Der Grüne Halbmond bietet professionelle Sozial- und Pflegedienste

Ausgabe 187

(iz). Bereits im Jahr 2008 berichteten wir über das Projekt „Grüner Halbmond“ (GHM) in Frankfurt am Main. Damals steckte der muslimische Verein, der verschiedene soziale Dienste anbietet, noch in den Anfängen. Seither hat sich jedoch einiges getan, und der Grüne Halbmond hat in einigen Bereichen mittlerweile seine praktische Arbeit begonnen. Eine solche Arbeit von Muslimen stellt bisher noch ein Novum in Deutschland dar und ist daher sehr bemerkenswert.

Der Anfang wurde freilich durch finanzielle Probleme erschwert. Anders als bei kirchlichen Sozialdiensten beispielsweise gibt es keine Finanzierungsquellen wie etwa die Kirchensteuer. Muslimische Vereine sind dagegen immer auf Spenden angewiesen. So begann auch der Grüne Halbmond zunächst einmal mit ehrenamtlichen Helfern. Begonnen hat man mit Familienberatung, wobei zu deren Aufbau die Hilfe fachlich ausgebildeter, in der Familienberatung tätiger ehrenamtlicher Helfer genutzt werden konnte. Hier berät der Grüne Halbmond zum Beispiel bei Problemen an der Schule, innerhalb der Familie oder zwischen Kindern, Familien und der Schule. Aber auch bei Eheproblemen und beim Thema Scheidung wird man tätig. Zu der gängigen fachlichen Beratung kommt dabei auch eine islamisch-religiöse Beratung zum Tragen, sowie eine rechtliche Beratung, die von einer Rechtsanwältin übernommen wird. Bisher wird die Beratung kostenlos geleistet. Der Grüne Halbmond benötigt jedoch eine bessere Finanzierung, um auch mehr fest angestellte Kräfte einstellen und damit seine Arbeit professionalisieren zu können. Ein weiteres Projekt des Grünen Halbmonds ist die „Lernoase“, wo es um Sprachförderung, Bildung und Nachhilfe für Kinder geht.

Ein wichtiger Bereich ist die Seelsorge. Der GHM-Vorsitzende Moustafa Shahin ist darin selbst tätig und hat dafür vier Ausbildungen absolviert – in Krankenhausseelsorge, Notfallseelsorge, Pastoralpsychologie und Hospizseelsorge. „Zusätzlich dazu haben wir dann unser eigenes, muslimisches Konzept und unsere eigene Ausbildung für die Seelsorge entwickelt“, erzählt Shahin.

Im Jahr 2011 will der GHM nun in Kooperation mit der katholischen und evangelischen Kirche eine eigene Seelsorgerausbildung anbieten. Sie soll im Februar beginnen und im Oktober 2011 mit einer Abschlussprüfung enden. „Die Ausbildung entspricht dem deutschen Standard für Krankenhausseelsorge“, so der Vorsitzende. Das Ausbildungsangebot des Grünen Halbmonds richtet sich in erster Linie an ehrenamtliche Helfer sowie Imame in den Moscheen. Für die Zukunft ist auch Seelsorge und Sterbebegleitung in Hospizen sowie Gefängnisseelsorge geplant, später auch Notfallseelsorge und Telefonseelsorge. Moustafa Shahin selbst ist bereits seit sechs Jahren als Seelsorger und Sterbebegleiter in Frankfurter Krankenhäusern tätig, doch noch ist er dabei allein. Mit der Ausbildung in 2011 möchte man nun zehn neue Seelsorgekräfte hinzugewinnen.

„Uns ist wichtig, auf dem professionellen deutschen Standard zu arbeiten. Daher legen wir bei der Seelsorgerausbildung Wert auf die Kooperation mit der katholischen und evangelischen Kirche im fachlichen Bereich, während wir den islamisch-religiösen Bereich beisteuern“, sagt der GHM-Vorsitzende. Der Begriff Seelsorge sei vielen Muslimen zwar zunächst einmal unbekannt. Der Bedarf sei aber sehr groß, denn natürlich gebe es viele muslimische Patienten in den Krankenhäusern, aber bisher zumeist nur christliche Seelsorger. Der Grüne Halbmond bietet aber auch Pflegedienstleistungen an. Hier arbeitet man derzeit mit neun bezahlten Mitarbeitern, unter denen so gut wie alle relevanten Muttersprachen der hiesigen Muslime vertreten sind. „Die Muslime freuen sich sehr, wenn Pflegepersonal zu ihnen kommt, das ihre Muttersprache spricht und ihre Religion kennt“, sagt Moustafa Shahin.

Die deutsche Muslimin Margit ­Kaplan ist Pflegedienstleiterin des Grünen Halbmonds. Sie ist ausgebildete Altenpflege­rin und Pflegedienstleiterin und arbeitet seit 30 Jahren im Pflegebereich.

Beim Grünen Halbmond führt sie vor allem Beratung zu allen Fragen rund um das Thema Pflege durch, etwa bezüglich sämtlicher Formalitäten, die damit verbunden sind. „Ich berate zum Beispiel Menschen, die mit den Anträgen nicht klarkommen, die ihre Rechte und Ansprüche bei der Pflegeversicherung und den Krankenkassen nicht kennen. Wir stellen den konkreten Pflegebedarf von Patienten fest. Oft wissen Menschen gar nicht, dass sie Pflegebedarf haben oder trauen sich nicht, dies anzusprechen. Wir werden dann beispielsweise von Ärzten angefragt und gehen dann von uns aus zu den Leuten.“ Die erbrachten Leistungen entsprechen denen, wie andere Pflegedienste sie auch erbringen, wie auch die Abrechnungsarten, wo man mit den Krankenkassen oder gegebenenfalls mit dem Sozialamt zusammenarbeitet.

Aber es gibt auch Besonderheiten. „Wenn wir sehen, dass es einen erhöhten Betreuungsbedarf gibt, den wir seitens der Pflege nicht ableisten können, dann organisieren wir ehrenamtliche Mitarbeiter von uns, die dies dann übernehmen, zum Beispiel den Qur’an zu rezitieren, Gespräche zu führen oder Seelsorge zu machen“, erzählt Frau Kaplan. „Es ist schon eine spannende Aufgabe, einen solchen Pflegedienst für Muslime zu machen.“ Für die Zukunft würde der Grüne Halbmond gern ein Alten- und Pflegeheim aufbauen, und als Zwischenschritt dazu erst einmal Räumlichkeiten für eine Tagespflege einrichten, wo Menschen gemeinsam betreut werden ­können, damit sie tagsüber nicht allein sind.

Derzeit ist der Grüne Halbmond noch weiterhin damit beschäftigt, sich unter den Muslimen weiter bekannt zu machen. Denn noch immer komme es vor, dass man von Arztpraxen gerufen und auf pflegebedürftige Muslime aufmerksam gemacht werde, statt dass diese sich selbst meldeten. „Man erlebt dort auch viele traurige Geschichten von Menschen, die sehr hilfsbedürftig sind, und keiner das bemerkt“, sagt Margit Kaplan. Sie stellt den Grünen Halbmond auch an den Krankenhäusern vor. Bei ihrer Arbeit kommen ihr ihre zahlreichen Kontakte zu Krankenhäusern und im Pflegebereich zugute.

Beim Grünen Halbmond sind etwa ein Drittel der Mitarbeiter keine Muslime. Und natürlich kümmert sich der Grüne Halbmond auch um nichtmuslimische Patienten.

„Wir sehen unsere Arbeit auch als ein Zeichen für eine gelungene Integration der Muslime. Denn wenn Muslime in der deutschen Gesellschaft wirklich integriert sind, dann haben sie auch eine soziale Infrastruktur aufgebaut“, meint Moustafa Shahin.

Webseite: http://ghmev.de
Spendenkonto: Grüner Halbmond, Commerzbank Frankfurt, Kontonummer: 0148481300, Bankleitzahl: 50080000