,

Yoldas erwartet „staatsmännische Räson“

Foto: Von Christoph Braun, CC0

Als erstes Bundesland hatte Hamburg 2013 einen Vertrag mit islamischen Verbänden geschlossen. Dieser steht nun in der Kritik – auch wegen des Verdachts, dass DITIB-Imame Gegner der Türkei-Regierung bespitzelt haben.
Hamburg (KNA). Der Streit um den 2013 geschlossenen Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den Islamverbänden schlägt in der norddeutschen Metropole immer höhere Wellen. Die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft will ihn auflösen, die CDU-Fraktion „aussetzen“. Die Grünen und die SPD in der Bürgerschaft betonen dagegen die Bedeutung des Dialogs. Und neben den Muslimen selbst melden sich inzwischen auch die anderen Religionen zu Wort. Am Mittwoch wird in der Hamburger Bürgerschaft der FDP-Antrag zur Auflösung des Islam-Vertrags beraten.
Der Antrag war am 18. Januar eingereicht worden. In ihm wird der Senat ersucht zu klären, inwieweit die Verhaltensweisen des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) und anderer Vertragspartner wie der Ditib den Vertragsvereinbarungen entgegenstehen.
Zur Begründung bringt die FDP vor, dass der deutsch-türkische Moschee-Dachverband DITIB im begründeten Verdacht stehe, „eine von der türkischen Regierung gesteuerte Organisation“ zu sein. Sie wirft der DITIB vor, dem türkischen Geheimdienst zuzuarbeiten. Der Vorwurf wird durch Vorgänge in Nordrhein-Westfalen genährt, wo Imame Spitzelberichte verfasst haben sollen, in denen Personen und Institutionen als vermeintliche Mitglieder der Gülen-Bewegung aufgelistet sind. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt.
Dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) wirft die FDP vor, „Instrument der iranischen Staatsführung“ zu sein. Als Teil der Schura, dem Dachverband für 36 Moscheegemeinden und 18 religiösen Vereinigungen, beteilige sich das IZH regelmäßig „an antiisraelischen Demonstrationen in antisemischem Umfeld in Berlin“, so die justizpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Anna von Treuenfels-Frowein. Gemeint ist der Al-Kuds-Tag. Im Iran ist er ein gesetzlicher Feiertag, bei dem regelmäßig auch die Vernichtung Israels gefordert wird. Es sei inakzeptabel, dass die Stadt Vertragsbeziehungen mit Organisationen unterhalte, „die offen verfassungsfeindliche und autoritäre Grundsätze vertreten“.
Die CDU legt dagegen Wert darauf, dass sie nicht die Verträge aufkündigen will, sondern die Vertragspartner auffordert, sich an die Inhalte zu halten. Der Vertrag solle ausgesetzt werden, um die Vertragstreue der muslimischen Verbände zu überprüfen. „Antichristliche und antiwestliche Stimmungsmache und Ausspähen türkischer Organisationen – die Zusammenarbeit mit der Ditib geht so nicht weiter“, ist ihr eigener Antrag überschrieben, der ebenfalls am Mittwoch beraten wird.
Darin wird auch Befremden über ein Bild in sozialen Medien geäußert, das einen muslimischen Mann zeigt, der einen Weihnachtsmann niederschlägt. Unter den Personen, die diese Abbildung zur Weihnachtszeit mit „Gefällt mir“ bewerteten, seien auch zahlreiche Moscheegemeinden und Mitglieder der DITIB zu finden. Solche Aktivitäten müssten Anlass für eine Prüfung sein, ob die Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gegeben seien. Andernfalls müsse der Vertrag mit der Ditib aufgekündigt werden und der Dialog auf neuer Ebene fortgesetzt werden.
Die Schura dagegen verweist auf den hohen symbolischen Gehalt des Vertrags „als Zeichen der institutionellen Anerkennung, Integration und rechtlichen Gleichstellung des Islam“ sowie als „Grundlage zur Mitwirkung an zahlreichen wichtigen Gremien“ der Stadt. Für bedenklich hält es der Schura-Vorsitzende Mustafa Yoldas, dass CDU und FDP neben der AfD eine – mindestens teilweise – Aufkündigung forderten, ohne zuvor das Gespräch gesucht zu haben. Er erwarte von etablierten Parteien „Ruhe, Weltsicht sowie staatsmännische Räson“ und keinen Populismus.
Auch das Interreligiöse Forum, dem evangelische, katholische, muslimische, jüdische, buddhistische, hinduistische und alevitische Glaubensanhänger sowie Mitglieder der Baha’i-Gemeinden angehören, sieht im Vertrag einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog. Die Vereinbarung biete geradezu das Instrumentarium, auftretende Konflikte und Probleme zu bearbeiten und zu lösen. Eine Kündigung sei daher nicht konstruktiv.