Wie sieht der Jobmarkt bei der Zeitarbeit aus? Zeig mir deinen Arbeitsvertrag und ich sage Dir wer Du bist!. Von Morad Bouras

Ausgabe 201

(iz). Viele Jahre ist es nun her, als Helmut Schelsky noch von einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft sprach. Jenseits von Begrifflichkeiten wie „Schichten“ und ­“Klassen“ ging es Deutschland in diesen Zeit wohl besser denn je. Zwar wurde Schelsky bereits damals für diese Behauptung kritisiert, doch im groben hatte er wohl recht. Eine überaus breite Masse der Deutschen Bevölkerung ging es wunderbar. Und heute?

Wenn Stefan Mustermann heute keinen Job hat, also Jobsuchend ist, geht er ins Job Center der Arbeitsagentur für Arbeit. Dort wird er unter Umständen an eine Zeitarbeitsfirma vermittelt. Die wiederum vermitteln ihn an eine beziehungsweise an mehrere Firmen, auf Zeit. Man kann Stefan Mustermann mieten. Wie größere Maschinen oder ähnliches. So wie Stefan Mustermann geht es vielen Menschen in Deutschland. Die Zahl von „Mietmenschen“ grenzt an eine Millionen. So berichtete es zumindest die Bundesagentur für Arbeit.

Betont wird immer wieder, dass das Ziel der Zeitarbeit den „Mietmenschen“ in einen unbefristeten Vertrag bringen soll. Unbefristet! Für Arbeitgeber scheint dies das Unwort der des letzten Jahrzehnts zu sein. Seit 2012 gibt es für „Mietdachdecker“ und „Mietgebäuderei­niger“ auch einen Mindestlohn. Erneut ist ein Klassen- (pardon) ein Schichtunterschied (oder doch anders herum?) auszumachen. Der Osten hat eine niedrige­re Lohnuntergrenze (pardon), einen niedrigeren Mindestlohn erhalten. 22 Jahre nach der Wende werden immer noch Unterschiede gemacht.

Nicht das so ein Zeitarbeitsvertrag ­genug wäre. Die großen Arbeitgeber Deutschlands haben sich vom Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR), was ganz Besonderes erklären lassen; nun gibt es Werkverträge. Kurz vor der Übernahme eines „Mietmenschen“ in einen unbefristeten Vertrag, wird der Zeitarbeitsfirma eine Kündigung ausgehändigt. Der „Mietmensch“ bekommt von seinem tatsächlichen Arbeitgeber, der Zeitarbeitsfirma, die neue Nachricht ausgehändigt.

Nun ist der Weg frei für einen Werkvertrag. Dieser wird vom Werkbesteller und dem Werkunternehmer geschlossen. Der Werkbesteller also, mietet ­Stefan Mustermann nun von einer etwas anderen Zeitarbeitsfirma. Wieder zeitlich begrenzt. Wieder keine Planungssicherheit für Herrn Mustermann.

Planungssicherheit ist für Stefan Mustermann ein Fremdwort. Er kann sein Leben nicht planen. Zum einen, weil sein Verdienst einfach zu gering ist und er wahrscheinlich beim Sozialamt finanzielle Aufstockung beantragen muss. Und zum anderen, weil seine befristeten Verträge als „Mietmensch“ schlichtweg keine längerfristige Lebensplanung ­zulassen. Wie war das noch Mal: „In keinem ande­ren Land entscheidet die soziale ­Herkunft der Kinder über ihren Bildungserfolg als in Deutschland“? Welche Zukunft ­haben die Kinder Stefan Mustermanns wohl, wenn er solchen Arbeitsbedingungen ausgesetzt ist? Er selbst keine Möglichkeit hat im Berufsleben Fuß zu fassen und aufzusteigen? „Den Mietmenschen“ bleibt jede Karriere verwehrt.

Nein! Die Zeitarbeit ist keine Lösung. Auch wenn Merkel vor kurzem stolz verkündete, dass die Arbeitslosigkeit so niedrig sei, wie zuletzt vor 20 Jahren. Der Schein trügt also. Mindestens eine Millionen „Mietmenschen“ wissen um die Schwierigkeit einen unbefristeten Dienstvertrag zu bekommen.

Die breite Masse der Bevölkerung – unsäglich davon zu sprechen; Geht es nicht wunderbar. In das Gesellschaftsmodell hat man es nun geschafft zwei weitere Felder hinein zu hieven. Ob Klassen oder Schichten, ob Ralf Dahrendorf oder Karl Marx, „Mietmenschen aus Zeitarbeit“ und „Mietmenschen aus Werksverträgen“, haben mittlerweile ihre eigene Bezeichnung in diesen Gesellschaftsmodellen verdient. Ihr Arbeitsvertrag spricht Bände. Ein Dienstvertrag scheint heute ein Statussymbol zu sein. „Hast Du einen, bist Du was.“