Widerspruch vom Juristen

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Frankfurt (KNA). In der Debatte um einen Anti-Islam-Kurs der AfD weist der frühere Verfassungsrichter Dieter Grimm darauf hin, dass Religionen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sein müssen. Diese Frage sei müßig, schreibt er in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). Mehrere AfD-Politiker hatten in den vergangenen Tagen betont, bestimmte muslimische beziehungsweise islamistische Positionen seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Dies verlange das Grundgesetz gar nicht, betont Grimm. Die Religionsfreiheit gewährleiste vielmehr, „dass die Glaubensgemeinschaft den Inhalt ihres Bekenntnisses und die daraus folgenden Verhaltensanforderungen an die Gläubigen selbst bestimmt.“ Keine der Weltreligionen könnte existieren, wenn sie ihre Inhalte an den jeweiligen Staatsverfassungen ausrichten müsste: So wäre auch der Katholizismus nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, etwa durch das Heiratsverbot für Priester.
Davon zu unterscheiden sei die Frage, welche „Verhaltensanforderungen an die Gläubigen der freiheitliche demokratische Staat hinzunehmen hat und welche er verbieten kann“, führt der Rechtswissenschaftler aus. Glaubensgemeinschaften könnten ihre Inhalte zwar frei bestimmen, aber nicht ungehindert verwirklichen. „Freiheit der Religion gibt es in multireligiösen Gesellschaften nur, wenn es keiner Religion gestattet ist, ihre Wahrheit allgemeinverbindlich zu machen.“
Auch die freiwillige Unterwerfung unter religiöse Vorschriften werde durch grundgesetzliche Prinzipien begrenzt, so Grimm, etwa durch die Menschenwürde. „Kein Glaube muss mit dem Grundgesetz vereinbar sein, aber nicht alles, was ein Glaube fordert, darf unter dem Grundgesetz verwirklicht werden.“