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Wie die Modeindustrie Musliminnen mit „Empowerment“ lockt

Ausgabe 268

Screenshot: Video „Somewhere in America“

(iz). In den vergangenen Wochen und Monaten wurde nun auch dem desinteressiertesten Modeverweigerer bewusst, dass sich auf den Bildschirmen und Laufstegen der Welt etwas verändert. Immer häufiger finden sich in Magazinen, Sendungen und Werbekampagnen Models, die nicht in das bisher gängige Bild der großen, hellhäutigen, blonden Grazie passen. Man achtet bewusst darauf, auch übergewichtige, außergewöhnlich pigmentierte, körperlich beeinträchtigte, schwarze, naturgelockte und hijabtragende Models zur Vermarktung von Fashion- und Beautyprodukten einzusetzen.
So weit, so gut. Sinn dieses Artikels ist nicht, zu bestreiten, dass es schön ist, verschiedene Gesichter, Formen und Farben in den Medien sehen zu können. Schließlich ist es ein Abbild der Gesellschaften, in denen wir heute leben. Ein Blick auf die Großstädte der Welt reicht, um das Offensichtliche festzustellen: Es gibt weder eine monokulturelle Welt, noch gibt es eine Standard-Form von Schönheit.
Man könnte also meinen, dass hinter diesen Entwicklungen in den Schönheitsindustrien philanthropische, friedensstiftende Absichten lägen. Und so finden sich immer mehr Stimmen, die hier von „Empowerment“ der Minderheiten, der bisher Benachteiligten sprechen. Es ist von Teilhabe die Rede und von einem Gefühl, endlich repräsentiert zu werden.
Repräsentiert von wem? Müssen etwa Musliminnen, die einen Hijab tragen, sich von Chanel und H&M vertreten lassen? Ist es die Pflicht von Großkonzernen, für die Rechte der muslimischen, der schwarzen, der asiatischen Frau einzustehen? Durch klug angelegte Werbekampagnen erhalten wir diesen Eindruck. Die Models selbst sind davon überzeugt. Sie sprechen sich für Pluralität aus und sind der Auffassung, einen Beitrag dazu zu leisten, die Augen der Menschen an die Buntheit ihrer eigenen Umgebung anzupassen.
In einem Interview sagte ein afro-amerikanisches Model kürzlich, dass in einer kapitalistischen Gesellschaft Ängste – wie etwa Schönheitswahn – herbeigeführt würden, um bestimmte Produkte an bestimmte Leute verkaufen zu können. Sie kritisiert diese Lage und die damit einhergehende „Unterdrückung“ von Andersartigen. Sie ist sich der Mechanismen bewusst. Im nächsten Satz fällt es ihr aber überhaupt nicht schwer, schlicht festzustellen: „Ich bin ein Model. Mein Job ist es, Produkte zu verkaufen.“ Geht es hier also immer noch um Empowerment oder doch um den guten alten Kontostand? Fakt ist, dass die Models, die bei großen Namen nun endlich „mitmischen“ dürfen, sehr viel Geld verdienen und die sie anwerbenden Konzerne Unmengen an neuen Kunden gewinnen und Profit schlagen. Es ist ein lukratives Geschäft für beide Seiten.
Diejenigen, die dies nicht verstanden haben, sprechen weiterhin von einem kulturellen Fortschritt und Akzeptanz für den Anderen. Ob sich die Arbeiterinnen, die in sklaven-ähnlichen Beschäftigungsverhältnissen eben diese Produkte unserer „Befreiung“ herstellen, dieser Bestärkung ihrer Rechte bewusst sind? Ob sich wohl die stolzen Models darüber im Klaren sind, dass es äußerst fragwürdig ist, nun endlich zu einer Industrie dazugehören zu können, die dafür verantwortlich ist, Essstörungen in ganzen Generationen von Frauen geschaffen zu haben und lächerliche Modestandards gesetzt zu haben, die mitunter gesundheitsschädlich sind? Ob die Befürworterinnen es wohl problemlos hinnehmen können, dass diese Industrie gezielt alles, was als Makel gilt, schonungslos weg retouschiert und durch gezielte Posen den Eindruck vermittelt, als müssten Frauen zu jeder Zeit „heiß“ aussehen? Sobald wir bei den Großen endlich mitmachen dürfen, scheint jede berechtigte Kritik wie verschwunden und alle sind froh, endlich wahrgenommen und bestärkt zu werden.
Das Geschäft mit der Schönheit ist nichts anderes als eine Goldgrube und da wäre es in einer globalisierten kapitalistischen Welt unsinnig, sich der breiten Masse and Konsumenten zu verweigern und sie nicht durch eine scheinbare Repräsentation zum Kauf zu bewegen. Das ist der ganze Zauber der Geschichte. Es geht nicht um Befreiung, Rechte oder Teilhabe. Eine Marktlücke wurde erfolgreich er­schlossen und es hat wunderbar funktioniert. Alle sind begeistert und shoppen nun Rihannas Make-Up, weil sich nun auch eine „Hijabi“ davon zukleistern ließ.
Es ist nicht bestreitbar, dass ein enges und eurozentrisches Schönheitsideal nicht gutzuheißen ist und jedem Mädchen in die Wiege gelegt werden müsste, ihre natürliche Schönheit wertzuschätzen und später ihre Entscheidung, sich anzuziehen wie es ihr gefällt, zu respektieren. Diese Dinge geschehen aber in Elternhäusern, in Familien, in Ge­mei­nschaften. Wenn es Kampagnen sind, die uns dieses Gefühl vermitteln, dann läuft etwas schief. Und eine Auseinandersetzung mit diesem Thema auf dem Spielfeld der Fashionindustrie wird nur den Geldbeutel leeren, statt tatsächliches Selbstbewusstsein zu schaffen.
Es gibt bereits Stimmen, die beklagen, dass all die Hijabi-Bloggerinnen schon so weit von einer bescheidenen, natürlichen Schönheit und Bekleidung entfernt sind, dass man sich die Frage stellen müsse, was dies noch mit dem Hijab, wie er im Qur’an beschrieben wird, zu tun habe. Und wie macht man eigentlich Wudu’, wenn das überproportionale Make-Up und die falschen Wimpern im Weg stehen?