Wichtiger als die Beziehung zum Ehemann ist die zu Allah. Von Megan Wyatt & Laila Massoudi

Ausgabe 201

(Sisters’ Magazine/IZ). Die Anspannung war aus mir gewichen. Mein Ärger ­machte Platz für einen ruhigen Blick und eine leise Stimme. Bei mir ist das ein sicheres Anzeichen, dass ich schwer verletzt bin und mich innerlich ­zurück­ziehe. Mein Mann steht vor mir und sein Blick durchbohrt mich ­beinahe. Fast könnte man die vollkommene Lähmung mit Händen greifen, die uns hindert, uns zurückzuziehen oder zu kommunizieren.
Eine Aufzeichnung des letzten Monats würde auf der Oberfläche ein erstaunliches Paar zeigen, voller Freundlichkeit, Süße und Humor. Dafür müssen wir Allah danken; dies ist die Folge von Barmherzigkeit in einer Beziehung. Trotzdem hatten wir das Gefühl, dass eine Mauer zwischen uns stünde. Aber wir konnten uns nicht sagen, was unser Problem war beziehungsweise, was „es“ ist.
Schließlich kam der Augenblick der Wahrheit. Tief in seinem Inneren ­fühlte mein Mann, dass es ihm an Bedeutung fehlte. Jahrelan­ge Erfahrung hat mich gelehrt, dass das, was ein Mann wirklich in der Ehe sucht, nichts mit einem sauberen Haushalt oder einer dauer­lä­chelnden Frau zu tun hat. Natürlich liebt er es, wenn ich all dies tue. Und er schätzt mei­ne Anstrengungen. Aber, wenn das „es“ fehlt, werden all diese Dinge zur Glasur eines Kuchens, der innen hohl ist.
Er wollte ernsthaft über seine ­Gefühle sprechen, die ­andere Aspekte seines Le­bens betreffen. Aber mein Mann ­wusste nicht wie. Was er wirklich wollte, war, dass ich ihm ­einfach zuhöre und den Raum gebe, seine Emotionen in Ordnung zu bringen. Er wuss­te, dass ich ihn liebe und mich um ihn sorge. Aber er war sich in solchen Mo­menten nicht sicher, ob ich ihn immer noch auf die Art und Weise ­respektierte, die er sich vorstellte. Ich für meinen Teil hatte ­spiegelbildliche Probleme: Ich hatte gleichfalls das Ge­fühl, dass mein Mann sich vor mir verschloss und im Innersten nicht gewillt war, mein emotionales Bedürfnis von ihm geliebt zu werden, zu erfüllen. Ich begann in diesem Augenblick mit einem schrittweisen Rückzug. So entstand langsam ein Kreislauf, der an einer Beziehung nagt.
Genau an diesem Punkt driften viele Ehen auseinander. Die Frau hat den ­Eindruck, nicht bis in ihren Kern ­hinein ge­liebt zu werden. Der Mann seinerseits meint, dass sie ihn nicht aufrichtig ­respektieren würde. Das aufzulösen ist schwierig, denn die Beteiligten können nur selten ihre ei­genen Gefühle erkennen; von den inners­ten Bedürfnissen ihres Ehepartners ganz zu schweigen.
Unser Streit war eine verborgene Segnung. Er war notwendig, um all dies ans Licht zu bringen. Das klärende Ge­spräch danach war voller Barmherzigkeit. Ich bin dankbar dafür und noch mehr für die Stunden, die wir danach mit ­unserem offen gelegten Innersten verbrachten. Wir streckten die Hand nach dem anderen aus und überwanden unsere Verletzungen und Enttäuschungen.
Ich kann glücklich berichten, dass wir uns wieder über das ganze Gesicht an­lächeln und wie ein frisch verliebtes Paar aussehen. Und ­unsere Kinder? Die treiben wir mir ­dieser neuen Dosis Zuneigung in den Wahnsinn. Nach Ansicht von lebensklugen ­Menschen ist dies ein normaler Prozess in im Leben einer beschäftigten Frau und Mutter, die innerlich ausbrennt. Wenn man zu Hause arbeitet, fügt dies eine weitere Stress-Ebene hinzu. Was in solchen Situationen fehlt, ist nicht die Sorge um den Ehemann, sondern die Sorge um sich selbst. Nur wenn die Frau gut auf sich acht gibt, kann sie sich überhaupt um Ehemann und – noch wichtiger – die Kinder kümmern. Fühlt sich eine Frau schön, stark und faszinierend, ist sie wieder in der Lage, Momente der Freude mit ihrem Ehemann zu empfinden und sich um ihn zu sorgen.
Die allem zugrunde liegende Frage ist: „Was ist der Zweck meiner Exis­tenz?“ Oft sind Frauen schockiert, wenn man mit ihnen diesen mentalen Prozess durchläuft und am Ende feststellt, dass eine Schwäche oder eine Stagnation des Imans die Wurzel des Problems ist. Intellektuell kennen wir unseren Lebenszweck, aber verlieren alle von Zeit zu Zeit unser emotionales und spirituelles Ziel aus den Augen. Wenn wir das Problem an ­seinen Ausgangspunkt zurückführen, drängt sich oft die folgen­de ­Einschätzung auf: „Ich verliere den Kontakt zum eigentlichen Kern meines Lebens. Als Folge habe ich damit an­gefangen, mein Leben auf Autopilot umzuschalten.“
Es lohnt sich, folgende Dinge zu tun:
1. Was fehlt in meiner Beziehung zu Allah? Welche Bereiche werden durch das wundervolle, geschäftige Leben, mit dem wir gesegnet wurden, ­vernachlässigt?
2. Formulieren sie, was ihnen dazu einfällt und teilen sie es mit ihrem Ehemann. Es braucht wiederkehrende Momente, in denen sich die Herzen begegnen und der jeweils andere weiß, was wirklich geschieht. Suchen sie Hilfe und Rat ihres Gatten. Teil dessen, was man als Frau wirklich will, ist die Stärke eines ­Mannes, der ihr hilft, auf sich selbst acht zu geben. Aber solange der Ehemann nicht weiß, was vor sich geht, bleibt er im Dunk­len und kann seiner Frau auch nicht ­helfen.
3. Nehmen sie sich eine täglich Auszeit, in der sie mit Allah und sich selbst alleine sein können. Jeder Mensch braucht jeden Tag Momente des Innehaltens und der spirituellen Erfüllung.
Wer diese Ratschläge beherzigt, kann erleben, dass die selbstbewusste Energie zurückkehrt und, ehe man sich versieht, auch die Verspieltheit und Romantik.
Megan Wyatt wuchs im US-amerikanischen Ohio auf und nahm als Studentin der Ohio State University im Alter von 19 Jahren den Islam an. Sie ist Ehefrau und Mutter zweier Kinder. Wyatt ist Beraterin, Geschäftsfrau und Gemeinschaftsaktivistin. In den letzten drei Jahren machte sie eine Ausbildung zur Paarberaterin.