen Menschen, die sich für Bürger- und Menschenrechte einsetzen, zunehmend unter Druck. Dieser habe, so die Quintessenz eines Treffens von mehr als 150 Aktivisten in Paris Anfang November, einen „Krisenpunkt“ erreicht.
In der französischen Hauptstadt sollten Visionen bezüglich eines beständigen Einsatzes für die Menschenrechte entwickelt werden. Zu den TeilnehmerInnen gehörte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet. Sie betonte die Schlüsselrolle, welche Bürger- und Menschenrechtler in Gesellschaften spielten. „Wenn man jemanden in Ketten sieht, jemanden, dessen Rechte verweigert werden, wendet man sich nicht ab. Man fordert Ungerechtigkeit heraus. Man steht für die Rechte anderer ein“, sagte sie vor Teilnehmenden. „Jeder bisherige Schritt in Richtung größere Gleichheit, Würde und Rechte (…) wurde dank der Mühen und des Einsatzes der Verteidiger von Menschenrechten möglich“, fügte Bachelet hinzu.
Das Treffen markierte den 20. Jahrestag der UN-Erklärung über Menschenrechtsaktivisten, die von der internationalen Gemeinschaft auf dem ersten Gipfel zum Thema angenommen wurde. Sie solle sicherstellen, dass sich alle an „Rede- und Religionsfreiheit und Freiheit von Angst und Not“ erfreuen könnten. Jedoch seien Regierungen ihrer Verpflichtung gegenüber Bürgerrechtlern nur unzureichend nachgekommen. Diese würden immer noch in aller Welt ermordet.
UN-Sonderberichterstatter Michael Forst zeigte sich jüngst alarmiert angesichts dieses Trends. „Die Erklärung war ein Meilenstein im Menschenrechtprojekt. Jedoch mache ich mir heute mehr Sorgen denn je.“ Die betroffenen Menschen stünden vor alarmierenden Aussichten. Trotz der Verpflichtungen von Staaten, ihren Schutz zu gewähren, verschlechtere sich die Lage von Menschen- und Bürgerrechtlern in aller Welt.
Kumi Naidoo, aktueller Generalsekretär von Amnesty International, stimmte dem zu. „Das globale Maß an Gefahr für Menschenrechtler hat einen Krisenpunkt erreicht. Jeden Tag werden normale Menschen bedroht, gefoltert, inhaftiert und getötet – wegen ihrer Ansichten oder einfach nur wegen dem, was sie sind. Jetzt ist die Zeit zum Handeln, um dem globalen Anstieg der Unterdrückung von Menschenrechtsaktivisten zu begegnen.“
Nach Angaben von Michael Forst seien alleine in diesem Jahr mehr als 300 Menschen- und Bürgerrechtler in 27 Ländern ermordet worden. Das stelle eine Verdopplung zu Zahlen vom Jahre 2015 dar. Beinahe 85 Prozent aller dokumentierten Fälle hätten sich in fünf lateinamerikanischen Ländern ereignet: Kolumbien, Brasilien, Guatemala, Honduras und Mexiko. Kolumbien ist wahrscheinlich der gefährlichste Ort für den betroffenen Personenkreis. Nach dem Abschluss des Friedensvertrages zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen sei die Menge der politischen Morde noch gestiegen. 2017 wurden mehr als 120 Vertreter von politischen und ökologischen Gruppen von paramilitärischen oder unbekannten bewaffneten Gruppen getötet.
In vielen Ländern, inklusive Ko­­lumbien, herrsche eine Atmosphäre von Straflosigkeit. Regierungen scheiterten daran, die Verbrechen zu untersuchen und die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen. Der internationale Straf­gerichtshof (ICC) sei aufgerufen, ein ­formelles Verfahren einzuleiten. „Die­ systematische, weitverbreitete Straflosigkeit ist ein sehr negatives Signal an die Angehörigen der Opfer und für jeden, der sich für Menschenrechte einsetzt. (…) Jenseits dieser Angriffe und Morde sind es schließlich unsere Rechte und ­Demokratie, die stark gefährdet sind“, sagte Michael Forst gegenüber der UN-Generalversammlung.
Immerhin gibt es auch Fortschritte in der Anerkennung der Bedeutung und Leistungen von Menschenrechtlern in aller Welt. Gerade wurde der Friedensnobelpreis an die Aktivisten Nadia Murray und Denis Mukwege für ihre Rolle im Kampf gegen sexuelle Gewalt als Kriegsmittel ausgezeichnet. Menschen- und Bürgerrechtler könnten nach Aussage von Bachelet, lehren, dass alle Menschen aktiv werden können. „Für unsere und die Rechte anderer, in unseren Nachbarschaften, in unseren Ländern und in aller Welt. Wir können die Welt ändern“, sagte sie.