Zwischen Syrien und „neuem Kalten Krieg“: Analyse von Dawud Stewart Hurrell über die Verbindung von Dollar, Erdöl und Geopolitik

(geopolitics.ca.za). Es ist sehr interessant, wie der Nahe Osten in der Lage ist, die Aufmerksamkeit der Vereinigten Staaten auf sich zu ziehen. Wie ein Bär mit den Pfoten im Honig findet sich Amerika ständig in einem Sandsturm aus Ereignissen und Intrigen, bei denen kein Ende in Sicht ist. Ein Teil dieser Geschichte beinhaltet Öl und, natürlich, auch Israel ist wichtig. Selbiges gilt für das regionale Machtgleichgewicht, dass den Honig darstellt, auf den die USA abzielen.

Während die regionale Geografie nicht viel mehr in Hinsicht der Verteilung von Menschen und Material nahelegt – abgesehen von dem, was unter der Erde ist -, lässt sich sagen, dass die Zukunft Amerikas mit dem Geschick der OPEC verbunden ist. Der US-Dollar, ein Symbol für Macht und Prestige, hat seit 1913 rund 95 Prozent seines Wertes verloren. Inflation ist bekanntlich ein normaler Bestandteil des abnormalen Finanzinstruments namens Papiergeld. Und doch ist die Fähigkeit dieser Währung, trotzdem die gefragteste der Welt zu bleiben, beeindruckend.

Unter dem Treibsand Arabiens verläuft die Lebensader des untergehenden Dollars, was auch erklärt, warum in Afghanistan und den Irak – anstatt Saudi-Arabien – einmarschiert wurde. Und das, obwohl die Mehrheit der mutmaßlichen Attentäter vom 11.9.2001 Saudis waren. Früher war der Dollar durch Gold gedeckt, heute durch Rohöl. Die Staaten brauchen dies, was bedeutet, dass sie Dollars brauchen, um es zu kaufen. Die in Dollar bewertete Ressource ist der Schlüssel zur Fähigkeit der Vereinigten Staaten, ihr massives Außenhandels- und Staatsdefizit aufrechtzuerhalten, Flugzeugträger zu bauen und Männer auf den Mond zu schicken.

Ohne diese Verbindung, die mehrheitlich von dem wichtigsten OPEC-Mitglied Saudi-Arabien getragen wird, verliert die Supermacht USA ihre vorteilhafte finanzielle Basis und wird zu einem Schatten ihres heutigen Selbst. Das Dollar-für-Erdöl-Arrangement aus den frühen 1970er Jahren erlaubte es Washington, eine massive Schuldenlast zu (er)tragen. Dieses ist Teil einer weiteren „Finanzarchitektur“, die während des Kalten Kriegs und der 1990er aufgebaut wurde. Die Globalisierung blies weiteres Leben in die maßlosen Privilegien, an denen sich die USA erfreuen und die politisch als Fortsetzung der Macht ihrer Unternehmen in aller Welt gelten müssen. Nicht im verengten linken Sinne, sondern als Teil eines ganzheitlichen Ausdrucks von Macht, die auch eine diplomatische, kulturelle und militärische Dimension hat.

Während die US-Geostrategie im Nahen Osten seit Ende des 2. Weltkrieges dazu dient, auswärtige Mächte oder feindliche Regionalmächte an der Einflussnahme zu hindern, müssen die Ereignisse des „Krieges gegen den Terror“ in einem anderen Licht gesehen werden. Der Irak stand – wie die gebildeten Massen wissen – kurz vor dem Start von Atomraketen gegen die USA oder ihre Verbündeten. Mr. Bush erklärte auch, dass der Irak etwas mit dem 11.9.2001 zu tun gehabt hatte. Obwohl er niemals sagen konnte, wie genau diese Verbindung aussah, machte er uns die Schwere der Lage verständlich, indem er das US-Militär entsandte, um Saddam zu stürzen und den baathistischen Staat in ein Leuchtfeuer der Demokratie zu verwandeln.

Das entstandene Chaos sah die Ankunft – via Iran – von irakischen Exilpolitikern, die augenblicklich nach Demokratie und amerikanischer Hilfe schrieen. Demokratie hat für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedeutungen: Die antiken Athener würden Amerika ohne Zweifel als einen oligarchischen Staat wie weiland Sparta beschreiben. So demokratisch und barbarisch wie die Perser, die nun den Irak mit Hilfe ihrer Stellvertreter dominieren.

Die Auflösung der traditionell sunnitisch-säkularen (baathistischen) Kontrolle des Irak führte dazu, dass das Land eine dominante, schiitische Identität erhielt. Während die Kurden im Norden ihren kompromisslosen Nationalismus fortführten, mussten die sunnitischen Muslime eine zweitrangige Rolle im Staat akzeptieren. Diese Erschütterung des religiösen Machtgleichgewichts zugunsten des Iran, die Bagdad in dessen Machtbereich band, verstärkte die Vorstellung (und folgende Antwort auf) eines „schiitischen Halbmonds“. Er erstreckt sich demnach durch die Region – von Teheran, über Bagdad und Damaskus bis Beirut und Gaza. Jenes strategische Missgeschick ist entweder die Folge einer amerikanischen Panne oder ein kalkulierter Schritt, um ein neues, regionales Machtgleichgewicht zu schaffen.

Ohne eine große Macht zum Ausgleich des amerikanischen Einflusses – den Russen fehlt es an Nachwuchs und China muss Geld machen – folgt daraus, dass die USA absolute Kontrolle über die verfügbaren strategischen Optionen für alle Figuren auf diesem etwas weniger als großartigen Schachbrett haben. Trotzdem haben sie keine absolute Kontrolle der Ereignisse und müssen so die Konsequenzen ihrer Politik sehr vorsichtig bewältigen.

Betrachten wir die gestärkte Position Teherans: Die arabischen Monarchien fürchten sich ernsthaft vor den iranischen Fähigkeiten zur Machtprojektion – entweder verdeckt, durch die Unterstützung lokaler schiitischer Bevölkerungsanteile, oder offen, im militärischen Sinne, durch die Revolutionsgarden. Die größtmögliche strategische Bedrohung wäre eine Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen, sobald der Iran die Kapazität entwickelt hat, Strom mit einem Nuklearreaktor zu erzeugen. Dies ist nur ein kleiner Schritt, vorausgesetzt die Iraner haben die Geheiminformationen und das Know-how, das sie vermutlich nicht besitzen. Ihr intellektueller, wirtschaftlicher und technologischer Output ist hier vernachlässigenswert.

Unabhängig davon ist die Wahrnehmung oft entscheidender als die Realität. Die Wahrnehmung des iranischen Einflusses war stark genug, um die Saudis zu veranlassen, 60 Milliarden US-Dollars für überholte F-15's und andere Waffensysteme zu berappen, von denen sie hoffen, dass diese Teheran ängstigen. Die Unfähigkeit der saudischen Marine, einen Erdöltanker von Aramco aus den Klauen somalischer Piraten zu retten, legt den Schluss nahe, dass der Besitz der Mittel nicht notwendigerweise den Willen für ihren Einsatz beinhaltet. In dieser Hinsicht schuf der Fall Bagdads und die Stärkung des schiitischen Halbmonds eine neue strategische Dynamik in der Region. Ein neuer Kalter Krieg, wenn man so will, zwischen dem nördlichen Streifen schiitischer Alliierter und einer arabisch geführten, sunnitischen Region.

Die Feindeslinien sind jedoch nicht so eindeutig. So könnte es in der Zukunft sein, dass ein irakische Nationalismus über die schiitische Brüderschaft dominiert. Dieser Kalte Krieg, bei dem die reichen, arabischen Staaten im Süden des Halbmonds militärische Ausrüstung hamstern und neue Verbündete suchen, könnte sein erstes Opfer finden, sollte das rücksichtslose Assad-Regime in Syrien fallen – ein schwerer Schlag für den Iran. Dies wäre eine Sieg für den „sunnitischen Block“, da ein neue syrische Regierung im Gegensatz zum schiitisch-alawitischen Regime von Bashar al Assad und seinen Henkern sunnitisch sein wird. Dies liegt in ihrer überwältigenden demographischen Mehrheit, sollte ihr Wille nach politischem Zugang nicht verschwinden.

Die jüngste Offensive der türkischen Diplomatie im Nahen Osten stellt ebenfalls eine neue und bedenkenswerte Entwicklung dar. Die Weigerung Ankaras, einem nuklearen Israel diplomatische Gebietsgewinne zu überlassen, brachte den Türken viel Unterstützung und Respekt ein. Ankara – die größte Macht im Nahen Osten mit der zweitgrößten NATO-Armee – erfindet sich als neuer, mächtiger Staat. Die Verfolgung ihres nationalen Interesses führt aber gelegentlich zu Streitigkeiten mit der USA oder der EU.

Die unabhängige Haltung der Türkei angesichts der iranischen Nuklearfrage, aber auch ihr Druck auf Syrien (wozu auch die Androhung einer Intervention im Norden des Landes gehört), ist Teil der so genannten „neo-osmanischen Außenpolitik“; sie erinnert an geostrategische Traditionen des ehemaligen Imperiums. Die ungelöste israelisch-palästinensische Frage könnte sich in der Zukunft drastisch ändern, sollte sich ein strategischer Dialog zwischen der Türkei und Syrien entwickeln, wenn Assad weg ist. Der Libanon würde dann ebenfalls in die neo-osmanische Einflusssphäre einbezogen werden.

Die Ereignisse können sie natürlich anders entfalten, da zukünftige Geschehnisse niemals einer rationalen Flugbahn folgen. Vielleicht wird ein israelischer Angriff auf die iranische Nuklearinfrastruktur einen Strudel der regionalen Instabilität schaffen. Dies würde jegliche effektive und stabilisierende Macht beschneiden und die Arena für jeden eröffnen, der die Macht und das Interesse hat, die Verhältnisse nach eigenen Wünschen zu gestalten.