Zur Jugend-Studie: IZ-Gespräch mit Prof. Wolfgang Frindte

Ausgabe 202

(iz). Direkt nach Bekanntwerden der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ entbrannte die Debatte. Wie bereits zuvor bildeten sich schnell die Gräben zwischen Kritikern und Befürwortern. Wie bereits am 1. März deutlich wurde, ging es den Forschern nicht um Verallgemeinerungen, vor der sie explizit warnten. Sie erklärten, dass die von ihnen befragten Mitglieder der muslimischen Community in Deutschland keine homogene Masse darstellten. Hierzu sprachen wir mit Prof. Dr. Wolfgang Frindte. Er arbeitet am Institut für Kommunikationsforschung der Friedrich-Schiller-Universität zu Jena.

Islamische Zeitung: War die Art, wie die Jugend-Studie bekannt wurde, nicht etwas seltsam? Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Ja, sehr seltsam. Ich denke, dass es mit einer besseren Logistik möglich gewesen wäre, dass wir – die an der Studie beteiligten Wissenschaftler und ihr Auftraggeber – die positiven Ergebnisse dieser Studie hätten besser an die Öffentlichkeit bringen können. Sowohl bei den anonymen Interviews, als auch bei den Interviews, bei den Fokusgruppen und bei den Mehrgenerationengesprächen sind wir mit den Muslimen gewissermaßen einen Kooperationsvertrag eingegangen. Dieser ­beruht auf Vertrauen und auf Verantwortung. Und zwar beidseitig.

Islamische Zeitung: Haben sie das Gefühl, dass die politisch-mediale Zone ihre Arbeit benutzt?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Dazu kann ich eigentlich wenig sagen. Journa­listen – das ist ihr gutes Recht und ihre Kompetenz – suchen sich das aus einem sehr komplexen Informationsangebot heraus, was sie für wichtig halten. Diese Auswahlkriterien liegen auf der Seite der Journalisten. Bei ihnen, beim Boulevard, bei den Qualitätszeitschriften und bei anderen Medien. Ich bin froh, dass die Medien sich ab gestern Nachmittag [1. März] große Mühe gegeben haben, sogar in die 750-760 Seiten lange Studie hineinzuschauen, um doch festzustellen, dass dort mehr drinsteckt. Da muss ich sagen, dass ich den verantwortungsvollen Journalisten, zu denen ich sie auch zähle, sehr dankbar bin.

Islamische Zeitung: Sind muslimische Jugendliche problematischer als vergleichbare, nichtmuslimische Altersgenossen?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Das kann ich zunächst einmal auf der Basis unserer Ergebnisse nicht sagen. Nehmen wir einmal diese Zahl, die auch durch die Presse ging: 15 Prozent der deutschen Muslime, 24 Prozent der nichtdeutschen Muslime gehören sozusagen zu dieser problematischen Gruppe. Seit zehn Jahren gibt es die Zahlen zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit vom Kollegen Heitmeyer.

Da weiß man seit eini­gen Jahren, dass sich das, was die Bielefelder als „Islamfeindlichkeit“ erforschen, in der Gesamtbevölkerung um die 20 bis 25 Prozent aufhält. Diese „Islamfeindlichkeit“ zeigt sich, wenn diese 20 bis 25 Prozent der Deutschen keine ­Muslime in ihrer Nachbarschaft haben wollen oder die Zuwanderung von Muslimen unter­sagt werden sollte. Vergleicht man dies mit unseren Befunden, dann haben wir an den Rändern der Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Minderheit ein problematisches Feld, dass sich wechselseitig aufschaukeln kann.

Islamische Zeitung: Was wäre ­nötig, um die Debatte auf eine sachliche Ebene zu heben?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Ich war schon etwas enttäuscht darüber, dass Politiker und Politikerinnen aus ganz unter­schiedlichen Parteien die Studie ablehnten. Ich dachte mir: Die konnten sie doch noch gar nicht gelesen haben. Sie ­haben sich nur die vorab veröffentlichte Meldung bezogen.

Wir haben die Studie vorrangig im Auftrage der Politik verfasst. Ich würde mir wünschen, dass sich die Politiker und Politikerinnen inhaltlich mit den Ergeb­nissen unserer Studie auseinandersetzen. Am Ende des Berichts haben wir Vorschläge formuliert. Ich gebe gerne zu: Das sind Vorschläge für die Politik, die von naiven Wissenschaftlern formuliert wurden. Man kann unsere Lösungsvorschläge in Frage stellen oder neue formu­lieren, aber ich würde mir wünschen, dass sich erst einmal mit den ­Ergebnissen und der Vorgehensweise der Studie befasst wird.

Islamische Zeitung: Haben sie einen Rat für die Muslime, wie sie mit den Ergebnissen der Studie umgehen ­sollen?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Der größte Teil derjenigen, die es betrifft, und die es zur Kenntnis genommen haben, sagen sich offenbar: Mag sein, dass es das gibt, aber auf mich trifft das nicht zu. Ich gestalte mein Leben nach ­meinen Vorstellungen oder nach denen meiner Gemeinschaft. Das ist auch gut so.

Islamische Zeitung: Lieber Prof. Dr. Frindte, vielen Dank für das Gespräch!