Zwischen Mangel und Untergang

Ausgabe 255

Foto: Modern Event Preparedness | Lizenz: CC >a href=https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/>BY 2.0

(KNA). Afrika fällt vielen Menschen wohl zuerst ein, wenn es um Wassermangel geht. Die Ressource ist aber auch in anderen Weltregionen knapp. Forscher sehen darin einen Brandbeschleuniger für Konflikte im arabischen Raum.
Dürren in Afrika, Überschwemmungen in Asien: Davon ist immer wieder zu lesen. Wasser ist jedoch weltweit ein kostbares Gut. 750 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, Ende des Jahrhunderts könnten es nach aktuellen Prognosen zwei Milliarden sein. Laut einem Bericht des Magazins „Science Advances“ leiden weltweit vier Milliarden Menschen mindestens in einem Monat des Jahres unter Wasserknappheit.
Der diesjährige Weltrisikobericht des Weltwirtschaftsforums nannte die Wasserkrise im Frühjahr eine der größten Gefahren des kommenden Jahrzehnts. Auf die Zusammenhänge zwischen Wasserknappheit und Fluchtbewegungen haben Wissenschaftler wiederholt hingewiesen. Und auch auf wirtschaftlicher Ebene ist Wassermangel eine Bedrohung, warnte unlängst die Unesco: Er könnte in den kommenden Jahren zur Stagnation des Wachstums und zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.
Durch Bevölkerungswachstum, Klimawandel und steigende Lebensstandards wächst zugleich jedoch der Druck auf die Süßwasservorräte, so die Unesco: „Wassermangel ist aufgrund dieser Entwicklungen eine akute Bedrohung. Eine neue Ressourcennutzung ist erforderlich, beispielsweise durch das Recyclen von Abwässern oder eine bessere Regenwassernutzung“, mahnt die UN-Kulturorganisation.
Für Europa mag der Kampf ums Wasser noch weit weg scheinen. In arabischen Ländern wird er bereits geführt: Dort trägt die Wasserknappheit nach Einschätzung des Geoforschers Brahma Chellaney zum „Kreislauf der Gewalt“ bei. So sei eine Wasserkrise ein entscheidender Auslöser für den Arabischen Frühling gewesen, schreibt er kürzlich in der „Welt“; Saudi-Arabien und Jordanien lieferten sich einen Wettlauf um ein Wasserreservoir.
Die Situation verschärfe sich durch Bevölkerungswachstum und die Zerstörung von Ökosystemen. Höhere Subventionen für Wasser vergrößerten die ökologischen Herausforderungen noch – Chellaney nennt die Situation einen Teufelskreis.
Es sei aber durchaus möglich, einige Ursachen zu bekämpfen, erklärt der indische Wissenschaftler. So müssten die betroffenen Länder die Produktion wasserintensiver Früchte beenden. Auch brauche es eine bessere Wasserinfrastruktur und ein besseres Wassermanagement. Reichere und stabilere Staaten wie Saudi-Arabien, Katar und Kuwait könnten Vorreiter werden, meint der Experte. Langfristig müssten jedoch alle Länder der Region mitziehen: „Anderenfalls wird die Wassernot nur noch schlimmer – und die damit einhergehenden inneren Unruhen.“
Doch teils wird der Kampf ums Wasser mit voller Absicht verschärft. In Syrien und im Irak hat die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) strategisch bedeutsame Wasserressourcen und weite Teile der Wasser-Infrastruktur unter ihre Kontrolle gebracht. Zeitweise haben die Terroristen bereits einzelne Städte von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten oder aber mit gezielten Überflutungen ganze Ernte- und Nutztierbestände vernichtet. Nach Expertenmeinung verschlimmert sich die Lage durch die Weigerung der syrischen Regierung, in Wasser-Infrastruktur zu investieren.
Wasser wurde in der Geschichte immer wieder als Waffe eingesetzt; dies sei jedoch stets die Ultima Ratio gewesen, sagt der Nahost-Experte Tobias von Lossow. Seit der Verabschiedung der Genfer Konvention sei diese Waffe sogar fast verschwunden, „oder die Akteure haben sich zumindest nicht mit ihrem Einsatz gebrüstet“. Nun erfahre die systematische Instrumentalisierung von Wasser eine Renaissance, so der Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Greifbar wird die Bedrohung auch für Europa, wenn von Lossow über eine weitere Möglichkeit spricht, Wasser als Waffe einzusetzen: durch Verunreinigung oder Vergiftung. Aus mehreren Orten in Nahost gab es bereits Berichte über vergiftetes Trinkwasser, und der IS hält seine Anhänger dazu an, dem Beispiel andernorts zu folgen. Ein Anschlag auf die Wasserversorgung der kosovarischen Hauptstadt Pristina konnte im vergangenen Sommer nur knapp verhindert werden. Auch eine Dammsprengung oder die Öffnung aller Schleusen sei denkbar, so von Lossow: „Dann droht ein sprichwörtlicher Untergang der betroffenen Regionen.“