Wie die Parteien zum Islam stehen

Ausgabe 250

Foto: Hendrik Rauch | SPD

(iz). Auf der Webseite der Deutschen Islamkonferenz (DIK) schreibt die 62-jährige Politologin Jytte Klausen, dass Muslime im Durchschnitt stärker zu konservativen Haltungen als die Mehrheitsbevölkerung neigten. Zum Teil fänden muslimische Verbände bei Themen wie Abtreibung, den Rechten von Homosexuellen oder der Bioethik Gemeinsamkeiten mit anderen religiösen Vereinigungen und Lobbygruppen.
Derzeit stünden jedoch, sagt die dänische Professorin, sozio-ökonomische Themen im Vordergrund, sodass die Mehrheit der Muslime im Allgemeinen für Mitte-Links-Parteien stimmte.
Etwa 4 Millionen Muslime in Deutschland
Da die deutschen Meldeämter und Statistiken Muslime nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit, sondern unter der Rubrik „Verschiedene“ aufnehmen, beruhen Zahlenangaben über die Zahl ihrer Angehörigen nur auf Schätzungen. Aktuellere Prognosen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und des Zentralinstituts Islam-Archiv in Deutschland aus dem Jahr 2009 gehen von 4,25 Millionen Muslimen in der Bundesrepublik aus. Die Deutsche Islamkonferenz dagegen beziffert die Zahl der Muslime in Deutschland auf 3,8 bis 4,3 Millionen.
Die Berliner Soziologin Prof. Dr. Naika Foroutan ging im Januar 2016 auf einer Tagung in Osnabrück davon aus, dass sich diese Menge dank der Flüchtlingszahlen zumindest zeitweise um bis zu einer Million Menschen erhöhen könnte.
Nur Schätzungen bei der Zahl von wahlberechtigten Muslimen
Wie viele von den geschätzten etwa zwei Millionen eingebürgerten Muslimen das Wahlalter erreicht haben und wie viele von ihnen tatsächlich zur Wahlurne gehen, darüber gibt es keine gesicherten Daten. Jytte Klausen vermutet, dass es mehr als eine halbe Million muslimische Wähler in Deutschland gibt. Das Statistische Bundesamt schätzte die Wahlberechtigten unter den deutschen Muslimen im Jahr 2009 vorsichtig auf 750.000. Demgegenüber ging das Soester Zentralinstitut Islam-Archiv noch im selben Jahr von etwa 1,1 Millionen muslimischen Wählerinnen und Wählern aus.
Nimmt man diese Zahl als Basiswert, dann machen deutsche Muslime bei einer Gesamtmenge von 61,8 Millionen Wahlberechtigten (2013) in Deutschland bescheidene 1,78 Prozent aus. Nicht so großzügige Berechnungen kalkulieren ihren Anteil bei 0,7 bis 1,1 Prozent.
Zünglein an der Waage
Dennoch umwerben deutsche Parteien muslimische Bevölkerungsanteile und erkennen sie als nicht zu unterschätzende potentielle Wähler an. Besonders dann, wenn, wie bei vielen Wahlen der jüngeren Vergangenheit, nur wenige Stimmen die Entscheidung über Erfolg, Koalitionen, Regierungsbildungen oder den Einzug in ein Parlament ausmachen können.
CDU
Die CDU Bundeszentrale richtete im Jahr 2010 ein „Netzwerk Integration“ ein, das derzeit von der türkischstämmigen, muslimischen Bundestagsabgeordneten Cemile Giousouf geleitet wird. Neben Fragen der Migrations- und Integrationspolitik setzt es auch einen Schwerpunkt auf das Thema „Islam in Deutschland“. Das Büro der Bundestagsabgeordneten Giousouf teilt in einer Stellungnahme für die Islamische Zeitung (IZ) mit: „Auf der Grundlage der Ergebnisse der Islamkonferenz haben wir uns in den vergangenen Jahren intensiv für die Einführung islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache und von in Deutschland ausgebildeten Lehrern an öffentlichen Schulen und die Etablierung von Lehrangeboten in islamischer Theologie an deutschen Hochschulen eingesetzt.“ Außerdem weist Giousouf darauf hin, dass die Gruppe CDU2017, in der sich jüngere Unionspolitiker versammelt haben, sich für Reformen in der Partei einsetze. Diese habe sich im letzten Jahr mit einem Thesenpapier für ein besseres Islam-Verständnis in Deutschland stark gemacht. Dieses Papier aber vertrete nicht die Bundestagsfraktion, sondern nur die CDU2017-Mitglieder.
Der offizielle Ansprechpartner für Kirchen und Religionsgemeinschaften in der CDU/CSU ist jedoch Franz Josef Jung, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion. In dem im Dezember 2015 veröffentlichten Parteitagsbeschluss „Zusammenhalt stärken – Zukunft der Bürgergesellschaft gestalten“ positioniert sich die CDU-Zentrale gegenüber Muslimen wie folgt:
Muslime sind Teil Deutschlands – „Die bei uns lebenden Muslime sind heute ein Teil Deutschlands. Dazu gehört inzwischen auch ein Islam, der auf der Basis unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung gelebt wird.“ Die CDU ist ferner für die Fortsetzung der Deutschen Islam Konferenz, „um das Verhältnis von Staat und Religion für den Islam zu gestalten“. In dem Positionspapier spricht sich die Partei zudem für die Religionsfreiheit aus und wendet sich gegen die in letzter Zeit stark ansteigende Islamfeindlichkeit: „Die Freiheit der Religionsausübung der Muslime in unserem Land muss gegen antimuslimische Tendenzen auch in Zukunft nachdrücklich verteidigt werden.“
Punktuelle Zusammenarbeit – In der Frage einer Kooperation mit Muslimen heißt es aus der CDU-Zentrale, dass es eine punktuelle Zusammenarbeit mit muslimischen Organisationen, beispielsweise zur Durchführung einer Veranstaltung nach den Anschlägen gegen das französische Satiremagazin Charlie Hebdo, gegeben habe. Des Weiteren wird erklärt: „Vertreter muslimischer Organisationen nehmen als Gäste an unseren Bundesparteitagen teil. Und unser Generalsekretär Dr. Peter Tauber ist, wie auch viele unserer Abgeordneten in ihren Wahlkreisen, regelmäßig während des Ramadans bei Fastenbrechen-Veranstaltungen zu Gast.“
Cemile Giousouf sagt einschränkend, dass es keine eigenständigen Projekte zwischen der Fraktion und muslimischen Organisationen gebe. „Aber wir sind immer bemüht muslimische Organisationen in relevanten Veranstaltungen zu berücksichtigen. Auch in den parteinahen Stiftungen, die Konrad Adenauer Stiftung in diesem Fall, werden diese möglichst weitgängig eingebunden.“
SPD
Anja Strieder, Sprecherin des SPD-Parteivorstands, erklärt auf Anfrage, dass auch Muslime, die sich als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verstünden, natürlich und selbstverständlich zur SPD gehörten. Im Februar 2014 hätten sich daher muslimische SPD-Mitglieder mit Unterstützung des Parteivorstands zu einem Arbeitskreis Muslime in der SPD zusammengeschlossen.
Der Arbeitskreis wird von Lydia Nofal, Tuba Işık, Selma Yıldız-İlkhan, Atila Ülger und Mohamed Ibrahim geleitet. Er setzt sich unter anderem zum Ziel, sich „für die Belange der Musliminnen und Muslime in Deutschland einzusetzen“, ihnen eine Stimme zu geben, der „‘Muslimisierung’ allgemeiner gesellschaftlicher und sozialpolitischer Probleme“ entgegenzutreten und der Islamfeindlichkeit sowie antimuslimischem Rassismus entgegenzuwirken.
Muslime orientieren sich an Demokratie und Pluralität – Wie die Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Kerstin Griese, unserer Zeitung mitteilt, habe die Partei im Januar 2016 folgenden Beschluss gefasst: „Wir sehen den Islam als friedliche Religion, die Teil unseres Landes und unserer Gesellschaft ist.“ Ferner weist Griese auf folgende Position der Fraktion hin, die unter dem Eindruck der Vorfälle in Paris im November 2015 beschlossen wurde: „Insbesondere nach den brutalen Anschlägen in Paris (…) gibt es in der Bevölkerung große Sorgen und Verunsicherungen. Nun gilt es umso mehr, zusammenzustehen und sich von diesen menschenverachtenden Verbrechen nicht einschüchtern zu lassen. Dazu gehört auch, Islamfeindlichkeit in unserer Gesellschaft nicht zuzulassen.“
Die religionspolitische Sprecherin betont außerdem, „dass wir uns nicht in einem Kampf zwischen Religionen und säkularer Gesellschaft und schon gar nicht in einer Auseinandersetzung zwischen dem Islam und dem Christentum befinden.“ Die allermeisten der vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime, so Griese, fühlten sich als Teil Deutschlands und orientierten sich an den Grundwerten der Bundesrepublik, wie etwa Demokratie und Pluralität.
Gleichberechtigung für Religionsgemeinschaften – Griese, die in ihrer Funktion als Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften auch Ansprechpartnerin für Muslime ist, erklärt, dass sie in ihrer Position in regelmäßigem Austausch mit muslimischen Verbänden stehe. Sie setzt sich dafür ein, dass das Staatskirchenrecht im Sinne eines Religionsverfassungsrechts weiterentwickelt wird. Dabei betont sie eine „grundgesetzliche Offenheit für alle Religionsgemeinschaften“ sowie deren gesellschaftliche Gleichbehandlung. Außerdem erwähnt sie, dass die SPD mit Aydan Özoğuz die erste muslimische Staatsministerin in der Bundesregierung stelle. Özoğuz sei ebenfalls eine „wichtige Ansprechpartnerin für die Muslime in Deutschland“.
DIE LINKE
Christine Buchholz ist seit 2013 religionspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Ansprechpartnerin für muslimische Gemeinden und Verbände. Buchholz sagt, dass sie mit Sorge einen wachsenden antimuslimischen Rassismus in Deutschland und in Europa beobachte. „Seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 und dem sogenannten ‘Krieg gegen den Terror’ in Afghanistan, Irak und jetzt in Syrien werden von Politikern und Medien Vorurteile gegen Muslime geschürt und sie generell der Terrorunterstützung verdächtigt – auch um die Kriege zu rechtfertigen“, so die Politikerin.
Thilo Sarrazins Buch sei ein „Dammbruch für antimuslimischen Rassismus“ gewesen. Sarrazin habe Muslime zu Sündenböcken abgestempelt. Er unterstelle ihnen wahlweise Gewalttätigkeit, Rückständigkeit, Frauenfeindlichkeit und die Bildung von Parallelgesellschaften. DIE LINKE habe „diese rassistischen Behauptungen“ in der viel beachteten Broschüre „Thilo Sarrazins Rassismus und die Krise. Linke Argumente gegen rechte Hetze“ widerlegt.
Gemeinsam der rechten Hetze entgegentreten – Buchholz erklärt, dass rechte Bewegungen und Parteien wie Pegida, AfD, NPD und andere den Rassismus gegen Muslime verwenden, um ihre Organisationen aufzubauen. Der antimuslimische Rassismus diene dabei als „Brücke“ in die Mitte der Gesellschaft. „Muslimische Menschen, Migranten, Flüchtlingsheime und Moscheen werden immer häufiger Angriffsziele von rassistischer Gewalt.“ Laut Christine Buchholz müsse sich die Gesellschaft der rechten Hetze mit aller Kraft entgegenstellen.
Positionen der LINKEN zum Islam – Auf ihrem Parteitag im Jahr 2010 veröffentlichte DIE LINKE unter dem Titel „Für Solidarität und gegen antimuslimischen Rassismus“ einen Beschluss, in dem es heißt: „DIE LINKE kämpft gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Sündenbockpolitik. (…) DIE LINKE tritt für Religionsfreiheit und gleiche Rechte für alle Religionen ein. (…) DIE LINKE tritt gegen die Stilisierung des Feindbildes ‚Islam‘ ein und verteidigt das Recht auf freie Religionsausübung von Muslimen. Wir verteidigen das Recht aller Religionsgemeinschaften auf eigene Gebetshäuser, ob Synagogen, Moscheen oder Kirchen. Wir stellen Muslime und ihre Gemeinden nicht unter Generalverdacht. Wir arbeiten mit ihnen wie mit allen Bündnispartnern bei politischen Kampagnen zusammen, bei denen wir übereinstimmen. In Bündnissen geben wir die Eigenständigkeit als Partei DIE LINKE nicht auf. Die Partei DIE LINKE ist eine Partei, in der alle Menschen Platz haben, die die Programmatik teilen – unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion. In der LINKEN organisieren sich Atheistinnen und Atheisten und Anhängerinnen und Anhänger unterschiedlicher Religionen gemeinsam. (…)“
Für das Selbstbestimmungsrecht muslimischer Frauen – Das sei die Grundlage, auf der DIE LINKE arbeite. Diskussionen und unterschiedliche Ansichten gebe es in der LINKEN in der Frage, wie staatliche Neutralität gegenüber Religionsgemeinschaften ausgestaltet sein soll. Buchholz stellt dazu fest: „Ich spreche mich gegen ein Kopftuchverbot aus, weil es in die Religionsfreiheit eingreift. Im öffentlichen Dienst wird durch das Kopftuchverbot die Berufswahl von muslimischen Frauen eingeschränkt. Das ist Diskriminierung.“ Auch das Bundesverfassungsgericht sehe mittlerweile ein pauschales Kopftuchverbot nicht mit der Religionsfreiheit vereinbar. Das sieht die Politikerin genauso, „denn das Kopftuch ist ein Ausdruck der persönlichen Religionsfreiheit“. Die Kopfbedeckung sei nicht mit einem Kruzifix im Klassenzimmer vergleichbar. Buchholz bekräftigt demonstrativ: „Ich stehe ein für das Recht, Kopftuch zu tragen, überall.“
Kontakte mit muslimischen Religionsgemeinschaften – Als religionspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion steht Christine Buchholz in regelmäßigem Austausch mit den muslimischen Gemeinden und Organisationen zu Fragen wie Krieg und Frieden, Flucht, soziale Gerechtigkeit und Anstrengungen gegen Rassismus und gegen rechte Gewalt sowie Rechtspopulisten und Neonazis. Überdies haben Vertreterinnen und Vertreter der LINKEN sich an den bundesweiten Protesten gegen die Moscheeangriffe im September 2014 beteiligt und Diskussionen zum „Feindbild Islam“ veranstaltet. Die junge Abgeordnete aus Hamburg verweist zudem auf eine Broschüre der LINKEN zum Thema „Feindbild Islam“, die anlässlich einer Podiumsdiskussion beim Kirchentag 2010 erschienen ist. Die Publikation dokumentiere unter anderem die Positionen von Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, und Stephan Kramer, dem ehemaligen Generalsekretär des Zentralrats der Juden, zum „Feindbild Islam“.
Buchholz räumt jedoch ein, dass auch viele Linke nicht frei von Vorurteilen gegenüber Muslimen seien. „Deshalb ist es wichtig, vor Ort aktiv Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte zu suchen und aufeinander zuzugehen.“ Besonders wichtig sei ihr heute, dass „wir gemeinsame breite Bündnisse aufbauen gegen rechte Parteien, die Flüchtlinge und Muslime stigmatisieren und das demokratische Zusammenleben bedrohen“. Die NPD und auch die AfD wollten unter dem Deckmantel des Nationalkonservatismus zu einer neuen Sammelbewegung für Neonazis werden. „Das müssen wir gemeinsam verhindern“, verlangt die 44-jährige Bundestagsabgeordnete.
Bündnis 90/Die Grünen
Als religionspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen war Volker Beck bis Anfang März, bevor er seine Ämter abgab, Ansprechpartner seiner Partei für alle Religionsgemeinschaften in Deutschland. Beck erklärte unserer Zeitung vorher, dass die Grünen in einem engen Austausch mit den muslimischen Verbänden und Organisationen in Deutschland stünden.
Kontroverses Positionspapier „Islam einbürgern“ – In Bezug auf die Positionen seiner Partei zum Islam und den Muslimen in Deutschland verweist der Kölner Politiker auf den Fraktionsbeschluss zur Integration des Islam in Deutschland sowie auf das mit seinem Parteikollegen Cem Özdemir ausgearbeitete Diskussionspapier vom November 2015: „Islam einbürgern“. Dort bekräftigen Özdemir und Beck, dass „selbstverständlich auch Muslime und Aleviten in Deutschland Religionsfreiheit“ genossen. Sie hätten das Recht, ihr Leben nach ihren religiösen Vorstellungen auszurichten, solange dies nicht im Konflikt zu den Grundrechten Dritter stehe.
Die vier großen muslimischen Organisationen (DITIB, Islamrat, Zentralrat der Muslime und VIKZ), die etwa 1800 der 2400 Moscheegemeinden in Deutschland vertreten, werden in dem Positionspapier als „religiöse Vereine und nicht als Religionsgemeinschaften“ betrachtet. (Siehe dazu den Beitrag: Hintergründe zum politischen Islam: Yasin Baş zu den pauschalen Bewertungen von Cem Özdemir und Volker Beck. Wieso sich die Grünen mit ihrem Islam-Papier vergaloppieren).
Roadmap zur Gleichstellung und Integration des Islam – In dem im Juli 2012 unter dem Titel „Roadmap zur Gleichstellung und rechtlichen Integration des Islam“ veröffentlichten und nach wie vor aktuellen Beschluss der Fraktion wird folgendes festgehalten: „Die vier Millionen in Deutschland lebenden Menschen muslimischer Herkunft stellen fünf Prozent der Bevölkerung dar. Sie sind selbstverständlich Teil dieses Landes, seiner Kultur und Gesellschaft. Muslimas und Muslime möchten gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teilhaben und sich aktiv einbringen: im karitativen und seelsorgerischen Bereich, in den Medien und in den Schulen. Daher unterstützen wir das Anliegen der Muslimas und Muslime, Religionsgemeinschaft(en) im Sinne und nach den Regeln des Grundgesetzes zu bilden.“
Glaubensgemeinschaften, die eine Anerkennung im Rahmen der vom Religionsverfassungsrecht bereitgestellten Kooperationsformen mit dem Staat anstreben, müssten eine klare Position zur Achtung der Grundrechte, zu Fragen wie dem Austritt aus der Religionsgemeinschaft, zur Selbstbestimmung der Frau oder zur Nichtdiskriminierung von Homosexuellen aufweisen.
Arbeitskreis grüne MuslimInnen – 2006 gründeten Mitglieder mit muslimischen Wurzeln in der Partei einen „Arbeitskreis grüne MuslimInnen“. Die Organisation ist schwerpunktmäßig in Nordrhein-Westfalen tätig. Ihre Sprecherinnen und Sprecher sind Hasret Karaçuban und Ali Baş. Der Arbeitskreis befasst sich mit allen Fragen rund um das Thema Muslime. Er erhebt den Anspruch, der Politik Lösungsmöglichkeiten für bestehende Probleme anzubieten.
FDP
Die FDP betont, dass das Grundgesetz und der demokratische Rechtsstaat die Gewissens- und Glaubensfreiheit sowie die Gleichbehandlung der unterschiedlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften garantieren. Die Liberalen bekräftigen: „Dabei sind wir uns der Bedeutung der Religionsgemeinschaften für den Zusammenhalt der Gesellschaft wohl bewusst. Diese beschränkt sich nicht auf die christlichen Kirchen. Religionen wie der Islam spielen heute in erheblichen Teilen der Bevölkerung eine vergleichbare Rolle.“
Kopftuchverbot im öffentlichen Staatsdienst – Im Gespräch mit unserer Zeitung unterstreicht FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer: „Die FDP setzt sich auch dafür ein, dass der Islam ein Teil Deutschlands ist, genauso wie das Christentum, Judentum und andere Religionen, die in unserem Land gelebt werden.“ Die FDP erkenne an, dass es „nicht nur einen Islam gibt, sondern viele Auslegungen der Religion – ebenso, wie es auch nicht nur eine christliche Kirche gibt.“
Theurer spricht sich dafür aus, dass es Muslimen ermöglicht werden solle, ihre Religion möglichst frei und ungezwungen zu leben. Dazu gehöre auch der Bau von Moscheen, die Einrichtung von muslimischen Organisationen und anderen Versammlungsorten, das Recht auf Beschneidung der Jungen und auf das Schächten von Nutztieren zum Verzehr. „Frauen und Mädchen sollte es möglich sein, ein Kopftuch zu tragen und auch mit einem Kopftuch allen Berufen nachzugehen“, so Michael Theurer.
Eine Ausnahme für das Tragen religiöser Symbole bilde der Staatsdienst. „Wenn jemand im Auftrag eines weltanschaulich neutralen Staates auftritt, so ist auch er zur Neutralität verpflichtet – egal, welcher Religion er angehört. So wie sich die FDP gegen das Aufhängen von Kruzifixen in Klassenräumen ausgesprochen hat, ist sie auch gegen das Tragen von Kopftüchern durch Lehrkräfte“, bekräftigt das Präsidiumsmitglied der FDP und fügt an, dass es an hohen islamischen Feiertagen für Beamte und Angestellte kein Problem sein dürfe, vom Arbeitgeber beurlaubt zu werden. Im Gegenzug könnten die muslimischen Beamten und Angestellten beispielsweise an christlichen Feiertagen zum Einsatz kommen.
Forderungen der FDP an die Muslime in Deutschland – Auf der anderen Seite fordert die FDP von „unseren muslimischen Mitbürgern eine tolerante Haltung gegenüber den anderen existierenden Religionen in Deutschland und gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften“. Von der Pressestelle der liberalen Partei wird verlautbart, dass in Deutschland „kein Widerspruch zwischen islamischem Recht (zum Beispiel in den Hadithen) und deutschem Recht geduldet“ werde.
Der 49-jährige Theurer lässt darüber hinaus durch den FDP-Pressesprecher mitteilen, dass „keine Versionen des Islam geduldet werden (wie beispielsweise der Wahhabismus oder Salafismus), die unseren Grundwerten widersprechen“. In diesen Fällen müsse der deutsche Rechtsstaat dagegen vorgehen und im Extremfall auch Menschen ausweisen. „Auch die Übertragung mancher Fernsehkanäle via Satellit, wie beispielsweise Al-Manar, sehen wir kritisch, da dort regelmäßig zum religiösen Hass und Unfrieden aufgerufen wird“, stellt Theurer klar.
Aus früheren Versäumnissen lernen – Der baden-württembergische Politiker, der die FDP auch im Europaparlament vertritt, weist auf frühere Versäumnisse hin und fordert daher in Zukunft mehr Engagement in Bezug auf den Islam: „Institutionen zur Ausbildung von Imamen und islamischen Religionslehrern bereichern dabei nicht nur unsere Hochschullandschaft, sie sichern auch eine dauerhaft hohe Qualität des an staatlichen Schulen abzuhaltenden islamischen Religionsunterrichts und der ebenfalls zu stärkenden islamischen Anstaltsseelsorge.“
Die Öffnung der Anstaltsseelsorge und des Religionsunterrichts für den Islam sei zum einen verfassungsrechtlich geboten und zum anderen diene sie durch ihre integrative Kraft dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das Präsidiumsmitglied der Liberalen spricht sich zudem für eine Mitwirkung islamischer Gemeinschaften an der nicht unwichtigen Erarbeitung von Lehrplänen für den islamischen Religionsunterricht aus.
Anerkennung einzelner Verbände, aber kein Alleinvertretungsanspruch – Die Verleihung des Status einer Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz für islamische Organisationen möchte Theurer nicht als rein symbolische Anerkennung gedeutet wissen. Hilfreicher sei es, so der Politiker, den Islam tatsächlich in das Bildungs- und Sozialwesen einzubinden. „So lange eine klare Struktur fehlt, ist es der richtige Weg, einzelne Gemeinschaften anzuerkennen und einzubinden. In Achtung vor dem Individuum darf einem Allvertretungsanspruch einzelner Organisationen, die tatsächlich nur einen Teil der Moslems vertreten, nicht nachgegeben werden.“
Radikalisierung verhindern, liberale Muslime stärken – Zuletzt betont die FDP, dass, wenn das Zusammenleben zwischen Muslimen und anderen Religionen sowie nicht-gläubigen Menschen in Deutschland gut funktionieren solle, unbedingt die „Radikalisierung von Teilen der muslimischen Bevölkerung in Deutschland“ mit allen Mitteln verhindert werden müsse. Zugleich bedeute das „eine Unterstützung der liberalen Kräfte innerhalb des Islam“.
CSU
Im Sommer letzten Jahres wurde der Arbeitskreis Migration und Integration gegründet, der eine aktive Gesellschaftspolitik betreiben, Vorurteile abbauen und mehr Menschen mit Migrationsgeschichte an das politische Leben in Bayern heranführen will. Der neugegründete Arbeitskreis ist aktuell dabei, sich sowohl strukturell als auch inhaltlich aufzustellen und hat mit der Erarbeitung entsprechender Positionspapiere, darunter auch zum Thema „Islam“, bereits begonnen. Sie erreichen den Arbeitskreis unter mig@csu-bayern.de. Der Landesvorsitzende ist Ozan Iyibas, der selbst alevitische Wurzeln hat.
Forderungen der CSU an Muslime in Deutschland – Als CSU erwarten wir von Menschen, die zu uns kommen, dass Sie sich integrieren und unser Grundgesetz und unsere Regeln des Zusammenlebens akzeptieren und wertschätzen. Diese Grundregeln des gelingenden Miteinanders in der offenen Gesellschaft richten sich an uns alle, sollen ein Zusammenleben gewährleisten und das ist unsere bürgerliche Leitkultur. Unter Leitkultur ist zu verstehen:
· Deutsch ist die Sprache des öffentlichen Lebens und das Tor zur Integration
· Das christlich-jüdische Wertefundament ist für unser Zusammenleben bindend
· Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos
· Kulturelle Traditionen und Freiheiten müssen respektiert werden
· Alltägliche Umgangsformen sind Ausdruck von Respekt
· Unser solidarisches Zusammenleben besteht aus Rechten und Pflichten
Für uns als CSU gehört eine erfolgreiche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund – unabhängig ihrer Herkunft oder Religion – zu den zentralen Aufgaben der Zukunft. Hierbei ist uns wichtig, die in Bayern oder Deutschland geborenen Muslime oder anderer Religionszugehörigkeit auf der Grundlage unseres Rechtsstaates und unserer Werte zu integrieren. Parallelgesellschaften treten wir entschieden entgegen und werden alles daran setzen, diese zu verhindern, um auch künftig ein friedliches Miteinander von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen zu gewährleisten.
Bayerisches Integrationsgesetz – Die Bayerische Staatsregierung hat mit dem Bayerischen Integrationsgesetz, das unter http://www.bayern.de/wp-content/uploads/2016/02/160223_BayIntG_FassungMinisterrat.pdf zur Verfügung steht, erstmals die Leitplanken für gelingende Integration festgelegt. Hierbei sind sieben Punkte zentral:
1.  Das Erlernen der deutschen Sprache
2.  Regelung von Landesleistungen
3.  Eine ausgewogene Siedlungs- und Bewohnerstruktur
4.  Die Achtung unserer Rechts- und Werteordnung
5.  Das Verbot, die verfassungsmäßige Ordnung zu unterlaufen
6.  Eigene Kompetenzen öffentlicher Einrichtungen
7.  Das Gesetz verankert ausdrücklich das Amt des Integrationsbeauftragten und den Bayerischen Integrationsrat.
AfD
Unsere Zeitung war ebenso an den Positionen der AfD zum Thema Islam und den Muslimen in Deutschland interessiert. Die Parteizentrale und das Pressebüro waren jedoch trotz mehrfacher schriftlicher Anfrage zu keiner Stellungnahme bereit.
Derzeit kaum Chancen für muslimische Parteien
Die politischen Parteien in Deutschland nehmen die Muslime durchaus ernst und vertreten bis auf die AfD offizielle Positionen in Bezug auf den Islam und die Muslime in Deutschland. Dies zeigt sich auch daran, dass nahezu alle Parteien einen direkten Ansprechpartner oder einen Beauftragten für Religionsgemeinschaften haben. Das Themenfeld findet überdies Erwähnung in den Parteitags- und Programmbeschlüssen. Des Weiteren engagieren sich muslimische Parteimitglieder und Mandatsträger in speziellen Plattformen und Arbeitsgemeinschaften in ihren jeweiligen Parteien oder parteinahen Stiftungen. Kontakte und Kooperationen mit islamischen Organisationen oder muslimischen Multiplikatoren sind ebenfalls – wenn auch meist nur sporadisch – vorhanden.
Die deutschen Parteien sind sich bewusst, dass sie mit Hilfe der Wahlstimmen von den deutschen Muslimen Urnengänge für sich entscheiden, Koalitionen eingehen oder etwa, was derzeit besonders für die FDP gilt, die Fünf-Prozent-Hürde überwinden können. Muslimische Formationen haben in Deutschland im Moment noch keine Chance, was auch daran liegen mag, dass Politikerinnen und Politiker mit islamischer Identität weitestgehend einen Platz in einer der großen Parteien finden können.
Ob dies auch langfristig bestehen bleibt, wird sich zeigen und liegt auch daran, wie sich die deutschen Parteien in Zukunft gegenüber dem Islam und den Muslimen in Deutschland positionieren. Menschen mit muslimischer Identität können in jeder politischen Partei eine Heimat finden. Sie können dabei behilflich sein, den Horizont bestimmter Parteien positiv mitzugestalten und zu erweitern. Die deutsche Politik braucht noch mehr engagierte Muslime, die unser Land mitformen und verbessern.
Zum Autor: Yasin Baş ist Politologe, Historiker, Autor und freier Journalist. Zuletzt erschienen seine Bücher: „Islam in Deutschland – Deutscher Islam?” sowie „nach-richten: Muslime in den Medien”.